Wolfgang Amadeus Mozart: Cosi fan tutte

  • Sagitt meint:


    Das Forum, Dank an Peter e tutti quanti, ist immer wieder eine Quelle der Bereicherung.
    Gegen ein Wissen über die damalige Zeit kann man nichts einwenden und doch lauert noch die Frage ,ob dies dann eine endgültige Aussage über das Werk ist? Was ist das Kunstwerk, die Noten und der Text aus dem Jahr 1789 ?
    1789!( Barry Lyndon-Schlusseinstellung).Oder handelt es sich beim Kunstwerk vom Range der Cosi quasi um einen Brillianten, der viel Schliff-Flächen hat ,in denen man Unterschiedlichstes erkennen kann ? Aufgrund der historischen Kenntnisse könnte ich die Frage stellen, warum führe ich das Werk heute noch auf ? Die Bedeutung des Adels ist dahin, die Rolle der Frau grundsätzlich geändert,warum also heute noch Cosi ? Was bleibt, ist erstens die Musik, die auch nach 217 Jahren Begeisterung hervorruft. Und gibt es Themen, die sich über die zweihundert Jahre erhalten haben und die es wert sein lassen, wegen der Themen die Cosi aufzuführen und nicht nur der Unterhaltung wegen ? Sind diese Themen mit dem Verständnis des Werks in Übereinstimmung zu bringen,ohne dieses völlig zu ignorieren ?
    Viele Fragen. Über den Antworten denke ich gerne mit Euch nach !

  • Lieber Sagitt,


    Du stellst die interessanten Fragen, die mich auch bewegen. Ich versuche sie einmal aus meiner Perspektive (vorläufig) zu beantworten.


    Meiner Auffassung nach ist das Kunstwerk ein komplexes Gebilde, wie es sich mir heute darstellt, das heißt, auch die Rezeptionsgeschichte bis heute ist Teil des Werkes, was heißt, dass das Werk noch nicht abgeschlossen ist, denn die Rezeptionsgeschichte geht weiter.


    Noten und Text von 1789 sind der Kern, von dem aus (da gefällt mir Dein Bild vom Brillanten) immer neue Strahlen ausgehen, je nachdem wie das Licht auf ihn fällt. Auch das, was ich geschichtlich von der Oper aufzudecken versuche, ist nur eine Schicht, die Oper ist mehr als das. Worin ich den Sinn der historischen Vergewisserung sehe, ist es, die geschichtliche Entwicklung der Linien bis heute nachzuvollziehen, weil diese Geschichte eben auch unsere Geschichte, unsere Vor-Geschichte ist. Deshalb kann es nicht die eine Inszenierung geben, es muss immer neue geben, weil das Werk sich mit uns weiter entwickelt.


    Wie sieht es nun mit den einzelnen Konstituenten aus? Letzten Endes schauen meine Antworten dann ähnlich aus, wie sie ein Regisseur beantworten können, nur muss er am Ende auswählen, um seine Sicht bühnenwirksam verwirklichen zu können, während ich auch noch den Brechungen des Lichtes folgen kann, wo sich die Konzepte zu widersprechen scheinen.


    Den Adel gibt es nicht mehr, es sind andere Menschen, die eine solche jeunesse dorée haben können, wie die vier Protagonisten in der Oper. Durchschnittsarbeitnehmer können sich nicht die Auszeit nehmen, können nicht so frei von allen Außenbedingung "experimentieren", wie es hier geschieht.


    Bei der Rolle der Frau sehe ich weniger Probleme, zumindest für die Handlung sehe ich in der Bewegungsfreiheit der zwei Frauen keinen Unterschied. Dass man heute nicht mehr die "natürliche" Untreue der Frau behaupten würde, ist das eine, die andere Perspektive, die natürliche Untreue von Mann und Frau ist aber inzwischen Teil der Lebensplanung geworden, die mehr von Lebensabschnittsgemeinschaften als von der von Kirche und Staat geschützten Ehe bestimmt werden. Dass es keinen Partnertausch gäbe, halte ich auch für eine Fabel. Dieses frivole Spiel ist auch heute noch spielbar, auch heute gibt es Männer (wie Frauen), die kalkulieren, die Liebe erproben, die intrigieren: die Frage der Beständigkeit von Liebe, der Zusammengehörigkeit von Wahlverwandten (was Fairy über die Stimmkonstellation definierte), natürliche Anziehung und Neugier auf Neues, auf die Frau des anderen - all das sind auch gegenwärtige Themen, die man im Prisma gesammelt wie in der Così auf der Bühne darstellen kann.


    Also: Wie kann ich der Liebe des anderen sicher sein? Was macht die Liebe aus? Wie veränderbar ist die Liebe? Wie beständig ist die Liebe? - alles das ist aktuell.


    Dazu eben die komplexe Musik, die der rationalistischen Kalkulation auch immer die in die Tiefe reichenden menschlichen Gefühle entgegen stellt. Nur zusammen - so denke ich - ist diese Oper eine, die die Zeiten überdauern wird: wie bringe ich Verstand und (vergängliches) Gefühl in Beziehung - darauf antwortet Mozart in einer Komplexität, die uns auch heute herausfordert. Er gibt eben keine Antworten, aber stellt Fragen, bei denen wir uns erschrocken im Spiegel sehen.


    Liebe Grüße


    Peter

  • Salü,


    einmal zur Aussage des Notentextes an sich ein paar Anmerkungen:


    einer der für mich bewegendsten Momente in der Cosí wird auf sehr spannende Weise vorbereitet. Zunächst singt Ferrando im Terzett Nr. 3 [C-Dur = Grundtonart der Oper] auf "serentata" eine gehaltene Dominantsepte, die dann verziert im C auf "-na-ta" endet. Dieses recht einfache aber prägnante und vielleicht auch mozarttypische "Thema" wiederholt sich in der Oper fortan einige Male, z.B. im Quintett Nr. 6 bei Ferrando/Dorabella auf "il destin" [in B-Dur, von C-Dur harmonisch denkbar weit entfernt]. Im 2. Akt dann, im Duett Nr. 29, welches in der Liebestonart A-Dur steht - man nimmt ein Liebesduett zwischen Ferrando/Fiordiligi an - nimmt die Sache eine plötzliche und dramatische Wendung nach C-Dur und Fiordiligi sind diesmal die Dominantsepte auf "il destin" [T. 25], gefolgt von Ferrando [T. 27]. Das kann kein Zufall sein...



    Vielleicht hat jemand Lust, über die Bedeutung zu plaudern?


    Viele Grüße
    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Eigentlich war ich heute in der Musikbibliothek, um mich noch ein wenig beim Freischütz einzudecken (und einige arg verspätete Bücher zurückzugeben), da packte mich doch der Vorwitz und ich schaute bei Mozart nach - und da stand er, der psychoanalytische Opernführer von Oberhoff. Da konnte ich nicht widerstehen, den habe ich mir gleich mal wieder ausgeliehen. Wie sieht Oberhoff nun die Così?


    Oberhoff geht von der "Tatsache" aus, dass das Libretto und die Musik "von sehr unterschiedlichem, nahezu gegensätzlichem Charakter sind". (S. 9) Als Beleg dient ihm die geradezu hysterische Ablehnung, die Kurt Pahlen dem Libretto entgegenbringt. Pahlen nennt das Libretto ein "zynisches, gemeines, doppel- ja vielbödiges, sarkastisches, parodistisches, hinterhältiges Stück." Mit einigen der Charakteristiken könnte man noch gut leben, denn die Cosi ist doppel- ja vielbödig, ist auch sarkastisch und parodistisch. Ist sie aber auch zynisch, gemein und hinterhältig? Und schnell wird der Autor Lorenzo da Ponte zur Verantwortung gezogen als "unverbesserlicher Zyniker", es wird von "teuflischer Freude und dämonischen Vergnügen" gesprochen. Während Mozart kein "Zyniker, kein Parodist" gewesen sein soll, wird da Ponte "Menschenverachtung" unterstellt. (Pahlen, 1988 )


    Nun erwartet man, dass Oberhoff diese absurden Behauptungen Pahlens widerlegt, um zu seiner eigenen Deutung zu kommen - aber da wird man enttäuscht, denn auch Oberhoff geht davon aus, dass Mozart eine himmlische Musik zu einem teuflischen Libretto geschrieben hat. Sein Schluss ist am Ende, dass die säuberliche Trennung von Gut und Böse, die sich da manifestiert, die frühkindlich-schizoide Gefühls- und Gedankenwelt repräsentiert. Das Fazit:


    "Am markantesten zeigt sich diese Trennung jedoch darin, dass sich die Musik als ausschließliche Vertreterin des 'Guten' profiliert und sich an keiner Stelle von den 'bösen' Inhalten des Librettos erreichen und kontaminieren lässt. Es folgt also nicht nur der Librettist den Gesetzmäßigkeiten dieser frühen Erlebniswelt sondern auch der Komponist erweist ihr seine Reverenz. Aus diesem Grund kann 'Così fan tutte' eine Oper der Schönheiten und Abgründe der frühkindlich-schizoiden Welt genannt werden." (S. 98 )


    Diese Deutung, die man in den vierziger Jahren des letzten Jahrhundert begeistert aufgenommen hätte - konnte man doch die zersetzende Art des jüdischen Librettisten gegenüber der konstruktiven des arischen Komponisten kaum besser ausdrücken, ist alles andere als überzeugend. Es lohnt sich deshalb einmal der Darstellung des Don Alfonso nachzugehen, der ja quasi das Sprachrohr des Zynikers da Ponte zu sein verspricht. (Damit an dieser Stelle nun gleich einmal ein notweniger Strich gezogen wird: Wer einen Zyniker als Autor schildert, ist gemeinhin nicht automatisch ein Zyniker - ebenso wenig wie Verdi ein Buckliger war, weil er den Rigoletto schrieb. Da braucht es doch noch anderer Beweise.)


    Die Überschrift des 6. Kapitels zeigt das ganze Elend der Deutung Oberhoffs. Da liest man "Don Alfonsos 'Philosophie' als getarnter Hass".


    Den scheint wohl eher der Autor gegen den unglücklichen "alten Philosophen" (so das Personenverzeichnis) zu hegen. Gleich zu Beginn stellt er sich empört auf die Seite der beiden jungen Männer, die sich über die "Anschuldigungen" Don Alfonsos ereifern, ihn zum Duell fordern, "wenn er nicht sofort Beweise für seine unerhörte Behauptung liefert". (S. 16) Nun ist das Zücken von Waffen und das Fordern eines alten Mannes zum Duell sicher ein Beispiel edlen Mannesmutes, wie man das auch in der 1. Szene des Don Giovanni erleben kann. So ein kitzliger Ehrbegriff hat schon zu manchem vorzeitigen Tod geführt. Von Don Alfonso gelassener Antwort: "Ich bin ein Mann des Friedens und duelliere mich nicht, es sei denn bei Tische" liest man bei Oberhoff nichts.


    Es kommt also zur Wette, von Oberhoff so kommentiert: "Als Soldaten von Ehre legen sie einen Schwur ab und erklären sich zu strengstem Gehorsam gegenüber Don Alfonsos Anweisungen bereit." (S. 19) Nun gut, dann sind sie auch nicht mehr verantwortlich für all das folgende Unglück, sie gehorchen nur "streng" dem Bösewicht Don Alfonso.


    Seltsamerweise finde ich im Libretto nirgends den Hinweis auf einen strengen Gehorsam, es sei denn, dass sie versprechen (als Soldaten von Ehre - was nun nicht unbedingt ein überzeugendes Wortpaar sein muss), alles zu tun, was ihnen Don Alfonso sagt - und wie die Handlung zeigt, braucht er ihnen - sobald das Spiel in Gang geraten ist - nicht mehr viel zu sagen. Aber dieser "strenge Gehorsam" hat auch bei Natosevic (Cosi fan tutte, Kassel 2003) einen Phantasieschub ausgelöst- sie vermutet in Don Alfonso einen Illuminaten.


    Oberhoff entlarvt Don Alfonso als einen Frauenfeind, der gar nicht philosophisch oder lebensweise ist. Entsperchend steigert sich auch seine Aggression gegenüber Don Alfonso, "weise" ist er nur in Anführungszeichen, nun gar ein "selbsternannte[r]" Philosoph. (S. 24) Es würde mich einmal interessieren, wo im Libretto sich Alfonso selbst zum Philosophen ernennt, aber auf solche Kleinigkeiten kommt es bei einer "psychoanalytischen" Analyse sicher nicht an. Da weiß der Analyst eben alles schon vorher.


    "Schauen wir uns an, wie Mozart mit dieser entwicklungspsychologisch sensiblen Situation umgeht. Zu unserem großen Erstaunen müssen wir feststellen, dass auch Mozart kein Ohr für die abwertende Affektivität des Don Alfonso besitzt."


    ... kurzer Einschub: einmal vorausgesetzt, dass dies zuträfe: es wäre immer noch ein Unterschied, ob Mozart "kein Ohr besitzt" - oder seine Stellungnahme nicht äußert ...


    "Wie Ferrando und Guglielmo überhört Mozart die unterschwellige Aggressivität und den Zynismus in dessen Worten. Er bedenkt Don Alfonso mit strahlender lebendiger Musik, als hätte dieser Mann nur Gutes im Sinne." (S. 25)


    Liebe Grüße Peter

  • Liebe Verwechslungsfans,


    ich wollte nur, bei aller Böhm-Euphorie zu Beginn des Threads, die ich nicht ganz nachvollziehen kann, nochmal auf die ultimative Referenzaufnahme hinweisen:


    Karajan, Philharmonia 1955 (Simoneau, Schwarzkopf, Merriman, Panerai)


    Das Dirigat sucht unter allen Mozart-Opernaufnahmen seinesgleichen; besser kann man es nicht machen.


    Jacobs kenne ich noch nicht, die euphorischen Rezensionen von Rattles Cosi sehe ich noch mit reservierter Skepsis (muß ich auch erstmal richtig hören), Muti hat mir mehr zugesagt als Harding.


    Grüße an alle,


    Christian

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  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitor
    ich wollte nur ... nochmal auf die ultimative Referenzaufnahme hinweisen:


    Karajan, Philharmonia 1955 (Simoneau, Schwarzkopf, Merriman, Panerai)


    besser kann man es nicht machen.


    Da hat er recht!


    Loge

  • Zitat

    Original von Il Grande Inquisitor
    ich wollte nur, bei aller Böhm-Euphorie zu Beginn des Threads, die ich nicht ganz nachvollziehen kann, nochmal auf die ultimative Referenzaufnahme hinweisen:


    Karajan, Philharmonia 1955 (Simoneau, Schwarzkopf, Merriman, Panerai)


    Das Dirigat sucht unter allen Mozart-Opernaufnahmen seinesgleichen; besser kann man es nicht machen.


    Nun ja, lieber Christian, bei so vielen Superlativen zeigt sich die persönliche Begeisterung, die Dir unbenommen sein soll. Hermes moniert mE zu Recht: "Karajans Aufnahme schnurrt hurtig ab, wirkt etwas oberflächlich, etwas gelackt, etwas zu sportiv." Blyth kritisiert die Tempowahl einzelner Arien (wo Böhm stets die richtige Wahl trifft) und das Fehlen des Witzes. Dass Du gerade das Dirigat als "ultimative Referenz" bezeichnest, verwundert dann doch etwas. Das Ensemble allerdings verdient jedes Lob. Aber es muss doch nicht gleich immer "besser kann man es nicht machen" sein - für Dich kann man es nicht besser machen, dabei können wir es gerne belassen.


    Für mich ist auf jeden Fall Böhm 1962 die schönste Einspielung. Chacun à son gout ...


    LG Peter

  • Lieber Peter, ist das die mit Emmy Lohse als Despina?
    Ich habe irgendwo in den Teifen des Kellers eine alte geerbte Langspielplatte mit einer Cosi , die mich hingerissen hatte und da sang Emmy Lohse die Despina und wenn mich nciht Alles täuscht, dirigierte Böhm. ?( ?( ?(

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Peter, ist das die mit Emmy Lohse als Despina?
    Ich habe irgendwo in den Teifen des Kellers eine alte geerbte Langspielplatte mit einer Cosi , die mich hingerissen hatte und da sang Emmy Lohse die Despina und wenn mich nciht Alles täuscht, dirigierte Böhm. ?( ?( ?(


    Nein, du kennst da die ältere Decca-Einspielung aus dem Jahr 1955. Bei Böhms Così scheiden sich ohnehin die Geister ziemlich paritätisch, welcher der drei Einspielungen 1955 - 1962 - 1974 der Vorzug gegeben werden soll. Die Geschmäcker dürfen verschieden sein... ;)



    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Danke, cher Theophilus. Ich habe diese Platte als sehr junges Mâdchen zum ersten Malgehört und weiss noch genau, wie mich die Despina ganz besonders fasziniert hatte.
    Ich kannte damals keine Sänger oder Dirigenten , denn Tamino schlummerte noch in den Dämpfen späterer Jahrzehnte. :yes:
    Und ich ahnte auch natürlich nciht, dass eine Schülerin von Emmy Lohse mir mal die Despina-Arien beibringen würde.
    Schon allein aus Pietät wird das immer meine Lieblingsaufnahme bleiben müssen, ganz davon abgesheen, dass ich auch die übrige Besetzung phantastisch finde :jubel: :jubel: :jubel:
    F.Q.

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  • Lieber Peter,


    so ist es! Ich wollte mit meiner Aussage auch weniger allein auf meine tatsächlich große Begeisterung hinweisen, sondern auch darauf, daß ich insbesondere die "handwerkliche" Qualität über die der Böhm-Aufnahmen stelle.
    Daß mir Karajans (junger) Mozart-Stil besser gefällt als der für mich etwas biedere Böhms, spielt da aber eine Hauptrolle, zugegeben.


    Liebe Grüße,



    Christian

  • Dass gerade im 18. und frühen 19. Jahrhundert geistliche und weltliche Musik kaum voneinander zu unterscheiden sind und man oftmals erst genau auf den gerade gesungenen Text hören muss, um feststellen zu können, ob da jetzt gerade eine Messe, ein Oratorium oder eben doch eine Opera erklingt, ist ja weitgehend bekannt.
    Ich habe oft den Eindruck, dass das damals so beim Publikum nicht nur geduldet war, dass in der Kirche Musik zu hören war, die wie im Opernhaus klang, sondern dass dies geradezu verlangt und erwartet wurde... :yes:


    Und dies hat sich erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts grundlegend geändert, wie mir scheint.


    Ein aktuelles Beispiel hierzu ist in diesem Monat beim Label OEHMS frisch erschienen:


    Eine (von unbekannter Hand wohl um 1800[?] zusammengestellte) Messe, die sich musikalisch - anscheinend zumindest in großen Teilen - aus Così-Gesangsnummern zusammensetzt... :wacky:



    Cosi Fan Tutte-Messe C-Dur KV Anh. 235 E
    (Arrangement eines unbekannten Komponisten nach Themen aus
    "Cosi Fan Tutte")
    +Symphonie Nr. 41
    Siri Thornhill, Ursula Eittinger, Hubert Nettinger,
    Stefan Geyer, Deutsches Mozart-Orchester, Franz Raml


    Mir stellt sich hier vor allem die Frage:
    Muss das eigentlich sein, dass man alles auf CD veröffentlicht, was jemals von irgendeinem Anonymus irgendwie aus irgendwelchen Mozart-Motiven zusammengeschustert wurde??? :no:


    Allerdings empfinde ich nun wiederum die Tatsache, dass die von ihrer Handlung her so oft als besonders frivol und moralisch anstößig geltende Oper Così fan tutte nun plötzlich im Gewand einer fromm-andächtigen Messvertonung daherkommt, als außerordentlich komisch und pikant :D


    Wie kommt es eigentlich, dass diese Musik sogar eine KV-Nummer (wenn auch "nur" im Anhang desselben) erhalten hat?
    Es scheint ja eindeutig festzustehen, dass Mozart diese Bearbeitung nicht selber vorgenommen hat (was er wohl dazu gesagt hätte? :] ) - warum dann trotzdem diese "Adelung" durch die Aufnahme ins KV?


    Sollten in den Anhang des Köchelverzeichnisses hingegen generell Bearbeitungen Mozart'scher Musik aufgenommen worden sein, dann frage ich mich, warum dann nicht auch z. B. Regers Mozart-Variationen eine KV-Nummer bekommen haben...? :wacky:


    Kennt ein Mit-Tamino diese Messvertonung bereits? Da wäre ich echt gespannt, Näheres drüber zu erfahren! :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Hallo!


    Ich habe mir die CD trotz negativer Hörschnipsel billig zugelegt. Es handelt sich um eine wenig meisterhaft gemachte Zusammenstöpselung von Cosí-Trümmern. Ich mußte erhlich oft lachen, als ich diese "Messe" hörte, denn man assoziiert ja doch die originäre Handlung der Oper, wenn man bestimmte "Schnipsel" hört. Es handelt sich daher aus heutiger Sicht nicht meh nur um ein Parodieverfahren, sondern um eine wirkliche Parodie. Davon abgesehen wurden von dem Arrangeur einige Teile völlig neu komponiert, z.B. der Beginn des Gloria sowie einige erforderliche [?] Übergänge.


    Warum Siri Thornhill internetseits soviel gelobt wird, ist mir ein völlig Rätsel - nicht nur grobe Intonationsprobleme, sondern auch eine für meinen Geschmack grauslige Stimme... das war wohl auch der Grund, warum mich die Hörschnipsel bei jpc zunächst von dem Erwerb der Messe abhielten.


    Allerdings spielt das kleinbesetzte HIP-Orchester ziemlich gut, muß ich sagen. Und als Dreingabe ist eine m. E. hervorragende Einspielung der Jupiter-Sinfonie enthalten, die ich mir noch einmal genauer anhören werde. Jedenalls passende Tempi, knallende Pauken und transpartente Holzbläser.


    Für die Messe allein lohnt sich der Kauf allerdings m. E. nicht, wenn man nicht - wie ich - Sammler diverser Bearbeitungen ist.


    :hello:


    Ulli

    Die Oper muss Tränen entlocken, die Menschen schaudern machen und durch Gesang sterben lassen.
    (Vincenzo Geilomato Hundini)

  • Heute Abend gibt es auf ARTE um 22.30 Uhr die "Cosí" in einer Inszenierung von Patrice Chereau zu sehen. Für mich die Gelegenheit, die Oper mal kennen zu lernen :D

  • Meine Lieben,


    Die von Rienzi schon in anderem Zusammenhang gerühmte Glyndebourne-Festival-Aufnahme (trotzdem im Studio entstanden) von 1935 ist wohl die älteste derzeit greifbare Einspielung der "Cosi" und bietet zudem eine relativ geradezu superbe Tonqualität, wenn man bedenkt, daß seither über siebzig Jahre vergangen sind. Da haben die Techniker ganze Arbeit geleistet!



    Das Coverbild hier gehört zur Membran-Ausgabe, aber auch Linus und Centurion haben die Aufnahme im Programm.


    Für mich besonders anziehend ist nicht nur das spritzige, aber ausgewogene Dirigat von Fritz Busch, der sich modellhaft in Mozarts Musik einlebt (ich hoffe, Ulli kann diese Meinung bestätigen), sondern auch der Don Alfonso John Brownlees, der die Rolle mit prächtiger Stimme aufwertet und im Ausdruck so differenziert, daß er alle späteren mir bekannten Alfonsos hinter sich läßt. Dieser Philosoph vermittelt auch die Autorität, der die Paare gehorchen müssen.


    Ina Souez (Fiordiligi) und Luise Helletsgruber (Dorabella) beglücken ebenfalls mit wunderschönen Tönen und belegen die von Schellackianern gern vertretene Weisheit, daß nicht jeder Ton tausendprozentig genau sitzen muß, wenn Timbre und Empfindung stimmen.


    Willi Domgraf-Fassbaender (Guglielmo) und Heddle Nash (Ferrando) nenne ich in deutlichem Abstand. Sie sind gut, keine Frage, aber ihr Italienisch ist doch mitunter sehr gewöhnungsbedürftig und in den letzten fünfzig Jahren sind diese Rollen sehr oft noch besser und überzeugender gegeben worden. Die leicht übertrieben komische Note, die sie - ebenso wie Irene Eisingers nette Despina - als Pseudobalkanesen einbringen, ist der zeitgenössischen Mode zuzuschreiben. Heutzutage pflegt man sich da etwas zurückhaltender zu geben. Mich irritiert's nicht wirklich, aber ich könnte mir vorstellen, daß andere Hörer da empfindlicher sind.


    Auf alle Fälle ist die Aufnahme nicht nur von historischem Interesse, sondern eine dicke Empfehlung wert. Kein "Cosi"-Freund dürfte an diesem Dokument vorbeigehen!



    LG


    Waldi

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  • Meine Lieben,


    Bisher war immer nur von den Stereo-Aufnahmen Karl Böhms die Rede. Es sei aber daran erinnert, daß es schon aus dem Jahr 1949 einen Live-Mitschnitt aus Genua gibt, wo er das Orchestre de la Suisse Romande leitet:





    Auch damals entwickelte er diese Musik spritzig und ungemein transparent und erwies sich als idealer Interpret dieser Oper. Insofern ist sie für "Cosi"- und Böhm-Sammler sicher unentbehrlich.


    Leider läßt die Tonqualität doch einiges zu wünschen über, daher muß man sehr konzentriert hinhören, um alle Feinheiten zu genießen.
    Das Damenpaar wird gesungen von Suzanne Danco (Fiordiligi) und Giulietta Simionato (Dorabella), deren Stimmen ausgezeichnet harmonieren. Da die Aufführung ohnehin nicht darauf angelegt ist, seelische Abgründe o.dgl. aufzutun und die Gemütsbewegungen nicht so tief scheinen, steht das graziöse, humoristische, ja elegante Spiel im Vordergrund - was dem Stimmcharakter der beiden Sängerinnen entgegenkommt. Die Danco galt ja immer als "französisch" im Stil, also weniger auf romantischen Seelenausdruck zielend als auf ästhetische Form (und das macht sie hier wirklich sehr schön). Manchen gefällt das natürlich weniger (aber ihre Melisande gilt, glaube ich, unbestritten als Referenz), hier paßt es vorzüglich.


    Libero de Luca verfügt eigentlich über keine Mozart-Stimme, er ist ein toller Verdisänger, aber sein hochintelligent geführtes, sinnliches Organ macht immer wieder Freude, auch wenn er es hier sozusagen in etwas fremden Gefilden verströmt; er tut es auf so hohem Niveau, daß man es willig hinnimmt.
    Für den Guglielmo hat man Marcello Cortis gewählt, der eigentlich Kurt Mautner hieß und 1915 in Prag geboren wurde. Er ist jetzt einer der Vergessenen, hatte in Mailand 1940 debütiert und in ganz Europa und in Neuseeland Erfolge gehabt. Hier erscheint er mir wie guter Durchschnitt (aber die tiefen Stimmen kommen wohl auch wegen der technischen Aufnahmemängel a priori schlechter weg). Den Don Alfonso gibt Mariano Stabile (1988-1968 ), Toscaninis berühmter Falstaff, der aber jetzt schon etwas abgesungen wirkt und auch stilistisch noch aus einer anderen Ära kommt (vermutlich müßte man ihn auch in natura erlebt haben, um ihn objektiv zu würdigen, seine Bühnenpersönlichkeit soll enorm gewesen sein).
    Marisa Morel als Despina übertreibt die Karikatur des schnippisch-gewieften Kammerkätzchens ein wenig zu sehr, was auf der CD natürlich anders wirkt als auf der Bühne.



    LG


    Waldi

  • Hallo zusammen,


    habe gerade die Aufnahme mit Karl Böhm hinter mir (EMI, 1962) und muss sagen, dass mich in Sachen Mozart-Gesang lange nichts mehr so überzeugt hat wie diese Aufnahme (Schwarzkopf, Ludwig, Steffek, Kraus, Taddei, Berry).


    Rein gesangstechnisch finde ich einiges geradezu ideal, dies gilt vor allem für Fiordiligi und Dorabella, aber auch deren Partner Alfredo Kraus und Taddei (der unter Giulini auch einen tollen Leporello sang) bleiben ihren Rollen gesangstechnisch nichts schuldig.


    Natürlich gefällt mir auch die Jacobs-Aufnahme - ich finde sie schlichtweg hinreißend! Aber gesangstechnisch eben nicht so vollkommen wie diese Böhm-Aufnahme. Wobei ich die anderen beiden Böhm-Aufnahmen nicht kenne und die alte Karajan-Aufnahme von 1954 noch vor mir habe (mit Schwarzkopf, Merriman, Otto, Simoneau, Panerai und Bruscantini).


    Ich finde, die beiden Einspielungen mit Böhm (1962) und Jacobs zeigen exemplarisch den Gegensatz zwischen rein gesangstechnischer Erfüllung (die durchaus auch selig machen kann) und einer insgesamt mitreißenden Aufführung. Wie selten hat man beides auf einmal ...

  • Hallo zusammen,


    habe jetzt nochmal die alte Aufnahme unter Herbert von Karajan gehört. Es fällt sofort die Atmosphäre auf, in der das Stück gespielt wird. Alles klingt recht künstlich, stilisiert, verkleinert, das Wort "verkitscht" wäre viel zu viel, aber es klingt nicht so natürlich wie bei Böhm, sondern unendlich verfeinert.


    Gesangstechnisch reicht die Aufnahme m. E. nicht ganz an die Böhm-Aufnahme (EMI) heran (Ausnahme: Elisabeth Schwarzkopf), als Ganzes mag man ihr eventuell den Vorzug geben. Ich möchte beide nicht missen.

  • M 22 - das steht für die im Jahr 2006 in Salzburg aufgeführten Mozart-Opern. Im Dezember sendet der ZDF-Theaterkanal aus dieser Reihe "Cosi fan tutte":



    Così fan tutte
    Oper von Wolfgang Amadeus Mozart

    Libretto: Lorenzo da Ponte
    Fiordiligi Ana Maria Martinez
    Dorabella Sophie Koch
    Guglielmo Stéphane Degout
    Ferrando Shawn Mathey
    Despina Helen Donath
    Don Alfonso Sir Thomas Allen
    Chor: Wiener Staatsopernchor
    Orchester: Wiener Philharmoniker
    Musikalische Leitung: Manfred Honeck
    Bühnenbild und Kostüme: Karl-Ernst Herrmann
    Inszenierung: Ursel und Karl-Ernst Herrmann
    Fernsehregie: Thomas Grimm
    Großes Festspielhaus Salzburg, 2006


    Zitat

    Zwei junge Männer haben zwei Bräute. Ihr älterer Freund Don Alfonso glaubt nicht mehr an die "wahre Liebe" und an die Treue. Die jungen Männer aber wetten mit ihm, dass ihre Bräute standhaft treu seien. Ein Mummenschanz beginnt. Don Alfonso lässt die beiden zum Schein in den Krieg ziehen, aber sogleich als fremde Edle zurückkehren mit dem Auftrag, die jeweils andere Braut zu verführen.


    In der Inszenierung von Ursel und Karl-Ernst Herrmann werden die Bedingungen des Versuchs noch verschärft: Sie lassen die beiden jungen Frauen ihre Liebhaber belauschen, als sie ihren Plan aushecken. Damit bekommen sie die Chance, das Spiel mitzugestalten. Nun wollen die Bräute ihre Männer an der Nase herumführen. Doch, womit sie nicht gerechnet haben: Sie verfallen ihren Verführern trotzdem.


    Sendetermine:
    07., 12., 17. und 22.12.2010 jeweils um 10:00 Uhr
    04., 09., 21., 26. und 31.12.2010 jeweils um 15:00 Uhr - ZDF-Theaterkanal


    Länge: 185 min
    Oper, Österreich, 2006
    aus dem Großen Festspielhaus in Salzburg


    LG


    ;)

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Heute habe ich den Soundtrack (Studioeinspielung 1969)
    zum Film "Cosi Fan Tutte" (1970) bei Todopera entdeckt.
    Der Film ist bei Youtube zu sehen (Aufnahme von 3SAT mit Tonstörungen)
    Der Soundtrack bei Todopera (mp3-160) ist störungsfrei.
    M.W. ist der Soundtrack nicht auf CD/DVD erhältlich.


    Gundula Janowitz
    Christa Ludwig
    Walter Berry
    Luigi Alva
    Olivera Miljakovic
    Wiener Philharmoniker
    Karl Böhm


    http://www.todoperaweb.com.ar/…si-fan-tutte-id-8382.html

    mfG
    Michael

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