Literatur im Forum für Klassische Musik ?

  • bubba


    ich habe Deinen Beitrag erst jetzt entdeckt:


    Ich lese Michel de Montaigne. Die Essais gehören wohl in die erste Reihe der literarischen und philosophischen Grundlagentexte. Sie haben vielen Generationen von Intellektuellen zur Orientierung gedient. Er schöpft einen historischen Fundus aus, um zur Selbsterkenntnis und zu Lehren, richtig zu leben und zu sterben zu kommen.


    Die erste moderne Gesamtübersetzung der Essais stammt von Hans Stilett (Hrsg Hans Magnus Enzensberger) und ist im Eichborn Verlag 1998 erschienen - inzwischen mehrfach wieder aufgelegt - im sehr schönen Großformat.


    Kleines Schmankerl, da wir hier im Literaturthread sind, über die Bücher:


    "Wenn mir das eine Buch mißfällt, nehme ich ein andres zur Hand; und der Lektüre widme ich nur die Stunden, in denen das Nichtstun mich anzuöden beginnt. Ich greife kaum zu zeitgenössischen Werken, da die alten mir mehr Kraft und Fülle zu haben scheinen ......"


    (Dann folgen Hinweise auf bedeutende Bücher, die uns auch nheute noch gut bekannt sind.) Zweites Buch Nr. 10.


    Also wenn die Essais, würde ich zu dieser wunderbaren - zugegeben nicht ganz billigen - Ausgabe greifen. Eine Anschaffung fürs Leben.


    Mit besten Grüßen


    Matthias

    Tobe Welt, und springe,
    Ich steh hier und singe.

  • Sagitt meint:


    Auf sein wunderbares skuriles Buch über Beethoven und Bridgetower hatte ich ja schon hingewiesen.


    Kühn hat sich in seinen langen Schriftstellerleben mehrfach Figuren aus der Musik gewidmet. Recht früh ein großes Buch über Oswald von Wolkenstein, aus den letzten Jahren ein solches über Clara Schumann. Es sind natürlich Romane, aber Kühn recherchiert sehr gründlich und bringt viele historisch korrekte oder vertretbare Positionen ein.Überdies gelingt es ihm ausgezeichnet, einen Kern der Person zu erfassen, auch wenn der bei Clara Schumann nicht gerade sehr schmeichelhaft ist.


    Stilistisch gefällt mir Wolkenstein besser als Schumann ( was ihn da " geritten" hat, sich selbst sicher stilistischen Mittel zu berauben, entzieht sich meiner Kenntnis).
    Aber informativ sind seine Bücher immer !

  • Sagitt meint:


    Gestern stellte Frau Heidenreich "Klang der Zeit" von Richard Powers, Klang der Zeit vor.


    Eine Geschichte eines Juden und einer "Schwarzen", die drei sehr musikalische Kinder haben. Die ihre Unterschiedlichkeiten vereinen in der gemeinsamen Liebe zur Musik.


    Es gibt eine Hörbuch-Version, gelesen von U. Mattes, die auch sehr empfohlen wurde.


    Zum Schluss die Ankündigung, dass im Sommer eine Taschenbuchausgabe dieses Werkes kommen wird.

  • Zitat

    Zitat von Ulli: La betulia liberata - Der Medicus
    Salut,
    im zarten Alter von zwölf Jahren las ich Noah Gordon’s „Der Medicus“, wobei unaufhörlich aus Mozart’s La Betulia liberata der Coro Nr. 16 „Lodio al gran dio“ lief… diese Musik passt einfach uneingeschränkt zu dem tollen Buch.


    Mit dem Anfang eines etwas längeren Postings unseres ehemaligen Erleuchteten Ulli wollte ich darauf hinweisen, dass Noah Gordon, der Autor u. a. des weltberühmten Romans "Der Medicus", der am 11. November 1926 in Worcester, Massachusetts,
    heute seinen 88. Geburtstag feiert.


    Liebe Grüße


    Willi :jubel::jubel::jubel:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Einen schönen guten Tag in die Runde!


    Heute Morgen im Bett war ich mal wieder am Grübeln.


    Warum?


    Ein Menschenleben ist endlich-welch eine Erkenntnis...:yes:


    Wer älter wird, der fragt sich sicherlich manchmal, was man noch alles in seiner verbleibenden Lebenszeit erleben will, welche Reiseziele man plant, welche Musik man noch hören will und vieles mehr.


    Bei der großen Zahl interessanter und guter Bücher ( Sachbücher wie Unterhaltungsliteratur), die es gibt, frage ich mich oft: wie am besten auswählen, alles kann man aus o.g. biologischem Grund ja nicht schaffen. Wie also vorgehen:


    Eine (systematische) Leseliste anlegen?

    Sich früher gern Gelesenes nochmals vornehmen oder lieber Empfehlungen folgen und die Zeit für neuen Lesestoff reservieren?

    Parallel mehrere Bücher lesen oder mal ein Hörbuch ausprobieren?

    Schnelllesetechniken erlernen ? (Bei durchschnittlich 1 Buch pro Woche "schafft" man im Jahr etwa 50 insgesamt, bei zweien 100 usw.)


    Oder sich doch lieber ganz einfach "treiben lassen" und dem augenblicklichem Verlangen nachgeben?


    Was meint Ihr zu diesem "Problem" oder ist es für Euch am Ende gar keines?:/


    LG...MDM :hello:


    [[[ich beziehe mich hier in erster Linie auf privaten Lesestoff, nicht ggf. beruflich notwendige Fachliteratur , wobei sich ja beides nicht notwendigerweise ausschliessen muss]]]

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Lieber MDM, ich für meinen Teil lasse mich mittlerweile vom Verlangen treiben. Das führt zwar dazu, dass ich immer so ca. fünf bis sieben Bücher gleichzeitig lese und (zumal ich wenig Zeit habe) somit auch nur langsam vorankomme, aber an den Büchern, die mich wirklich einnehmen, bleibe ich dann auch mit Freude dran.

    Ich lese auch recht häufig einfach mal quer und fragmentarisch - wo es mich gerade hingetrieben hat.

    Früher hatte ich manchmal so komische Pläne, was ich alles eigentlich noch so lesen "müsste". Das funktioniert aber gar nicht bei mir bzw. wirkt hemmend. Insofern kultiviere ich auch durchaus Einseitigkeiten und stehe zu meinen monströsen Bildungslücken. :pfeif::yes:

  • Lieber Leiermann,


    ich danke Dir für Deine Antwort und bin ungefähr auf Deiner Linie.


    5-7 Bücher gleichzeitig packe ich allerdings nicht mehr, aber 2 bis 3, wobei dann auch Sachbücher dabei sind, gehen schon noch.


    Und ja... Mut zur Lücke: nochmals die Klassiker durchackern, wenn man nicht wirklich mehr Spaß daran hat, macht wohl keinen Sinn.


    Dann im Zweifelsfalle lieber lustvoll einen gut geschriebenen Thriller oder eine interessante Biographie mehr genießen, gelegentlich vielleicht in Gesellschaft einer schönen Tafel Schweizer Schokolade.;)


    LG....MDM :hello:


    P.S.: Wie entscheidet Ihr anderen Taminos hier, was Ihr als Nächstes lesen werdet?

    >>So it is written, and so it shall be done.<<

  • Wie entscheidet Ihr anderen Taminos hier, was Ihr als Nächstes lesen werdet?

    Es entscheidet mich! ;) Soll heißen, dass ich keine Pläne und konkreten Vorhaben habe. Der Stapel ist in jüngster Zeit bedrohlich angewachsen: Biographien von Raffael, Friedrich II. und Max Lichtegg, dem Tenor aus der Schweiz. Diverse Kunstbände kommen hiunzu, oben auf ein sehr sinnlicher großer Katalog der aktuellen Ausstellung über Mantegna und Bellini hier in der Berliner Gemäldegalerie. Durch Helmut Hofmann und seine Beschäftigung mit den Liedern von Peter Cornelius fühlte ich mich angeregt, einige antiquarische Bücher über diesen Komponisten und Dichter herbeizuschaffen. Ob ich je dazu komme, das wieder zu lesen, was mich in meiner Jugend aufwühlte, weiß ich noch nicht. Dostojewski ist so ein Fall. Durch die neuen Übersetzungen von Swetlana Geier ist vieles über den Haufen geworfen worden. Wunderbare Essays über Dostojewski, die mein Bild mit geprägt haben (Mann, Seghers, Zweig) beruhen auf den alten Übersetzungen. Nochmal neu anfangen? Ich habe es versucht, bin aber nicht weit gekommen. Zu aktueller Belletristik komme ich gar nicht. Vieles interessiert mich da auch nicht. Mir kommt es so vor, als sei alles schon mal da gwesen. Der letzte Gegenwartsroman, den ich las, war "Der Turm" von Tellkamp. Er begann ganz interessant, wurde dann aber immer dünner, auch sprachlich. Gepackt war ich von Mankell, den ich in einem Ritt verschlang. Stets griffbereit sind Dickens, Thomas Mann und Anna Seghers, die ich für die bedeutendste deutsche Schriftstellerin des 20. Jahrhunderts halte. Oft greife ich mir von denen ein Buch, lese etwas mittendrin oder bleibe über Stunden dabei. Inzwischen sind Hörbücher meine städigen Begleiter. Sie müssen nur sehr gut vorgelesen werden; für meinen Geschmack gut. Das ist immer auch ein wenig wie früher, als einem die Mutter etwas vorlas. :)

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Nein, lieber Hans, die von Tim Blanning:


    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

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  • Wie kommst Du an Friedrich den Großen, lieber Rheingold?


    Diese Frage drängt sich mir auf, das muss in erklärend hinzufügen, weil ich den gerade, während ich hier schreibe, direkt über dem Bildschirm von der Wand her als Totenmaske vor mir sehe. Wären seine Augen nicht geschlossen, so würde ich sagen, dass er mir seit Jahrzehnten beim Arbeiten zuschaut.

    Ich habe während meiner langen Zeit des Studiums und des Lehrens von Geschichte eine eigenartig tiefe Beziehung zu dieser historischen Persönlichkeit und auch dem Menschen dahinter - soweit dieser greifbar ist - entwickelt und dementsprechendes Quellen- und Fachliteratur-Studium betrieben.

    Blannings Monographie ist sehr aufschlussreich, und sie wird Friedrich in seiner ganzen Komplexität als Mensch und Herrscher sehr wohl gerecht. Das zeigt sich vor allem in dem, was er dessen "dritte Strategie" nennt, und wozu er anmerkt: "Das Kulturelle und das Machtpolitische entwickelten sich nicht im Tandem, sondern vielmehr dialektisch, wobei eins das andere befeuerte."

  • Die von Ernst Kantorowicz?

    Der schrieb allerdings über den anderen, nicht minder bedeutenden Kaiser des Heiligen Römischen Reiches aus dem Hause der Staufer gleichen Namens, das sogenannte Stupor Mundi (Staunen der Welt). Diese Biographie ist vom wissenschaftlichen Standpunkte her natürlich hoffnungslos veraltet, literarisch aber wohl nach wie vor wertvoll.



    Ich selbst habe die ursprünglich zweibändige Biographie von Wolfgang Stürner (die es mittlerweile auch einbändig gibt). Empfehlenswert soll zudem die neuere von Olaf B. Rader sein.


    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • In meinem Bücherschrank stehen die Klett- u. die Bondi-Ausgabe des Kantorowicz. Letztere in der dritten Auflage von 1931. Gelesen habe ich die Klett-Ausgabe. Die Bondi ist zu empfindlich.

    ..., eine spe*ifisch deutsche Kultur ist, jenseits der Sprache, schlicht nicht identifi*ierbar.
    -- Aydan Ö*oğu*

  • Hallo,


    wenn es um Friedrich den Großen geht, sollte Thomas Carlyle nicht fehlen.


    Er läßt in seinem Buch den "Alten Fritz" lebendig werden.


    Von dieser Erzählfrische fehlt es oft im Geschichtsunterricht.


    Nette Grüße


    Karl

  • Wie kommst Du an Friedrich den Großen, lieber Rheingold?

    Lieber Helmut, seit vielen Jahren lebe ich in Berlin. Auch im benachbarten Potsdam habe ich eine gewisse Zeit verbracht. Da kommt man an diesem König nicht vorbei. Man begegnet ihm ständig - auf Straßen, in Parks, in Schlössern, in der Oper, in Bibliotheken, in Museen und was weiß ich noch. Erst gestern vertrieb ich mir aufs angenehmste eine Wartezeit in der Alten Nationalgalerie vor dem monumentalen Gemälde von Menzel, das die Begegnung zwischen Friedrich und Joseph II. in Neisse so schön idealisiert. Wartezeit? Ich wollte mich im gleich gegenüber liegenden Raum digital in die Welt des Mönches am Meer von Schinkel entführen lassen. Was es alles gibt! Man ist also gut beraten, nähere Bekanntschaft mit diesem König zu schließen. Immer wenn ich an seinem Reiterstandbild von Rauch Unter den Linden vorüberkomme, sehe ich es noch versteckt zwischen Bäumen am Rande des Parks von Sanssouci, von der Einschmelzung bedroht. Wie abgestellt. Als sollte es niemand sehen. Ich bin froh, dass es wieder an seinem angestammten Platz steht. Wer den Sockel genau besieht, wird im oberen Bereich der nördlichen Seite im Relief ziwschen all den Feldherren und großen Geistern die Statue eines Jünglings mit ausgebreiteten Armen wahrnehmen, die von Handwerkern an der Hauptfront von Schloss Sanssouci vobeigetragen wird hin zu einem Pavillon, wo sie bis zum Tod des Königs 1786 stand. Von dort gelangte sie ins Berliner Stadtschloss. Nunmehr wird sie im Alten Museum an sehr prominenter Stelle gezeigt. Friedrich konnte den Jüngling, der seinerzeit für eine Antinous-Darstellung gehalten wurde (was sich aber nicht bestätigte) und der noch ohne die später ergänzten Arme (das Original der ursprünglichen Auffindungsform wird als Kopie im ärchäologischen Museum in Venedig gezeigt) angekauft wurde, von seinem Schlafzimmer aus sehen. Das sagt einiges. An selbiger Stelle befindet sich jetzt eine Replik. Ein paar Schritte weiter liegt er nun begraben. So hatte er es sich gewünscht. Es war für mich immer ganz erstaunlich, dass dieser preußische König, der die drei schlesischen Kriege geführt hatte, öffentlich solchen Einblick in sein Innerstes zuließ. Ich möchte diesen Aspekt nicht überbewerten. Er führt uns aber eine höchst interessante und facettenreiche Persönlichkeit vor (Du sprichst vom Menschen dahinter), die man nicht nur jenen überlassen sollte, die diesen König je nach politischer Position ausschließlich als "Friedrich den Großen" wahrnehmen und ihn damit auch reduzieren.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

    Einmal editiert, zuletzt von Rheingold1876 ()

  • Als Sohn eines Bibliothekars mit 5000 eigenen Büchern hatte ich schon in Klasse 13 oft mehr gelesen als manche unserer Deutschlehrer. Später kamen dann englische Bücher dazu (ein paar Semester Englischstudium sind da sehr nützlich). Nach der Pensionierung habe ich praktisch die ganze deutsche Klassik gelesen, tolle Werke, aber auch schreckliche Theaterstücke von Goethe, Schiller, Kleist, Lessing (die Titel verkneife ich mir, bzw. gebe ich nur gegen anständige Bestechung heraus!). Dieses Thema hier habe ich gerade erst entdeckt; ich war immer schon mal im Thema "was lese ich gerade" unterwegs. Meine wirklichen Vorlieben findet man in Fülle in meinem eigenen thread :"Dr. Pingel´s musikalisch-satirische Brosamen". Dieser Titel war der Anfangstitel, er stimmt nicht mehr, weil ich die Seite auf "Literatur" und "kleine Geschichten" erweitert habe. Der Grund ist einfach: ich habe gerne meine Pferdchen (oder Schäfchen oder Schweinchen) im eigenen Stall!

    Aller Anfang ist schwer - außer beim Steinesammeln (Volksmund)

  • Hallo Rüdiger,


    Zitat

    Er führt uns aber eine höchst interessante und facettenreiche Persönlichkeit vor (Du sprichst vom Menschen dahinter), die man nicht nur jenen überlassen sollte, die diesen König je nach politischer Position ausschließlich als "Friedrich den Großen" wahrnehmen und ihn damit auch reduzieren.

    als Staatsmann war er groß, als Mensch ein seltsamer und unnahbarer Kauz, dessen Vorliebe für junge Männer uns nicht zu interessieren braucht. Was zählt, ist die Erschaffung der neuen kontinentalen Macht Preußen, damit beginnt die Entstehung unseres jetzigen Staates.


    Es grüßt


    Karl