Hans Pfitzner - "Phönix aus der Asche?"

  • Zitat

    Original von Gerald
    Im Übrigen finde ich es fast schon "skandalös", dass der zuständige Verlag Oertel die "Krakauer Begrüßung" op. 54 wegen des Nazi-verherrlichenden Textes nicht drucken will.


    Auch wenn du skandalös zwischen Anführungszeichen setzt, ist es dennoch ein Wort daß Du in diesem Zusammenhang nicht hätte benützen sollen.


    LG, Paul

  • Lieber Peter,
    vorab: ich stimme Dir und auch Michael Schlechtriem in allen Punktne zu, möchte nur zwei kurze Anmerkungen/Ergänzungen anbringen:


    Zitat

    Original von pbrixius
    Pfitzners Verhältnis zu Hitler war alles andere als unkritisch, seine derben Sprüche sind ja auch überliefert. Pfitzner war kein überzeugter Nationalsozialist, aber gehörte in den Umkreis des reaktionären Konservatismus (mit einer spezifisch antisemitischen Prägung, die aber zwischen "guten" und "schlechten" Juden unterschied) der vehement die nationalsozialistische Bewegung unterstützte.


    Die etwas zynische Unterscheidung zwischen »guten« und »schlechten« Juden im Kontext des eher reaktionär-konservativ programmierten Antisemitismus macht die Sache aber keineswegs besser oder gar weniger antisemitisch. Gerade dieser salonfähige und schon im Kaiserreich weitverbreitete »Edel-Antisemitismus« hat erheblich dazu beigetragen, daß der eliminatorische Antisemitismus des NS denkbar und letztlich auch anschlußfähig wurde.


    Zitat

    Meine großen Vorbehalte gegen Pfitzner stammen weniger aus der NS-Zeit als aus der Zeit davor, wo er auf widerlichste Art und Weise gegen die moderne Musik wetterte - obwohl er, Edwin hat es angemerkt - selbst avancierte Musik schrieb. Seine kompositorische Arbeit und seine irrationale Inspirationsästhetik standen durchaus im Widerspruch.


    Wobei sein Antimodernismus ja durchweg mit antisemitischen Mustern verschränkt war. Das eine ist bei Pfitzner eitgentlich gar nicht vom anderen zu trennen.


    Zitat

    Bei allem was man für Pfitzner sagen kann und gegen ihn, die Bedeutung von Lully oder Mozart hat Pfitzner zweifellos nicht. Das braucht einen aber nicht daran zu hindern, sich engagiert mit seiner Kunst, seiner Ästhetik - und seinen Publikationen auseinanderzusetzen, kritisch würdigend mit dem Wissen, das wir heute haben.


    LG Peter


    Ich finde es im Kontext einer historisch-kritischen Werkausgabe ganz unerheblich, ob Lully oder Mozart in einer anderen Liga spielen als Pfitzner. Wenn man ein Gesamtwerk ediert, soll man das Gesamtwerk edieren und nicht eine politisch korrigierte Fassung, die eher zu einer Verharmlosung beitragen würde als zu einer kritischen Auseinandersetzung. Das wäre dann in etwa so, als würde man Benn-Ausgaben ohne »Züchtung I + II« edieren, Heidegger ohne die »Einführung in die Metaphysik« und die Freiburger Rektoratsrede etc.


    Aufführen muß man diese Nazi-Ode aber beileibe nicht!


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Zitat

    Zitat Gerald
    Die Begeisterung eines Großteils der Deutschen für das NS-Regime wirst du aber nicht verleugnen können.


    Eine kleine Spur historischer Wahrheit sollte man trotz der Begeisterung für Pfitzner einfließen lassen: Pfitzners "Krakauer Begrüßung" stammt aus dem Jahr 1944. Ob da ein "Großteil der Deutschen" noch besondere Sympathien für das NS-Regime hegte, wage ich zu bezweifeln. Pfitzners Werk entspringt seiner "Nibelungentreue".


    Zitat

    Zitat Klawirr
    Die etwas zynische Unterscheidung zwischen »guten« und »schlechten« Juden im Kontext des eher reaktionär-konservativ programmierten Antisemitismus macht die Sache aber keineswegs besser oder gar weniger antisemitisch.


    Völlig korrekt. Nur muß man wertfrei feststellen, daß es sich bei Pfitzner eben um einen unterscheidenden Antisemitismus handelte, während der NS-Antisemitismus ein nicht-unterscheidender war. Was weder den einen noch den anderen besser macht.


    Wie sehr Pfitzners Antisemitismus leider einer inneren Überzeugung entsprang, merkt man auch an seiner Oper "Das Herz", in der ein mit von Antisemiten als jüdisch verstandenen Charakterzügen ausgestattete Arzt einen Dämonenpakt eingeht. Es ist ein ähnlicher Fall wie in Egks "Zaubergeige": Der Jude ein wird nicht expressis verbis als solcher ausgewiesen, aber durch die Darstellung für antisemitische Gesinnungsgenossen als Jude kenntlich (und verächtlich) gemacht.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner



    Völlig korrekt. Nur muß man wertfrei feststellen, daß es sich bei Pfitzner eben um einen unterscheidenden Antisemitismus handelte, während der NS-Antisemitismus ein nicht-unterscheidender war. Was weder den einen noch den anderen besser macht.


    Lieber Edwin,
    den feinen Unterschied sehe ich schon - allerdings stehen »unterscheidender« und »nicht-unterscheidender« Antisemitismus ja nicht diskret nebeneinander: Die Grenzen waren und sind fließend und die zwischen 1890 und 1933 bereits nicht gerade unkonventionelle Variante hat zur Etablierung der radikalen NS-Variante ihr Scherflein durchaus beigetragen. Im übrigen sind die Kriterien, nach denen der »unterscheidende Antisemitismus« seine Unterscheidungen vorgenommen hat, naklar daselbst höchst fragwürdig. Aber das führt dann tatsächlich vom Thema fort.
    Ganz herzlich,
    Medard

  • Zitat

    Original von Klawirr


    Die etwas zynische Unterscheidung zwischen »guten« und »schlechten« Juden im Kontext des eher reaktionär-konservativ programmierten Antisemitismus macht die Sache aber keineswegs besser oder gar weniger antisemitisch. Gerade dieser salonfähige und schon im Kaiserreich weitverbreitete »Edel-Antisemitismus« hat erheblich dazu beigetragen, daß der eliminatorische Antisemitismus des NS denkbar und letztlich auch anschlußfähig wurde.


    Dazu auch meine uneingeschränkte Zustimmung. Trotzdem muss man wohl unterscheiden. Übrigens gehörte auch Richard Strauss zu den Vertretern dieses großbürgerlichen Antisemitismus. Er lernte allerdings die Folgen am eigenen Leib kennen: seine Schwiegertochter war jüdischer Astammung (ihre Mutter starb in Theresienstadt. Strauss war in Verkennung der Wirklichkeit mit seinem Wagen an den Pforten von Thersienstadt vorgesfahren, um sie wieder mitzunehmen. Von da an lebte Strauss in ständiger Angst, seiner Schwiegertochter und seinem geliebten Enkel könne etwas geschehen).



    Zitat

    Wobei sein Antimodermismus ja durchweg mit antisemitischen Mustern verschränkt war. Das eine ist bei Pfitzner eitgentlich gar nicht vom anderen zu trennen.


    Auch hier einverstanden. Man darf ergänzen, mit expliziten antisemitischen Mustern, die von den Nationalsozialisten kaum zu unterscheiden waren



    Zitat

    Aufführen muß man diese Nazi-Ode aber beileibe nicht!


    Eben.


    Liebe Grüße Peter

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  • Zur Information zum Thema sei die ausgezeichnete Dissertation einer Freundin empfohlen, die den Sachverhalt sehrausführlich untersucht hat:
    Busch, Sabine: Hans Pfitzner und der Nationalsozialismus. - Stuttgart: Metzler, 2001. - ISBN 3-476-45288-3
    Besonders übel sind übrigens Pfitzners Auslassungen nach 1945, als er erst wirklich zum Verteidiger des Nationalsozialismus avanciert, etwa in Briefen an Bruno Walter oder in seiner "Glosse zum zweiten Weltkrieg", in der er den Holocaust leugnet etc.

  • Hallo Gerald,


    Zitat

    Ob für "die meisten" oder für "viele" ist eine i-Tüpfelchen-Reiterei.


    Finde ich nicht.


    Zitat

    Du hast aber einen erstaunlichen Sinneswandel durchwandert. Von vehementer Ablehnung:


    Ich habe mich lediglich Edwins Meinung etwas angeschlossen.


    Zitat

    Wieso schreibst du überhaupt "hysterische Begeisterung"? Hättest du so etwas jemals z.b. Ulli oder dem Lullysten vorgeworfen?


    Das kommt auf den Zusammenhang an, und da gab es für mich noch keinen Grund.
    Haben Mozart und Lully Werke für Massenmörder komponiert?


    Zitat

    O b du Hans Pfitzner "so toll" oder nicht findest, ist für die Musikforschung allerdi ngs eher belanglos


    Stimmt. Na und?
    Was willst Du mir damit sagen?
    Soll ich jetzt den Mund halten?


    Zitat

    auch wenn wir jetzt beide wissen, dass wir (höflich ausgedrückt)Mist getan haben.


    Eine sehr große Verharmlosung, auch höflich.


    Zitat

    Ich weiß ja nicht, ob es dir bekannt ist, dass von Komponisten meist eine "Gesamtausgabe" der Werke veröffentlicht wird.


    Ne, ich habe keine Ahnung, das ist ja hinreichend bekannt......


    Es wird beileibe nicht von Komponisten "meist" eine Gesamtausgabe veröffentlicht.
    Von einigen Komponisten vielleicht, und das ist keine i-Tüpfelchen-Reiterei.


    Zitat

    habe ich deswegen jemals irgendjemanden seinen Einsatz für Mozart vorgeworfen?


    Ich habe Dir den Einsatz für Pfitzner nicht vorgeworfen.
    Vorgeworfen habe ich den Einsatz für ein einem Massenmörder gewidmetes Werk, dessen Nichtveröffentlichung Du als "skandalös" bezeichnet hast.


    Gruß,
    Michael

  • Ich möchte Armin Diedrichs Buchempfehlung unbedingt unterstützen, das ist eines der erhellendsten und auch erschreckendsten Bücher über den Fall Pfitzner, und obendrein gut lesbar geschrieben.


    Dennoch frage ich mich, ob diese Haltung Pfitzners nach 1945 nicht einem starrsinnigen "Jetzt erst recht" entspringt. Pfitzner sitlisiert sich in dieser Zeit zu einem aufrechten Nationalsozialisten. Meiner Meinung nach steckt Pfitzners Erkenntnis dahinter, daß seine Zeit nun endgültig vorbei ist, und er bereitet die Legende eines genialen Komponisten vor, der ausschließlich aufgrund einer abweichlerischen Meinung totgeschwiegen wird. Wäre Pfitzner nämlich der linientreue Nationalsozialist vom Typ Werner Egk gewesen (der "nachher" eine schon grandios zu nennende Bereinigung seiner Biografie betrieb), gäbe es mehr NS-Jubelmusik Pfitzners.


    Das macht die ganze Sache freilich nicht sympathischer. Und es bedarf tatsächlich einer gewissen Selbstüberwindung, die Musik eines solchen Menschen zu hören und - ja, auch vieles davon (und keineswegs nur den "Palestrina") für gut zu befinden.


    Insgesamt steuern wir aber auf eine jener wenig zielführenden Pfitzner-Diskussionen zu, bei der auf der einen Seite eine unkritische Gefolgschaft steht, die Pfitzners widerliche Handlungsweise schönredet und jedem kritisch unterscheidenden Diskutanten auf der anderen Seite vorwirft, sich mit der Materie Pfitzner nicht genug auseinandergesetzt zu haben.


    Dabei geht es darum gar nicht. Denn unterm Strich ändert sich nicht viel: Pfitzner bleibt am Ende immer noch ein ziemlich guter Komponist mit einem ziemlich miesen Charakter.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Dabei geht es darum gar nicht. Denn unterm Strich ändert sich nicht viel: Pfitzner bleibt am Ende immer noch ein ziemlich guter Komponist mit einem ziemlich miesen Charakter.


    :hello:


    Das läßt sich nur unterstreichen. Mir ist bislang noch kein bedeutender Komponist begegnet, der auf der menschlichen Ebene eine derart ekelhafte Person gewesen sein muß. Seine Tochter trieb er in den Selbstmord (wobei er sich anschließend nur beklagte, warum sie ihm das antun konnte), mit seinem Sohn verkehrte er nur noch über den Anwalt und so fort. Im Vergleich dazu war Wagner wohl ein Ausbund an Edelmut und Herzensgüte...

  • Vorweg: Eine Stellungnahme


    Mir ist Pfitzners Antisemitismus mehr als unsympathisch. Ja, ich verurteile natürlich jede Form von Rassendiskriminierung, egal von Pfitzner, Hauswärter Müller oder sonstwem.
    Mir geht es nicht um eine unkritische Beurteilung der Person Pfitzners: Dafür habe ich mich zuviel mit seinem Charakter beschäftigt. Prinzipiell - so meine ich - sollte man sich mit nichts auf dieser Erde, über oder unter ihr unkritisch beschäftigen. Wir sind ja schließlich denk- und urteilsfähige Menschen.
    Persönliche Dramen (wie den Selbstmord von Pfitzners Tochter Agnes 1939) oder Charakterschwächen zu beurteilen, halte ich für falsch: Zu leicht werden Fakten vergessen, abgesehen von der relativ großen zeitlichen Distanz von ca. 60-100 Jahren.
    Mir geht und ging es darum nie um eine persönliche Abrechnung mit irgendeiner Person - ob tot oder lebendig. Mein einziges Bestreben war, auf dieses op. 54 hinzuweisen, welches der Verlag wohl eher aus berechnenden Gründen zurückhält: Es wäre nicht nur wenig Geld damit zu machen, sondern auch haufenweise Kritik hinzunehmen (siehe die letzten Beiträge). Und das finde ich für einen Verlag einfach - ich wiederhole es - skandalös. Schließlich sollte im Firmenmotto doch auf ein Funken an musikwissenschaftlichem Interesse vorhanden sein - bei Oertel ist es das aber anscheinend nicht (Die Diskussion hier wäre wohl eher mit dem Verlag selbst zu führen - ich fühle mich allerdings auch nicht als Pfitzners Anwalt).



    Zitat

    Haben Mozart und Lully Werke für Massenmörder komponiert?


    Ludwig XIV. war zumindest nicht nur "Sonnenkönig", sondern ließ ganz nebenbei auch sein Volk in Armut darben und ließ die Hugenotten verfolgen, von seiner Wirtschaft ganz zu schweigen. Aber nein, Massenmörder (nach Definition) war er keiner.


    Zitat

    Zitat:
    auch wenn wir jetzt beide wissen, dass wir (höflich ausgedrückt)Mist getan haben.


    Eine sehr große Verharmlosung, auch höflich.


    Das habe ich (vollkommen frei) Hans Pfitzner in den Mund gelegt.


    Zitat

    Es wird beileibe nicht von Komponisten "meist" eine Gesamtausgabe veröffentlicht.


    Von einigen wichtigen, zu denen man Hans Pfitzner - völlig sachlich - aber mit gutem Grund dazurechnen könnte.


    Liebe Grüße,
    Gerald

    "Das Höchste in der Kunst - vor Gott besagt's nicht viel.
    Hat doch die Welt zuletzt nur ein moralisch Ziel."
    (Hans Pfitzner)

    Einmal editiert, zuletzt von Gerald ()

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  • Hallo Gerald,

    Zitat

    welches der Verlag wohl eher aus berechnenden Gründen zurückhält: Es wäre nicht nur wenig Geld damit zu machen, sondern auch haufenweise Kritik hinzunehmen


    Ein sehr "berechnender" Grund des Verlages wäre für mich z.B. die Tatsache, daß es durchaus im Rahmen der Möglichkeit liegen könnte, daß solch eine Veröffentlichung das Deutsch-Polnische Verhältnis, welches eh durch die furchtbaren Verbrechen der Deutschen sicherlich noch auf Jahrzehnte hin vergiftet sein wird, unnötig belasten würde.


    Es handelt sich immerhin um die "Krakauer Begrüßung" des "Generalgouverneurs für die besetzten polnischen Gebiete" , Hans Frank , welcher ausgerechnet auf der Krakauer Burg Wawel, dem Stammsitz der polnischen Könige, residierte, durch den NS-Sympathisanten und Nutznießer Pfitzner


    PUNKT!


    [SIZE=7]Man kann sich ja den Mund fusselig reden..........[/SIZE]


    Zitat

    Aber nein, Massenmörder (nach Definition) war er keiner.


    Warum dann der Versuch eines Vergleiches?
    Oder ist das gar kein Vergleich, sondern lediglich spitzfindig formuliert?
    In diesem Falle hätte dann u.U. Dein Geschichtslehrer völlig versagt, es sei denn, Du hast nicht richtig mitgedacht.


    Zitat

    Das habe ich (vollkommen frei) Hans Pfitzner in den Mund gelegt.


    Das habe ich-vollkommen frei- mir in den Mund gelegt.
    War eigentlich klar......


    Zitat

    Von einigen wichtigen, zu denen man Hans Pfitzner - völlig sachlich - aber mit gutem Grund dazurechnen könnte.


    Pfitzner war ein, ich wiederhole mich zum zigfasten :angry: ,
    sehr interessanter Komponist. Ein wirklicher Könner.
    Einige seiner Werke liebe ich durchaus.
    Aber ein WICHTIGER Komponist wie z. B Schostakowitsch......
    Das ist m.e. zuviel der Ehre für Pfitzner.
    Nenne doch bitte einen Grund, warum Pfitzner wichtig ist.
    Ich meine das absolut ohne Hintergedanken, da es mich wirklich interessiert. :angel:


    Daß er Dir wichtig ist, ist ja nun zur Genüge herübergekommen, aber warum sollte Pfitzner objektiv gesehen wichtig sein?


    Zitat

    Und das finde ich für einen Verlag einfach - ich wiederhole es - skandalös


    Daß ich dies übertrieben pathetisch finde, darauf gebe ich Dir mein-ich wiederhole es- mein Ehrenwort.... ( frei nach Uwe Barschel, den Du wohl nicht kennst.... )


    Fast alle Komponisten, welche mir wichtig sind und die ich liebe, sind keine objektiv wichtigen Komponisten, aber das ist mir mittlerweile egal.


    Ich habe den Eindruck, daß das völlige Fehlen von Humor in Pfitzners Musik irgendwie abfärbt. :stumm:

    Zitat

    Dafür habe ich mich zuviel mit seinem Charakter beschäftigt


    Um Gottes Willen, gibt es keinen anderen, sympathischeren Komponisten, mit dem Du dich beschäftigen kannst?


    Nimm doch einmal Korngold, der war ein wirklich netter Kerl! :angel:
    Und dieser Komponist, den ich weitaus mehr liebe als Pfitzner, hat durch diesen ganzen braunen Sumpf wirklichen Schaden erlitten.


    Ach nein, ich vergaß, daß Pfitzner und alle anderen NS-Mitläufer die eigentlichen Opfer sind.
    Eine Krokodilsträne zu diesem völlig klaren Sachverhalt.


    Ich meine, Du bist doch Gymnasiast, also noch recht jung im Gegensatz zu mir.


    Mir ist völlig klar, warum Du jetzt kämpfst und auf Deiner Meinung herumreitest, denn ich war auch einmal 3 mal 7 Jahre alt. =)


    Aber Du hast Dir da ein wirkliches Arschloch als Lichtgestalt ausgesucht. X(


    Hups, sorry, das war jetzt sehr direkt, aber da Du durchaus Willens bist, kleine, versteckte Beleidigungen und Zurechtweisungen in Deinen Antworten unterzubringen, werde ich jetzt auch ein wenig direkter.


    Ich hoffe, daß wir wieder zu einer entspannteren Diskussion zurückfinden können.
    Daß Du in ein Wespennest voll von brauner Kacke trittst, war Dir doch hoffentlich vorher klar?
    Insofern waren doch so gut wie alle Antworten sehr verständisvoll, was die Musik Pfitzners angeht.


    Und mehr kann m.E. DIESER Komponist posthum nicht verdienen.


    Schluss und Gruss,


    Michael

  • Zitat

    Zitat Gerald
    Von einigen wichtigen, zu denen man Hans Pfitzner - völlig sachlich - aber mit gutem Grund dazurechnen könnte.


    Pardon - aber: Nein. Pfitzner ist, bei all meiner Hochachtung für den Komponisten von "Palestrina", "dunklem Reich" und C-Dur-Symphonie, nicht einer von jenen, die zwangsläufig die Gesamtausgabe erzwingen. Solange es von Komponisten wie Feruccio Busoni, Josef Matthias Hauer, Carl Orff, Franz Schreker, Alexander Zemlinsky, etc. keine Gesamtausgaben gibt, sehe ich auch keinen Grund für eine Pfitzner-Gesamtausgabe.


    Pfitzner ist, bei aller Wertschätzung, kein epochaler Komponist. Das hängt mit seiner selbst gewählten Stellung als Bewahrer zusammen, als Komponist, der auf der Basis der herkömmlichen Strukturen arbeitet. Daß er damit etwas durchaus Achtbares geschaffen hat, prägt seine Lebensspanne noch lange nicht zur "Pfitzner-Epoche".


    Man muß aber auch der Objektivität zuliebe zugeben, daß Pfitzner nicht einmal auf der Basis dieser bewußten Konservativität die große singuläre Figur war. Beschränken wir uns einmal lediglich auf den deutschsprachigen Raum und lassen wir den (von mir durchaus skeptisch beäugten Übermeister Richard Strauss weg), haben wir da weiters um nur einige zu nennen: Walter Braunfels, Hugo Distler, Paul Graener, Joseph Haas, Heinrich Kaminski, Friedrich Klose, Erich Wolfgang Korngold, Max von Schillings, Franz Schmidt, Othmar Schoeck, Siegfried Wagner und Felix von Weingartner. Allein von diesen aus dem Gedächtnis genannten sind meiner Meinung nach zumindest Braunfels, Distler, Kaminski, Korngold und Schoeck Pfitzner überlegen.


    Pfitzner ist lediglich bekannter geworden - nicht einmal so sehr durch seine Musik (und auch nicht einmal durch nationalsozialistische Propaganda), sondern schlicht durch seine streitbaren Polemiken gegen die Neue Musik auf der einen Seite und seine Gegenposition zu Richard Strauss auf der anderen Seite.


    Dadurch wird dieser Hans Pfitzner zweifellos zu einer extrem interessanten Erscheinung in einem bestimmten historischen Kontext, aber dieser historische Kontext ist meiner Meinung nach keine Rechtfertigung für die Gesamtausgabe seiner Werke. Nichts desto weniger sollten einige Werke Pfitzners kritisch ediert werden (teilweise schon geschehen), meiner Meinung nach zumindest "Palestrina", "Von deutscher Seele", Sinfonien op.36a und op.46, Cellokonzert a-Moll, das Violinkonzert, die Streichquartette und die Klavierlieder. Was darüber hinausgeht, scheint mir eine verlegerische Fleißaufgabe, wenn ich bedenke, daß es nicht einmal von sämtlichen Opern Janáceks kritische Editionen gibt.


    Abgesehen davon meine ich, wenn man eine kritische Gesamtausgabe der Werke Pfitzners unternimmt, sollte auch die "Krakauer Begrüßung" dabei sein. Denn entweder, es ist eine Gesamtedition oder nicht. Eine Gesamtedition, die einem falsch verstandenen Schutz des Autor zuliebe seine Peinlichkeiten und moralischen Unzulänglichkeiten unterdrückt, halte ich für verlogen und entbehrlich.


    :hello:

    ...

  • Allerletzter Beitrag dazu:


    Warum sollte man den Wert eines Komponisten, ja Künstlers allgemein, an seinen fortschrittlichen Leistungen ablesen können? Warum ist ein "konservativer" Komponist, egal welcher Epoche, sofort unbedeutender als ein progressiver? Mit diesem Schluss müsste man ja in weiterer Folge z.B. auch Palestrina gegen Gesualdo, Brahms gegen Liszt oder Wagner ausspielen. Das wurde auch - zumindest im letzten Fall - doch jahrelang auch so gemacht ("Neudeutsche"...). Wollen wir hier tatsächlich Komponisten bewerten? Nach unseren (selbsternannten) "objektiven" Richtlinien Medaillen und Pokale verteilen?


    Ich bitte dies als Denkanstoß zu verstehen. Wie gesagt, mein allerletzter Beitrag zu diesem Thema (ist ja bereits mehr als ermüdend).


    ------------------------


    Auf das Meiste ist das obige meine Antwort, nur eine verdient es noch, näher darauf einzugehen:


    Zitat

    Nenne doch bitte einen Grund, warum Pfitzner wichtig ist.


    Ganz aus dem Stehgreif (völlig unwissenschaftlich):
    1. Seine Opern, besonders natürlich Palestrina, sind wohl die bedeutendsten Opern in der (persönlich entwickelten) Nachfolge Wagners.
    2. Seine knapp 100 Lieder stehen in der unmittelbaren Reihenfolge von Schubert, Schumann, Brahms und Wolf. Danach kommt Pfitzner. Dann Hindemith ("Marienleben"). Und dann? Wird nicht mehr viel bedeutendes im Lied gesagt.


    Liebe Grüße,
    Gerald

    "Das Höchste in der Kunst - vor Gott besagt's nicht viel.
    Hat doch die Welt zuletzt nur ein moralisch Ziel."
    (Hans Pfitzner)

    Einmal editiert, zuletzt von Gerald ()

  • Ich stelle mir gerade die Frage, ob Oertel, so sie denn die "Krakauer Begrüßung" veröffentlichen würden, Aufführungen des Werkes überhaupt verhindern könnten?


    Ich kann mir vorstellen, dass Typen wie Thielemann zu solchen Provokationen imstande wären und wenn nicht er, fänden sich andere.


    Die Schande, die Huldigung an einen fürchterlichen Verbrecher aufzuführen, völlig egal wie der musikalische Gehalt ist - denn darum geht es gar nicht, sollte uns erspart bleiben.


    Von daher handelt Oertel vielleicht nicht skandalös sondern aus praktischen Erwägungen heraus verantwortungsbewußt.


    Der Schoß ist fruchtbar noch ...


    LG,
    calaf

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • Zitat

    Original von Gerald
    Warum sollte man den Wert eines Komponisten, ja Künstlers allgemein, an seinen fortschrittlichen Leistungen ablesen können?


    Das kann man nicht zuletzt, weil eines der zentralen Kriterien von Kunst das Innovatorische ist, die Neu-Erfindung. Das ist mit "fortschrittlich" nicht deckungsgleich, der "Fortschritt" in der Kunst ist ein sehr komplexes Thema, aber - um es etwas vereinfacht zu sagen: jede Komposition ist die Lösung eines ästhetischen Problems, je anspruchsvoller die Lösung und der Lösungsweg sind, umso bedeutender ist die Komposition. Wenn man sich nicht die "Mühe" macht, nach immer neuen Lösungen zu suchen, ist man ein Epigone. Das macht eben den Unterschied zwischen Klinger und Goethe und Pfitzner und Schönberg. Bei dem letzten Namen ist anzumerken, dass Schönberg nach dem Krieg für Pfitzner eingetreten ist, ein bemerkenswertes Beispiel einer künstlerischen Redlichkeit gegenüber einem Mann, der ihn über Jahrzehnte mit Schmutz beworfen hat.

    Zitat

    Warum ist ein "konservativer" Komponist, egal welcher Epoche, sofort unbedeutender als ein progressiver? Mit diesem Schluss müsste man ja in weiterer Folge z.B. auch Palestrina gegen Gesualdo, Brahms gegen Liszt oder Wagner ausspielen.


    Ich glaube, da kennst Du Dich noch nicht so sehr in der Musikgeschichte aus, denn da spielen ganz andere Problemstellungen eine Rolle, im Falle von Gesualdo etwa die des Manierismus. Über den "Konservatismus" von Brahms gibt es die bekannte Untersuchung von Schönberg.


    Alles in allem ein Thema, das ich gerne ausführlicher diskutiere, das aber hier ein wenig verloren ist, weil man das mit Pfitzner sicherlich vom falschen Ende her aufzäumt.


    Zitat

    Das wurde auch - zumindest im letzten Fall - doch jahrelang auch so gemacht ("Neudeutsche"...).


    Von wem und wo?


    Zitat

    Wollen wir hier tatsächlich Komponisten bewerten? Nach unseren (selbsternannten) "objektiven" Richtlinien Medaillen und Pokale verteilen?


    Natürlich bewerten wir Komponisten. Du tust es ja auch, mit Deiner vollen Subjektivität, die Dir zugestanden ist. Aber dass es über diesen subjektiven Kriterien auch ästhetisch objektive gibt, dass man Kriterien zumindest objektivieren kann, ist doch einer der Hauptinhalte der Ästhetik. Und zur Geschmacksbildung in allen Künsten gehört es, dieser Kriterien kennen- und anwenden zu lernen. Das was Du willst ist eine ästhetische Beliebigkeit. Wenn gut ist, was jemanden gefällt, dann wird man dessen Kompetenz berücksichtigen müssen - denn sicherlich ist das Urteil von jemanden, der noch keinen Überblick und keinen Vergleich in der Musikgeschichte hat, wesentlich zufälliger als von jemanden, der sich über Jahre mit der Musik intensiv auseinander gesetzt hat. Ich hätte allerdings entschieden etwas dagegen, dass nun Bewertungen nach den Persoinen, die sie aussprechen, bewertet würden. Da ziehe ich die Bewertungen der Ästhetik vor, die den Vorteil haben, dass es diese Wissenschaft nachvollziehbar schon seit Aristoteles gibt und man entsprechend viel Übung im Bewerten von Kunst hat ...



    Zitat

    Ich bitte dies als Denkanstoß zu verstehen. Wie gesagt, mein allerletzter Beitrag zu diesem Thema (ist ja bereits mehr als ermüdend).


    Das mag für Dich gelten, keineswegs für mich. Ich habe mich auch - so meine ich - gründlich mit Pfitzner auseinandergesetzt. Ich meine, dass wir erst am Anfang der Diskussion stehen, die sich an der Edition eines Werkes entzündet hat (auch ein interessanter kunstpolitischer Aspekt). Aber wir brauchen sie ja nicht fortzuführen. Nur eben "ermüdet" ist sie noch lange nicht ...


    LG Peter

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  • Zitat

    Original von pbrixius


    Das kann man nicht zuletzt, weil eines der zentralen Kriterien von Kunst das Innovatorische ist, die Neu-Erfindung. Das ist mit "fortschrittlich" nicht deckungsgleich, der "Fortschritt" in der Kunst ist ein sehr komplexes Thema, aber - um es etwas vereinfacht zu sagen: jede Komposition ist die Lösung eines ästhetischen Problems, je anspruchsvoller die Lösung und der Lösungsweg sind, umso bedeutender ist die Komposition. Wenn man sich nicht die "Mühe" macht, nach immer neuen Lösungen zu suchen, ist man ein Epigone. Das macht eben den Unterschied zwischen Klinger und Goethe und Pfitzner und Schönberg.


    Lieber Peter,
    ich bin ja ein wenig skeptisch, was die Bedeutung des »Fortschritts« oder - schöner gesagt - der »Innovation« als Kriterium für die literar-/kunst-/musikgeschichtliche Bedeutung einer unter einem Etikett (also dem Namen des »Autors«) zusammengefaßten Werkgruppe anbetrifft. Aber das müssen wir nicht an dieser Stelle diskutieren. Meine Frage geht eher dahin, inwiefern Du den »Unterschied« zwischen Klinger und Goethe einem qualitativ unterschiedlichen Innovationspotential ihrer Werke festmachen willst? Für einen Epigonen halte ich Klinger nun tatsächlich nicht (genausoweging wie Lenz oder auch Leisewitz). »Sturm und Drang« oder »Die Zwillinge« sind IMO keineswegs epigonale Werke und für den Faust-Roman fiele mir - sowohl was die narrativen Strukturen als auch was das sozialkritische Potential anbetrifft - nicht wirklich ein Vorbild in der deutschen Literatur ein, demgegenüber er epigonal sein könnte. IMO gilt Goethe heute auch nicht deshalb als der bedeutendere Dichter, weil sein Werk objektiv »besser« oder »innovativer« wäre, sondern weil es in einem Prozess der Kanonisierung ex post zum Klassischsten unter den Klassischen gemacht worden ist, während alles, was den Schritt zur Weimarer Klassik nicht mitgemacht hat bzw. (um mal das Fortschritts-Pathos rauszunehmen) einen anderen Weg gegangen ist, als Holzweg, episodische Nebenlinie, Übergang o.ä. verortet wird.


    Lenz hat in seinem »Pandaemonium Germanicum« (1775) diese Entwicklung übrigens bereits geahnt und höchst sarkastisch kommentiert. By the way: Lenz' Stücke (»Hofmeister«, »Pandaemonium«, »Soldaten«) sind in so mancher Hinsicht erheblich »innovativer« gewesen als alles, was Goethen und Schillern an Dramentexten so zusammengedichtet haben. Als bedeutender gilt er deshalb allgemein aber nicht.


    Ganz herzlich,
    Medard

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Solange es von Komponisten wie [...] Josef Matthias Hauer [...] keine Gesamtausgaben gibt, sehe ich auch keinen Grund für eine Pfitzner-Gesamtausgabe.


    Hehehe, guter Witz ...
    Jetzt bist Du aber garstig zu Pfitzner, denn so wird er nie seine Gesamtausgabe kriegen können.
    :beatnik:

  • Zitat

    Original von pbrixius
    Wenn man sich nicht die "Mühe" macht, nach immer neuen Lösungen zu suchen, ist man ein Epigone. Das macht eben den Unterschied zwischen Klinger und Goethe und Pfitzner und Schönberg.


    8o ?(
    Klinger ein Epigone?!
    Hast Du mal "Sturm und Drang" gelesen?
    Wen epigoniert er da?
    :faint:


    PS: Habe gerade gesehen, dass Klawirr da auch schon eingehakt hat.

  • Hallo Gerald,

    Zitat

    Wollen wir hier tatsächlich Komponisten bewerten?


    Ja. Wir wollen.
    Denn darum geht es schließlich: Um Bewertung. Daß diese Bewertung nach subjektiven Kriterien erfolgt, ändert nichts an der Tatsache, daß es sich immer noch um eine Bewertung handelt.
    Auch Du bewertest: Deine Einschätzung Pfitzners ist etwa eine solche Bewertung.
    Na und?
    Es ist nichts Schlechtes, etwas zu bewerten, solange man seine Bewertungskriterien offenlegt.


    Zitat

    Seine Opern, besonders natürlich Palestrina, sind wohl die bedeutendsten Opern in der (persönlich entwickelten) Nachfolge Wagners.


    Das wäre ein Punkt, über den sich trefflich streiten ließe. Etwa, ob die Behauptung, daß Pfitzner in Wagner-Nachfolge steht, überhaupt stimmt. Meiner Meinung nach ist das ein taktisches Postulat der Pfitzner-Gemeinde, um die Wagnerianer und die im Wagnerschen Geist Nationalkonservativen auf die Seite Pfitzners zu holen.
    Ein genaues Partiturstudium zeigt, daß Pfitzner weder in der Technik der Motivverarbeitung noch in der Klangtechnik Wagner folgt. Partielle Wagnerismen sind bei nahezu allen deutschsprachigen Komponisten dieser Zeit anzutreffen.


    Nun die Frage, ob Pfitzners Opern tatsächlich die "wohl die bedeutendsten Opern in der (persönlich entwickelten) Nachfolge Wagners" sind. Ich würde es so sagen: "Palestrina" ist eine der bedeutendsten Opern in der - ich stocke, weil ich vom Folgenden, wie oben dargelegt, ni9cht überzeugt bin - "persönlich entwickelten Nachfolge Wagners". Wenn ich aber daran denke, daß zu dieser "persönlich entwickelten Nachfolge Wagners", wenn ich Zeitdokumente zur Beurteilung heranziehe, auch die Werke von Schrekers und Zemlinsky gerechnet wurden, stocke ich. Steht die "Rose vom Liebesgarten" wirklich über dem "Schatzgräber"? Ist der "Arme Heinrich" wirklich dem "König Kandaules" so turmhoch überlegen?
    Und dann kommt da auch noch der Komponist dazu, den ich persönlich nicht mag, der aber doch ein paar Opern geschrieben hat, die gegen die Pfitzners nicht wirklich abstinken, nämlich Richard Strauss.
    Und da beschränke ich mich nur auf die deutschsprachigen Komponisten und lasse etwa die französische Entwicklung mit Chabrier, Chausson, Debussy, Dukas und Magnard ganz weg.
    Natürlich ist Pfitzner ein wesentlicher Komponist seiner Zeit, aber der Mount Everest der Wagner-Nachfolge - das scheint mir stark übertrieben.


    Zitat

    2. Seine knapp 100 Lieder stehen in der unmittelbaren Reihenfolge von Schubert, Schumann, Brahms und Wolf. Danach kommt Pfitzner. Dann Hindemith ("Marienleben"). Und dann? Wird nicht mehr viel bedeutendes im Lied gesagt.


    Pardon - aber welch ein Unsinn! Natürlich wird nachher noch Bedeutendes im Lied gesagt. Etwa von Benjamin Britten, von Francis Poulenc, von Hermann Reutter, von Hanns Eisler, von Allan Pettersson, von Aribert Reimann, von Wolfgang Rihm, von Dominick Argento, von Ned Rorem. Die eigene Literaturkenntnis (oder vielmehr deren Mangel) sollte man wirklich nicht ummünzen zur übertrieben positiven Bewertung von Pfitzners - zweifellos ebenfalls bedeutendem - Liedschaffen.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister


    Hehehe, guter Witz ...
    Jetzt bist Du aber garstig zu Pfitzner, denn so wird er nie seine Gesamtausgabe kriegen können.
    :beatnik:


    :yes:


    Ich sehe das so: Beide sind Komponisten, um die sich eine "Gemeinde" gebildet hat... :D


    :hello:

    ...

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  • Zitat

    Original von BigBerlinBear
    Pfitzners Musik seiner Spätphase birgt kaum Aspekte, die eine Auseinandersetzung mit dem, was in den Terrorjahren geschah, erkennen ließen.


    Ich sehe absolut nicht ein, dass ab 1945 alles den Ausdrucksgehalt von Nonos "Como una ola" haben muss (auch wenn ich selbst hauptsächlich "Schockmusik" mache). Dieses "und jetzt müssen alle ganz betroffen dreinschauen und redliche Musik machen" ist mir auch zuwider ...

  • Zitat

    Original von Klawirr
    ch bin ja ein wenig skeptisch, was die Bedeutung des »Fortschritts« oder - schöner gesagt - der »Innovation« als Kriterium für die literar-/kunst-/musikgeschichtliche Bedeutung einer unter einem Etikett (also dem Namen des »Autors«) zusammengefaßten Werkgruppe anbetrifft.


    Lieber Medard,


    ich glaube schon deutlich gemacht zu haben, dass dies nur eines unter einer Anzahl von Kriterien ist - und Fortschritt nicht im naturwissenschaftlich-materiellen Sinne aufgefasst werden kann. Aber es gibt - um einmal vorzugreifen - schon Einiges, bei dem auch von einem "Mehr" gesprochen werden kann. Wenn wir die Zeit der Aufklärung (die ja die des Sturm und Drangs umfasst) zugrunde legen, etwa das Mehr an psychologischer Durchdringung, das nun den Unterschied zwischen Klinger und Goethe u.a. ausmacht. Im Sinne einer Avantgarde war zur Zeit des Sturm und Drangs kein Unterschied zwischen Klinger und Goethe auszumachen, sie trieben sich sozusagen gegenseitig an und voran. Aber was die Erweiterung des Sagbaren (vor allem erst einmal in der Lyrik) anging, gab es schon deutliche "Vorteile" für Goethe. Und während es Klinger nicht gelang, den "progressiven" Impetus fortzuführen, gelang dies Goethe.


    Analog kann man eben auch die zunehmende psychologische Durchdringung der Opern bei Gluck und bei Mozart als ein qualitativ Neues ansehen, das man auch (wenn nicht so glücklich) als Fortschritt bezeichnen kann.


    Zitat

    IMO gilt Goethe heute auch nicht deshalb als der bedeutendere Dichter, weil sein Werk objektiv »besser« oder »innovativer« wäre, sondern weil es in einem Prozess der Kanonisierung ex post zum klassischsten unter den Klassischen gemacht worden ist, während alles, was den Schritt zur Weimarer Klassik nicht mitgemacht hat bzw. (um mal das Fortschritts-Pathos rauszunehmen) einen anderen Weg gegangen ist, als Holzweg, episodische Nebenlinie, Übergang o.ä. verortet wird.


    Mit der Fragestellung kommen wir zu einem anderen, nicht unwesentlichen Aspekt - der literarischen Wirkung. "Innovationen", die keine Wirkung oder keine beträchtliche Wirkung zeigen (etwa in einer "Reihe" von Kunstwerken, beispielsweise bei der Sinfonie, wo die Errungenschaften des einen Grundlage der Arbeit des nächsten werden), werden eben als modisch betrachtet, sie "veralten". Das eben ist mit Klinger, Leisewitz & Co. geschehen. Ihre ästhetische Antwort auf die Probleme ihrer Zeit hat zehn Jahre nach Erscheinen ihrer Werke nicht mehr genügt. Dass wir heute aus literaturgeschichtlicher Sicht die Werke wiederentdecken, ist das eine. Aber "repertoirefähig" sind "Die Soldaten" allenfalls in der "Fassung" von BAZI geworden, ansonsten sind es nur kurzfristig wirkende Schaustücke, die aufgeführt werden und wieder verschwinden - im Gegensatz etwa zum Götz. Und der "Werther" ist auch heute noch lebendig, eben weil er das "Mehr" hat, das auch heute noch in der Rezeption wirken kann. Man kann einen Teil der ästhetischen Kommunikation, wie es ein Werk darstellt, eben nicht unabhängig von dem Gesamtkommunikationsprozess sehen.


    Dass Pfitzner unter den genannten Aspekten auch in eine nachgeordnete Kategorie fällt, ist deutlich: Es ist keine Nachfolge von Rang zu sehen, denn dann wäre es wiederum leichter, selbst bei Schumann anzuknüpfen, statt den Umweg über Pfitzner zu nehmen. Die meisten (Orchester-)Werke Pfitzner machen auf mich den Eindruck einer (qualitativ guten) Filmmusik (was seiner Ästhetik eigentlich diametral widerspricht) - die ästhetischen Anreize sind überholt und eingeholt. Nur wo er wirklich sperrig wird (und das geschieht doch selten genug), ist er auch heute noch über ein gewisses musikhistorisches Interesse spannend.


    Liebe Grüße Peter

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    Klinger ein Epigone?!
    Hast Du mal "Sturm und Drang" gelesen?


    Lieber KSM,


    ja, das habe ich. Damit habe ich mich sogar einmal wissenschaftlich beschäftigt. Nur liegt das inzwischen über 30 Jahre zurück. Wenn Dich das Thema interessiert, werde ich mich gerne wieder einlesen und dann im richtigen Thread Rede und Antwort stehen. Ansonsten findest Du in der Antwort an Medard schon einige Gesichtspunkte, denen ich andere am Werk, von mir aus an "Sturm und Drang", gerne nachliefere.


    LG Peter

  • Zitat

    Original von pbrixius
    Dass Pfitzner unter den genannten Aspekten auch in eine nachgeordnete Kategorie fällt, ist deutlich: Es ist keine Nachfolge von Rang zu sehen, denn dann wäre es wiederum leichter, selbst bei Schumann anzuknüpfen, statt den Umweg über Pfitzner zu nehmen. Die meisten (Orchester-)Werke Pfitzner machen auf mich den Eindruck einer (qualitativ guten) Filmmusik (was seiner Ästhetik eigentlich diametral widerspricht) - die ästhetischen Anreize sind überholt und eingeholt. Nur wo er wirklich sperrig wird (und das geschieht doch selten genug), ist er auch heute noch über ein gewisses musikhistorisches Interesse spannend.


    ... und findet auch Nachfolger von Rang (Trojahn).
    siehe auch "Nacht" aus "von deutscher Seele".
    Pfitzner ist noch nicht ganz ausgelutscht!

  • Zitat

    Original von pbrixius


    [...]Wenn Dich das Thema interessiert, werde ich mich gerne wieder einlesen und dann im richtigen Thread Rede und Antwort stehen.[...]


    Ich dachte, dass beim "Epigonen" eine gewisse zeitliche Verspätung dabei sein muss. Wenn er an vorderster Front der Ultramodernen mitmacht (wie Klinger in "Sturm und Drang" - eventuell auch Pfitzner in manchen frühen Liedern), dann kann er von mir aus weniger vollendeter Mitläufer sein - aber Epigone?


    Es gäbe ja sonst fast nur Epigonen - brrr ...


    Als typische Epigonen fallen mir leider immer nur Maler ein (macht nix, Klinger ist ja auch kein Komponist): Pieter Brueghel d.J. ist ein extremes Beispiel, macht immer nur seinen Papa nach ...
    :hello:

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  • Ein schlechtes Beispiel (und auch die guten Beispiele werden fast immer umstritten sein) hebt aber nicht auf, dass Innovation und Originalität häufig als Kriterien bei der Beurteilung von Künstlern verwendet werden.
    Natürlich nicht als einzige, aber nicht beliebig, sondern in Abwägung mit anderen und vor einem bestimmten Hintergrund (und dieser Hintergrund ist nicht einfach subjektiv, sondern zwar zeit- und kulturbezogen, aber in diesem Rahmen objektiv. Jemand wie Goethe wird sicher nicht in erster Linie aufgrund seiner kühnen Innovation, sondern eher aufgrund der Universalität, Vielfalt des gesamten Oeuvres u.a. so hoch eingeschätzt. Da ich mich in der Literatur nicht gut auskenne, gebe ich lieber keine weiteren strittigen Beispiele. Auch zu Pfitzner kann ich nichts sagen.
    Aber ich finde Peters Problemlösungs-Formulierung recht überzeugend: Es geht um überzeugende Lösungen bestimmter künstlerischer "Probleme". Die ergeben sich vor einem gewissen musikgeschichtlichen Hintergrund und dem persönlichen des Künstlers. Künstler oder ganze Richtungen können höchst unterschiedlich auf solche Probleme oder gar Krisen reagieren. Ihre Reaktionen fallen aber nie vom Himmel, sondern beziehen sich dialektisch auf das Vorhergehende. Brahms mag verglichen mit Wagner konservativ wirken, er liefert aber eine sehr eigenständige, keineswegs epigonale (und in dem etwas technischen Sinn, auf den Schönberg hingewiesen hat, sogar "fortschrittliche") Lösung des Problems "Sonatenformen nach Beethoven". Bruckner liefert eine alternative Lösung für ein ähnliches Problem.
    Wir beurteilen die Qualität von Kunstwerken nicht zuletzt nach der "Schwierigkeit" der Probleme und der Brillanz der Lösung. Mir fällt jetzt kein Brahms-Zeitgenosse ein, aber wenn man etwa Beethoven und Spohr diesbezüglich vergleicht, so schätzen wir Spohr vielleicht gar nicht in erster Linie aufgrund seiner Lösungen soviel weniger bedeutend ein, sondern aufgrund des Problemniveaus. Es ist halt ein Unterschied, ob man sich einen Nachmittagsspaziergang als Aufgabe stellt und bewältigt, oder eine Everest-Expedition in Angriff nimmt.
    Interessant wird es, wenn die "Everest-Expedition" scheitert. Häufig bewerten wir sie dennoch höher als den gelungenen Spaziergang (oder Dreitausender). Wohl nicht ganz zu unrecht. Allein das Basislager einzurichten kostet ja schon mehr Mühe und Ausdauer, erfordert mehr Phantasie und Hingabe als die einfachere Tour.


    viele Grüße


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)


  • Einverstanden. Aber ich gebe zu bedenken, daß das Material (außerhalb einer Gesamtausgabe) ohnedies vorhanden ist - wie auch bei Schmidts "Deutscher Auferstehung". Dennoch wurden die Werke auch von den verdächtigsten Dirigenten bis heute nicht reanimiert.
    Aber jetzt einmal eine prinzipielle Frage: Ist es wirklich verwerflicher, Pfitzners "Krakauer Begrüßung" aufzuführen als etwa Egks "Zaubergeige" oder seine widerliche Arisierung von Milhaud/Claudels genialem "Christophore Colomb"?


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Interessant wird es, wenn die "Everest-Expedition" scheitert.


    Hallo JR,


    zu allem meine vollste Zustimmung.
    Mein liebster Everest-Anwärter, ders nicht ganz geschafft hat, ist dabei Busoni.
    Wenn bei Mozart die psychologische Durchdringung der Opernfiguren und die Synthese aller "nationalen Stile" seiner Zeit die Aufgabe ist - sind dann z.B. seine Klaviersonaten nur Nebenwerke, die gegen Haydns Beiträge zur Gattung abstinken?
    ?(


    PS: zurück zum Thema: Hält nicht Trojahn Pfitzners Scheitern in "von deutscher Seele" für interessant? Ein gelungener bequemer Spaziergang ist dieses Oratorium wohl nicht unbedingt.

  • Zitat

    Original von Kurzstueckmeister
    ... und findet auch Nachfolger von Rang (Trojahn).


    Trojahn ein Nachfolger von Rang? ich bin beruhigt ...


    LG Peter

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