Bach, Das Wohltemperierte Klavier Teil 1 und 2

  • Zitat

    Oder soll ich da einen Konkurrenz-Thread aufmachen?


    Solltest Du, und zwar unter dem Titel:


    Das WTK auf Instrumenten, die Bach dafür vorgesehen hatte !


    Dann muss man sich nichtmehr durch die Lektüre von Aufnahmerezensionen
    auf Klimperkisten des 19.,20.,21.Jh. qäulen !

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Grundsätzlich bin ich gegen Vermehrung von threads (Röhls Rasiermesser: fila non sunt multiplicanda praeter necessitatem.)
    Aber im Falle eines so zentralen Werks kann man wohl ausnahmsweise vertreten, dort einen zusätzlichen thread für Cembalo-Aufnahmen aufzumachen, wenn das die Cembalo-Fraktion so dezidiert befürwortet. (Ich würde dann irgendwann mal einen link dorthin setzen und umgekehrt.)
    Aber was machen wir z.B. mit Landowskas historisch fragwürdiger Kiste? :D hier oder dort?


    JR


    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Aber was machen wir z.B. mit Landowskas historisch fragwürdiger Kiste?


    Hallo JR:


    Landowskas "fragwürdige Kiste"gehört ganz eindeutig zur Kategorie der Handkurbel-Waschmaschinen und darf damit gerne bei den Aufnahmen für Klimperkästen verbleiben, denn schliesslich handelt es sich beim Cembalo im Gegensatz zu den Dingern von Steinway usw. um ein voll ausgereiftes Instrument ! :D


    :hello:

    Das geht über das Sagbare hinaus. Das läßt sich nicht deuten und bedarf keiner Deutung. Es kann nur gehört werden. Es ist Musik. (H.H.Jahnn)

  • Zitat

    Original von BigBerlinBear


    Landowskas "fragwürdige Kiste"gehört ganz eindeutig zur Kategorie der Handkurbel-Waschmaschinen und darf damit gerne bei den Aufnahmen für Klimperkästen verbleiben, denn schliesslich handelt es sich beim Cembalo im Gegensatz zu den Dingern von Steinway usw. um ein voll ausgereiftes Instrument !



    :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Ich hatte das zwar bisher immer unter "Modell Singer" geführt, aber Handkurbelwaschmaschine triffts entschieden deutlicher. :D



    PS:
    Für die Freunde des gepflegt Gezupften geht es hier weiter:
    Das Wohltemperierte Klavier auf Instrumenten, die Bach dafür vorgesehen hatte

  • Vielleicht sollte man einfach ein HIP-Parallelforum gründen, dann kämen die feindlichen Parteien sich nicht mehr ins Gehege.


    Schade nur für diejenigen, die sich ab und zu sowohl ein Cembalo- wie ein Steinway-WTK antun. Die soll's auch geben.


    Faszinierend erscheint vor allem die Perspektive, man könnte in diesem oder im neuen Parallelthread etwas über das WTK erfahren, das sich ausnahmsweise nicht mit der alles dominierenden Rolle des gewählten Instruments oder des bevorzugten Pianisten/Cembalisten beschäftigt. Da sollte man vielleicht einen dritten Thread eröffnen. Die Fixierung auf "Interpretation" und "Instrument", bei der das Werk selbst völlig in den Hintergrund tritt, treibt jedenfalls seltsame Blüten.


    Warum man hier nicht über Cembalo-Einspielungen diskutieren kann, erschließt sich mir nicht ganz. Weil wir hier im Klavierforum sind? Weil der Thread mit sage und schreibe 65 Beiträgen total überfüllt ist und man vor lauter Gould und Gulda den Überblick verliert? Weil man lieber nicht mit Leuten spricht, die das falsche Instrument bevorzugen?


    Klar gehört dieser Thread eigentlich ins Alte-Musik-Forum: dort wird ja durchaus des öfteren über Nicht-Hip-Interpretationen gesprochen. Seinerzeit wurde mir aber von der Moderation mitgeteilt, der Thread befände sich nicht deshalb im Klavierforum, weil es hier nur um Aufnahmen auf dem modernen Flügel geht (was ja auch nicht stimmt), sondern weil man dieses Unterforum nicht unnötig schwächen wolle.


    Natürlich wird gleich wieder versichert werden, man wolle keine Grabenkämpfe - nachdem man ein paar kräftige Salven abgefeuert und sich dann in einen neuen Thread eingebuddelt hat...



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Vielleicht sollte man einfach ein HIP-Parallelforum gründen...
    Natürlich wird gleich wieder versichert werden, man wolle keine Grabenkämpfe - nachdem man ein paar kräftige Salven abgefeuert und sich dann in einen neuen Thread eingebuddelt hat...


    Jungejunge, das klingt jetzt aber gallebitter. :no:


    Hier ging es mir zu sehr durcheinander, und ich hatte auch wie BBB wirklich keine Lust, mich durch die gesammelten Vergleiche diverser Klaviereinspielungen zu graben (ohne zu kämpfen).


    Außerdem: Wozu ist denn das Alte-Musik-Abteil da?


    "Grabenkämpfe" finde ich auch etwas unvorsichtig.
    Wenn dann offene Feldschlacht mit Artillerie! :D


    Schenk Dir ein Gläschen ein und höre Dir das WTK an, worauf immer Du willst, aber bekomm bitte bessere Laune. :yes:

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Hier ging es mir zu sehr durcheinander, und ich hatte auch wie BBB wirklich keine Lust, mich durch die gesammelten Vergleiche diverser Klaviereinspielungen zu graben (ohne zu kämpfen).


    Seit wann ist es hier denn üblich, sich einen Thread durchzulesen, bevor man einen weiteren Beitrag dranhängt? :D



    Zitat

    Außerdem: Wozu ist denn das Alte-Musik-Abteil da?


    Natürlich u.a., um dort einen Thread zum WTK unterzubringen. Ich habe ja auch dafür plädiert, DIESEN Strang dorthin zu verfrachten. Aber wenn wir nach diesem Prinzip der Verdoppelung weiterverfahren, könnte man auch im Oratorien & Co-Forum einen Thread über die Matthäuspassion eröffnen, in dem es nur um Klemperer, Karl Richter usw. geht.



    Zitat

    "Grabenkämpfe" finde ich auch etwas unvorsichtig.
    Wenn dann offene Feldschlacht mit Artillerie! :D


    Du glaubst doch nicht im Ernst, mit Deinen Holzkisten gegen moderne Stahlrahmen eine Chance zu haben? :D



    Zitat

    Schenk Dir ein Gläschen ein und höre Dir das WTK an, worauf immer Du willst, aber bekomm bitte bessere Laune. :yes:


    Ja, ich krieg mich ja schon ein, Du hast ja recht. Ich versuch's mal mit Bob van Asperen - was hältst Du von der Aufnahme? Antwort natürlich im anderen Thread - damit hier nichts durcheinander gerät! :D



    Viele Grüße


    Bernd

  • Zitat

    Original von Zwielicht
    Du glaubst doch nicht im Ernst, mit Deinen Holzkisten gegen moderne Stahlrahmen eine Chance zu haben? :D


    Zu Lande sieht es gegen die Stahlrammen wirklich schlecht aus. Aber auf hoher See gehen sie rettungslos unter. :D

  • Zitat

    Original von Hildebrandt
    Orgel und Hammerflügel halte ich für wenigstens überflüssig. Hausorgeln waren damals nun wirklich nicht sehr verbreitet – Bach hatte auch keine. Eine orgelmäßige Faktur findet sich auch fast nirgends.


    Also da gibt es schon Stellen, wo eine Note im Bass über mehrere Takte stehenbleibt - wie soll das auf dem Cembalo gehen?
    Levin spielt hier auch keine dezente Truhenorgel, sondern die der Kirche in Wassenaar.

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  • Hallo Bernd, was du schreibst, kann ich gut nachvollziehen. Ich lese da keine Bitterkeit heraus, wie jemand unterstellte. Ich finde es auch etwas seltsam, warum man nicht Cembalo- und Klavieraufnahmen im selben Thread besprechen kann. Ich glaube nicht, dass jemand das eine oder das andere Instrument wirklich ablehnt. Ich hoffe mal, es ist einfach eine Unlust, das andere zu hören. Von allen Aufnahmen, die ich bis jetzt kenne, mag ich derzeit mit Klavier am liebsten die mit Ashkenazy und Koroliov, Ashkenazys CDs klingen aufnahmetechnisch noch etwas prächtiger, finde ich. Musikalisch-technisch sind sie einander ebenbürtig, unterscheiden sich aber etwas in der Herangehensweise, natürlich auch im Anschlag, in der Wahl der Tempi etc. Alle anderen, mit Ausnahme von Gould, der wieder ein eigenes Kapitel ist, gefallen mir weit weniger, selbst Richter, Schiff, Gulda, Fellner (WTK1), ...
    Mit Cembalo kann ich Bob van Asperen und Keith Jarrett (WTK2) empfehlen.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Hallo Melot,



    Zitat

    Original von Melot1967
    Hallo Bernd, was du schreibst, kann ich gut nachvollziehen. Ich lese da keine Bitterkeit heraus, wie jemand unterstellte. Ich finde es auch etwas seltsam, warum man nicht Cembalo- und Klavieraufnahmen im selben Thread besprechen kann.


    zumal es ja bei den Händel-Klavier-/Cembalowerken auch funktioniert. Aber ich denke, die Sache ist jetzt gegessen - das ist letztlich eines dieser Forums-Selbstbespiegelungs-Themen, auf die man nicht allzuviel Energie verschwenden sollte. Viel wichtiger bleibt, dass überhaupt mal wieder über das WTK gesprochen wird, in welchem Thread auch immer. (Und mit der Bitterkeit hatte Hildebrandt schon ein bisschen recht - man sollte sich doch eher über wichtigere Themen aufregen... :D)



    Zitat

    Von allen Aufnahmen, die ich bis jetzt kenne, mag ich derzeit mit Klavier am liebsten die mit Ashkenazy und Koroliov, Ashkenazys CDs klingen aufnahmetechnisch noch etwas prächtiger, finde ich. Musikalisch-technisch sind sie einander ebenbürtig, unterscheiden sich aber etwas in der Herangehensweise, natürlich auch im Anschlag, in der Wahl der Tempi etc. Alle anderen, mit Ausnahme von Gould, der wieder ein eigenes Kapitel ist, gefallen mir weit weniger, selbst Richter, Schiff, Gulda, Fellner (WTK1), ...


    Von den Klavieraufnahmen besitze ich die mit Gould, Gulda und Fellner (WTK 1). Gould habe ich sehr oft gehört - streckenweise faszinierend, manchmal unerträglich manieriert (cis-moll-Präludium in WTK 1). Gulda ist ok, konnte mich aber nie wirklich begeistern. Fellner habe ich anfangs sehr gern gehört - weitgehend stimmige Interpretationen, wunderschöner, vielleicht etwas zu weicher Klavierklang. Inzwischen irritiert mich das etwas defensive Klavierspiel aber doch ein wenig.



    Viele Grüße


    Bernd

  • .. lud gestern aus dem netz eine dort frei verfügbare aufnahme des wohltemperierten klaviers band 1 und 2 mit samuel feinberg herunter, die ich seither intensiv herauf- und herunter- und vergleichs-gehört habe (ich habe sonst noch: barenboim, gould, henck, fischer, schiff, gulda, richter, tureck) -
    und muss sagen: unglaublich gut!!
    wie bereits in diesem thread gesagt: romantische tradition, aber "russisch" d.h. freier und letztlich spannungsvoller wie der z.T. ähnliche (und ganz klar: hervorragende) edwin fischer - v.a. in der agogik ist feinberg variabler und mutiger - was die stücke sehr gut vertragen. sehr intensiv sind v.a. die langsameren stücke; der ganze zyklus wirkt wie vom licht einer dunklen sonne bestrahlt.
    ganz wundervoll ist feinberg beim herausarbeiten einzelner stimmen, so dass sich eine ganz eigene mischung aus romantischer intensität und analytischem zugriff ergibt: fast so etwas wie die quadratur des kreises (bisherige favoriten: so ein "dreick" aus richter, fischer und gould)


    alles in allem: ein erlebnis! - kann ich jedem nur empfehlen, geht sehr zu herzen (wenn ich das so klischeehaft sagen darf..)
    herzlicher gruß
    john lackland

  • Ich bin kein besonders großer Fan des WTK 1 - Teil 2 kenne ich leider nicht.


    Mir ist diese Masse an verschiedenen Stücken zu bieder. 3000 Stücke, die durchschnittlich 1,5 Minuten dauern. Wenn´s nach dem Prinzip schon gehen muss, dann bevorzuge ich die Goldberg-Variationen. Sonst lieber diverse Fugen, Kunst der Fuge, Italienisches Konzert, Französische Overtüre etc


    Aber früher oder später werde ich mich sowieso enger mit dem WTK beschäftigen, da ich ja inzwischen auch Klavier spiele und das WTK ja eines der Standardwerke ist. Dann gefällt´s mir ja vielleicht ein wenig besser.

  • Zitat

    Original von iLLumination
    Ich bin kein besonders großer Fan des WTK 1 - Teil 2 kenne ich leider nicht.


    Mir ist diese Masse an verschiedenen Stücken zu bieder. 3000 Stücke, die durchschnittlich 1,5 Minuten dauern. Wenn´s nach dem Prinzip schon gehen muss, dann bevorzuge ich die Goldberg-Variationen. Sonst lieber diverse Fugen, Kunst der Fuge, Italienisches Konzert, Französische Overtüre etc


    Das kann ich nur schwer nachvollziehen. Das WTK ist doch viel abwechslungsreicher als 15 Fugen in derselben Tonart über ein und dasselbe Thema oder eine (ebenfalls tonartlich gebundene) Suite von stilisierten Tänzen. Auch die Spieldauern variieren eher stärker als bei den Suiten. Die kürzesten Präludien dauern > 1 min, das länges (h-moll) etwa 8 min.
    Wenn jetzt alle Präludien& Fugen geringfügige Variationen von z.B. Nr. 2 in c-moll wären, könnte ich das verstehen. Sind sie zum Glück aber nicht.
    (Band II ist noch abwechslungsreicher)


    Allerdings ist richtig, dass das WTK nie dafür gedacht war, in einem Rutsch gespielt oder angehört zu werden. (ich höre aber lieber eine halben Band WTK als die komplette Kunst der Fuge auf einmal...)


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
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    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Das WTK ist doch viel abwechslungsreicher als 15 Fugen in derselben Tonart [...]


    Allerdings ist richtig, dass das WTK nie dafür gedacht war, in einem Rutsch gespielt oder angehört zu werden. (ich höre aber lieber eine halben Band WTK als die komplette Kunst der Fuge auf einmal...)


    möglicherweise ist das WTK zum schnöden Hintereinanderhören zu abwechslungsreich. Auch ich würde lieber mal länger in einer Tonart bleiben oder mir tonartliche Bezüge wünschen, so wie ich das beim Selberspielen ganz automatisch tue.
    Eigentlich ist die übliche CD-Track-Einteilung unpraktisch. Wenn jeweils Präludium und Fuge unter einem Track zusammengefaßt wären, dann könnte man schnell mal eine andere Abfolge programmieren oder auf Zufallswiedergabe schalten. (Das bringt mich auf die Idee, mir eine CD mal entsprechend umzukopieren)


    Gruß,
    Khampan

  • Zitat

    Original von Khampan


    möglicherweise ist das WTK zum schnöden Hintereinanderhören zu abwechslungsreich. Auch ich würde lieber mal länger in einer Tonart bleiben oder mir tonartliche Bezüge wünschen, so wie ich das beim Selberspielen ganz automatisch tue.


    Wie? Du hast beide Bände auf dem Klavier liegen und spielst nach dem C-Dur aus Vol I das aus Vol II? ;) automatisch?


    Zitat


    Eigentlich ist die übliche CD-Track-Einteilung unpraktisch. Wenn jeweils Präludium und Fuge unter einem Track zusammengefaßt wären, dann könnte man schnell mal eine andere Abfolge programmieren oder auf Zufallswiedergabe schalten. (Das bringt mich auf die Idee, mir eine CD mal entsprechend umzukopieren)


    Auf meiner Ausgabe von Sviatoslav Richters Aufnahme sind Prl & Fuge immer auf einem track zusammengefaßt, scheint aber eine Ausnahme zu sein. Wie ich sicher schon mal schrieb, findet sich hier mal ein Vorteil von Schallplatten. Man hört eine Seite (ca. 4 Prl & Fugen). Hat man noch Lust, hört man halt noch die Rückseite. Aber 70+ min am Stück, wenn die CD eingelegt ist....


    :hello:


    JR

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  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Wie? Du hast beide Bände auf dem Klavier liegen und spielst nach dem C-Dur aus Vol I das aus Vol II? ;) automatisch?


    sorry daß die Antwort etwas banal ausfällt:
    - klar liegen beide Bände immer auf dem Klavier.
    - länger in einer Tonart bleibt man automatisch wenn man hin und wieder ein Stück mehrmals spielt (einige kann man jedesmal völlig anders spielen, das ist gerade das schöne daran).
    - intuitiv wähle ich (näher oder entfernter) verwandte Tonarten aus. Jedenfalls gehe ich gerade nicht einen Halbton höher, schon gar nicht mehrmals hintereinander.
    :hello: Khampan

  • So, inzwischen hat Martin Stadtfeld seine Interpretation des ersten Teils des WT vorgelegt. Hat jemand die Einspielung schon hören können?




    Herzliche Grüße,:hello: :hello:


    Christian

    Beherrsche die Sache, die Worte werden folgen! (Cato der Ältere)

  • Der Andrang in diesem Thread ist ja riesig :pfeif:


    Trotzdem wage ich einen weiteren Wiederbelebungsversuch. Anlass ist die Neueinspielung des Ersten Buches des WTK (oder WTC) von Maurizio Pollini.



    Ich muss gestehen, ich habe sie erst einmal gehört, aber ich tue mich schwer damit. Imo im Vergleich zu Gulda (mein persönlicher Favorit), Schiff oder Richter deutlich schwächer. Ich weiss nicht, wie ich es beschreiben soll, aber ich habe den Eindruck, er weiss nicht so genau was er damit anfangen soll. Weder puristisch noch romantisch, irgend was dazwischen. Ich würde sagen: belanglos...


    Was ist eure Meinung ?


    VG, Bernd

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  • Nachdem mein letzte Beitrag wieder auf so umwerfende Resonanz gestoßen ist - ich kann mir kaum vorstellen, dass in diesem Forum niemand ausser mir die Pollini-Aufnahme gehört haben will - versuche ich es noch mal und schreibevor mich hin:


    Es gibt eine weitere Neueinspielung von dem australischen Pianisten Roger Woodward. Ist mir völlig unbekannt, der Mensch. Er scheint aber bisher in seiner Karriere ein ganze Menge eingespielt zu haben.



    Gehe ich recht in der Annahme, dass die noch keine kennt ?


    Ich habe sie erst heute bekommen und rippe sie gerade auf HDD. Für die Aufmachung ist der hohe Preis vollkommen gerechtfertigt: zwei schön gestaltete Boxen mit insgesamt 5 CD, ausführlichem Booklet (in Deutsch) zur Aufführungspraxis und den kompletten Noten (teilweise Replika der Autographen, sonst in moderner Notenschrift).


    Viele Grüße,


    Bernd

  • Ich habe den halben Abend damit zugebracht, unterschiedlichen Versionen von Stücken aus dem WTK auf youtube zu lauschen, 6 beispielhaft unterschiedliche Interpretationen des selben Stückes möchte ich hier mal vorstellen und Euch um Eure Meinung bitten.


    Es handelt sich um die Fuge aus Präludium und Fuge f-moll, BWV 881, aus dem WTK II, einem der m.E. besten Stücke des gesamten WTK.


    - Kenneth Gilbert, Cembalo, ab 4´11: http://www.youtube.com/watch?v=sWU5qYaF3nI
    - Chiara Massini, Cembalo, ab 4´05: http://www.youtube.com/watch?v=S3Xi1GklJ20
    - Rosalyn Tureck: http://www.youtube.com/watch?v=o6dJw8WZm5Y
    - Friedrich Gulda, ab 5´12: http://www.youtube.com/watch?v=lucu-gtrZqQ
    - Grigory Sokolov, ab 3´38: http://www.youtube.com/watch?v=SHnF-eyEwMw
    - Nikolai Demidenko, ab 2´30: http://www.youtube.com/watch?v=rI8jE4Wqk4Y

  • Johann Sebastian Bachs Eigentitel auf dem Titelblatt des Autographs des Wohltemperierten Klaviers, erster Teil von 1722 lautet:


    Das Wohltemperirte Clavier oder Præludia, und Fugen durch alle Tone und Semitonia, so wohl tertiam majorem oder Ut Re Mi anlangend, als auch tertiam minorem oder Re Mi Fa betreffend. Zum Nutzen und Gebrauch der Lehrbegierigen Musicalischen Jugend, als auch derer in diesem studio schon habil seyenden besonderem Zeitvertreib auffgesetzet und verfertiget von Johann Sebastian Bach. p. t: Hochfürstlich Anhalt-Cöthenischen Capel-Meistern und Directore derer Camer Musiquen. Anno 1722.


    WK_title.png


    Ich musste mich schlau machen, auf welchem Tasteninstrument Johann Sebastian Bach sein Werk gespielt haben wollte.

    Wikipedia klärt auf:


    Mit dem Wort „Clavier“, das alle damaligen Tasteninstrumente umfasste, ließ Bach die Wahl des Instruments für die Ausführung offen. Der größte Teil des Werks ist offenbar für Clavichord oder Cembalo konzipiert. Nach einer Äußerung Johann Nikolaus Forkels hatte Bach eine Vorliebe für das Clavichord. Im Nekrolog von 1754 steht dagegen über Bach: „Die Clavicymbale wußte er, in der Stimmung, so rein und richtig zu temperiren, daß alle Tonarten schön und gefällig klangen.“ Das Werk wird heute sowohl auf dem Cembalo als auch auf dem modernen Klavier bzw. Flügel gespielt.


    So weit der Stand, zum Zeitpunkt, als das Werk komponiert wurde. Seither haben die Tasteninstrumente eine grosse Entwicklung durchlaufen. Der moderne Flügel ist etabliert. Ich besitze die Aufnahmen von Gulda, Gould, Richter.


    * * * * *


    Doch wie steht es, wenn das zentrale Werk der Musikgeschichte auf einer Orgel gespielt wird?


    Der Organist hat zusätzliche Optionen der Interpretation, die Cembalisten, Clavichord-Spielern und Pianisten verwehrt sind.


    Orgeln lassen sich registrieren. Der Klang wird durch die Wahl und Mischung der Register, die der Organist setzt, stark beeinflusst.

    Für jedes Präludium und jede Fuge kann der Charakter des Stückes gewählt werden.


    Die verwendeten Instrumente besitzen ausgeprägte Eigenschaften:


    Orgeln haben spezifische Klanglichkeiten, die der Orgelbauer für das Instrument konzipiert hat.

    Orgeln weisen historisch passende Stimmungen auf.


    Frédéric Desenclos hat in den Jahren 1998/99 sowie 2001 auf verschiedenen Orgeln das Wohltemperierte Klavier I & II eingespielt: Zwei aus Frankreich, zwei aus den Niederlanden. Die zum Einsatz kommenden Orgeln stammen aus barocker als auch moderner Zeit.


    Oude Katholieke Kerke La Haye, Stimmton 415, Kirnberger III

    Eglise Saint-Vincent Lyon, Stimmton 440, Frank Herald Gress (Dresden)

    Eglise de Saint-Etienne de Baigorry, Stimmton 440, Tempérament mésotonique au 6ème de comma

    Sint-Maartenskerk Zaltbommel, Stimmton 415, Stimmung Neidhart


    Im Vorwort gibt Frédéric Desenclos genau an, welche Register jede Orgel besitzt und welche Registrierung er für jedes Präludien und für jede Fuge ausgewählt hat. Der Stimmton und die verwendete Stimmung ist angegeben (siehe oben).


    Der Booklettext von Henri de Rohan-Csermark in englischer und französischer Sprache geht ausführlich auf die temperierte Stimmung ein. Der Autor ist "Organist, Musikwissenschaftler und Orgel-Experte, Er war Schüler von Michel Bouvard und André Isoir an den Konservatorien von Toulouse und Boulogne, bevor er seine Fähigkeiten bei Marie-Claire Alain am Conservatoire Supérieur de Paris (CNR) perfektionierte. Als Professor am Konservatorium von Béziers, dann außerordentlicher Musikprofessor und Dozent an der Universität Paris IV-Sorbonne wurde er für seine Forschungen zum Orgelbau und zur Musik des 19. Jahrhunderts bekannt, wie mehrere Veröffentlichungen bezeugen." zitiert nach "https://www.leparisdesorgues.fr"



    Ich habe mir die vier CDs mehrmals angehört. Was aus den Lautsprechern klang, hat mir zugesagt. Der Organist hat mit der Wahl der Register und Mixturen den Präludien und Fugen passende Eigenschaften gegeben, mal schlichter, mal grandioser.

    ich kann mir vorstellen, dass es Hörer gibt, denen dies zu viel ist, wenn sie vom Cembalo- oder Klavierklang eine Gleichförmigkeit erwarten.

    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Herzlichen Dank für diese Anregung, lieber Moderato, in ein paar Hörschnipsel habe ich hineingehört und mir die Box sofort bestellt.


    Wenn man auf Bachs eigenes Instrument blick, so hat er daheim -wie die Cembalistin Isolde Ahlgrimm ausführt- ein Pedalcembalo gehabt Das allerdings hat weniger einen Einfluss auf den Klang und die Register als auf die Spielbarkeit, etwa seiner Kunst der Fuge.


    Persönlich mag ich den Klang des Cembalos, ein Klavier schneidet doch ein ganzes Spektrum an Klangmöglichkeiten ab, bei heutigen Flügeln immerhin mit der Möglichkeit, die Werke über Anschlag und Spielweise über Klangfarbe und Lautstärke zu modulieren.


    Die Orgel war Bachs ureigenstes Instrument. Durchaus denkbar, dass er deren Klang immer im Kopf oder mitgedacht hatte. Auch von den Goldbergvariationen gibt es neben vielen anderen- auch eine Version für Orgel.


    Ich freue mich schon auf diesen Neuzugang in meiner Bach-Sammlung.


    Liebe Grüße vom Thomas :hello:

    Früher ist gottseidank lange vorbei. (TP)
    Wenn ihr werden wollt wie eure Väter waren werdet ihr so wie eure Väter niemals waren.

  • Lieber Thomas Pape


    Das freut mich, dass meine Anregung dich zum Kauf der Orgel-Aufnahme bewogen hat. Als ich mir die Aufnahme angeschafft hatte, war ich sehr gespannt, was mich erwartet. Ich kenne das Wohltemperierte Klavier Teil I und II sehr gut als Hörer. Leider beherrsche ich kein Tasteninstrument.


    Wenn auf einer Orgel gespielt wird, bringt dies instrumentenspezifisch eine wesentliche Veränderung mit sich: Spielt man auf der Königin der Instrumente, verklingen die Töne nicht, sondern sie bleiben so lange hörbar, wie der Spieler seinen Finger auf der Taste liegen hat. Man kommt zu einem anderen Hörerlebnis, das sich von allen Tasteninstrumenten unterscheidet. Frédéric Desenclos spielt die Präludien und Fuge genau artikuliert, historisch informiert. Er weiss, dass er Nonlegato spielen muss. Er ist sehr sehr differenziert in seinen Interpretationen.

    Je nach gewählter Orgel kommt das Raumerlebnis des Kirchenraumes hinzu, das auf einem Cembalo oder Flügel nicht gegeben ist. Der Tontechniker André Thiebault war über den ganzen Zeitraum der Produktion beteiligt. Er hat eine gute Arbeit abgeliefert. Ein Detail: Sie lassen am Ende der Stücke den Ton ausklingen, was ich schätze.


    LG moderato

    .

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  • Die Cembalo Fraktion ist im Thread in der Minderheit, was die Zahl der erwähnten Aufnahmen betrifft. Das wird mit diesem Beitrag verändert.


    Andreas Staier hat das Wohltemperierte Klavier 1. Teil auf dem Cembalo eingespielt.


    Die Hörschnipsel beim Werbepartner fehlen. (Die Aufnahme erscheint in den nächsten Tagen. Es gibt sie 2 Euro preiswerter bis 28.02. )



    Davor hatte er den 2. Teil des Wohltemperierten Klaviers ebenfalls beim Label Alpha herausgebracht. Das verwendete Cembalo ist ein Nachbau eines Instrumentes aus dem Jahr 1734 von Hieronymus Albrecht Hass. Hier kann man sich in Hörschnipseln vom agilen Spiel des HIP-Tastenspielers Andreas Staier überzeugen lassen.


    Die Angabe "Hammerklavier" in der Produktinformation des Werbepartners ist falsch!


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  • In andere Klangregionen entführt John Paul mit einer Interpretation des 1. Teils und 2. Teils des Wohltemperierten Klaviers auf einem Lautenklavier. Das Instrument ist mit doppelten Darmsaiten bespannt, was einen weicheren Klang als bei einem Cembalo zur Folge hat.



    Die Aufnahme ist etwas für Hörer, denen der Klang des Cembalos zu grell erscheint.

    Achtung :!:: Präludien und Fugen sind in einem Track zusammengefasst.


    In der Produktinformation beim Werbepartner erfährt man mehr über das verwendete Tasten-Instrument.


    Es soll auch Kombinationen von zwei Registern Darmbesaitung und einem Register aus Metall gegeben haben. Und der Korpus mutet denn doch ein wenig exotisch an, denn er hat die Form einer riesigen liegenden Laute. Johann Sebastian Bach besaß zwei solcher Instrumente, die vermutlich wegen des weichen, relativ leisen Klangs ähnlich wie das Clavichord fürs häusliche Musizieren eingesetzt wurden.


    Während es in der Literatur diverse Erwähnungen dieses Instruments gibt, ist kein originales spielbares Lautenklavier erhalten. Für diese Einspielung benutzte John Paul einen 1998 entstandenen Nachbau aus der Werkstatt von Anden Houben mit einer Stimmtonhöhe von 392 Hz.


    Ich hatte in einem anderen Thread über dieses Instrument mit dem auffälligen Lautenkorpus berichtet. Das knifflige Coverbildratespiel - Unterhaltung für Kunstkenner


    Man findet dort einen Link zum ungarischen Instrumentenbauer Tihamer Romanek. Das ist ein Lautenwerk aus seiner Werkstatt.


    lutehpschdhulge.jpg



    So tönt der erste Viertel:





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  • Ein Fürsprecher des Cembalos ist Trevor Pinnock.


    2020 und 2022 hat er die beiden Teiles des Wohltemperierten Klaviers beim Label Deutsche Grammophon herausgebracht.


    Er spielt die 48 Präludien und 48 Fugen auf einem Cembalo von David Way nach einem Original von Henri Hemsch, auf dem er seit Jahren spielt.


    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
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  • Keith Jarrett hat 1987 den 1. Teil des Wohltemperierten Klaviers auf einem Flügel , drei Jahre später den 2. Teil auf einem Cembalo im Studio aufgenommen.


    Das C-Dur Präludium aus dem 1. Teil hat den Swing, den ich aus anderen Einspielungen nicht kenne.



    Vor der Studioaufnahme hat Keith Jarrett 1987 den 1. Teil des bachschen Wohltemperierten Klavier auf dem Flügel vor Publikum gespielt. Es gibt einen Konzertmitschnitt, der 2019 herausgebracht wurde. Für mich tönt diese Interpretation freier als die Studioaufnahme.



    Vom Pianisten werden keine Neu-Aufnahmen mehr erscheinen, weil er durch Schlaganfälle bedingt halbseitig gelähmt ist.

    Das Label ECM wird in seinen Archiven noch weitere unveröffentlichte Schätze aufbewahren, die auf Tonträgern erscheinen werden.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
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  • Für Freunde des Cembalos


    Ton Koopman hat beide Teile des bachschen Wohltemperierten Klaviers 1988 beim Label Erato veröffentlicht. 1997 gab's eine Neuauflage.



    Antiquarisch wird man fündig.

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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