Anton SCHWEITZER [1735-1787]

  • Mit der herzoglichen Kapelle lebten wir in enger Freundschaft. Unter andern war daselbst ein junger Mensch, der als Knabe ein vortrefflicher Diskantist gewesen war, nun aber die Stimme gewechselt hatte und bei den herzoglichen Musiken die Bratsche spielte. Da ich mit ihm in gleichem Alter war, so kamen wir täglich zusammen. […] Dieser liebe junge Mensch hieß Schweitzer und ist derselbe, der sich nachher durch seine Komposition, insonderheit von Wielands Alceste, so rühmlich ausgezeichnet hat.


    [aus Carl Ditters von Dittersdorf: Lebensbeschreibung, seinem Sohne in die Feder diktiert]



    Anton Schweitzer
    Stich von Gottlob August Liebe
    nach einem Gemälde von J. E. Heinsius


    Geboren wurde Anton Schweitzer am 6. Juni 1735 in Coburg. Seine Stimmbegabung soll im Jahre 1745 von Herzog Ernst Friedrich Carl erkannt worden sein, in dessen Hofkapelle in Hildburghausen er sodann aufgenommen wurde. Wie bereits Carl Ditters von Dittersdorf in seiner Lebensbeschreibung berichtet, spielte Schweitzer die Viola; was er nicht erwähnt, dass er auch ein ambitionierter Violoncellist war. Zur Vervollkommnung seiner Fertigkeiten schickte ihn der Herzog 1758 zu Jakob Friedrich Kleinknecht [1722-1794] nach Ulm. Dort führte man Schweitzer in das Theaterwesen ein. Als er von seinen Studien zurückkehrte, wurde er zum herzoglichen Kammermusikus ernannt und durfte auf Kosten des Herzogs weitere Studienreisen in Italien betrieben. Dummer Weise geriet der in finanziellen Dingen offenbar nicht zimperliche Herzog in eine Finanzkrise, so dass er die relativ neu eröffnete Oper auflösen und Anton Schweitzer vor die Tür setzen musste. Mit seinem Titel Herzoglicher Hildburghäusischer Kapellmeister im Gepäck machte sich Anton Schweitzer auf den Weg, schloss sich der Seylerschen Theatergruppe an, mit der er dann ab 1769 umher zog. In Weimar traf er auf den Dichter Christoph Martin Wieland und ließ sich dort nieder. Seine Lage stabilisierte sich dadurch, dass er ein Engagement an der dortigen Kapelle annahm und sich nun intensiver mit der Komposition von Bühnenwerken befassen konnte. So entstand zunächst das Singspiel Die Dorfgala, später Pygmalion. Schweitzer hatte schwer gegen Georg Benda anzukämpfen. In Weimar entstanden zudem knappe fünfzig Ballettmusiken. Die Zusammenarbeit Schweitzers mit Wieland, der sich als Prinzenerzieher seit 1772 am Weimarer Hof befand, begann mit dem Singspiel Aurora, welches 1772 für die Herzogin Anna Amalia komponiert wurde. In dieser Kooperation entstand auch das fünfaktige deutsche Singspiel Alceste, am 28. Mai 1775 uraufgeführt, welche als wichtiger Beitrag zur fehlgeschlagenen Etablierung der Deutschen National-Oper gelten kann, die später W. A. Mozart wieder als würdig erachtete, mit seiner Entführung aus dem Serail und – krönend – mit der Zauberflöte durchzusetzen. Nach dem großen Schloßbrand zu Weimar von 1774 wurde die gesamte Theatergesellschaft zunächst nach Gotha – übergangsweise für ein Jahr – ausgelagert. Die hohen Qualitäten der Musikanten jedoch führten dazu, dass man sich am Gothaer Hof manifestieren konnte. Das erste Gothaer Hoftheater wurde 1775 mit Das Fest der Thalia, einem Theaterstück von H. A. O. Reichard und einem Vorspiel nebst ein paar Arien von Schweitzer eröffnet. Nach Georg Friedrich Bendas Pensionierung übernahm Anton Schweitzer dessen Posten als Herzoglicher Kapelldirektor, welchen er bis zu seinem Tode am 23. November 1787 innehielt.


    Bedauerlicher Weise sind etliche Werke Anton Schweitzers nicht mehr erhalten, womöglich u.a. beim Schlossbrand 1774 eingeäschert worden. Aus der Zusammenarbeit mit Christoph Martin Wieland [1733-1813], der übrigens auch durch die Herausgabe der Märchensammlung Dschinnistan den Stoff für Mozarts/Schikaneders Zauberflöte u.a. lieferte, sind folgende Werke entstanden:


    Aurora, Singspiel in einem Akt [24.10.1772]
    Alceste, Singspiel in fünf Akten [28.05.1773]
    Die Wahl des Herkules, lyrisches Drama [04.09.1773]
    Rosemunde, Oper in vier Akten [20.01.1780]


    Zudem komponierte Anton Schweitzer Bühnenwerke auf Libretti von Johann Wolfgang von Goethe, was erstaunt, denn Goethe verfasste gerne markige Satiren über Christoph Martin Wielands Arbeiten. In Kooperation mit Goethe sind folgende Werke entstanden, die leider sämtlich verschollen sind:


    Erwin und Elmire, Singspiel [24.05.1776]
    Clavigo [16.03.1776]


    Auch alle 46 Ballette, darunter beispielsweise auch Der Bürger ein Edelmann nach J. B. Moliére, müssen als verloren gelten.


    Das fünfaktige Singspiel Alceste ist jedoch erhalten geblieben und in folgender Einspielung verfügbar:



    Weitere Informationen zur Einspielung und zum Werk sind hier abrufbar:


    Falls jemand diese Einspielung kennt, würde ich mich über Resonanz freuen.


    Cordialement
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    ich bin nicht allein mit meiner Liebe zu dieser Oper:


    Weimar, Festsaal des Residenzschlosses
    Christoph Martin Wieland / Anton Schweitzer:
    Alceste (Weimar, 1773)


    Anlässlich der Wiedereröffnung der historischen Anna-Amalia- Bibliothek


    Concerto Koeln
    Michael Hofstätter, Leitung


    Aufführungstermine:
    23., 24. 26. und 27. Oktober


    Vielleicht findet ja jemand hin?


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    sicherlich eher die "Mannheimer" Ecke [1773 komponiert] - für den "Wiener Stil" war ist er zu früh gestorben. Es finden sich noch recht viele "barocke" Elemente, so ist z.B. die Ouvertüre [eigentl. Sinfonia] nach der langsamen Einleitung [Largo] ein wunderschöne Fuge... aber auch Anklänge an die damals noch nicht existente Zauberflöte finden sich [KdN-Arie], wobei das eher umgekehrt zu sehen ist.


    Man beizeichnet seinen Stil wohl als "Weimarer Klassik"...


    Cordialement
    Ulli

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    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Weimarer Stil?


    Ist es nicht Zeit einmal einen Überblick zu geben wieviel Stilen es damals gab?
    Ich erinnere mich, daß Alfred bereits etwas derartiges in einem Thread hatte. Ich sagte da, ich kann nicht genau angeben was Wiener Klassik ist und z.B. den Stil von Devienne. Offenbar worden trotzdem mehrere Richtungen unterscheidet.
    Mir wird schwindlig.


    LG, Paul

  • Tamino XBeethoven_Moedling Banner
  • Salut,


    so einen Thread haben wir natürlich: Epochenunterteilung in der klassischen Musik


    aber man kann ewig darüber streiten, was nun wo genau hineingehört. Selbst Mozart komponierte nicht ausschließlich im Stile der "Wiener Klassik", falls überhaupt.


    Jedenfalls wurde die 'Alceste' 1773 komponiert, das dürfte ja als Info [wenn auch nicht hinreichend] dienen.


    Ich weiß auch nicht, ob es die Stilrichtung "Weimarer Klassik" in der Musik gibt.


    Cordialement
    Ulli

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    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Guten Tag


    Zitat

    Original von Ulli
    Salut,


    sicherlich eher die "Mannheimer" Ecke [1773 komponiert] -
    Cordialement
    Ulli


    Schweitzers "Alceste" wurde auch am 13.08.1775 im Schwetzinger Hoftheater aufgeführt; die Alceste sang damals Barbara Strasser -sie heiratete 1779 in München den Bassisten Ludwig Fischer-, die Parthenia Franziska Danzi -Tochter des kurpfälzischen Hofcellisten Innozenz Danzi und international gefeierte Koloratursopranistin, 1772 - 1776 Mitglied der Mannheimer Hofoper-, den Admet sang Franz Hartig -ein Schüler Anton Raaffs- und den Herkules sang Ludwig Fischer -ebenfalls ein Raaffschüler.


    Über die Aufführung schrieb die "Frankfurter Kayerliche Reichs - Ober - Post - Amts - Zeitung" vom 19.08.1775:


    "Mannheim, vom 16. August. Am Sonntag ist zu Schwetzingen auf der Churfürstlichen Hofschaubühne Wielands Alceste mit allgemeinen Beyfalle gespielt worden. Mademoiselle Strasser spielte Alceste. Ihre Schwester Partenia war Mademoiselle Danzy. Herr Hartig stellte Adnet vor. Herr Fischer hatte die wahre mächtige Stimme des Halbgottes. In den Kleidungen und Theaterverzierung ward Costume mit Pracht und den niedlichsten Geschmacke verbunden. Herr V`Canabich, Herr Fränzel und Herr Holzbauer machten, daß man dem Orchster vieles von dem glücklichen erfolge zu verdanken hatte. Da sah Carl Theodor mit vieler Zufriedenheit sein Volk vergnügt, die schönen Künste im Triumphe und Deutschlands Genius von den Sphären der Unsterblichkeit ihm zuwinken."


    Und Christian Friedrich Daniel Schubart schrieb darüber in der "Deutschenb Chronik" vom 21.08.1775:


    "Schweitzers Alceste wird wirklich in Schwetzingen von Deutschlands ersten Tonkünstlern aufgeführt. wollen sehen mit welchem Erfolg ! Graf Portia, der dasige Musikintendant, kennt, schätzt und liebt die deutschen Musen. Was können nicht unsre Dichter und Tonkünstler erwarten, wenn ihre Produkte vom besten deutschen Orchster aufgeführt werden ! - Heil dir, Vater Kanabich, mit dem leitenden Bogen an der Spitze"


    Man wäre gerne selbst dabei gewesen :jubel:


    Gruß :hello:


    aus Schwetzingen


    Bernhard

  • die Einspielung mit dem Concerto Köln ist natürlich um Längen besser.


    Mir hat es die Oper ebenfalls angetan. :D
    Goethes vernichtendes Urteil.... na ja ... er war nicht gerade als Musikkenner bekannt *hust*



    Die dramatischen Arien sind wirklich faszinierend und mitreißend.
    Ob das unbedingt auf Teutsch hätte sein müssen - auf Italienisch hätte die Oper bestimmt mehr Effect gemacht.
    Aber man gewöhnt sich dran, auch wenn der Seria Stil nicht so recht zur teutschen Sprache passen will.
    Auf mich wirkt das mit Sicherheit genauso befremdlich wie auf die Zeitgenossen :D



    Allerdings in einem Punkt muss ich mich Mozart anschließen, die Ouvertüre ist grauenvoll - vor allem die entsetzliche Fuge.
    Da hätte sich Schweitzer lieber mal bei Gluck oder Jommelli orientieren sollen.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Allerdings in einem Punkt muss ich mich Mozart anschließen, die Ouvertüre ist grauenvoll - vor allem die entsetzliche Fuge.
    Da hätte sich Schweitzer lieber mal bei Gluck oder Jommelli orientieren sollen.


    Das hat Mozart sicher anders gemeint - die Fuge ist nämlich alles andere als grauenvoll und gehört zu meinen liebsten Stücken überhaupt - ich finde sie sogar besser als so manche von Händel :stumm: Leider geht sie aber unmittelbar ins Geschehen über und keinen keinen eigentlichen Abschluß, was mich etwas nervt.


    Das, was Mozart daran wohl gestört hat, ist der Stil, der eben nicht (mehr) jenem der Zeit entspricht und für eine Seria (sei sie auch deutsch) dieser Zeit passt das natürlich überhaupt nicht. Diese Musik ist also alles andere als 'modern' und widerspricht somit eigentlich dem Gesamtkonzept Schweitzers...


    Die Einspielung mit dem Concerto Köln gibt es übrigens auch auf DVD



    ...in einer ziemlich hemmungslosen Inszenierung :D



    :hello:


    Ulli

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    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • Der Südwestfunk überträgt heute live aus Schwetzingen das Singspiel "Rosamunde" von Anton Schweitzer:


    SWR2 Oper - LIVE | Schwetzinger SWR Festspiele 2012


    Sendung am Sonntag, 20.5. | 20.03 Uhr | SWR2


    Anton Schweitzer:
    "Rosamunde",

    ein Singspiel
    Text von Christoph Martin Wieland


    Rosamunde: Eleonore Marguerre
    Königin Eleonore: Sarah Wegener
    König Heinrich: Christoph Genz
    Belmont: Morgan Moody
    Emma: Julia Amos
    Lucia: Anke Briegel
    Ritter des Turms: N.N. (Bass)
    Philharmonischer Chor Klausenburg (Cluj)
    Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR
    Leitung: Jan Willem de Vriend
    (Direktübertragung der Premiere aus dem Rokokotheater)


    Zitat

    In einer mittelalterlichen englischen Chronik findet sich die traurige Geschichte von Rosemunde, "die (wie einige sagen, vergiftet von der Königin Elinor) im Jahre 1177 zu Woodstock starb, wo König Heinrich ein Haus von wunderbarer Bauart für sie hatte bauen lassen". Es ist, um es mit Heine zu sagen, die alte Geschichte, doch bleibt sie ewig neu. Nicht nur die Liebe macht blind, auch Eifersucht, weil sie selbst die Welt verdunkelt, alles eintaucht in die schwarze Obsession des Hasses.
    Christoph Martin Wielands und Anton Schweitzers Singspiel von 1779, das unbedingt zu den neu zu entdeckenden Schätzen der Empfindsamkeitsepoche gehört, handelt von der Eifersucht. Ihre stoffliche Gewichtung ist so elementar, dass ihr im 12. Jahrhundert angesiedelter historischer Hintergrund, die Geschichte Heinrich Plantagenets (später Heinrich II von England) und seiner Ehe mit der ehemaligen französischen Königin Eleonore von Aquitanien, als bloßes Dekor einer zeitlosen Liebesleidtragödie dient.


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Anton Schweitzer (getauft 6. Juni 1735 in Coburg; † 23. November 1787 in Gotha) war ein deutscher Komponist.



    Er wurde vor allem als Opernkomponist bekannt.
    Die nach einem Libretto von Christoph Martin Wieland komponierte Alceste wurde zu einem der Erfolgswerke im deutschsprachigen Musiktheater des späten 18. Jahrhunderts.

    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)