Mit der herzoglichen Kapelle lebten wir in enger Freundschaft. Unter andern war daselbst ein junger Mensch, der als Knabe ein vortrefflicher Diskantist gewesen war, nun aber die Stimme gewechselt hatte und bei den herzoglichen Musiken die Bratsche spielte. Da ich mit ihm in gleichem Alter war, so kamen wir täglich zusammen. […] Dieser liebe junge Mensch hieß Schweitzer und ist derselbe, der sich nachher durch seine Komposition, insonderheit von Wielands Alceste, so rühmlich ausgezeichnet hat.
[aus Carl Ditters von Dittersdorf: Lebensbeschreibung, seinem Sohne in die Feder diktiert]
Anton Schweitzer
Stich von Gottlob August Liebe
nach einem Gemälde von J. E. Heinsius
Geboren wurde Anton Schweitzer am 6. Juni 1735 in Coburg. Seine Stimmbegabung soll im Jahre 1745 von Herzog Ernst Friedrich Carl erkannt worden sein, in dessen Hofkapelle in Hildburghausen er sodann aufgenommen wurde. Wie bereits Carl Ditters von Dittersdorf in seiner Lebensbeschreibung berichtet, spielte Schweitzer die Viola; was er nicht erwähnt, dass er auch ein ambitionierter Violoncellist war. Zur Vervollkommnung seiner Fertigkeiten schickte ihn der Herzog 1758 zu Jakob Friedrich Kleinknecht [1722-1794] nach Ulm. Dort führte man Schweitzer in das Theaterwesen ein. Als er von seinen Studien zurückkehrte, wurde er zum herzoglichen Kammermusikus ernannt und durfte auf Kosten des Herzogs weitere Studienreisen in Italien betrieben. Dummer Weise geriet der in finanziellen Dingen offenbar nicht zimperliche Herzog in eine Finanzkrise, so dass er die relativ neu eröffnete Oper auflösen und Anton Schweitzer vor die Tür setzen musste. Mit seinem Titel Herzoglicher Hildburghäusischer Kapellmeister im Gepäck machte sich Anton Schweitzer auf den Weg, schloss sich der Seylerschen Theatergruppe an, mit der er dann ab 1769 umher zog. In Weimar traf er auf den Dichter Christoph Martin Wieland und ließ sich dort nieder. Seine Lage stabilisierte sich dadurch, dass er ein Engagement an der dortigen Kapelle annahm und sich nun intensiver mit der Komposition von Bühnenwerken befassen konnte. So entstand zunächst das Singspiel Die Dorfgala, später Pygmalion. Schweitzer hatte schwer gegen Georg Benda anzukämpfen. In Weimar entstanden zudem knappe fünfzig Ballettmusiken. Die Zusammenarbeit Schweitzers mit Wieland, der sich als Prinzenerzieher seit 1772 am Weimarer Hof befand, begann mit dem Singspiel Aurora, welches 1772 für die Herzogin Anna Amalia komponiert wurde. In dieser Kooperation entstand auch das fünfaktige deutsche Singspiel Alceste, am 28. Mai 1775 uraufgeführt, welche als wichtiger Beitrag zur fehlgeschlagenen Etablierung der Deutschen National-Oper gelten kann, die später W. A. Mozart wieder als würdig erachtete, mit seiner Entführung aus dem Serail und – krönend – mit der Zauberflöte durchzusetzen. Nach dem großen Schloßbrand zu Weimar von 1774 wurde die gesamte Theatergesellschaft zunächst nach Gotha – übergangsweise für ein Jahr – ausgelagert. Die hohen Qualitäten der Musikanten jedoch führten dazu, dass man sich am Gothaer Hof manifestieren konnte. Das erste Gothaer Hoftheater wurde 1775 mit Das Fest der Thalia, einem Theaterstück von H. A. O. Reichard und einem Vorspiel nebst ein paar Arien von Schweitzer eröffnet. Nach Georg Friedrich Bendas Pensionierung übernahm Anton Schweitzer dessen Posten als Herzoglicher Kapelldirektor, welchen er bis zu seinem Tode am 23. November 1787 innehielt.
Bedauerlicher Weise sind etliche Werke Anton Schweitzers nicht mehr erhalten, womöglich u.a. beim Schlossbrand 1774 eingeäschert worden. Aus der Zusammenarbeit mit Christoph Martin Wieland [1733-1813], der übrigens auch durch die Herausgabe der Märchensammlung Dschinnistan den Stoff für Mozarts/Schikaneders Zauberflöte u.a. lieferte, sind folgende Werke entstanden:
Aurora, Singspiel in einem Akt [24.10.1772]
Alceste, Singspiel in fünf Akten [28.05.1773]
Die Wahl des Herkules, lyrisches Drama [04.09.1773]
Rosemunde, Oper in vier Akten [20.01.1780]
Zudem komponierte Anton Schweitzer Bühnenwerke auf Libretti von Johann Wolfgang von Goethe, was erstaunt, denn Goethe verfasste gerne markige Satiren über Christoph Martin Wielands Arbeiten. In Kooperation mit Goethe sind folgende Werke entstanden, die leider sämtlich verschollen sind:
Erwin und Elmire, Singspiel [24.05.1776]
Clavigo [16.03.1776]
Auch alle 46 Ballette, darunter beispielsweise auch Der Bürger ein Edelmann nach J. B. Moliére, müssen als verloren gelten.
Das fünfaktige Singspiel Alceste ist jedoch erhalten geblieben und in folgender Einspielung verfügbar:
Weitere Informationen zur Einspielung und zum Werk sind hier abrufbar:
Falls jemand diese Einspielung kennt, würde ich mich über Resonanz freuen.
Cordialement
Ulli