Netrebko + Garanca + Calleja = Fest der Stimmen - I Capuleti im Konzerthaus

  • Groß waren sicherlich die Erwartungen bezüglich dieser prominent besetzten konzertanten Aufführungen von Bellini's I Capuleti e i Montecchi. Schließlich standen mit Anna Netrebko, Elina Garanca und Joseph Calleja drei der angesagtesten Jungstars der Opernszene auf der Bühne - und wahrlich wurde das Publikum nicht enttäuscht.


    Die große Frage war wie sich Anna Netrebko präsentieren würde. In letzter Zeit hatte sie gesundheitliche Probleme, mußte ja auch zwei Manon-Vorstellungen an der Wr. Staatsoper absagen, und auch zu Beginn dieser aus drei Aufführungen bestehenden Serie der Bellini Oper war sie gesundheitlich angeschlagen. In der Vorstellung am 28.04. schien es, als würde sie überhaupt nicht singen können, denn ein Sprecher des Konzerthauses machte zu Beginn die Ansage, Anna Netrebko sei krank. Buhrufe aus dem Auditorium waren die Folge, doch wurde das Publikum rasch beruhigt, in dem der Sprecher verlautbarte, daß sie dennoch singen würde. Man bitte nur um Verständnis, wenn in ihrem Gesang nicht alles perfekt sei.
    Also, die Ruhe war wieder hergestellt, und man konnte sich auf das Konzert freuen.


    Kaum auf der Bühne, hat der Tenor bereits seine Arie zu singen und Joseph Calleja legte die Latte schon mal sehr hoch. Großartig gestaltete er die Arie des Tebaldo. Da war alles da, eine wunderbare, mit Leichtigkeit ins Auditorium hinausströmende Stimme mit einer exzellenten Höhe. Die Spitzentöne in der Arie waren gewaltig. Es ist überhaupt erstaunlich mit welcher Leichtigkeit er zu singen scheint. Die Stimme ist von einer Durchschlagskraft, die sich mühelos über das Orchester hinwegzusetzen weiß. Doch gelangen ihm auch die zarten Töne der Partie ausgezeichnet. Ich war auch überrascht, wie schön der Klang im Konzerthaus generell ist. Die Akustik war ausgezeichnet.
    Das Publikum hatte Joseph Calleja schnell ins Herz geschlossen. Nach seiner Arie gab es Riesenapplaus und unzählige Bravo-Rufe.


    Dann erschien Elina Garanca und sang die Auftrittsarie des Romeo. Auch sie verströmte mit ihrem herrlichen Mezzo einen schönen Klang, auch ihre Stimme klingt in allen Lagen wunderbar. Hat sie doch für einen Mezzo auch eine wunderbare Höhe. Zu Recht gab es auch für Ihren ersten Auftritt großen Jubel und Bravo-Rufe in fast der gleichen Intensität wie für ihren Tenorkollegen.


    Während die Garanca noch sang, betrat Anna Netrebko die Bühne und sang kurz darauf die erste Arie der Giulietta. Es fielen Intonationsprobleme, wohl zurückführend auf ihre Erkältung, auf. Die Stimme klang dennoch wunderbar, und auch die Höhe, wenn auch nicht immer ganz frei, war da. Der Publikumsliebling der die Netrebko nun einmal ist, wird ja eigentlich immer mit Bravo-Rufen gefeiert, egal ob sie nun einmal besser oder schwächer singt. Doch weit gefehlt: Während Garanca und Calleja mit Bravo-Rufen nur so zugeschüttet wurden, erhielt Anna Netrebko nach ihrer ersten Arie lediglich einen Höflichkeitsapplaus. Kein Bravo, Nichts. Qualitativ war wirklich ein Unterschied zu ihren Kollegen hörbar, nichtsdestotrotz sang sie sehr schön, gerade wenn man bedenkt, daß es ihr nicht so gut ging.
    Aber im Laufe des ersten Teiles wurde sie immer besser und konnte zu ihren Kollegen aufschließen.


    Zu Beginn des zweiten Aktes, nach der Pause, mußte Netrebko erneut mit einem Solo ran, und da waren sie wieder, diese Intonationsprobleme, die sie ab Mitte des ersten Aktes schon überwunden hatte. Plötzlich, mitten in ihrem Vortrag, dreht sie sich schnell zur Seite und beginnt zu husten, singt aber dann sofort weiter. Doch nicht lange, erneut hustet sie zweimal zur Seite, setzt dann aber wieder an zum Weitersingen. Zu diesem Zeitpunkt stellte man sich schon die Frage, ob sie überhaupt weitersingen würde können. So ein Hustenanfall kann ja einige Zeit dauern, gerade wenn man erkältet ist. Doch sie überwand die stimmlichen Probleme erneut und beendete ihre Arie letztendlich auf großartige Weise. Mit schönen, hohen langen Tönen. Nun wußte auch das Publikum dies zu schätzen und feierte sie mit vielen Bravos. Vielleicht gab ihr das das nötige Selbstbewußtsein, denn von diesem Zeitpunkt an sang sie wie befreit.


    Großartige Momente des Abends waren neben den einzelnen Arien der Künstler, das fulminante Duett Romeo/Giulietta, das Duett Romeo/Tebaldo, die große Ensemble-Szene am Ende des ersten Aktes und das Finale der beiden Hauptfiguren.


    Zu erwähnen wären noch Robert Gleadow als Lorenzo, der unsicher begann, sich aber im Laufe des Abends zu einer guten Leistung steigerte, und Tiziano Bracci als Capellio, dessen Bass zwar gut begann, aber im Laufe des Abends leider immer leiser wurde.
    Mit Netrebko, Garanca und Calleja hatten die beiden aber auch grandiose Kollegen auf der Bühne, da ist ein Mithalten auf diesem Niveau sicher nicht so einfach.


    Die Wr. Symphoniker unter Fabio Luisi spielten wunderbar, schön die Solostellen von Harfe und Fagott. Auch die Wr. Singakademie konnte überzeugen.


    Also, wenn konzertante Oper auf solchem Niveau geboten wird, dann bitte mehr davon. Es war natürlich schön, diese selten gespielte Bellini Oper einmal live zu hören. Da machte es gar nichts, daß es nicht szenisch war. Die Sänger spielten ihre Rollen sowieso, soweit daß eben eine konzertante Aufführung zulässt.


    Am Ende des Abends gab es viel Jubel für die Sänger, vor allem natürlich für Netrebko, Garanca und Calleja. Abstufungen konnte man da kaum ausmachen, der Jubel war für diese drei Sänger ziemlich gleichwertig.


    Für mich war es ehrlich gesagt einer der schönsten Opernabende überhaupt. Das lag einfach an dem, was man da vokal geboten bekommen hat. Drei Spitzensänger, die einfach bewiesen haben, warum sie zur Spitze in ihrer Branche gehören, machten aus diesem Abend wahrlich eine gesangliche Sternstunde. Ich bin jetzt noch ganz benommen von derartiger Stimmschönheit :faint::faint::faint:
    Für alle, die nicht dabei sein konnten - die Aufführungen wurden mitgeschnitten. Im Jahr 2009 soll das Ganze dann auf CD erscheinen.


    Gregor

  • Dem kann ich mich im Großen und Ganzen nur anschließen (ich war am 25.4. dabei).


    Calleja war für mich die positive Überraschung des Abends - er hat sich in meinen Ohren für den völlig verpfuschten Rigoletto-Herzog in der Staatsoper (ist schon ein Weilchen her; der Mann hat offenbar gut an seiner Stimme gearbeitet) rehabilitiert.


    Bei Netrebko/Garanca fand ich den "Widerspruch" zwischen Stimmlage und Timbre besonders reizvoll. Der Mezzo hell - im Kontext "jungenhaft" - timbriert, der Sopran dünkler (jugendlich-erotisch, keinesfalls kindlich). Damit kommen die beiden Sängerinnen auch den Rollen (ihrem Verhalten) der Shakespeare-Vorlage sehr nahe: Romeo ist weit mehr "Kind" (impulsgesteuert und kaum reflexiv) als Julia.


    Womit wir beim einzigen wirklichen Ärgernis sind:
    Die librettistische Verunstaltung der Vorlage ist in ihrer Igoranz des Inhalts ein Irrwitz (seicht wie der Wienfluss). Einzige Hilfe - Textheft weglegen und die Musik genießen.

  • Ich war am 25. April dabei und vor allem einmal glücklich, diese wunderbare Oper endlich wieder einmal zu hören, wenn auch "nur" konzertant. (Ziemlich wehmütig dachte ich daran, wie großartig Elina Garanca und Anna Netrebko Shalespeares Liebespaar auch gespielt hätten ;( )
    Ich teile Gregors und Matellos Begeisterung über die beiden Damen voll und ganz, zu Calleja mache ich's lieber so :stumm: , denn es liegt mir fern, seinen Fans auf den Schlips zu treten. Ich kann mit dieser Stimme einfach nichts anfangen, aber wenn er bei seiner Auftrittsarie nicht versucht hätte, das Orchester in Grund und Boden zu singen, fiele mein Urteil diesmal nicht ganz so vernichtend wie sonst aus. Verglichen mit seiner inferioren Darbietung bei den "Puritani" fand ich ihn sogar ganz annehmbar.
    lg Severina :hello:

  • Vor Neid erblass!!!!!!! :yes:


    Ach, habt ihr es gut!!!! Ich würde so gerne mal die Capuleti auf der Bühne sehen. statt dessen muss ichmich mit eienr zweitklassigen Aufnahme aus der Bellini Brillant-Box zufrieden geben, wenn ich nciht an der Gruberova oder der Sutherland hängen bleiben will.


    Ich sehe Netrebko nciht gerade als ideale Giulietta, lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.
    Ich warte natürlich sehnsüchtig auf eine Aufführung mit Natalie Dessay und Susan Graham-meine Traumbesetzung!


    Die herrliche Arie "O quante volte" hab ich immerhin schon mit Dessay auf ihrer neuen Cd :jubel: :jubel: :jubel:



    F.Q.

  • Liebe Fairy,
    vielleicht kannst du dir die Wartezeit auf dein Dreamteam ja doch mit Garanca&Netrebko versüßen, denn diese konzertante Aufführung erscheint 2009 als CD. (Am Samstag lief sie schon im Radio, aber davon hast du ja leider nix......)
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Fairy Queen


    Ach, habt ihr es gut!!!! Ich würde so gerne mal die Capuleti auf der Bühne sehen. statt dessen muss ichmich mit eienr zweitklassigen Aufnahme aus der Bellini Brillant-Box zufrieden geben, wenn ich nciht an der Gruberova oder der Sutherland hängen bleiben will.


    Ich sehe Netrebko nciht gerade als ideale Giulietta, lasse mich aber gerne vom Gegenteil überzeugen.



    Liebe Fairy,


    von den Capuleti gibt es einen Rundfunkmitschnitt aus Salzburg vom August 2004 in folgender Besetzung:


    Giulietta Anna Netrebko


    Romeo Daniela Barcellona


    Tebaldo Joseph Calleja


    Capellio Dan Dumitrescu


    Lorenzo Chester Patton



    Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor
    Mozarteum Orchester Salzburg


    Dirigent Ivor Bolton


    bei der sich zumindest zwei der drei Protagonisten der konzertanten Aufführung schon getroffen haben - vielleicht auch eine Alternative zu den von Dir genannten Aufnahmen?


    LG, Elisabeth

  • Es gibt z.Zt. auf dem Plattenmarkt ca. 35 Gesamtaufnahmen der Oper. Dabei dürfte für jeden die passende Kombination dabei sein, z.B.


    Hei-Kyung Hog / Jennifer Larmore


    Agnes Baltsa / June Anderson


    Beverly Sills / Janet Baker oder Tatiana Troyanos


    Vessalina Kasarova / Eva Mei oder Lucia Aliberti


    usw. usw.


    LG


    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald, ich liebe nunmal Oper live auf der Bühne und Aufnahmen sind mir immer zweite Wahl. Daher sehnsüchtiges Warten auf Dessay plus Graham!
    Aber in Ermangelung dessen fände ich auch Eva Mei plus Kasarova schon genial! Danke für dei Tipps! :hello:


    Einstweilen dilettiere und delektiere ich mich dann eben mit Rosenkavalier. :]

  • Zur Einstimmung auf die Wiener "Capuleti" sang Elina Garanca in ihrer Heimatstadt Riga den Romeo in einer konzertanten, von ihrem Gatten Karel Mark Chichon dirigierten Auffuehrung. Ich höre gerade in die Uebertragung hinein : Von Garanca habe ich nichts anderes als diese ueberragende Leistung erwartet, aber eine echte Ueberraschung ist die Giulietta. Elena Gorshunova kannte ich bisher nur als Mitglied der Mariinsky-Akademie. Eine junge, reizvoll timbrierte, in allen Lagen sichere Stimme. Meines Erachtens nach verfuegt sie nicht ueber das Ausnahmetimbre einer Netrebko, aber diesen Namen wird man sich merken muessen.


    Mikko

  • In den 60er Jahren hat doch Claudio Abbado nicht nur den Tebaldo sondern auch den Romeo mit einem Tenor besetzt. Das war sicher eine sehr reizvolle Variante. Kam man doch so in den Genuß eines großen Tenorduettes. In diesem Fall waren das Aragall und Pavarotti.


    Diese Fassung für zwei Tenöre schien aber nur ein Experiment gewesen zu sein. Denn in der Regel wird der Romeo ja nach wie vor mit einem Mezzosopran besetzt.


    Gregor

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  • Aragall hat den Romeo in mehreren Aufnahmen gesungen.


    Später, in den 70er Jahren gab es auch noch andere Aufnahmen, bei denen der Romeo von einem Tenor gesungen wurde, ich erinnere mich da an Veriano Luchetti (Venedig 1973) oder Renzo Castellato (Buenos Aires 1971).
    Später ist man davon wieder abgekommen und hat für die Rolle wieder eine Mezzosopranistin genommen.


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Netrebko singt zusammen mit Joyce di Donato die Capuleti Ende Mai/Anfang Juni an der Opéra de Bastille.Also doch noch eine Gelegenheit... so es noch Karten unter 100 Euro gibt..... :wacky:

  • Wenn du vorhast nach Paris zu fahren, dann hoffe ich für dich, daß die Netrebko auch wirklich singt. Nach den Capuleti in Wien hat sie gesagt, daß sie wirklich eine Pause benötige. Sie ist gesundheitlich ja schon seit Wochen angeschlagen, dazu die Schwangerschaft.


    War nicht auch die Garanca ursprünglich für den Part des Romeo vorgesehen?


    Gregor

  • Lieber Gregor, danke, aber ich fahre sicher nciht, denn das ist mit Fahrt und Unterkunft so schweineteuer, dass ich billiger wegkomme, wenn ich nach Deutschland führe und da in die Oper ginge! Ausserdem bin ich einfach kein grosser Netrebko-Fan und warte auf Natalie Dessay! :yes:

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Lieber Gregor, danke, aber ich fahre sicher nciht, denn das ist mit Fahrt und Unterkunft so schweineteuer, dass ich billiger wegkomme, wenn ich nach Deutschland führe und da in die Oper ginge! Ausserdem bin ich einfach kein grosser Netrebko-Fan und warte auf Natalie Dessay! :yes:


    Hallo Fairy,
    so ein großer Netrebko-Fan bin ich auch nicht. Dieser ganze Hype ist doch ziemlich nervig. Aber wenn sie etwas gut macht, dann gestehe ich ihr das natürlich gerne zu. In den Capuleti hat sie mir gut gefallen. Ob sie die ideale Belcanto-Sängerin ist, ist eine andere Frage.


    Ist dein Warten auf Dessay als Giulietta lediglich eine Hoffnung oder plant sie tatsächlich diese Rolle zu singen? Wenn du es dir so sehr wünscht, hoffe ich natürlich für dich, daß das auch klappt ;)


    Gregor

  • Lieber Gregor, ich gestehe der Netrebko selbstverständlcih auch ihre unzweifelhaften Qualitäten zu- ihre russische Cd gefällt mir wirklich sehr gut! :jubel:
    Ich habe nur ab und an gewisse Zweifel
    an ihrer Rollenwahl und finde das nciht immer serh ideal-gerade weil sie so gehypt wird, fällt ja dann Alles doppelt und dreifach ins Gewicht!
    Dessay hat die grosse Arie der Giulietta bereits auf Cd eingespielt. Die Rolle würde ihr m.E. hervorragend liegen, aber im Moment plant sie ja die Traviata.
    Als Belcanto-Fan und insbesondere Bellini-Jüngerin hoffe ich natürlich, dass sie sich der Amina und besonders auch der Puritani-Elvira noch in toto annehmen wird, weiss aber nichts von konkreten Projekten.


    Fairy Queen

  • :jubel: Juchuuuuu! :jubel:
    Danke, lieber Gregor für diese frohe Botschaft!


    Spätestens dann werde ich euch mit oder ohne Handkuss heimsuchen.
    Und bitte Severina schon prophyklaktisch, mich über Kartenbestellung und alle Modalitäten zu informieren.
    Das kann ich mir nicht entgehen lassen!
    So ich denn in Wien die Einreiseerlaubnis bekomme....... :wacky:


    F.Q.

  • Aus dem Londoner Covent Garden:


    Sonntag, 13.12.09 um 20:05 Uhr
    I Capuleti e i Montecchi
    Von Vincenzo Bellini
    Tebaldo, Verlobter Giulettas: Dario Schmunck, Tenor
    Capellio, Oberhaupt der Capuleti, Giuliettas Vater: Eric Owens, Bass
    Lorenzo, Doktor: Alastair Miles, Tenor
    Romeo, Oberhaupt der Montecchi: Elina Garanca, Mezzo-Sopran
    Giulietta, verliebt in Romeo: Anna Netrebko, Sopran

    Royal Opera House Chorus
    Royal Opera House Orchestra
    Leitung: Mark Elder


    Aufnahme vom 1. Januar 2009 aus dem Royal Opera House, Covent Garden, London.


    Näheres unter "Oper - heute im Radio"


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)