Die Wagner-Lösung hätte sicherlich ihren Reiz, aber die daraus resultierende Oper gibt es ja schon unter dem Titel DIE WALKÜRE, und die hat auch ohne den überflüssigen Herrn Oberhoff recht gut Bestand.
So besinne ich mich lieber darauf, dass wirs uns nicht in der Welt der nordisch-germanischen Sagen befinden, sondern in der von Grimms Märchen und stelle mir vor:
1. Akt
Unter den vielen Kindern, die Hänsel und Gretel befreit haben, befindet sich auch ein Geschwisterpaar königlichen Geblütes, das von seinen Eltern heftig beweint wird. Als die Familie Besenbinder die beiden zum königlichen Hof zurück bringt, sind diese Royals so entzückt, dass sie sofort ein Waisenhaus für die Kinder bauen lassen, deren Eltern vor Gram (oder langer Zeit) gestoprben sind, und das von Vater und Mutter Besenbinder geleitet wird. Hänsel und Gretel selbst aber werden zu königlichen Gespielen der prinzlichen Geschwister ernannt und gemeinsam mit ihnen aufgezogen, so dass sie alles lernen, was damalige Könige und Königinnen so brauchen konnten: französisch, höfisch tanzen, und natürlich das Handwerk des Jagens (Hänsel natürlich) und Nähens (Gretel, auch natürlich, denn gar so märchenhaft, dass das anders sein könnte, geht es im Märchen denn doch nicht zu).
Mit Dank an Frank L. Baum erfährt nun die Schwester der verkohlten Hexe von dem schmachvollen Schicksal ihrer Schwester. Die beiden haben sich zwar herzlich gehasst, weshalb sie einander weit aus dem Wege gegangen sind und man nie von der anderen erfahren hat, aber so darf es einer Hexe natürlich nicht ergehen. Das greift die Familienehre an und überhaupt: wo käme man hin, wenn jeder einfach so Hexen verbrennen könnte. Ihr ahnt, in welcher noch aufgeklärten Zeit das spielt, und was für eine großartige Arie der Schwesterhexe da fällig ist. Gerade aus dem Wissen des Nachhinein gewinnt diese eine tragische Dimension, wie überhaupt die Schwesterhexe beileibe nicht so böse ist wie der Rest der Brut und eigentlich lieber gut wäre (daher der Hass der bösen auf sie), nur von der Welt um sie herum nicht gelassen wird (Schatten von Frankensteins Monster). Die in ihr wohnende Schizophrenie kommt zum Ausbruch, und sie sinnt auf Rache, die sorgfältig geplant sein will.
2. Akt
Fünf Jahre später: Aus dem Kinderquartett sind schmucke Jugendliche geworden, die einander herzlich lieb haben (kreuzweise natürlich) und ein wunderschönes Quartett singen. Hänsel und der Prinz sind inzwischen über den Stimmbruch hinaus und keine Kastraten geworden, also sind sie Tenor (Prinz) und Bariton (Hänsel). Daraus entwickelt sich aber, wir sind schließlich im Märchen, keineswegs ein Quartett im Bett, sondern erneut eine Tragödie. Auf Anraten der Hexe, die sich inzwischen als angesehene Beraterin in den Hof eingeschlichen hat, soll die Prinzessin an einen hässlichen Königssohn in weiter Ferne verheiratet werden, während der Prinz sich auf die Jagd nach einem furchtbaren Drachen begeben soll, den die Hexe ins Land gezaubert hat. Erst wenn sein Land von der Plage befreit ist, darf er nämlöich die Tochter des Kaisers zur Frau bekommen. Eine große Ehre, auf die der Prinz ebenso pfeift wie auf den lebensgefährlichen Auftrag. Das Jagen und Kämpfen lag ihm ohnehin nie so sehr wie das Tanzen - am liebsten natürlich mit Gretel, die sich schon immer besonders gut darauf verstand. Erneutes Ensemble, diesmal ein Quintett, da es durch die hämischen Kommentare der Hexe erweitert wird, die das Quartett heimlich belauscht.
Gretel versucht, ihren geliebten Prinzen vor dem tödlichen Auftrag zu retten, und ihre Tränen (sowie ihre ans Herz rührende Klage) vermögen den König zu erweichen, denn er hat ein großes Herz für bezaubernde junge Dinger, und auch die Königin lässt sich von Hänsels Mut beeindrucken, mit dem er anbietet, an Stelle des Prinzen los zu ziehen (große Arie: "Dräut dem Dorf der finstre Drache, wehklagt nicht, weil Hans hält Wache" - er ist halt ein Held, wie er im Buche steht und braucht deshalb keine Grammatik). Es wird also beschlossen, dass Hänsel statt des Prinzen das Ungeheuer zur Strecke bringen soll. Gretel webt ihm ein Wams aus feinsten Goldfäden und härtesten Edelsteinen, das ihn unverwundbar machen soll (muntere Einlage: "wenn die spinnen, spinn ich auch";). Wenn Hänsel das Untier zur Strecke bringt, soll er die Prinzessin heiraten dürfen und Gretel selbst als Gemahlin des Prinzen Prinzessin werden. Alles ist guter Dinge und begibt sich zum Tanz.
Da tritt die Hexe mit fürchterlichem Furor in ihrer ganzen härenen Hässlichkeit auf und verkündet, dass nur ein Königssohn das Untier erlegen kann. Um diesen daran zu hindern, praktiziert sie den Zauber der Gliederstarre an dem Prinz und verkündet dem entsetzten Königspaar, dass er sich erst wieder werde rühren können, wenner sich im flammenden Bauch des Drachen befinde oder in dessen Blut bade. Allgemeines Entsetzen aller, die ja nunmehr wissen, dass Letzteres nicht mehr geht, (großes Ensemble à cappella mit anschließendem, allgemeinem Klagechor). Lediglich Hänsel und Gretel sowie die Prinzessin halten wacker dagegen, denn sie wissen, dass wenn die Not auf's höchste steigt, jemand eine Lösung geigt (sie kennen sich in richtigen Reimen aus und sprechen nicht sächsisch). Tatsächlich taucht vom Schnürboden eine Zaubergeige herab und weist mit der Stimme des Waldvogels darauf hin, dass es auf Erden nicht nur einen Königssohn auf Erden gäbe. So machen Gretel und die Prinzessin, nachdem sie einander Mut zusprechen und heimlich hoffen, dass es die andere trifft, den tapferen Vorschlag, dass jeder Königssohn gleich welcher Lande, der Hänsel bei der Jagd nach dem Untier begleitet und dieses erlegt, zwischen ihnen wählen darf. Das Königspaar ist einverstanden und verspricht (was sonst?) die Hälfte seines Königreiches als Mitgift derjenigen, die der tapfere Retter erwählt. Da muss Hänsel erstmals herzlich schlucken, denn er geht natürlich davon aus, dass seine geliebte Prinzessin erwählt werden wird, wenn es überhaupt dazu kommt. Alles ergeht sich in einer Mischung aus Hoffnung, Gebet und Ratlosigkeit, bevor es vom Vorhang erlöst wird und in die große Pause gehen darf.
3. Akt und Fortsetzung folgt nach der Pause.
Rideamus