O welche Lust - Beethovens Fidelio

  • Kurt Fischer


    Interessant ist, daß aus heutiger Sicht fast immer Florestans Schicksal auf das der anderen Gefangenen projiziiert wird:


    Florestan mag ein lauterer Charakter sein - der "nur" die Wahrheit gesagt haben will - In der Arie von Pizarro hört sich das ein wenig anders an: ---"nun ist es mir geworden - den Mörder selbst zu morden ..." das kling schon ein wenig anders. Pizatrro ist in jenem Moment völlig ausser sich - also sagt er die Wahrheit.


    Aber selbst wenn Florestan unschuldig sein sillte - und lediglich aus Willkür festgehalten wird -was wissen wir über die anderen Gefangenen - die da wie die wie die Unschuldsengel in Person "O welche Lust" singen , nachdem Rocco si an die frische Luft gelassen hat.
    Rein gar nichts. Sie sind politische Gefangene - das wird angedeutet - mehr nicht. Politische Gefangene müssen aber nicht a priori Unschuldsengel sein. Vielleicht haben sie einen Umsturz versucht - vielleich gemordet - Wir wissen es nicht.


    Ihnen gegenüber hat sich Rocco mehr als großzügig verhalten - ja er hat sogar den Zorn des Gouverneurs riskiert (klingt bei der Stelle "Des Königs Namensfest ist heute" an...) uns somit vielleich sogar Kopf und Kragen. Schließlich - und das wollen wir in diesem Zusammenhang nicht vergessen - befinden wir uns im 18. Jahrhundert....


    Aus dem Blickwinkel der damaligen Zeit ist Rocco ein Muster an Zivilcourage ....


    Freundliche Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo,


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt

    Florestan mag ein lauterer Charakter sein - der "nur" die Wahrheit gesagt haben will - In der Arie von Pizarro hört sich das ein wenig anders an: ---"nun ist es mir geworden - den Mörder selbst zu morden ..." das kling schon ein wenig anders. Pizatrro ist in jenem Moment völlig ausser sich - also sagt er die Wahrheit.


    Nun, zumindest die subjektive Wahrheit. Seine Gefühle, also vor allem Hass und Angst, nehme ich ihm durchaus ab, ich zweifle aber ehrlich gesagt daran, dass sie besonders edel sind. Diese Ansicht kann ich natürlich im Grunde nur auf Indizien stützen. Ich sehe diesen Pizarro als einen ziemlich üblen Typen, der einigen Dreck am Stecken haben muss und sich dessen wohl auch bewusst ist. Zumindest hält er unrechtmäßig Don Florestan, den Freund des Ministers, gefangen und will ihn deshalb nach einer Warnung noch schnell verschwinden lassen.


    Es besteht nun natürlich rein theoretisch die Möglichkeit, dass er im Grunde ein gesetzestreuer Gefängnisdirektor ist und die Sache mit Florestan nur ein Ausrutscher, ich zweifle aber aufgrund des Gesamtzusammenhanges daran. Offensichtlich ist er nicht nur als streng bekannt, sondern auch als unbeherrscht und gewalttätig:"Ihr wisst ja wie er tobet, kennet seine Wut..."


    Die Stelle mit dem gemordeten "Mörder" deute ich so: "Florestan will mir ans Leder(mich morden), aber ich drehe den Spieß um, bevor er mir gefährlich werden kann!"


    Ich sehe es so, dass Florestan ihm bei einer krummen Sache auf die Schliche gekommen ist und er ihn nun beseitigen muss, um zu verhindern, dass man ihn entlarvt. Ich weiß nicht, inwieweit Rocco davon etwas mitbekommen hat, kann mir aber kaum vorstellen, dass er absolut ahnungslos ist. Vermutlich ahnt er, wenn er es wirklich noch nicht weiß, dass Pizarro ein Verbrecher ist, sieht sich ihm gegenüber aber zur Loyalität und zum Gehorsam verpflichtet.


    Zitat


    Aber selbst wenn Florestan unschuldig sein sillte - und lediglich aus Willkür festgehalten wird -was wissen wir über die anderen Gefangenen - die da wie die wie die Unschuldsengel in Person "O welche Lust" singen , nachdem Rocco si an die frische Luft gelassen hat.
    Rein gar nichts. Sie sind politische Gefangene - das wird angedeutet - mehr nicht. Politische Gefangene müssen aber nicht a priori Unschuldsengel sein. Vielleicht haben sie einen Umsturz versucht - vielleich gemordet - Wir wissen es nicht.


    Über diese Gefangenen wissen wir in der Tat wenig, außer dass es sich um die "leichteren" Fälle handelt, sie haben also mit Sicherheit nichts wirklich Gravierendes auf dem Kerbholz. Wenn ich mich recht entsinne, bringt der Minister ja auch so etwas wie eine Amnestie für die Gefangenen mit("Es sucht der Bruder seine Brüder...") und ist gar nicht speziell wegen Florestan gekommen, den er ja für tot glaubt.(...der Totgeglaubte, der Edle, der für Wahrheit stritt..."


    Dies spricht in meinen Augen dafür, dass es sich bei den übrigen Gefangenen wohl kaum um Schwerverbrecher handeln kann, zumindest betrachtet der Minister sie nicht als solche. Was natürlich nicht viel zu besagen hat. ;)

    Zitat


    Ihnen gegenüber hat sich Rocco mehr als großzügig verhalten - ja er hat sogar den Zorn des Gouverneurs riskiert (klingt bei der Stelle "Des Königs Namensfest ist heute" an...) uns somit vielleich sogar Kopf und Kragen. Schließlich - und das wollen wir in diesem Zusammenhang nicht vergessen - befinden wir uns im 18. Jahrhundert....


    Schon richtig, aber bitte vergessen wir nicht, dass er die Gefangenen erst auf Drängen von Leonore und seiner Tochter aus dem Kerker lässt. Er lässt sich da also durchaus beeinflussen, wird aber nicht von selbst aktiv. Ich mache ihm das auch gar nicht zum Vorwurf, offensichtlich ist er derjenige, der gegenüber Pizarro letztlich den Kopf hinhalten und dessen Wut ausbaden muss. Er ist mir auch überhaupt nicht unsympathisch, ich schrieb ja schon, dass ich ihn für den menschlichsten Darsteller halte, weil er eben mit sich kämpft und im Grunde ein guter Kerl ist. Aber er ist eben auch ein typischer Untertan, der als solcher die Untaten des Tyrannen mit ermöglicht, und ich denke, das ist ihm auch durchaus bewusst.


    Seine Erleichterung am Schluss erkläre ich mir genau mit dem schlechten Gewissen, das aus dem Bewusstsein des eigenen Anteils am Geschehen herrührt. Und es gibt eine Szene, in der er mir weniger sympathischer erscheint, nämlich dann, als der Trompetenruf bereits erschallt ist und Jaquino die Treppe herunterstürzt, um die Ankunft des Ministers anzukündigen:"...Und Leute mit Fackeln sollen heruntersteigen und den Herrn Minister hinaufbegleiten..."


    Da liegen dann auf einmal Triumph und vollste Verachtung in diesem "Herr Minister", so als stehe der "Herr" in Anführungszeichen. Weg ist all die Loyalität, da ist nur noch Verachtung für den Verbrecher und Erleichterung. Dies ist für mich aber nur dann plausibel, wenn er bereits vorher dieser Überzeugung war, sich aber nicht traute, sie laut zu äußern und danach zu handeln.


    Alles menschlich, wie schon erwähnt, aber weit weg von wirklich integerem oder gar "heldenhaftem" Verhalten. Rocco bleibt in meinen Augen eine zwiegespaltene und auch zwiespältige Persönlichkeit, er ist im Grunde seines Herzens bestimmt nicht schlecht und möchte auch gerne gut sein, ist es letzten Endes aber nur mit Glück und Ladehemmung.


    Ich weiß auch nicht, warum mir jetzt Leporello in den Sinn kommt, in gewisser Weise ist das ja auch ein Möchtegern, der irgendwie zwischen den Lagern steht und sich nur mit viel Gück am Schluss auf der Seite der "Sieger" findet.


    Zitat


    Aus dem Blickwinkel der damaligen Zeit ist Rocco ein Muster an Zivilcourage ....


    Sicher, die Auffassungen über Autorität, Obrigkeit, Gehorsam und dergleichen waren damals etwas anders als heute. Allerdings gab es schon im alten Rom Christen, die bereit waren, für ihre Überzeugung und ihren Glauben in die Arena zu marschieren, den sicheren Tod vor Augen. Diese letzte Entschlossenheit geht Rocco eindeutig ab, zum Revolutionär oder gar Märtyrer ist er jedenfalls nicht geboren. Ein kreuzbraver Kerl von biederem Gemüt, aber sicher keine Lichtgestalt, an eine solche werden nämlich zumindest in der Oper andere Anforderungen gestellt. ;)


    Kurt, der nach wie vor Beethovens Musik für das Wichtigste in dieser Oper hält ;)

  • Zitat

    Ich weiß auch nicht, warum mir jetzt Leporello in den Sinn kommt, in gewisser Weise ist das ja auch ein Möchtegern, der irgendwie zwischen den Lagern steht und sich nur mit viel Gück am Schluss auf der Seite der "Sieger" findet.


    Genau der ist mir auch immer wieder in den Sinn gekommen, sowohl beim Schreiben meines Beitrags, als auch beim Lesen des deinen.
    ich finde es übrigens ganz toll (auch wenn man sich andernorts wieder die Mäuler drüber zerreissen wird) wie wir hier Opernfiguren und ihr Verhalten bis ins Detail zergliedern - man erlebt dann das Werk intensiver.


    Und nun Lieber Kurt Soltest Du Dir im Profil einen Avatar aussuchen (der zu Dir passt, und den noch niemand benutzt) damit Du auch optisch unverwechselbar im Forum bist - mit eigenem Logo


    LG


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Den "Herrn Gouverneur" (der die längste Zeit ein solcher gewesen ist), aber hier stimme ich deinem Eindruck völlig zu.


    Zitat


    Alles menschlich, wie schon erwähnt, aber weit weg von wirklich integerem oder gar "heldenhaftem" Verhalten. Rocco bleibt in meinen Augen eine zwiegespaltene und auch zwiespältige Persönlichkeit, er ist im Grunde seines Herzens bestimmt nicht schlecht und möchte auch gerne gut sein, ist es letzten Endes aber nur mit Glück und Ladehemmung.



    Sicher, die Auffassungen über Autorität, Obrigkeit, Gehorsam und dergleichen waren damals etwas anders als heute. Allerdings gab es schon im alten Rom Christen, die bereit waren, für ihre Überzeugung und ihren Glauben in die Arena zu marschieren, den sicheren Tod vor Augen. Diese letzte Entschlossenheit geht Rocco eindeutig ab, zum Revolutionär oder gar Märtyrer ist er jedenfalls nicht geboren. Ein kreuzbraver Kerl von biederem Gemüt, aber sicher keine Lichtgestalt, an eine solche werden nämlich zumindest in der Oper andere Anforderungen gestellt. ;)


    Ich sehe Rocco, vielleicht noch stärker als Du als einen zwiespältigen Charakter. Er wagt tatsächlich nur auf Leonores Bitten gegen Pizarros Befehl die Gefangenen in den Hof zu lassen. Zwar betont er "Ich tu, was meine Pflicht gebeut, doch hass' ich alle Grausamkeit", aber er hat niemals versucht, gegen die Isolationshaft und das langsame Verhungern Florestans etwa zu tun, und ist auch noch ziemlich feige, als Leonore später im Kerker dem Gefangen einen Kanten Brot geben will. Sein Gewissen versucht er damit zu beruhigen, dass der Tod die einzige mögliche Erlösung für Florestans Leiden ist. Obwohl er ahnt, dass Florestan vielleicht nur, weil er "mächtige Feinde" hat gefangen liegt. Andererseits nimmt er Leonore immerhin mit und weigert sich den Mord selbst zu begehen.


    In dem mehrfachen Auftreten des Begriffs "Pflicht" zeigt sich sehr schön ein Wandel hin zu einer modernen Auffassung von Autorität und Obrigkeit: Rocco hat noch ein unaufgeklärtes Verständnis von Pflicht, nämlich seine bloße Dienstpflicht und Gehorsam gegenüber Pizarro. Leonore und Florestan haben dagegen ein kantisches Verständnis moralischer Pflicht. Florestan verlangt keinen Lohn und erträgt die Gefangenschaft im Bewußtsein, seine Pflicht getan zu haben (was sich selbst Lohn genug ist). Leonore handelt nicht nur aus der Pflicht der treuen Gattenliebe, sondern im Kerker entscheidet sie, den Gefangenen auf jeden Fall zu retten (Wer Du auch seist, ich will dich retten), sie befolgt eine allgemeine Pflicht gegenüber dem Mitmenschen.
    Natürlich sind Florestan und Leonore stark idealisierte Gestalten und der zwischen Gehorsam, Mitläufertum, eigenem Vorteil und Mitleid schwankende Rocco vermutlich realistischer. Aber wie Du schon sagtest, wir sind schließlich in der Oper und in einem Plädoyer für Freiheit und Menschlichkeit in Zeiten zwischen absolutistischer Willkür, Tugendterror und reaktionärer Spitzelei...


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Hallo,


    Zitat

    Original von Alfred_Schmidt

    ich finde es übrigens ganz toll (auch wenn man sich andernorts wieder die Mäuler drüber zerreissen wird) wie wir hier Opernfiguren und ihr Verhalten bis ins Detail zergliedern - man erlebt dann das Werk intensiver.


    Das finde ich auch und ist ja auch ein Grund, warum ich hier mitdiskutiere. ;)


    Ich habe den Eindruck, dass gerade bei den scheinbar bekannten und vertrauten Werken die Gefahr besteht, dass man gar nicht mehr richtig hinhört und hinsieht, im (Irr-)Glauben, das Werk durch und durch zu kennen und gar nicht mehr weiter drüber nachdenken zu müssen.


    Die erste Begegnung mit Fidelio dürfte ich im Musikunterricht auf dem Gymnasium gehabt haben und in den folgenden 35 Jahren bis heute zählte das Werk zu meinen absoluten Lieblingsopern. Dennoch musste ich im Libretto nachlesen, wer denn nun genau Rocco aufgefordert hatte, den Gefangenen Hofgang zu gewähren und ob er dem Gefangenen die paar Schluck Wein aus freien Stücken gewährte.(Er tat es).


    Und durch den Hinweis von Johannes wurde mir zum ersten Mal so recht bewusst, dass Leonore sich angesichts des Leides des Gefangenen entschließt, ihn auf jeden Fall zu retten, das muss ich bisher immer irgendwie überhört/überlesen haben. Dabei ist gerade dieser Punkt alles andere als eine Kleinigkeit, weil Leonores Handeln dadurch auf eine völlig neue Ebene gehoben wird: Es ist eben ein gewaltiger Unterschied, ob ich mich für einen Menschen einsetze, der mir nahesteht, oder für einen mir völlig Fremden, besonders wenn mein eigenes Leben dadurch in Gefahr gerät. Im Grunde ist das der Unterschied zwischen erweitertem Eigennutz und allumfassendem Humanismus.


    Es erstaunt mich immer wieder, wieviel bis dato Unentdecktes sich immer wieder in scheinbar sattsam bekannten Werken und Dingen auftut. Ich glaube es war die Pianistin Elly Ney, die gegen Ende ihrer Karriere erzählte, dass sie sich fast das gesamte Leben lang mit Mozarts Klavierkonzerten auseinandergesetzt habe und doch immer wieder etwas Neues darin entdecke. Fidelio und die Zauberflöte etwa scheinen auch solche Werke zu sein, hinter denen sich mehr verbirgt als auf den ersten Anschein zu erkennen ist.


    Zitat


    Und nun Lieber Kurt Soltest Du Dir im Profil einen Avatar aussuchen (der zu Dir passt, und den noch niemand benutzt) damit Du auch optisch unverwechselbar im Forum bist - mit eigenem Logo


    Ich habe mir da schnell selbst was gezeichnet und hoffe dass das Motiv gut ins Forum passt. :hello:


    Kurt



    Der Avatar ist perfekt - Gratulation
    MOD 001 Alfred

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  • Der 1955er Böhm-Aufnahme (5.11.1955 - Wiedereröffnung der Wiener Staatsoper!) lausche ich seit geraumer Zeit gebannt. So gepackt hat mich seit langem kein Fidelio mehr. Da die Tonqualität durchaus gut ist und das Label sorgfältig gearbeitet hat, möchte ich diese Aufnahme jedem (und Alfred natürlich besonders - dann hat er nämlich doch noch seinen Böhm-Fidelio, für den er ohne schlechtes Gewissen werben kann) empfehlen.


    sehr energisch und (be)zwingend!


    :jubel: :jubel: :jubel:



    .... hab gerade gesehen, daß es ja mindestens drei weitere Böhm-Livemitschnitte des Fidelio gibt....

  • Hallo Thomas,


    deine Begeisterung kann ich nur zu gut verstehen.
    Die Mödl war als Leonore immer eine Offenbarung, egal, wer am Pult stand. Mir ist als Florestan hier Wolfgang Windgassen noch in bester Erinnerung.(Electrola mit Furtwängler).
    Anton Dermota muss ich mir mal anhören. Vielleicht tun sich da neue Aspekte auf. :hello:

    Freundliche Grüße Siegfried

  • auch ich habe etliche Fidelios. aber die Nummer 1 ist die Live-Aufnahme unter Klemperer London 61: Wegen Vickers und Jurinac :rolleyes: trotz Hotter (grauslig) :no:
    die Studioaufnahme mit Furtwängler und Mödl kommt dem nahe.....aber Jon Vickers ist unübertroffen in dieser Partie.

  • von Neuenfels/Metzmacher.....man kann darüber diskutieren...aber die Lösung der Dialoge war m.E. mehr als gelungen. Zeitgemäß, aber nicht modernistisch, peinliche Sprechversuche der Sänger unterblieben...das hat mir sehr gefallen

  • Eingangs wurde von Alfred aufgefordert, Favoriten zu benennen. Da der Fidelio-Thread aktiv ist, möchte ich das jetzt auch mal tun.


    Unter allen Gesamtaufnahmen gefällt mir die diie Studioaufnahme unter Otto Klemperer am besten. Ich liebe dieses wuchtige, kantige Dirigat, finde, dass er die Wechsel der Partitur hervorragend nachvollzieht. Klasse, wie die Piccoli im Marsch vor der Pizarro-Arie grell alles zerschneiden. Außerdem hatte er eine sehr ausgewogene Besetzung ohne Schwächen und mit Jon Vickers einen übermenschlichen Florestan.


    Ich bleibe bei den Dirigenten. Wilhelm Furtwängler hat die m.E. überzeugendsze Freiheitsoper dirigiert, und zwar im Studio. Wie die Musik in der Passage "O Gott, welch ein Augenblick" (im Finale) einen geradezu zeitlos schwebenden Charakter erhält, ist einzigartig. Leider keine Dialoge.


    Als Leonore rührt mich am tiefsten Kirsten Flagstad in Furtwänglers Salzburg.-Aufnahme von 1950. Sicher, die junge Frau, die auch als junger Mann durchgeht, nimmt man ihr kaum ab. Aber keine Aufnahme der Leonore-Arie rührt mich wie diese! Auch sehr gut: Christa Ludwig und Sena Jurinac, daneben natürlich in historischen Aufnahmen Lotte Lehmann und Frieda Leider.


    Als Florestan m öchte ich neben Jon Vickers den geradezu gegen sätzlichen Julius Patzak nennen, der den Florestan eher als Sonderling singt, ehjer Palestrina als Tristan. Sein Florestan hat eher Flugblätter verfasst als Straßenschlachten angezettelt. Außerdem gefällt mir Wolfgang Windgassen sehr gut, der irgendwo zwischen den beiden erstgenannten steht und das hypertrophe des Schlusses der Arie grandios darstellt.


    Als Pizarro möchte ich nur zwei Sänger anführen: Dietrich Fischer-Dieskau, ja, ich halte dies für eine seiner gelungesten Interpretationen. Er ist kein dämonischer Überteufel sondern ein durch und durch böser Mensch! Auch böse, aber mehrere Nummern größer dimensioniert und dadurch dämonischer war Hans Hotter.


    Die übrigen Rollen sind von so vielen Sängern so hervorragend gesungen worden, dass ich mir nicht die Mühe machen will, sie einzeln anzuführen.


    Gruß aus Lübeck,
    Dieter

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  • Ludwig van Beethovens Fidelio ist meine Lieblingsoper, dies vorweg.


    Diese "symphonische Oper" wird meines Erachtens seine Aktualität - bei entsprechender Inszenzierung - nie verlieren. Der leichte spielerische Anfang nach der Ouvertüre, dann die konsequente dramaturgische Steigerung bis zum Finale. Perfekt.


    Ich habe zur Zeit 30 verschiedene Fidelio-(Leonoren-)Aufnahmen. Warum? Ich suche immer noch - und das vergeblich - nach der perfekten Aufnahme. Die Hoffnung darauf habe ich aufgegeben, aber jetzt sammel ich diese Oper halt aus Sammelleidenschaft und wegen bestimmter Teilaspekte.


    Wenn ich die perfekte Aufnahme "zusammenmischen" würde (auch wenn das keinen Sinn macht....z. B. Interpretation - Dirigat und Orchestersleistung - ohne Gesamtkontext...), wären folgende Teile berücksichtigt.


    Dirigenten:
    Fricsay, Toscanini und Harnoncourt
    Auch das Dirigat Bernsteins von 1978 hat eine ernorme 'finalorientierte' Kraft. Die Befreiung Florestans wird m. E. fast zur Erlösung der Menschheit stilisiert...bißchen eine Vorwegnahme der 9. Symphonie.
    Die langsamen Dirigate bzw. Tempi halte ich für schlichtweg falsch, obwohl sie trotzdem beeindruckend sein können (z. B. Klemperer 1962, Furtwängler 1954).
    Persönliche Anmerkung: Als musikalischer Laie, der ich bin, stelle ich mir Beethoven als einen egozentrischen, zum Teil wütenden und rebellischen Charakter vor, dem solch' langsamen pathetischen Grundtempi nicht im Sinn lagen...; aber über die Fragen der Grundtempi sollten sich Musikwissenschaftler besser befassen. Interessant ist hierzu eine Fernsehsendung mit dem Dirigenten Michael Gielen, der eindrucksvoll die Tempofrage bei den Beethoven-Symphonien darstellt.


    Orchester:
    Ist mir fast egal. Die Interpretationsansicht des Dirigenten und seine Umsetzungsleistung bedingen dies. Sehr gut finde ich die Leistung des Orchesters des Bayerischen Rundfunks unter Fricsay oder der Wiener Philharmoniker unter Bernstein.


    Chor:
    Dito Orchester.


    Fidelio/Leonore:
    Janowitz, Rysanek, Ludwig.
    Für mich ist die Janowitz in der Bernstein-Aufnahme unerreicht.


    Florestan:
    Patzak (unter Furtwängler 1948 und 1950, unter Altmann 1950 und bes. unter Jochum 1951), Rosvaenge (Klingt als Florestan vielleicht manchmal zu "gesund", nach Jahren der verschärften Kerkereinzelhaft.), Häfliger (unter Fricsay 1958), Windgassen (unter Furtwängler 1953), Ralf (unter Böhm 1944), Vickers (unter Klemperer 1962) und Seiffert (Gott! Welch Dunkel hier! O grauenvolle Stille!...; Seifert singt dieses von der aktuellen Interpreten am besten!; siehe oder besser höre die Aufnahme unter Harnoncourt 1994.)


    Don Pizarro:
    Sotin (unter Bernstein 1978). Das böse hinterhältige nimmt man dieser Interpretation ab. Die Kraft und Wucht des Gesangs ist eine Klasse für sich.
    Ebenso stark ist der Gesang von Metternich (unter Karajan 1953 oder Fricsay 1951).


    Rocco:
    Edelmann, Frick, Crass, Ridderbusch, Moll, Kipnis.


    Marzelline:
    della Casa, Seefried.


    Jacquino:
    Schock (paßt sehr gut), Dermota.


    Manko der Oper bleiben die gesprochenen Dialoge (bekanntlich aber nicht von Beethoven), obwohl ich auf der Aufnahme unter Jochum mit dem Orchester des Bayerischen Rundfunks von 1951 diese Dialoge mal annehmbar gut empfunden habe.


    Da es wie erwähnt keine perfekte Aufnahme gibt, hier meine Empfehlungen:
    1. Fricsay 1958:
    Gesamteindruck, Dirigat, Orchester, Chor, Häfliger, Rysanek, Frick, Seefried.
    2. Furtwängler 1953:
    Trotz der Tempi eine überzeugende Aufnahme, sängerische Gesamtleistung: Windgassen, Edelmann, Frick, Jurinac, Schock und Mödl. Das etwas gutturale der Mödl paßt hier sehr gut, in der Höhe hat sie allerdings Probleme.
    3. Bernstein 1978:
    Dirigat, Orchester, Chor, Janowitz (!); Der Florestan von Kollo gefällt mir allerdings nicht: Er soll die Anstrengung der Kerkerhaft singend darstellen, aber nicht wirklich haben.
    4. Klemperer 1962:
    Ebenso wie bei Furtwängler: Trotz der Tempi eine überzeugende Aufnahme, sängerische Gesamtleistung: Ludwig, Vickers, Crass, Berry, Frick.
    5. Toscanini 1948:
    Dirigat, wie bei Toscanini besonders in den späteren Jahren üblich: Sehr konsequent und straff; Janssen, Peerce.
    6. Harnoncourt 1994:
    Dirigat, Seiffert.


    Erwähnen möchte ich noch, daß ich die Leonoren-Ouvertüre Nr. 2 (z. B. unter Szell mit dem Cleveland Orchestra) für die interessanteste der "Fidelio-Ouvertüren" halte.


    Bis dann.

    5 Mal editiert, zuletzt von keith63 ()

  • Hallo keith 63,
    Du hast ja den Ranghöchsten, den Minister vergessen.
    Für mich heißt er, Franz Crass, und für mich ist auch
    die Gesamtaufnahme unter Klemperer die Nummer 1.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.

  • Zitat

    Original von Herbert Henn
    Hallo keith 63,
    Du hast ja den Ranghöchsten, den Minister vergessen.
    Für mich heißt er, Franz Crass, und für mich ist auch
    die Gesamtaufnahme unter Klemperer die Nummer 1.


    :hello:Herbert.


    Crass ist in dieser sehr kurzen Rolle in der Tat herausragend, Talvela ist unter Böhm allerdings auch großartig, natürlich mit dem Makel behaftet, dass die Böhm-Aufnahme mich trotz großer Namen nicht überzeugt, wärend ich Klemperer gerne die Palme gebe.


    Gruß
    Sascha

  • Stimmt.


    Meine Favoriten wären für diese Rolle ebenfalls: Talvela, Crass und darüber hinaus van Dam.


    Trotzdem muß ich gestehen, daß ich die Rolle des Don Fernandos nicht für übermäßig gehalt- oder gestaltungsvoll halte.


    Bis dann.

    Einmal editiert, zuletzt von keith63 ()

  • Dazu möchte ich sagen, daß der Minister im Programm


    immer an erster Stelle steht.Außerdem ist er eine


    Ausnahmeerscheinung, ein guter Minister,wo gibt


    es das schon, speziell im damalien Spanien ? :D


    :hello:Herbert

    Tutto nel mondo è burla.

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  • Nachtrag:


    "Chor: Dito Orchester."


    Mir ist klar, daß dieses meist von einem Chorleiter einstudiert wird. Dann fällt die Verantwortung auch dem Chorleiter zu.


    Bis dann.

  • Ich bezweifle, dass wir es in Fidelio mit einem guten Minister zu tun haben, sondern mit einem außerordentlich schwachen, geradezu unfähigen. Ein Pizarro konnte unter ihm schalten und walten wie er wollte und sogar Freunde dieses insters über Jahre verschwinden lassen. Für Leonore war er offensichtlich nicht zu sprechen, so dass sie sich diesen grauenhaften Coup einfallen lassen musste, dem wir Beethovens einzige Oper zu verdanken haben. Und diese salbungsvolle Rede, dieser aufgesetzte Edelmut angesichts der dramatischen Missstände in seinem Kompetenzbereich lassen nur zwei Interpretationen zu: Inkomptenz oder doppeltes (böses) Spiel.


    Gruß aus Lübeck,
    Dieter

  • Interessante Auslegung bezüglich der Fähigkeiten des Ministers. Gefällt mir sehr gut.


    Fernando:
    "Des besten Königs Wink und Wille
    führt mich zu euch...."


    Nicht sein eigenes Gewissen bzw. sein Gerechtigkeitssinn; nicht aus eigenem Antrieb? Oder verstehe ich ihn falsch?


    Bis dann.

  • Zitat

    Original von vitelozzo-tamare
    Ich bezweifle, dass wir es in Fidelio mit einem guten Minister zu tun haben, sondern mit einem außerordentlich schwachen, geradezu unfähigen.



    Zitat

    Original von keith63
    Interessante Auslegung bezüglich der Fähigkeiten des Ministers. Gefällt mir sehr gut.



    In diversen Fidelio-Inszenierungen wurde die Figur des Ministers dann auch recht kritisch dargestellt.


    Ich erinnere mich immer noch gerne an Christoph Marthalers großartige Fidelio-Regie von 1997 an der Frankfurter Oper: In dieser Aufführung wurde nicht die Fidelio-Ouvertüre gespielt, sondern alle drei Leonoren-Ouvertüren: Nr. 1 vor dem ersten Akt, Nr. 2 nach der großen Szene Leonores im ersten Akt und Nr. 3 an der üblichen Stelle vor dem Finale des zweiten Aktes (Dirigent: Sylvain Cambreling). Beim Ertönen des Trompetensignals in der zweiten Ouvertüre wurde im Hintergrund der Blick auf ein riesiges Treppenlabyrinth à la M.C. Escher freigegeben (Bühnenbild: Anna Viebrock), im dem ein Mann herumirrte - der Minister, wie sich später herausstellen sollte. Dieser fand dann im zweiten Akt gerade noch rechtzeitig zum Finale auf den vorderen Teil der Bühne, wirkte leicht desorientiert und wäre zum Schluss beinahe noch in das Grab gefallen, das man zuvor für Florestan ausgehoben hatte...


    Viele Grüße


    Bernd

  • Thomas Quasthoff hat 2003 unter Sir Simon Rattle in Berlin einen beachtenswerten Minister gesungen.
    Obwohl als Nebenrolle angelegt, ist das den Minister ankündigende Trompetensignal der Gänsehautfaktor schlechthin und der Beginn eines grossen Spannungsbogens, welches im "O namen - namenlose Freude" seinen Höhepunkt erreicht.
    Fidelio nimmt für mich noch immer eine Sonderstellung unter allen Opern ein. :jubel: :jubel: :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried

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  • Hallo aus Berlin,


    ja der gute Fidelio. Hatte vergangenes Jahr ein Schlüsselerlebnis: Fidelio im Innenhof von Schloss Tabor im südlichen Burgenland: mit der jungen Philharmonie Brandenburg unter Sebastian Weigle und Sängern die hier niemand kennt. Und doch war es ein so fantastischer Abend, in fantastischem Ambiente mit Leidenschaft musiziert und gespielt, dass ich Fidelio neu entdeckte und fortan mal wieder alle Einspielungen organisiert habe, die auf LP zu haben sind.


    Mein Favorit ist und bleibt die gute alte Furtwängler-Aufnahme; Mödl und Windgassen, sowie die junge Sena Jurinac bleiben einzigartig.


    Etwas aussergewöhnlich aber packend finde ich auch den Fidelio unter Carl Bamberger; Julius Patzak als Florestan ist nicht zu verachten...


    Wie überhaupt ich dann den Vergleich an der Kerker-Arie festgemacht habe und da war für mich die große Neuentdeckung der Tenor James King in dieser Rolle


    Zum Vergleich gab es die Einspielungen von Karl Krauss, Fricsay, Lovro von Matacic, Klemperer (Jon Vickers ist als Florestan natürlich eine Klasse für sich, den totalen Hype der um seine Darstellung gemacht wird kann ich allerdings nicht nachvollziehen) und natürlich Bernstein.


    Gruß


    Sam

    ...jeder Tag ohne klassische Musik ist ein verlorener Tag! (Der große Charly Chaplin möge mir die Abwandlung seines berühmten Spruches verzeihen...)

  • Ich habe mal eine Frage zu Florestans großer Szene:


    Bei "Gott, welch dunkel hier"


    wird das "Gott" ja durchaus unterschiedlich angegangen:


    Jon Vickers, Helge Roswaenge, James King und Ben Heppner singen den ersten Ton durchweg mit voller Attacke und vehementer Klangentfaltung.
    (Wie macht es Julius Patzak ? Sein berühmtes Rollen-Portrait kenne ich leider noch nicht!)


    Rene Kollo unter Bernstein hingegen attackiert im (schlecht gestützten...) Piano, um dann mittels Messa di voce zu steigern, tremoliert aber zum Gotterbarmen. Gestern habe eine Version von Jonas Kaufmann gehört, wo er auch im Piano beginnt. ( Die Stimme flackert dabei auch ganz kurz, aber bei weitem ist das generell stetiger, als Kollos Version. )



    Wie soll mans eigentlich machen ? Was sagt die Partitur ? Kann mir kaum vorstellen, dass da ein Messa di voce eingetragen ist, oder ?


    Ich finde generell die "Attacke con forza" am überzeugsten, wenn der Verzweiflungsschrei abrupt die Stille zerschneidet, am gelungensten umgesetzt von Vickers und Roswaenge (Patzak kenne ich wie gesagt leider noch nicht).


    Wie seht Ihr das, bzw. was sagt die Partitur ?


    :hello:
    Sascha


  • Lieber Sascha,


    die Partitur schreibt in den Stimmen ein p vor, die Singstimme ist nicht besonders bezeichnet. Vom Sinne her gehört hier aber auch ein Piano hin. Florestan ist entkräftet, hat während des Grave kraftlos auf einem Stein gesessen, da ist doch die Stimme nicht gleich mit einem Male da, vor allem wenn ich in der Streicherfigur vorher ein diminuendo habe, das vom f auf ein p geführt hat. Dass dann das lange hohe G (halbe + Achtel) ein kleines Crescendo tragen kann, dann aber wieder p hat wenn die Stimme nach unter auf das g fällt, ist das einzige, was ich nach den Noten noch als sinnvoll ansehen würde. Es folgt dann in den Streichern wieder ein cresc. auf ein kurzes f, das sofort wieder zu einem p abfällt: Anstrengung / Schwäche - vor dem nächsten Stimmeinsatz steht wieder ein p, danach gar ein pp. Umso wirksamer ist dann das f auf "O schwere Prüfung" und wieder auf "Doch gerecht ist Gottes Wille").


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von pbrixius
    die Partitur schreibt in den Stimmen ein p vor, die Singstimme ist nicht besonders bezeichnet. Vom Sinne her gehört hier aber auch ein Piano hin. Florestan ist entkräftet, hat während des Grave kraftlos auf einem Stein gesessen, da ist doch die Stimme nicht gleich mit einem Male da...


    Lieber Peter,


    Da denke ich doch anders als Du. M.M.n. wird gerade das Wort "Gott" in so eine Lage mit Kraft herausgestoßen. Die äußerste Verzweiflung. Und dann wieder sanfter kommen die nächste Worte.
    Wenn man das Wort "Gott" piano singen würde, ist das m.E. so falsch wie möglich.


    LG, Paul

  • In meiner (Billig)partitur steht es ebenso wie Peter es sagt. Das Recitativo hat keine eigenen Dynamikvorschriften, es wurde seinerzeit vermutlich dem Sänger dahingestellt bzw. sollte aus dem Zusammenhang klar sein.
    Man kann das "Gott!" auch hinausstoßen, ohne es stentormäßig zu brüllen wie Vickers, dessen Florestristan m.E. kein guter Maßstab ist (und dem man niemals glauben könnte, dass er am Verschmachten wäre), so beeindruckend es auch gesungen sein mag.
    In einer Instrumentalstimme hätte Beethoven das "Gott" vielleicht "sfp" bezeichnet, also ein heftiger Akzent, der aber sofort ins piano geht.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Ich neige der Auffassung von Paul zu, allerdings etwas modifiziert. Den Eindruck eines Aufschreis sollte man schon haben. Das kann durchaus mit einem etwas leiser angesetzten, aber heftig gesteigerten Ton erreicht werden, der dann am besten auf der angebundenen Achtel abreißt,um die Verzweiflung zu verdeutlichen. Die nachfolgenden Worte sind dann im piano noch "verzweifelter".
    Mit Brüllen hat das natürlich nichts zu tun!


    Das Diminuendo der Streicher vor dem Florestan-Einsatz ist meines Erachtens weniger ein Hinweis für die Singstimme, denn ein Ausdruck der Einsamkeit und der Stille.


    Abgesehen vom Effekt ist es natürlich äußerst heikel für einen Tenor, seinen allerersten Ton, und dann auch noch in dieser Lage, im piano zu versuchen, vor allem, wenn er vorher minutenlang auf der Bühne "rumgelungert" hat.


    LG
    Rosenkavalier

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    In meiner (Billig)partitur steht es ebenso wie Peter es sagt. Das Recitativo hat keine eigenen Dynamikvorschriften, es wurde seinerzeit vermutlich dem Sänger dahingestellt bzw. sollte aus dem Zusammenhang klar sein.


    Das gilt allgemein für die Singstimme, soweit ich mich da versichert habe, das heißt, dass sie in der Lautstärke wohl so gesungen wird, wie es die Angaben auch sonst in den Stimmen sind, Es steht weder ein Akzent noch eine sonstige Rechtfertigung eines plötzlichen Ausbruchs da - auch die Anlage der instrumentalen Einleitung sagt hier p - aber das ist wohl für den Auftrittston eines Sängerstars zuwenig ...

    Zitat

    Man kann das "Gott!" auch hinausstoßen, ohne es stentormäßig zu brüllen wie Vickers, dessen Florestristan m.E. kein guter Maßstab ist (und dem man niemals glauben könnte, dass er am Verschmachten wäre), so beeindruckend es auch gesungen sein mag.
    In einer Instrumentalstimme hätte Beethoven das "Gott" vielleicht "sfp" bezeichnet, also ein heftiger Akzent, der aber sofort ins piano geht.


    Ich halte das auch für legitim, wie Du es vorschlägst. Ich überlege mir allerdings noch immer, ob es nicht viel eindrucksvoller ist, wenn der Sänger gerade hier im Piano bleibt. Die übertriebene Dramatik verdirbt auf jeden Fall das Poetische der Stelle: Es ist doch gerade der Weg aus dem Dunkel, aus dem Leisen, der zu dem ungeheuren Aufschwung am Ende der Arie führt - die dann auch wieder verlischt: So scheint mir ganz selbstverständlich das aus dem Stillen (wo auch ein leiser Laut erschreckend wirkt) begonnene Singen im Verstummen zu enden.


    Liebe Grüße Peter

  • Julius Patzak war der erste, jedenfalls auf Tonträger, der das G
    vom Pianissimo zum Forte anschwellen ließ. dadurch wird die Note
    natürlich verlängert. Einige Tenöre nach Patzak, haben es ihm
    nachgemacht. Bei Kollo scheint die Tontechnik mitgespielt
    zu haben. Ein Sänger von Heute, der Tenor Jonas Kaufmann,
    hat das Crescendo hervorragend realisiert.


    :hello:Herbert.

    Tutto nel mondo è burla.


  • Lieber Herbert,


    so entspricht es auch meiner Vorstellung: der Beginn im p(p).


    Vielen Dank für den Hinweis


    Liebe Grüße Peter

  • Und in welcher Aufnahme kann man den stimmgewaltigen, schönäugigen Jonas Kaufmann als Florestan hören - und wie ist das dazugehörige Umfeld an Sängern?
    Habe im entsprechenden Thread über den Sänger mal nachgelesen - na, na, na, in meinem Arbeitsfeld nennt man einen solchen Typ einfach ein Sahnetörtchen und schaut sich so etwas genauer an, wie man ein Bild im Museum betrachtet, als seltene Erscheinung, die man nicht besitzen muß.


    Aber nun mal wieder ernsthafter.
    Der Beginn der Florestanarie ist wirklich eine schwierige Sache, denn verschmachtet und schwierige Wahnsinnsarie, das ist wirklich nicht zusammenzubringen.
    Ich stelle es mir so vor: "Gott" etwas mf, dann aber piano. Eigentlich sollte der Floirestan erst bei "o namen namenlose Freude" zu Hochform auflaufen.


    Wie gesagt, Bitte um Aufnahmetip und Wertung für alles, was sonst noch im Fidelio vorkommt in dieser Aufnahme.


    Lieben Gruß aus Bonn :hello:

    Was Du nicht willst, das man Dir tu, das füg auch keinem andern zu

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