Hallo allerseits!
Bisher war ich instinktiv eigentlich immer geneigt, Extrem-Billig-Klassik-CD-Serien grundsätzlich zu misstrauen. Ich meine hier nicht Label wie Naxos oder Wiederauflage-Serien wie Nipper oder Apex, sondern die Art von CDs, die man bisher in der Regel nicht in "normalen" CD-Abteilungen, ganz zu schweigen von spezialisierten Klassik-Geschäften fand sondern an den Grabbeltischen einer Buchhandlund oder in speziellen Restauflage-Geschäften wie Wohltat zu Preisen, die kaum die Kosten der CD-Rohlinge zu decken scheinen.
Allerdings habe ich in letzter Zeit festgestellt, dass diese Serien zumindest bei den bekannten Klassik-Versandgeschäften (so z.B. bei JPC oder 2001) auch mehr und mehr vertreten zu sein scheinen.
Ich selbst hatte vor einiger Zeit der Versuchung nachgegeben und bei 2001 eine Doppel-CD mit Beethoven Sonaten von Wilhelm Kempff, veröffentlicht unter dem Label "The 50s" mitbestellt - was konnte ich bei 3 Euro schon groß verlieren? Mit diesem Kauf bin ich (und ich bin, wie einige hier schon bemerkt haben werden, was Aufnahmequalität angeht wirklich ziemlich kritisch ) sehr glücklich - beste Mono-Qualität und wunderschöne Interpretationen - ich würde die CD jedem, der Kempff als Pianist kennenlernen möchte ohne Bedenken empfehlen. Ich hebe die Vermutung (wenngleich es auf der CD sowie auf der dazugehörigen Webseite an eindeutigen Angaben dazu fehlt) dass es sich bei diesem Aufnahmen (allesamt Studioaufnahmen) um Auszüge aus Kempff's erstem Gesamtzyklus handeln muss, der bei DG veröffentlicht worden ist.
Weitere Serien, die mir in letzter Zeit wiederholt ins Auge gefallen sind, sind Labels wie Artone, Quadromania und History. Auch hier finden sich z.T. Aufnahmen, die eigentlich eindeutig nur mit bereits bei einem der großen Labels veröffentlichten Aufnahmen identisch sein können. So wird es (wie bereits im Thread zu den Großen Beethoven Pianisten auf Schellack erwähnt) zwischen 1932 und 1938 ja wohl nur einen Aufnahmezyklus aller Beethoven Sonaten mit Arthur Schnabel gegeben haben, den (trotz der historischen Aufnahmequalität) auch heute noch als Referenz angesehenen ersten Gesamtzyklus dieser Sonaten überhaupt, auf CD zuerst veröffentlicht bei EMI:
Inzwischen gibt es Schnabel-Gesamtzyklen (oder große Teile daraus) nicht nur bei Naxos sondern auch, zu den beschriebenen Extrem-Billig-Preisen z.B. auch bei Centurion
und bei History
(um nur zwei zu nennen).
Mich würde jetzt interessieren, wie das mit diesen "Klonen" rechtlich und technisch funktioniert:
- Rechtlich gesehen: ich hatte eigentlich gedacht de Urheberschutz an einer bestimmten Aufnahme gelte 70 Jahre (oder bezieht sich das nur auf den Schutz des Autors (Komponisten) - und die wären hier bei diesen Serien in der Regel noch nicht abgelaufen (die Kempff-Aufnahmen stammen z.B. as den 50ern). Haben hier also die großen Labels ihre Rechte zur "Zweitverwertung" weiterverkauft unter der Auflage die genaue Quelle der Aufnahme nicht zu benennen?
- Daraus folgend ergibt sich die für mich als Klassik-Hörer praktisch vielleicht viel wichtigere Frage, welches Material genau hier von den Billig-Labels wiederverwendet worden ist. Sprich: Erhalte ich de facto die DG- / EMI- etc.- Aufnahme mitsamt des von den EMI-Toningenieuren durchgeführten (im Falle Schnabels angeblich sehr guten) Remasterings, wurden also schlichtweg Kopien einer bestehenden CD-Version gezogen, oder erhalten die Zweitverwerter irgendwelche (u.U. minderwertige) Kopien der Masterbänder (?) und müssen dann selbst sehen, was sie damit machten. Bestehen infolgedessen eindeutige Unterschiede in der Qualität des Remasterings dieser historischen Aufnahmen zwischen den verschiedenen Versionen ? Hat in dieser Hinsicht vielleicht schon einmal jemand die Möglichkeit eines Direktvergleichs gehabt - wobei weniger aufwendiges und damit weniger intrusives Remastering ja nicht notwendigerweise schlechter sein muss? Ist Naxos, die, so weit ich weiß, in der Regel ein eigenenes Remastering der ihnen zur Verfügung stehenden Bänder durchführen, in dieser Hinsicht eine Ausnehme?
Mich persönlich würden Aufnahmen wie der genannte Schnabel-Zyklus (und vielleicht auch noch einige andere in der History-Maestro-Blabla-Serie) interessieren, allerdings gehöre ich zu den Leuten, die sich im Zweifel irgendwann ärgern würden, sich eine "verschlechterte" Version derselben Aufnahme zugelegt zu haben statt gleich in den sauren Apfel zu beißen und die Originalversion zu kaufen, die mir dann aber für eine historische Aufnahme zumindest im Moment noch dann doch zu teuer wäre (da gibt es einfach Dringlicheres auf meiner Wunschliste).
Mich würde interessieren ob hier jemand etwas genaueres zu Herkunft und Herstellung dieser Wiederverwertungs-Labels weiß, die ein bisschen wie Pilze aus dem Boden zu schießen scheinen.
Gruß
katlow