Nathalie Dessay - Belcanto par excellence

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    Patricia Petibon oder de los Angeles mit Dessay direkt zu vergleichen halte ich für problematisch.


    Liebe Fairy Queen, lieber Frank, lieber Arimantas!
    Was Direktvergleiche betrifft, so ist das in meinen Augen immer schwierig - aber doch auch interessant und lohnend und ich bin sehr froh darüber und dankbar dafür, dass Arimantas es sich immer wieder antut, nicht nur viele verschiedene Interpretationen vergleichend zu hören, sondern uns auch noch so detailliert über seine Erfahrungen zu berichten.
    Oft mag es ja vorkommen, dass Interpretinnen deutlich nicht entsprechen, aber ab einem gewissen Niveau, das bei den genannten Damen ( :jubel: ) zweifellos gegeben ist, wird es schwierig, eine Rangfolge auszumachen. Denn es ist jede Stimme anders und jede intelligente Sängerin (zu denen die genannten Damen auch sämtlich zählen!) wird die Rolle nicht nur aus ihren persönlichen Erfahrungen heraus, sondern auch mit ihren stimmlichen Mitteln interpretieren. Und da kommt bei Stimmtypen, die so verschieden sind wie de los Ángeles (mit einem berückenden Timbre und einem robusten, großen und eher tiefen lyrischen Sopran, den sie aber auch sehr zart werden lassen und zu beeindruckenden, rhythmisch und intonatorisch präzisesten Koloraturen verwenden konnte, vgl. ihr "Sempre libera" - @FQ: vielleicht hätte sie doch einmal die Thais probieren sollen, aber ein d''' hat sie nicht einmal zu ihrer Glanzzeit öffentlich gesungen) und Dessay (deren Stimme zwar auch ein schönes Timbre, wenngleich ganz anderer Art, hat, aber ansonsten nicht robust, nicht groß, nicht einmal lyrisch ist und auf die sie aufpassen muss, dafür eine viel mühelosere Höhe hat), einfach eine völlig unterschiedliche Interpretation heraus, wo eine Grenze zwischen sehr sehr gut und am besten nicht einfach zu ziehen ist. (Es sei denn bei Rollen wie Manon und Mélisande, die ganz Victoria gehören.)
    Im übrigen stimme ich Arimantas zu, dass es Natalie Dessay an stimmlichem Agieren mangelt, was ich so bei Victoria de los Ángeles, Patricia Petibon, Magdalena Kozená... schätze, die tatsächlich durch ihren Gesang Bilder vermitteln.


    Liebe Grüße,
    Martin

  • Guten Morgen,


    welche Rollen könnte Natalie Dessay jetzt noch singen? Ich hoffe, dass sie das selbst zusammen mit ihren Beratern auch in der für uns alle am Befriedigendsten Weise beantworten wird.


    Aber wenn ich direkt gefragt werde würde Folgendes sagen:


    1. Alle Rollen, die entweder eine echte femme fragile ihres stimmlichen und morphologischen Typs sein können und
    2.
    alle Rollen in denen ihr komisches Talent sich voll entfalten kann


    3. Barockrepertoire



    ZU 1. sie sollte unbedingt bei Bellini weitermachen und die Giulietta, Elvira (Puiritani) und ausser der Norma Alles, was sich bietet mitnehmen


    Ihr Potentail kommt hier in besonderer Weise zur Geltung. Das gilt auch für einige Donizetti-Rollen, wobei wir aber schon fast bei 2 sind.


    Zart wie sie ist, kann sie m.E. auch mit über 40 noch durchaus eine Gilda oder einen Oscar geben- in Sachen Verdi ist dasaber m.E. schon eigentlich Alles. Leider. Ich bleibe bei der Traviata skeptisch, lasse mic haber leibend gerne eines Besseren belehren. die entourage ist ja vom Feinsten udn ihr eigener Ehemann als Germont wird sie ganz sicher im zwieten Akt nciht in Grund und Boden singen.


    In modernen Opern gibt es sicher auch Einiges. Poulencs Carmelites(Constance) die Melisande, die ja auf dem Programm steht. Ravels Enfant et les sortilèges.
    Das romantsiche frz. Repertoire hat sie ja weitegehend schon gemacht. Die Juliette von Gounod wird sciher noch kommen, die Fee aus Massenets Cendrillon, Auber, Thomas usw.
    Puccini hat sie bisher meiens Wissens nciht gemacht,(vielleicht mag sie den genausowenig wie Operetten :D) da gäbe es eh nicht viel mehr als dei Musetta und bei entsprechender Regie und Besetzung die Liù.


    zu 2.
    leider findet sie Operette musikalisch minderwertig, denn da wäre ein Riesenbetätigungsfeld für ihren Stimmtyp und das komödiantische Talent.Ausser Offenbazchs Eurydice hat sie bisher ncihts eingesungen.


    zu 3) meines Erachtens ein ideales Betätigungsfeld, das sie ja auch gottseidank zusammen mit Mme Haïm entsprechend beackert.


    Ich nehme an, sie lässt sich weiterhin von Blivet, einem in Frankreich serh renommierten Gesangspädagogen kontrollieren und beraten. Er schreibt in seinem buch eindeutig, wie schädlich alles im falschen Fach singen ist und wird sciherlich auch in Sachen Traviata seinen Rat gegeben haben.
    Wenn es nun ihr Schwanengesang wäre, sie das aber unbedingt noch im Leben machen wollte- wer sollte das nciht verstehen?


    Fairy Queen

  • Lieber arimantas :



    Zwischen einer Rollenauffassung im Sinne eines Realimuses und einer Stilisierung im Sinne einer Anlehnung an die griechischen Tragödien sehr ich keinen sich auscchliessenden Widerspruch .


    Wenn man die Callas in ihren verschieden Aufnahmen der Lucia aufmerksam hört , so kann auch auch in ihren eigenen Interpretationen deutliche Unterschiede hören . Dies hat nichts mit der Aufnahmetechnik zu tun . Nicht das gesamte Material ist von EMI bearbeitet worden . Dann haben wir sicherlich unterschiedliche Meinungen über die innere Sicht der Lucie / Lucia , worauf 'Dairy Quenn' hinweist . Mir persönlich scheint die Berliner Lucia der Callas als die überzeugenste , weil sie etwa die sog. Wahnsinnsarie mit einer aus dem Inneren kommenden Intensität singt , das wir von hier aus vielleicht am ehesten eine Brücke zu Natalie Dessay bauen können .



    "Sich in den Wahnsinn flüchten" .


    Diese Kernfrage wird in der Psychopathologie , ob dies überhaupt dem Menschen möglich ist , eher verneint ( Karl Jaspers : Allgemeine Psychopathologie ; 5. Aufl. ; Kurt Schneider : Klinische Psychopathologie; 12. Aufl. ; Christian Scharfetter : Allgemeine Psychopathologie ; 5. Aufl. ; Hans - Jürgen Möller - Hrsg.: Psychiatrie und Psychotherapie , 2 Bde. ) .Im Falle des deutschen grossen Lyrikers Hölderlin wurde dies viele Jahre sehr kontrovers diskutiert eben mit der Frage , ob sich Hölderlin in den Wahnsinn aus seiner zeitbedingten Situation heraus geflüchtet hat . Das damalige Gutachten des Tübinger Anatomen , Chirurgen und Geburtshelfers Autenrieth löst das Problem des möglichen Wahns bei Hölderlin nicht .



    Hölderlins sozialer völliger Rückzug kann durchaus auch mit der Dynamik der Figur der Lucia / Lucie verglichen werden . Die Frage ist von 'Fairy Queen' angesprochen worden : Liegt eine aus der Selbsterfahrung der Frau bedingte , verursachte eigendynamische Entwicklung in den Wahn hinein vor oder setzt der Wahn eigengesetzlich plötzlich ein ? Hören wir Callas in Berlin ( EMI ) , dann tendiere ich ich aufgrund ihres Beginnes der Wahnsinnsszenze dazu eine losgelöste Eingesetzlichkeit im Wahnhaften herauszuhören . Wer dann die DVD mit Natalie Dessay zum Vergleich heranzieht , der wird diesen nicht nachvollziehbaren Wahneinfall wie bei Maria Callas hören können . Die Modulationsfähigkeit in beiden (!) Stimmen ist enorm . Und zwar gerde , weil beide Interpretetinnen zu allerfeinsten farblichen Stimmabstufungen fähig sind .



    Callas und Dessay höre ich hier näher beeinanderliegend in ihrer Rollengestaltung als die erwähnten Kolleginnen Caballé , Moffo, Scotto oder Sutherland . Letztere wird hier auffallend nicht erwähnt , obwohl die Callas ausdrücklich betont hat , als sie eine Aufführung der berühmten Kollegin miterlebt hat , :"Wie kann man nur solche Koloraturen singen ?" Es ist hier als ausdrücklich nur auf den Höreindruck Bezug genommen . Nicht auf darstellerische Leistungen .



    Rechnet man die Interpretationen aller genannten Sängerinnen in den Bereich dem zu , das der Psychiater und Psychoanalytiker Raymond Battegay als "Grenzsituationen " des menschlichen Lebens
    in seinem Buch beschrieben hat , so singen alle Interpretinenn diese im Extrem der Grenzsituation der Lucia / Lucie befindlichen Zustand mit einer völlig anderen Aufassung der Rolle . Dies mag aber auch an den doch sehr unterschiedlichen Stimmen liegen . Wobei mir Anna Moffo eher zu Callas oder Dessay zu rechnen ist . Dies macht Moffos ebenfalls schauspielende Gesangskunst so faszinierend . Moffo lebt die Rolle aus . ( Es ist sehr bedauerlich , dass<Anna Moffo nicht nur mit ihrer langen Krebserkrankung zu kämpfen hatte, sondern auch snst gesundheitlich nicht sehr stabil gewesen ist und es schon leider recht früh nur wenige Aufnahmen noch zu kaufen gab . )



    Ob es nicht richtig sein kann zu schreiben , dass eine Interpretation in ihrer Realität in eine bestimmte Deutung der Rolle stilisiert worden ist , sei hier als Frage , Hinweis in den Diskussionsraum hineingestellt .


    Den Hinweis auf eine mögliche rückwärtsgewandte Rollenauffassung im Sinne einer alten griechischen Tragödie sehe und höre ich bei Maria Callas als überwunden an im Sinne einer wie zuerst durch Rosa Ponselle ( diese auch bei Bellini ) völlig neuen Art der kraftvollen , aber doch in sich zerbrechliche und zerbrochenen handelnden Person , die ihrer letzten und äussersten Mittel als tragische Heldin wie auch Frau beraubt worden ist . Die bei Ponselle und Callas ( in allen Aufnahmen ausser der aus Berlin mit v. Karajan ) hörbare dramatische Gestaltung ( stimmlich ) ist durch natalie Dessay einer verinnerlichten , fast noch schockierender Interpretation gewichen . Auch Anna Moffo kam dieser von Dessay glaubhaft wiedergegebenen Rollendeutung beachtlich nahe . Die Sujerland in allen ihren Aufnahmen überzeugt souverän als Sängerin , ohne dass ich mir dabei eine darstellende Interpretin vorstellen kann . Dieser Mangel bei Sutherland ist eines der entscheidenden Kriterien , warum ihr das Entscheidene für eine Divina assoluta immer gefehlt hat , obwohl sie als Lucia sicherlich ihre überzeugenste , stimmlich perfekte Rolle gehabt hat . Ob die Scotto wie noch mehr die Caballé Idealfiguren im heutigen Sinne des fast Twiggy - Typuses haben , ist für mich deswegen unerheblich , weil beide grossen Sopranistinnen auch im realen ( Bühnen- ) Leben durchaus glauwürdig eine Lucia spielen können . Es kommt hier nicht auf die Frage der Zeitlosigkeit an .


    Absolut zustaimmen kann ich Martin mit seiner Formulierung , dass es möglich ist , "durch Gesang Bilder zu vermitteln" . Wir also als "Nur" - Hörende uns die Sängerinnen auch als Schauspielr vorstellen können .


    TRAVIATA & Natalie Dessay .


    Volle Zustimmung für 'Fairy Queens' Ausführungen zu der kommenden Interpretation der Rolle im August in Santa Fe ( New Mexico ) .


    Auch die Liù wi die Musetta wären bei Dessay sehr gut aufgehoben .


    Einen Rückzug auf Musik des Barock , weil dies momentan geradezu Mode geworden ist , halte ich für aus meiner Sicht nicht erstrebenswert und würde der Dessay vieles nehmen , was sie so aussergewöhnlich macht .


    Vielleicht hoffe und wünsche ich es mehr als dies möglich ist : Aber Natalie Dessay wird eine sehr intime , salonhafte Violetta singen . Eben erneut eine zerbrechliche und zerbrochene junge Frau . Genau so , wie die real existierende Duplessis gewesen sein muss .



    Beste Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Frank Georg Bechyna
    ...
    Volle Zustimmung für 'Fairy Queens' Ausführungen zu der kommenden Interpretation der Rolle im August in Santa Fe ( New Mexico ) .


    Auch die Liù wie die Musetta wären bei Dessay sehr gut aufgehoben .
    ...


    Ich muss gestehen, dass ich in Bezug auf die Traviata etwas skeptisch bin. Aber wir werden ja hören.


    Keine Frage aber ist, dass die Musetta bei Dessay keinesfalls sehr gut aufgehoben sein kann! Das ist eine Mezzo-Partie, die von einem leichten Koloratursopran zwar zur Not gesungen werden kann, aber in jedem Fall eine sehr grenzwertige Partie darstellt!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Original von Theophilus
    Keine Frage aber ist, dass die Musetta bei Dessay keinesfalls sehr gut aufgehoben sein kann! Das ist eine Mezzo-Partie


    :no:


    Ich würde die Musetta zwar auch nicht unbedingt zum leichten Koloratursopran zählen und bezweifle, dass Natalie Dessay die ideale Interpretin der Musetta ist, aber Mezzo-Partie ist das keine!


    Die Musetta ist ein lyrischer Sopran, der mitunter auch von schon zum Lyrischen tendierenden Koloratursopranen gesungen werden kann. Natalie Dessay hat aber, fürchte ich, zu wenig Körper (im stimmlichen Sinn! :D ) für die Musetta. Ihre Stimme erscheint mir zu fragil für dieses sehr robuste Mädchen!


    :hello:
    Martin

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  • Lieber Theophilus, irgendwie muss mir entgangen sein, dass Hilde Güden und Rita Streich Mezzi waren :untertauch: ;)



    Ob Mezzo oder nicht; ich halte Natalie Dessay auch nicht für die ideale Puccini Stimme, aber wenn überhaupt Puccini, dann wäre es am ehesten noch Musetta oder Liù.
    Wie ich sie einschätze und was ich ihren bisherigen Äusserungen zu ihrer bevorzugten Musik entnehme, wird sie aber genausowenig Wert auf Puccini wie auf Operette legen.



    Was den Wahnsinn in der Oper angeht:
    Lieber Frank, ich würde das nicht unbedingt mit medizinischen Diagnosewerkzeugen messen.
    Dass Lucia eine reaktive und keine endogene Wahnsinnige ist, spielt nur insofern eine Rolle, als dass dem Zuschauer in jedem Fall suggeriert wird und werden soll, dass die furchtbaren Umstände sie in den Wahnsinn getrieben haben. Wo läge sonst der Sinn der ganzen dramatischen Handlung?
    Wo die Schuld des Bruders? Und des aufgezwungenen Ehemannes?


    Dasselbe haben wir bei der Puritani Elvira- sogar in noch verschärfter Form, da sie ja nur passager wahnsinnig ist. Sobald die Umstände sich hgebessert haben, sprich Arturo ihr Ehemann werden darf, ist der Wahnsinn so schnell vorbei wie er gekommen war und weicht einem hoffentlich weniger schädlichen - dem Liebeswahn. ;)


    Wenn das im Leben und in den psychiatrischen Kliniken immer so einfach wäre- wunderbar! :wacky:


    In Opern dient der Wahnsinn nur der Dramaturgie und ist in den seltensten Fällen "eingeboren"
    Mir fällt eigentlcih auf Anhieb gar kein Beispiel einer Hauptfigur ein, die per se und ohne äusseren Anlass wahnsinnig ist und es bis zum Ende bleibt.


    Die Dramaturgie im Leben sieht da leider ganz anders aus, wie wir ja aus eigener Anschauung wissen.
    Vielleicht habe ich Dich aber gazn falsch verstanden..... ?(
    Herzliche Grüsse F.Q.

  • Liebe Fairy Queen,


    Ich muß einräumen, daß meine Präferenz für das Hören auch mit einer im Zeitablauf zunehmenden Trägheit, Immobilität zu tun hat, so habe ich mich, selbst als ich noch in Hamburg wohnte, immer weniger in Konzerte oder in die Oper bewegt. In meiner Jugend habe ich allerdings auch viel mehr Musik gehört, selbst meinen Urlaub habe ich damals oft so gelegt, um z.B. Svjatoslav Richter in der Scuola di San Rocco in Venedig zu erleben. Seitdem haben sich meine Interessen allerdings auch stärker ausdifferenziert, so arbeite ich verstärkt einer politischen Website zu, aktuell liegt ein immer noch nicht verwerteter Bildband zu Mantegna (Josep Manca) oder ungelesen ein Buch über die Welt des organisierten Verbrechens von Glenny auf meinem Schreibtisch.


    Durch meinen Umzug nach Minden sind die Möglichkeiten für Live- Erlebnisse noch geringer geworden. So habe ich seitdem erst ein Schumann/Schubert-Programm mit dem Göttinger Symphonie Orchester in einer Kirche in Rinteln und hier im Dom zu Minden eine wunderbare, junge A-cappella-Truppe mit dem nicht sehr werbewirksamen Namen „ Music Project Altmark West“ in der Vorweihnachtszeit gehört. Die großen Musikzentren sind zumindest für mich zu weit weg.


    Indes war das Hören für mich schon immer zentral, die Suche nach der idealen Realisierung eines Werkes hat mich dann zum Vergleichen und letztlich zum Sammeln von Tonträgern getrieben, wobei sich das Sammeln wohl etwas verselbständigt hat. - Martin hat die Frage der Rangfolge einer Aufnahme/Auffführung angesprochen und tendiert wohl dazu, ab einem bestimmten Niveau davon abzulassen. Dem stimme ich generell zu, aber ich kann es nicht lassen und bin immer auf der Suche nach der idealen Verkörperung. Ich denke, daß z.B. die Frage, ob die Violetta mit dem Schwerpunkt auf fragilité ausreichend erfaßt wird, verneint werden muß, und die Dessay wird das tun. Das ist für mich keine Frage des Geschmacks, über den sich bekanntlich nicht streiten läßt. Für meinen Geschmack wird manche Diskussion viel zu früh mit dem Geschmacksargument abgewürgt. Nichtsdestotrotz bin ich auf Versuche, Varianten von mir geschätzten Sänger/innen gespannt. Allerdings hat das oft seinen Preis. So muß man sich fragen, ob nicht dadurch daß sich z.B. Victoria de los Angeles auf die Elsa, Elisabeth (Wagner) und die Violetta eingelassen hat, die Stimme verhältnismäßig früh, vor allem in der Höhe, nachgelassen hat – es hätte doch eine Studioaufnahme ausgereicht.


    Anders gelagert ist die Frage einer Wertung z.B bei den von Natalie Dessay eingespielten Bachkantaten, vor allem bei der Kantate „Ich habe genug“, die quer durch alle Lagen vom Baßbariton bis zum Sopran eingespielt worden ist. Bach selbst hat damit begonnen für Solo-Alt zu schreiben, aber nach der ersten Arie das Werk für Baß umgeschrieben. Im Rahmen einer Wiederaufführung hat er dann Baß und Oboe durch Sopran und Flöte ersetzt. Bach hat sozusagen jeder Stimmlage zugetraut, diese Kantate musikalisch zu erschließen. Es geht darum den Seelenzustand des greisen Simeon darzustellen, genauer eines Menschen der das Gefühl des Simeon teilt, der das Jesuskind gesehen hat und endlich sterben kann. Im Text verbindet sich Weltmüdigkeit („Da entkomm ich aller Not“) mit der Gewißheit einer Erlösung im Jenseits. „Mein Gott! wann kömmt das schöne: Nun! Da ich im Friede fahren werde Und in dem Sande kühler Erde Und dort bei dir im Schoße ruhn?“


    Diese subjektive Gefühlswelt des Sängers, welche aber im Barock einem wichtigen Aspekt des allgemeinen Lebensgefühls entspricht, erfordert m.E. eine große Sensibilität für den Text und dessen Umsetzung in der Musik. Zu Beginn der Originalklangwelle hat man das wohl noch anders gesehen und das Subjekt sozusagen ausgeklammert, so führt Barbara Schlick ihren Sopran sehr instrumental – ich würde sage ohne jede Emotion. Mir ist das zuwenig. Die hell timbrierte Nancy Argenta ist genauso intonations- und artikulationssicher, differenziert aber stärker die Stimmungen der drei Arien. Allerdings ist „Ich freue mich auf meinen Tod“ viel zu schnell, das sollte beschwingt klingen aber nicht gehetzt. Natalie Dessay differenziert noch stärker, vor allem nutzt sie mehr die dynamischen Möglichkeiten. Allerdings gerät der positive Ton gerade der letzten Arie, welcher durch den helleren Klang der Sopranversion sowieso schon hervorgehoben wird, einen Tick zu beschwingt, so daß dieses „Ach“ in „Ach, hätt er [der Tod] sich schon eingefunden klingt wie das „Ach“ in „Ach, ein Mann!“ in der Kaffeekantate. Aber ich will nicht lange mäkeln, denn es gibt eine Interpretation, die alle übrigen übertrifft.


    Es ist die Aufnahme von Lorraine Hunt Lieberson mit dem Orchestra of Emmanuel Music, unter Craig Smith (Nonesuch 7559-79692). Ein dunkles Sopran-Timbre, das ihr Mezzopartien erlaubt. Sie kontrolliert eine enorme dynamische Bandbreite und eine riesige Farbpalette, über die Natalie Dessay naturgemäß nicht verfügt. Man beachte, wie sie fast allein mit der Schattierung des Vokals „U“ in „Schlummert ein“ nahezu spielerisch den Hörer dem Entrücken nahe bringt. Aber es ist nicht nur das, sie bringt eine seltene Emotionalität des Vortrags ein, die sich dadurch auszeichnet, daß sie nie das Maß verliert und sich veräußerlicht, aber äußerste Expression erreicht. – Ich muß gestehen, ich einigermaßen sprachlos, um präzise zu auszudrücken, was Lorraine Hunt mit mir anstellt. – Sie hat meine bisherige Lieblingsaufnahmen mit Janet Baker und Hans Hotter verdrängt, der aber unter den Männern immer noch den Spitzenplatz hält: Quasthoff (manchmal zu forciert, Tiefe seltsamerweise nicht immer selbstverständlich, 3. Arie zu schnell, um Freude aufkommen zu lassen) Goerne (hatte mehr erwartet, komische Tobbildung am Gaumen, kleines, nervöses, störendes Vibrato), Mertens (sehr differenziert, Schwächen in der Tiefe, sehr keusch im Hintergrund, La Petite Bande brillant im Vordergrund) Fischer-Dieskau (mit schönem legato gesungenes „Schlummert ein“ entschädigt nicht für ein geradezu gebelltes „Ich freue mich“) – aber das ist nicht der Ort um auf die vielen Interpretationen einzugehen (Stutzmann, Bostridge, Harvey, Kooy, Opalach Sharp, John Shirley-Quirk, Prey, Lorenz, McDaniel, Souzay), von denen ich nicht genug bekommen kann, aber das ist ein anderes Thema.


    Liebe Fairy Queen, Deiner Einteilung der Möglichkeiten der Dessay möchte ich folgen, verstehe aber auch die Franks Warnung. Das barocke Feld ist schon ziemlich abgegriffen und eine Auswahl müßte noch mehr auf ihr Wesen, ihren Stimmtyp (Morgana) abgestimmt werden. Z.B ihre Realisierung der Händelkantate „Delirio amorose“ ist m.E. nicht glücklich und stößt auf große Konkurrenz. Ich frage mich, warum sie nicht Mozart versucht. Die Mittellage der Susanna mag für einen hohen Koloratursopran manchmal unbequem sein, aber zumindest im Studio könnte sie es wagen. Ihre Schallplattenfirma scheint ja einiges mit zu machen. Oder warum nicht Zerlina?


    Den Versuch, meine Eindrücke von der letzten CD von Patricia Petibon zu schildern, werde ich fortsetzen. Ich muß gestehen, ich bin etwas bange und möchte sie ungern stark kritisieren. Ich wollte zunächst bei Mozart bleiben, aber es steht dann die Königin der Nacht und die Konzertarie KV 418 an, ich fürchte, hier hat sie sich übernommen.


    Lieber Frank,


    ich kann mir durchaus vorstellen, daß „ein Sänger vom Format eines Cesare Siepi sogar durch die Vorgaben in seinem schauspielerischen Potential gehindert worden“. Ich würde sogar noch darüber hinausgehen und behaupten, daß ein guter Regisseur Auffassungen von einer Rolle nahebringen kann, die sich unmittelbar auf den Gesang auswirken. So kann davon ausgegangen werden, daß die Mailänder Traviata der Callas durch die Zusammenarbeit mi Visconti zu einer außerordentlichen Weiterentwicklung der Rolle führte. Noch wichtiger scheint mir aber die Zusammenarbeit mit guten Dirigenten, der (Giulini) ja wochenlang nur am Klavier mit der Callas gearbeitet hat. Gibt es heute solcher Dirigenten? Die Dessay soll ja ein Probentier sein, was hätte es für ihre Sonnambula, ihre Manon gebracht mit solchen Dirigenten zusammenzuarbeiten?


    Absolut zustimmen kann ich der Auffassung Martins, daß "durch Gesang Bilder zu vermitteln" sind. Nicht ganz verstehen kann ich, warum Du Victoria de los Angeles und Petibon nicht mit der Dessay vergleichen magst, dies doch aber bei der Callas im Falle der Lucia tust, und hier sogar nicht nur mit der Berliner Aufnahme, in der die zurückgenomme Stimme noch am ehesten mit der Dessay zu vergleichen ist, die aber m.E. an diese Jahrhundertaufführung nicht herankommt.


    Was das Vergleichen und Sammeln von Aufnahmen betrifft, hast Du natürlich recht. Der Kreis der Sammler und Liebhaber wird durch den pekuniären Aspekt genauso limitiert wie durch das Zeitkontingent. Ich erinnere mich noch ganz gut, als ich in jungen Jahren bei einem Importeur meine zwei bis drei Aufnahmen abholte, die er zweimal im Jahr aus den USA (natürlich grauer Markt) mitbrachte, und ich dann recht frustriert seine Schätze bewunderte. Da stellte sich auch durchaus die Frage, Stehplatz oder neue Schallplatte.


    Was nun den Wahnsinn der Lucia betrifft, würde ich meinen, das die Frage, ob man „sich in den Wahnsinn flüchten“ kann oder nicht, vor der Tatsache zurücktritt, daß der Männermord, Hintergrund das selbstbestimmte Sexualleben einer Frau, für die Gesellschaft nur in einem Akt heiligenden Wahnsinns zu vermitteln war. Ich möchte hier noch einmal auf den Aufsatz von Daniel Mendelsohn hinweisen, der u.a. die Lucia in eine Reihe mit Madame Bovary und Anna Karenina stellt. Nicht umsonst kommt in beiden Romanen diese Oper quasi eine leitmotivische Rolle. Die emanzipatorische Aufforderung wird aber nicht durchgehalten, denn sowohl Emma als Anna, immerhin hört diese Adelina Patti, empfinden die Lucia als zu laut. – aber das gehört eigentlich in einen anderen Thread.


    :hello:


    arimantas

  • Lieber Theophilus :



    Musetta ist meines Wissens auf der Opernbühne und im Studio bisher nur von Sopranistinnen gesungen worden , zum Beispiel von Anna Moffo ( Aufnahme mit Maria Callas ) , Mary Costa ( Aufnahmemmit Moffo als Mimi ) oder Gianna d'Angelo .


    Über das TRAVIATA - Vorhaben kann man sicherlich unterschiedlicher Meinung sein . Ich denke , dass 'Fairy Queen' alles derzeit Bekenntes hier zusammengefasst hat .


    Lasse uns doch bitte - hoffentlich angenehm - überrascht werden .


    Viele Grüsse ,


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Liebe Fairy Queen :



    es macht sicherlich wenig Sinn , das Thema in Zusammenhang mit Natalies Dessay weiter zu diskutieren ,was wir unter Wahn verstehen und überhaupt in der Lage sind realtiv allgemeingültig wissenschaftlich zu akzeptieren .


    Aus rein operndramaturgischen Gründen mag dies für den Zuschauer - , Librettoleser und den Hörer konzeptionell stimmig sein . Die muss wissenschaftlich - psychiatrisch aber nicht so sein .


    Dein Puritani - "Fall" belegt ja gerdezu dass es sich hier nicht um einen echten Wahn in heutiger Klassifikation gehandelt hat .


    Es geht auch mir vor allem um die Grundsatzfrage Prozess - Entwickllung , wie dies Prof. Schmidt - Degenhardt , jetzt Düsseldorf und zuvor Heidelberg , 2006 in einem Referat in Göttingen aus Anlass des 85. Geburtstages von Professor Ulrich Venzlaff , den ich als Kliniker 1973 - 1975 noch in positivester lebhafter Erinnerung habe , ausgeführt hat .


    Die Frage bleibt aber ungelöst , ob man sich in einen Wahn flüchten kann .


    Aber lassen wir hier eine weitere Vertiefung sein . Es würde ohnehin zu weit führen .


    Die Frage nach den PUCCINI - Stimmen hat mich schon in den 1960er Jahren f. anhand des Beispieles von Leontyne price irritiert gehabt , weil sie eher am Rande überraschend viel von Puccini gesungen hat . Darunter die "Butterfly" mit Tucker unter Leinsdorf ( RCA , GA ) . Was ist eine "Puccini-Stimme" genau ?


    Ich denke , spekuliere , dass , Du hattest dies ja erwähnt gehabt , Natalie Dessay sich auch durch den von Dir benennten Stimmpädagogen auch im Hinblick auf ihre Traviata intensiv hat beraten lassen . Lassen wir die Augen mithören , um einen früheren Gedanken von arimantas aufzunhmen , so dürfte Dessay sehr gute Chancen haben als singende Schauspielerin alle Zweifeler in die Schranken zu weisen .


    Ich hatte mir eher wwegen der Höhenlage ud besonderen klimatischen Verhältnisse in Santa Fe ( immerhin über 2 000 Meter hoch gelegen und dann im August ) Sorgengemacht , wie eine Stimme solch eine enorme Herausforderung meistert . Hast Du ihren Ehemann , der den Germont père singen wird schon einmal in dieser Rolle erlebt ?


    Dir noch einen schönen Abend !


    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber arimantas :



    Soweit Du mich ansprichst möchte ich dazu folgendes sagen :


    Die sehr lange und extrem intensive Probearbeit und die Studioaufnahmepraktiken haben sich dramtisch verschlechtert gegenüber der Giulini - Callas - Visconti - Aufnahm e aus der Mailänder Scala .


    Giulini war ein zu Recht sehr präziser Dirigent mit dem Wunsch , schon in vielen Proben alle Feinheiten mit den Sänegrn herauszuarbeiten .


    Visconti war , wie Zeffirelli ud wenige andere , ein grosser Visonär u d dürfte das Violetta - Bild der Calls ganz wesentlich mitgeprägt haben . Nicht die Callas Giulini oder Visconti .


    Da es mit Carlo Maria Giulini mehrere Aufnahme gibt find e ich im direkten Vergleich , dass er seine Leistung in Mailand später nicht wiederholt hat . Dies mag da schon daran gelegen haben , dass er , ein gelernter Bratscher , nicht mehr die Zeit bekam , um alle seine Vorstellungen umszusetzen . Und Giulini hat sich laut Jürgen kesting äusserst krtisch gerade zur Mailänder Publikums - Meute geäussert ( J. Kesting , 2007 ) . Cornel MacNeill hat ja fast das gesamte italienische Opernpublikum als "Schwachköpfe" in einer Rigolettoaufführung in Nepael regelrecht angebrüllt ; die Neapolitaner hatte ein "fremder Rigoletto" schon im Vorfeld zu Raserei gebracht - welch ein Unsinn .


    Dessay wir sich in Santa Fe intensivst auf ihre Violetta vorberiten mit ihrme Team . Es sei hier jetzt nicht weiter diskutuiert , ob Dessays Mann einem Bastianini sänegrisch wie darstellerisch paroli bieten kann . Marai Callas hatte eigentlich auch immer Glück mit ihren Tenören . Franco Corelli schneklte sie ihr ganzes Vertrauen , dui Stefano hat sich in Berlin geradezu in göttliche Gefielde gesungen , Cioni wie Krauis u d Bergonzi waren äusserst zuverlässige Partner . Solche homogenen Besetzungen heute zusammenzubringen , dürfte fast unmöglich sein .


    Callas hatte auch die langjährige zuverlässige und einfühlsame Begleitung verschiedener Dirigenten , die eben auch in der Lage waren , ihre schwächeren Momente zu kennen . Und die Stimmungen der Divina . In dem von mir zitierten Buch von Michel Glotz steht viel Lesenswertes über die Callas .


    Wer berufsbedingt ( oder schon während Schule und Ausbildung ) nicht vertändnisvolle "Sponsoren" hat , dre wird sinnvollerweise aus meiner Erfahrung heraus lieber stehdn hören und sich eine GA kaufen als im 1. Parkett von schweren Parfums umgeben später die Eintrittskarte an die Wand nageln .


    Selbst dann sind doch Grenzen gesetzt , weil kaum jemand , Profis eingeschlossen , die Zeit hat , alle verfügbaren Aufnahmen im Vergleich zu hören . Und dies nur wie hier am Beispiel der Lucia di Lammermoor .


    Mit den Jahren ist man doch auf bestimmte Lieblingsinterpreten ausgerichtet . Und , wenn möglich , sollten man auch den Mut haben , die Regale einmal auf nicht unbedingt für einen selbst erforderliche Aufnahmen zu reduzieren . Die ggf. zunehmend e Tendenz hin zu einem bestimmten Interpreten halte ich auch objektiv nachvollziehbar .


    Eine differenzierende Auseinandersetzung wie hier mit ganz unterschiedlichen Aufnahmen der Rolle der Lucia / Lucie halte ich für sehr wünschenswert .


    Die von Dir angesprochene "Jahrhundertaufnahme" der Callas als Lucia in Berlin ist nur im direkten Vergleich Callas und Dessay möglich . Es mag spitzfindig klingen , aber nicht alle bekannten Aufnahmen der Callas sind gleichrangig . Von Natalie Dessay kennen wir , soweit ich dies weiss , nur zwei Interpretationen .


    Bei der Traviat ( Santa Fe ) ist es wohl noch völlig offen , ob es eine Gesamtaufnahme geben wird . Oder , vielleicht sogar eher , eine DVD .
    Letzteres nehme ich eher an .


    Bei allen unseren sich zum Teil widersprehenden Meinungen , bleibt es reizvoll zu diskutieren , was wir von einer neuen Interpretation erwarten und wie wir gedanklich und auch mit visuellen Vorstellungen an diese herangehen .


    Nicht lösen können wir , darin dürften wir schon jetzt Einigkeit haben , uns von den persönlichen Erlebnissen , die wir mit Aufnahmen aus der Vergangengheit verbinden .


    Viele Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

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  • Zitat

    Den Versuch, meine Eindrücke von der letzten CD von Patricia Petibon zu schildern, werde ich fortsetzen. Ich muß gestehen, ich bin etwas bange und möchte sie ungern stark kritisieren. Ich wollte zunächst bei Mozart bleiben, aber es steht dann die Königin der Nacht und die Konzertarie KV 418 an, ich fürchte, hier hat sie sich übernommen.


    Lieber Arimanthas und lieber Frank zu Natalie Dessay und den Bach-Kantaten vielliecht zu einem anderen Zeitpunkt noch weiter. Und zur Dessay Traviata möchte ich im Mometn ungern weiterspekulieren bevor wir ihre Traviata wirklich kennen.
    Nur noch soviel: ich erwarte ein undramatisches Rollenporträt im Sinne von Alexandre Dumas Vorlage und als Inkarnation einer Femme fragile, die im wahrsten Sinne des Wortes physisch und stimmlich an Schwindsucht leidet.
    Selbst Callas hat diese Schwindsucht stimmlich zu verkörpern versucht und dazu gestanden , im letzten Akt mit einem Hauch ihrer eigentlichen Vollstimme zu singen.
    Ich kann mir serh wohl eine Dessay-Violetta des 21. Jh vorstellen, ein Schicksal einer Kurtisane nach heutigem(leider oft pervertiertem) Schönheits-Gusto, mit einer Psycho-Pathologie Richtung Hysterie und Magersucht- wie etliche unserer heutigen Models und Lebedamen. Pelly wird seine Inszeneirung direkt auf Dessay abstimmen und ich erwarte zumindest grosse überraschungen und serh viel Anregendes von diesem Team!


    Nun aber etwas Anderes:



    Obenstehendes Zitat bedarf einer Erklärung.


    Ich habe mir eben beim Frühstück eigens nochmal verschiedene Aufnahmen der KV 418 "Vorrei spiegarvi o dio"angehört(Dessay, Streich, Francine van Heyden und Petibon- Damrau hab ich leider verliehen und weiss nicht mehr an wen) und bin da serh auf Deine Argumente gespannt, warum sich Petibon hier übernommen haben soll ?(
    Die Orchesterstimmung ist zwar auf 430, was ihr die Sache ein kleines Fitzelchen erleichtert, quantité presque negligeable wenn man schon in diesen Regionen der Kunst ist- aber niemand gestaltet den zweiten Teil der Arie so aktiv und ausdrucksstark wie sie. Für andere ist das nur noc hein Anhägsel, Petibon bleibt gane eng an der Textausdeutung und macht daraus noch eine Geschichte. Das müsste Deinem ideal des vocal actor doch eigentlch total entgegenkommen.
    Das aber dann bitte im passenden Thread.


    F.Q.

  • Liebe Fee, ich sagte, ich fürchte ..


    Ich habe mir die Konzertarie noch nicht angehört. Mein Verfahren besteht darin, neue Aufnahmen gleich mit einer Auswahl anderer Interpretationen zu konfrontieren. Ich meine, so der Interpretin eher gerecht werden zu können. Meinen Hörgedächtnis traue ich nicht ganz über den Weg.


    In diesem Fall zögere ich nicht nur wegen des Zeitaufwands, sondern weil es mir schwer fällt, bei der sympathischen Sängerin in die kritische Distanz zu gehen.- Aber ich werde es bestimmt im entsprechenden Thread tun.


    arimantas


    :hello:

  • Liebe Fairy Queen :



    Ob ein Spekulieren vielleicht überflüssig ist , was das Team um Natalie Dessay wie in Szene setzen wird ist schon spannend angesichts der bekannten , zum Teil bis heute herausragenden Inszenierungen .


    Ich denke , wir werden es zusammen natürlich auch mit 'arimantas' erleben , dass natalie Dessay nicht im Ansatz versuchen wird , etwa Maria Callas zu imitieren . Callas bleibt Callas und Dessay sicherlich sie selbst .


    Im Hintergrun d steht die wahre Geschichte des Alphonsine Plessis , die als unausgeildestes und sehr armes Mädchen nach Paris kam und sehr schnell die Gesellschaft in ihren Bann zog . Dass ihre "bürgerliche" Beziehung ( Heirat ) schweiteret , ist nicht von entscheidender Bedeutung .


    Vie wichtiger scheint mir zu sein , wie die Pariser Luxusgesellschaft mit einer moribunden jungen Frau , der sie einige Zeit mehr als nur zu Füssen gelegen hatte , umgegangen ist .


    Die Persönlichkeit der Alphonsine Plessis hat weit über ihrne Tod am 3. Februar 1847 hinaus nicht nur Liszt , Duma s, Gautier oder später etwa Greta Garbo und Maria Callas oder Visconti in ihren Bann gezogen .


    Es muss noch mehr in ihr und hinter ihrem Leben und Streben gewesen sein , das viele Menschen bis heute dazu bringt , an das Grab einer Edellebedame , die mit 23 Jahren gestorben ist , zu reisen , um dort Blumen niederzulegen . Ich schreibe dies nirgendwo ab . Meine Frau und ich waren selbst an diesem Grab gewesen und es gab tatsächlich ganz frische Blumen .


    Ich bin gesoannt . Dessay wird , selbst wenn die erste Aufführung nicht zu einem Triumph werden sollte , versuchen , in die Person der A. Plessis zu schlüpfen , um sie psyachologisch glaubhaft zu machen . Und so wird möglicherweise die ganze Inszeneirung sein : Eine realistische Rückblende auf Ereignisse .


    Man kann solch eine Traviata im "Palais Garnier" , für mich der Idelaort , geben wie auch in einer räumlich kleineren Umgebung ( dies habe ich in fast kammermusiklaischer Art allerdings noch nie erlebt ) .


    Dir einen schönen Sonntag . Lass uns einfach einmal ein wenig von Dessays Violetta träumen !


    Cordialemnet ,



    Frank


    PS. @ arimantas :


    ich nehme an , dass Du hier ( erhebliche ) Bedenken hast ? Oder könntest Du mir zustimmen ? :hello: Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Frank,


    so etwas Ähnliches wird seit einigen Jahren in Venedig gemacht, und zwar im Palazzo Barbarigo-Minotti. Leider habe ich 2006 zu spät davon erfahren. Ich wollte speziell Natalia Roman einmal hören, von der mir erzählt wurde. Kein Chor, nur die drei Hauptprotagonisten. Vier Musiker bilden das ganze Orchester (Klavier, Geige, Bratsche und Cello)


    Der erste Akt spielt im Portego (dem Hauptsaal). Der Zuschauer ist als Teil des Spiels Gast auf Violettas Fest. Zum zweiten Akt folgen die Gäste in den Sala Tiepolo, ein etwas intimerer sehr schöner Raum, der sich gut für die weitere Entwicklung eignet. Der Schluß spielt der Camera da letto, ein ziemlich großer, langer Raum, der als Boudoir, Ankleide- und privater Empfangsraum dient, in einem Alkoven auf einem Podest ein von einem Baldachin behütetes Bett. In der originalen Einrichtung soll Casanova genächtigt haben.


    Ein Bild von dem Raum kannst Du Dir hier machen.


    http://www.classictic.com/en/V…Palazzo-Barbarigo-Minotto


    Aber natürlich gehört das nicht in diesen Thread.


    arimantas
    :hello:

  • Eine Bekannte von mir war vorletztes Jahr dort und total begeistert von diesem Projekt in offenbar wunderbarem Ambiente.
    Sie sagte, man fühle sich in eine andere Welt versetzt und es läge ein sehr spezieller Zauber über dem Ganzen.
    Für meinen nächsten Venedig-Besuch ist der Palazzo Barbarigo in jedem Fall bereits vorgemerkt und ich hoffe, euch dann auch etwas zu den Sängern erzählen zu können.


    F.Q.

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  • Lieber arimantas :



    besten Dank für diesen sehr instruktiven Hinweis .


    ich denke , dass die Einbeziehung des publikums in eine Aufführung schon einen ganz besonderen Reiz hat .


    Und dann gibt es ja die lange Tradition seit der Traviata - Uraufühhrung in Venedig bis heute .



    Viele Grüsse ,


    Frank


    @ FAIRY QUEEN :


    Handelt sich nach Deinem Wissensstand immer um dieselben Musiker ?


    :hello:
    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Im Österreichischen Rundfunk (Ö1) ist soeben ein Gespräch mit Nathalie Dessay gesendet worden, in dem sie angekündigt hat, dass sie im Spätherbst 2010 als Schauspielerin in "Der Ignorant und der Wahnsinnige" von Thomas Bernhard auftreten wird. In Wien probt sie im Theater an der Wien zur zeit für ihr Debut als Melisande in "Pelleas et Melisande" (Premiere ist am 13. Jänner).


    liebe Grüße aus Wien
    Michael 2

  • Lieber Alexander :



    Nachdem Du dieses Gespräch gelesen hat ergibt sich die Frage amhand der Disskussionen hier im Forum : Wie schätzt Du selbst den Natalie Dessays Pläne ein ?


    Danke im voraus für Deine Antwort ,


    Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Habe den Artikel im Netz gefunden und dachte, er könnte für die Leser dieses Threads von Interesse sein. Bin selbst zu wenig Kenner der Materie und enthalte mich daher einer Meinung zu dem Thema, bitte um Verständnis. Nach dem was ich selbst von der Künstlerin bisher gehört habe, schließe ich mich abgesehen davon (ev. mit dem Zusatz: nicht nur was die "Traviata" betrifft) dieser Aussage an:


    Freundlicher Gruß
    Alexander

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  • Fairy hat diese Scheibe hier im Thread schon gelobt - damals wurde sie noch zum Hochpreis von über 22 Euro verkauft, jetzt gibt es sie u.a. bei jpc erheblich billiger (5,99 incl. DVD):



    Natalie Dessay - Italian Opera Arias


    Donizetti: Arien aus Lucia di Lammermoor & Maria Stuarda
    +Verdi: Arien aus La Traviata & Rigoletto
    +Bellini: Arien aus I Capuleti e I Montecchi & I Puritani


    +Bonus-DVD: Wahnsinnsszene aus Donizettis "Lucia di
    Lammermoor" (Aufführung in der Metropolitan Opera vom
    24.09.2007 / Laufzeit: 27 Min.)


    Künstler: Natalie Dessay, Roberto Alagna, Franck Ferrari, Matthew Rose, Europäischer Kammerchor, Concerto Köln, Evelino Pido
    Label: Virgin , DDD, 2007


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Lieber Harald ,




    Fairy Q. kann ich nur zustimmen .


    Diese CD plus Bonus DVD kann auch ich nur dringend empfehlen .


    Der Preis bei "jpc" ist geradezu sensationell günstig : daher zugreifen und Natalie Dessays Kunst geniessen .


    Beste Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Einen kleinen Vorgeschmack auf ihre Traviata gab Natalie Dessay erst vor wenigen Tagen bei der Gala der MET anläßlich des 125-jährigen Bestehens des berühmten Opernhauses. Sie trat ja nicht nur akustisch sondern auch szenisch im Finale des ersten Aktes auf. E strano und Sempre libera sang sie übrigens in einem roten Kleid, welches einem Kostüm nachempfunden ist, daß einst von Bidu Sayao getragen wurde, als diese die Traviata 1937 an der MET gesungen hat. Die Dessay sah sehr gut in diesem Kostüm auf der MET-Bühne aus und sie sang auch sehr gut.


    Im Netz habe ich mir ihren Auftritt angehört und ich hatte das Gefühl, daß sie gerade zu Beginn von E strano noch nicht ganz da war, was vielleicht auch auf Nervosität zurückzuführen war. Sie steigerte sich bei Sempre libera, beeindruckte mit einer gut geführten Stimme und schönen Koloraturen. Ihr Alfredo war übrigens Joseph Calleja.
    Vielleicht hat ja jemand den Mitschnitt aus der MET gehört.


    Es wird interessant sein, wie sie sich schlägt, wenn sie die gesamte Partie auf der Bühne singen wird. Die Traviata stellt ja unterschiedliche Ansprüche an die Sängerin. Im ersten Akt gibt es eine nicht einfache Koloraturarie, im zweiten Akt ist Dramatik gefragt, im dritten Akt wird es wieder sehr lyrisch.
    Ich habe keine Zweifel, daß sie im ersten Akt reüssieren wird, auch die lyrischen Momente im dritten Akt sollten ihr gut gelingen. Aber der zweite Akt könnte sie doch an ihre Grenzen bringen. Da ist Stimmdramatik gefragt und vielleicht wird da etwas von ihrer Stimme verlangt, da sie so gar nicht hat. Es wird wichtig sein, wer da im Orchestergraben den Taktstock schwingt.
    Sie soll diese Partie später auch zur Gänze an der MET singen.


    Gregor

  • Ich beneide Dich, das geseehn und gehört zu haben!!!!!! :yes:


    Ausser der Traviata singt sie dieses Jahr auch ihre erste Musetta- sie liebäugelt nun also erstmals mit Puccini. Da wird jede Mimi erzittern.....



    Die Gilda wollte sie nicht, weil sie die Figur zu langweilig findet- dabei wäre sie ihr vokal geradezu auf den Leib geschrieben.


    Wir haben m.E. von ihr noch sehr viel zu erwarten.
    Nach der Sonnambula sind meine Bedenken wegen ihrer Stimmbandprobleme wie weggeblasen- sie ist da angekommen, wo sie hingehört.


    Sie wird auch eine hervorragende Pamina sein, es sei denn, diese Rolle ist ihr auch zu brav...... :D


    FQ

  • Zitat

    Original von Fairy Queen
    Ich beneide Dich, das geseehn und gehört zu haben!!!!!! :yes:


    Ich habe es nur gehört, nicht gesehen. Bilder kann man sich im Internet ansehen.



    Also, die Musetta könnte eine gute Partie für sie sein. Für die Gilda wäre sie eine Idealbesetzung, aber wenn sie nicht will.....
    Daß sie die Pamina auch plant, wußte ich nicht. Es schien als hätte sie mit Mozart abgeschlossen.


    Gregor

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  • Liebe Fee ,


    lieber Gregor !



    Besten Dank für Eure Analysen und Hinweise .


    Wie ich an andere Stelle einmal geschrieben habe denke ich nach wie vor , dass Nathalie Dessay ihr ihr noch offen stehendes Repertoire
    es e h r sorgfältig imer geplant hat und nun auch vollständig abrunden möchte . Man kann nur hoffen , dass sie Mozart ebenso weider aufnimmt wie sich auch Puccini verm,ehrt zuwendet .


    Ihre Gilda hielte ich für eine ganz grosse Herausforderung ! Man sollte sich ganz allgemein einmal von den direkten Dauervergleichen mit Maria Callas lösen ! Bei aller Liebe zu und Bewunderung für Maria Callas sollte doch das enorme Potential der Dessay im mittelpunkt stehen .


    Und wie "Fee" an anderer Stelle dieser Tage einmal geschrieben hat : Es ist eben ein Unterschied , ob man einen Künstler in der Oper erleben kann oder als Aufzeichnung auf tonträger .


    Übrigens : Wer sollte den n e b e n Nathalies Musetta denn die Mimi singen ( wollen ) ?




    Beste Grüsse ,



    Frank
    Bekennder Natalie - Dessay - Verehrer .

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Lieber Gregor, lieber Frank


    die Pamina hat sie nicht angekündigt, da habe ich den Konjunktiv vergessen... ist wohl mein eigener Wunsch im Wege gewesen....
    Auch als Ilia wäre sie wunderbar!
    Wenn all diesen herrlichen lyrischen Mozartrollen ihr Timbre geliehen würde, wâre damit ein neuer Massstab gesetzt..... traumhaft!
    Und warum sie keine Despina und Zerlina macht, weiss ich auch nciht- bei dem Schaupieltalent ideal! ?(


    Was Puccini angeht, kann sie da (gottseidank) nciht allzuviel singen, im Zweifelsfalle noch die Liù. Wobei eine solches Frauenbild eigentlich noch mehr als die Gilda ihre toleranzgrenzen spregen müsste.
    Und was die Mimi angeht, die neben ihrer Musetta singen muss: ich fände um ganz ehrlich zu sein, Dessay als Mimi mindestens genausogut wie als Musetta besetzt. warum also keine Personalunion mit Double in den Ensemblestellen? :D
    Das macht auch allen Konkurrenzkampgfen um die Publikumsgunst den Garaus.


    Mit der Callas, lieber Frank, habe ich sie niemals verglcihen, das sind zwei verschiedene Paar Schuhe.
    Aber auf ihre Weise setzt Dessay neue Massstäbe in der Opernwelt und wir sind, wie gesagt, noch lange nciht am ende der Fahnenstange angekommen.
    Sie selbstgibt sich noch 10 Jahre- da kann man allerhand singen!!!!!



    F.Q.

  • Lieber F. Q. ,




    mein Hinweis bezüglich der fortwährenden Vergleich ging doch nicht an Dich , sondern weist auf eine eindeutige Tendenz hin , dass dies unsinnigerweise fortwährend auch unterschweliig getan wird .


    ZIch stimme Dir gerne zu , dass man zumindest in einer Studioaufnahme die Dessay sowohl die Mimi als auch die Musetta singen lassen könnte . Persönlich könnte sie hier einen Grossteil ihrer dasrtellerischen grossartigen Fähigkeiten alleine durch ihre Gesangeskunst auch tatsächlich dem Hörer vermitteln .


    Die Gilda würde mich ganz besonders reizen !


    Ich stimme Dir zu , dass Nathalie Dessay noch viel Potential hat ; und ich denke ( und hoffe ) , dass sie uns auch noch mit einigen Rollen überraschen wird .


    Grüsse ,



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Liebe Taminos,
    habe eben ein wenig in Tamino geblättert, mehr kann ich mir z.Z. nicht erlauben, obwohl ich Etliches gerne machen würde. Etwas traurig habe ich dabei festgestellt, daß Fairy Queen nicht mehr dabei ist. Kann irgend jemand etwas Näheres dazu berichten? Ist sie krank?


    Ich vermisse sie, denn ihre Beiträge waren so erfrischend, engagiert und kenntnisreich. Ich schreibe diese Zeilen in diesem Forum, da ich weiß, wie sehr sie Natalie Dessay schätzte.


    arimantas


    :hello:

  • Auf Youtube habe ich ihre sensationelle "Martern"-Arie gehört und gesehen (Genf 2000?). Leider kann ich weder eine offizielle Audio-, noch eine Video-Aufnahme dieser Produktion der Entführung finden.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

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