Falsch verstanden...

  • Cher Cousin,


    aus neujährlicher Laune heraus war's nur eine kleine Anlehnung an Deinen Claudius-Text, der allerdings, im Gegensatz zum von mir verwendeten Gedicht von John Henry Mackay (1864-1933) gut abrufbar ist.
    Richard Strauss hat es 1894, in leichter Abwandlung zu Originaltext, als Op. 27/3 für hohe Stimme und Klavier vertont, der Titel lautet "Heimliche Aufforderung". Die ist allerdings garnicht so heimlich, sieht man sich nur den Pianopart mal an.


    Einen schlechten Witz macht auch jener, der zu dessen Verständnis eine zufällige spezielle Kenntnis als Allgemeingut arrogant voraussetzt.


    So reiche ich zerknirscht den Originaltext nach.



    audiamus



    Auf, hebe die funkelnde Schale empor zum Mund,
    Und trinke beim Freudenmahle dein Herz gesund.
    Und wenn du sie hebst, so winke mir heimlich [leise] zu,
    Dann lächle ich und dann trinke ich still wie du...


    Und still gleich mir betrachte um uns das Heer
    Der trunknen Zecher- verachte sie nicht zu sehr.



    Und weiter:



    Nein, hebe die blinkende Schale, gefüllt mit Wein,
    Und laß beim lärmenden Mahle sie glücklich sein.


    Doch hast du das Mahl genossen, den Durst gestillt,
    Dann verlasse der lauten Genossen festfreudiges Bild,
    Und wandle hinaus in den Garten zum Rosenstrauch,
    Dort will ich dich dann erwarten nach altem Brauch,


    Und will an die Brust dir sinken, eh du's gehofft,
    Und deine Küsse trinken, wie ehmals oft,
    Und flechten in deine Haare der Rose Pracht.
    O komm, du wunderbare, ersehnte Nacht!