Operninszenierungen - modern vs. "altmodisch"


  • Lieber Alfred,
    meine Fragestellung war natürlich etwas provokant ;), weil ich das ständig wiedergekäute Argument von den "armen Steuerzahlern, die diesen Mist (= Regietheater) finanzieren müssen", einmal andersrum in die Diskussion einbringen wollte. In Wahrheit sehe ich das nämlich viel gelassener, weil ich im Unterschied zu dir einen Inszenierungspluralismus bevorzuge, nach dem Motto "Jedem das Seine!"
    Der "Kulturkampf" wird leider immer wieder von dir geschürt, und ich verstehe immer noch nicht, warum. Ich befinde mich an keiner "Front", ich bekämpfe niemanden, nur weil er andere ästhetische Vorstellungen hat als ich, und alles, was ich mir wünsche, ist die gleiche Toleranz von den anderen. (Ich weiß, das ist alles "Heuchelei" der Regietheatermafia usw. usw. Das wird leider nicht richtiger, auch wenn du es in schöner Regelmäßigkeit in die Runde wirfst.) Ich kann außerdem deine Beobachtung nicht nachvollziehen, dass die Threads zu gewissen Inszenierungen nur deshalb angeklickt werden, weil sich die stillen Mitleser an irgendwelchen Grabenkämpfen ergötzen wollen. Mit Ausnahme des "Freischütz"-Threads, den LT mit ziemlich unbrauchbaren Mitteln zu untergraben versucht hat, geht es in den "Gestern in der Oper"-Beiträgen in letzter Zeit erfreulich konstruktiv zu.
    Ich weiß, ich weiß: Weil sich alle "normalen Leute" resignierend zurückgezogen haben ;) Ist dir eigentlich wirklich noch nicht aufgefallen, wie viele Befürworter zeitgemäßer Inszenierungen sich inzwischen "resignierend zurückgezogen haben" bzw. kaum noch posten?? Und zwar alle die, die an ehrlichen Diskussionen interessiert sind, wo mit Argumenten und nicht mit Vorurteilen und böswilligen Unterstellungen gearbeitet wird, jene, die sich nicht als Mitglieder einer Mafia denunzieren lassen wollen, nur weil sie die Kühnheit besitzen, Zeffirelli und Schenk nicht für das Maß aller Dinge der Opernwelt zu halten.
    Du wirst es nicht fassen, lieber Alfred, aber auch ich kann an Inszenierungen dieser beiden Gefallen finden, allerdings nur in homöopathischen Dosen ;). Manchmal ist mir tatsächlich nach der Zeffirelli-Traviata, aber auf die berühmte Insel würde ich trotzdem die Decker- oder Guthinszenierung mitnehmen.
    Noch kurz zum Punkt Subventionierung-Sponsoring: Wahrscheinlich ignorierst du diesen Einwand ebenso wie die wiederholten Hinweise, dass moderne Inszenierungen, so sie gut gemacht sind, eben nicht vor halb leeren Häusern spielen (So gern du das auch hättest ;) :D ), aber wenn Sponsoren wirklich nur an konventionellen Inszenierungen Gefallen fänden, hätte die Oper Zürich schon längst zusperren müssen. Die finanziert sich nämlich zu einem Großteil aus Sponsoring - die Stadt schießt, verglichen mit z.B. Wien, relativ wenig zu - und trotzdem bietet sie erstens ein interessanteres Programm mit echten Raritäten (Ausnahme ist die laufende Saison, die finde ich ziemlich enttäuschend diesbezüglich) und vor allem, wieder verglichen mit Wien, wesentlich zeitgemäßere Inszenierungen. Martin Kusej, Claus Guth, Robert Carsen etc. sind quasi Hausregisseure, dort inszenieren fast alle Regiezampanos, die ich ansonsten nur aus deutschen Landen kenne und die ich mir hin und wieder auch in Wien wünschte. (Beachte bitte: Hin und wieder! ;) ) Nach deiner Theorie müsste man in Zürich also unter massivem Besucherschwund leiden, Tatsache aber ist, dass die Bude ähnlich voll ist wie Wien, und das bei einem minimalen Anteil von Operntouristen. Insofern ist für mich Zürich ein viel aussagekräftigeres Beispiel für das, was die "Masse" (Ich hoffe, alle sehen die Gänsefüßchen ;) ) will, als Wien, wo ja ganze Buslasungen voll mehr oder minder interessierter Touristen für eine nahezu 100%ige Auslastung sorgen.
    lg Severina :hello:

  • Zitat

    Original von Theophilus
    Und er wollte es genau so, wie in seinen Libretti beschrieben!


    Was Du alles weisst...


    T.: Du, Richard, in Graz machen sie Deinen "Holländer".
    R.: Weiss schon, Theo...
    T.: Ein Verbrechen, sag ich Dir, Frühsport in der Spinnstube, die fahren Fahrrad, Richard, Fahrrad!
    R.: Hmm, sind sie nett, die Frauen, ich meine, Du, weisst schon, Theo...
    T.: (empört) Richard!
    R.: Naja, weisst Du, bei den Blumenmädchen, das hätte ich auch schon gerne "deutlicher" gehabt...
    T.: Das steht so aber nicht im Libretto - und da warst du doch immer so genau.
    R.: Hör doch auf, Theo, wenn ich gekonnt hätte, wie ich nicht gedurft hab, Du weisst doch, die Cosima, naja, war nicht immer leicht, ist doch toll, wenn da mal mein "Holländer" so frisch und entstaubt rüber kommt, ihr lebt doch nicht mehr 1843... "Kinder", hab ich schon früher immer gesagt, "Kinder, schafft Neues"´, schön, wenn das beherzigt wird.
    T.: Naja, weisst Du, Richard, mir hats da in Graz im "Holländer" schon auch gefallen, so rigendwie, aber ich hab halt gedacht, wegen dem Libretto und so...
    R.: Macht ja nix...Machs gut, Theo.
    T.: Du auch, Richard...

  • Auch für mich stellen Zeffirelli-Inszenierungen das non plus ultra an Regiekunst dar, und meiner Meinung nach gehören diese weltweit unter eine Art Denkmalschutz gestellt.
    Es gab an unserer Oper in letzter Zeit nur zwei neue Inszenierungen die meine Begeisterung gefunden haben – „La Fille du regiment“ und „Capriccio“, da haben heutige Regisseure bewiesen dass es auch ohne Provokation geht.



  • :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Sorry, kann gerne wieder gelöscht werden, aber mir war danach!!!!!


    LG
    Rosenkavalier

  • Zitat

    Original von fortunata
    Auch für mich stellen Zeffirelli-Inszenierungen das non plus ultra an Regiekunst dar, und meiner Meinung nach gehören diese weltweit unter eine Art Denkmalschutz gestellt.
    Es gab an unserer Oper in letzter Zeit nur zwei neue Inszenierungen die meine Begeisterung gefunden haben – „La Fille du regiment“ und „Capriccio“, da haben heutige Regisseure bewiesen dass es auch ohne Provokation geht.


    Nur dass die szenischen Arrangements die nur behaupten, eine Inszenierung zu sein, kaum mehr Aufschluss über die ursprüngliche Arbeit von Zefirelli zulassen - dessen Inszenierungen gibt es faktisch nicht mehr, so ehrlich sollte man schon sein.


    Der Begriff der Provokation ist irreführend - wer sich von was provozieren lässt, ist individuell sehr unterschiedlich und weil man etwas als Provokation empfindet, muss das vom Regisseur so nicht intendiert worden sein.

  • Zitat

    Zitat Fortunata
    und meiner Meinung nach gehören diese weltweit unter eine Art Denkmalschutz gestellt.


    Meine Rede! Unter Denkmalschutz - und ab ins Museum damit. Denn mit lebendigem Theater hat dieser Ausstattungspomp nichts zu tun!
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner


    Meine Rede! Unter Denkmalschutz - und ab ins Museum damit. Denn mit lebendigem Theater hat dieser Ausstattungspomp nichts zu tun!
    :hello:


    Was heißt hier "lebendiges Theater"?


    Ist es denn werksgetreu, wenn eine Daphne zur jonischen Säule wird,wenn sich eine Senta ihren für ihren Holländer zur indischen Witwe macht?


    Wenn die meisten Opern in modernen Anzügen bei den Herren gespielt werden, wenn im "Nabucco" alles zum Holocaust umfunktioniert wird -so ander WSO,


    wenn an der Volksoper die "Nachtin Venedig" in einem Bordell spielt, nur weil am Gürtel das Rotlichtmillieu ist?


    Die "Turandot" an der Volksoper imKäferreich spielt, ist weder originell, noch passend.


    Zefirelli gehört unter Denkmalschutz, nicht weil er verstaubt ist, sondern weil er die Opern, dem Komponisten getreu spielen lässt.


    Wenn modernen Inszenierungen, dann bei modernen Stücken, da gibt es genug, speziell in der Literatur.


    Bei den Anzügen von Armani - ja warum dann nicht alles konzertant, würde viel Geld ersparen!


    Mir gefällt der "Rennert - Barbier", weil es dort stilgerecht umgeht, muss alles was provokant ist deshalb etwas unerhört Neues sein, und ist deshalb modern.


    Die "Macht" in der WSO ist ein Schrecken, wie schön war doch die vorletzte Inszenierung, bei der "Margarethe -Faust" ist es ja ähnlich, auch hier war die vorletzte Inszenierung gut, und die letzte, nicht die jetzige, konnte nicht einmal Ruggero Raimondi als Mephisto retten.


    Ein Staubi, aber das vom Herzen, Euer Peter aus Wien. :hello: :hello:

  • Zitat

    Original von oper337
    Zefirelli gehört unter Denkmalschutz, nicht weil er verstaubt ist, sondern weil er die Opern, dem Komponisten getreu spielen lässt.


    Lieber Peter,


    mit einer kleinen Bemerkung verabschiede ich mich wieder aus der Diskussion. Wenn wir meinen, dass jemand die Oper(n) dem Komponisten getreu spielen lässt, so meinen wir das aus unserer Perspektive. Andere Zeiten haben eben das gleiche gesagt und haben die Aufführungen anders verwirklicht.


    Einen Blick über den Tellerrand wünscht uns allen


    Peter

  • Zitat

    Original von severina
    Ich kann außerdem deine Beobachtung nicht nachvollziehen, dass die Threads zu gewissen Inszenierungen nur deshalb angeklickt werden, weil sich die stillen Mitleser an irgendwelchen Grabenkämpfen ergötzen wollen. Mit Ausnahme des "Freischütz"-Threads, den LT mit ziemlich unbrauchbaren Mitteln zu untergraben versucht hat, geht es in den "Gestern in der Oper"-Beiträgen in letzter Zeit erfreulich konstruktiv zu.


    Das entspricht genau meiner Beobachtung (ich lese im Unterforum Gestern in der Oper fast alles und schreibe dort auch regelmäßig). Den relativ zahlreichen Leser der dortigen Threads dürfte es vor allem darum gehen, Informationen über Aufführungen zu erhalten, ihre eigenen Eindrücke mit den unsrigen zu vergleichen, zu gucken, was so los ist auf anderen Bühnen oder im "eigenen" Opernhaus, sachliche Diskussionen über bestimmte Sänger, Dirigenten, Regisseure zu verfolgen usw. Mit einem Wort: sie sind an konkreten Opernaufführungen interessiert und nicht an den zum xten-mal wiedergekäuten Grundsatz-"diskussionen", die in Gestern in der Oper- wie Severina richtig bemerkt - kaum vorkommen.



    Viele Grüße


    Bernd


  • Jüngst habe auch ich gechannelt...


    T.: Ja, grüß Dich, Giuseppe, come va?
    GV.: Bene, grazie.
    T.: Das glaub' ich Dir. Du hast sicher gesehen, was Zeffirelli mit Deiner "Aida" gemacht hat.
    GV.: Du verdirbst mir den Tag...
    T.: Aber, Giuseppe, Ägypten, wie es leibte und lebte, diese Pracht, diese Opulenz, ein Wunder....
    GV.: Aber das Drama findet nicht statt. Schau, ganz unter uns: Ich mag keine Großen Opern. Das soll der Giacomo komponieren, der hat Freude an all diesem Pomp, aber mich interessiert das nicht.
    T.: Ma, Giuseppe, la marcia...
    GV.: Quatsch. Eine Fingerübung. Mich interessieren die Verhältnisse zwischen Radames, Aida und Amneris und dieser Vater-Tochter-Konflikt. Das ist das Drama.
    T.: Aber Zeffirelli...
    GV.: Ja, eben, das ist das Problem. Franco inszeniert immer nur an der Oberfläche. Und falsch noch dazu. Ein Ägyptologe, mit dem ich in der Aufführung war, wäre beinahe erstickt vor Lachen. Dieser John Dew in Hamburg, der hat das Stück genau erfaßt.
    T.: Giuseppe, das war grauenhaft. Der Marsch von der Schallplatte, dazu die Kriegsversehrten, das ist doch nicht "Aida"...
    GV.: Doch, genau das ist "Aida", zumindest dieser Triumphmarsch. So mag ich das. Hier geht es um Wirkung, und wer den Dew gesehen hat, vergißt das nicht mehr. Zum ersten Mal fand ich diese Stelle auch von mir gar nicht so schrecklich anbiedernd. Hat eine fabelhafte Theaterpranke, dieser Dew. Paßt zu mir!
    T.: Aber Zeffirelli...
    GV.: ...hat von mir ein Empfehlungsschreiben für Positano bekommen. Die dortige Laienopernbühne will als Sommervergnügen "La Traviata" machen. Ich glaube, das wird toll werden mit Francos Inszenierung.
    :hello:

    ...

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  • Ich bin sonst nicht so...
    Aber das Wort "Holocaust" sollte man schon korrekt schreiben können. Auch dann, wenn man eigentlich "Shoah" meint.


    Abgesehen davon - ich bitte oper337 um eine konkrete Antwort: Warum soll in "Nabucco" nicht die NS-Zeit thematisiert werden?
    :hello:

    ...


  • Wer hat hier behauptet, dass lebendiges Theater etwas mit Werktreue zu tun hat?? ?( Und wenn du das offensichtlich gleich setzt: Du willst doch nicht im Ernst behaupten, dass unsere "Traviata" oder "Tosca" lebendiges Theater ist!! Für mich sind das konzertante Aufführungen, überflüssigerweise in Kostümen und mit Bühnenbild.
    lg Severina :hello:

  • Lieber Edwin!


    Natürlich habe ich Shoah gemeint, da aber das Wort Holocaust für die Vernichtung der 6 Millionen Juden und anderen Menschen geläufiger ist,


    habe ich dieses Wort genommen.


    Das Exil in Babylon hatte mit der Shoah aber schon gar nichts zu tun, auch bei Ezechiel werden beide Worte nicht genannt.


    (Nach der Biblia Hebraica Stuttgartgensia)


    Selbst in der Jüd. Kultusgemeinde wird eher das Wort Holocaust genannt,als Shoah.


    Und um auf die Oper "Nabucco" zu kommen, die spielte im Babyl. Esxil und nicht in Auschwitz,oder in Orten, wo es KZs gab.


    Danke für die ach so "freundlichen" Zeilen, nur weil ich nicht Eurer Meinung bin!!!


    Aber doch, liebe Grüße sendet Dir Peter. :hello:

  • Zitat

    Original von severina
    Alviano, Edwin - ihr habt meinen Tag gerettet - köstlich! :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:
    Bitte mehr davon! :jubel: :jubel: :jubel:
    lg Severina :hello:


    "Besonders" geschätzte Severina!


    Da bin ich ja froh, dass der Tag gerettet ist! Mit Gruß Peter.

  • Zitat

    Original von severina
    Ich kann außerdem deine Beobachtung nicht nachvollziehen, dass die Threads zu gewissen Inszenierungen nur deshalb angeklickt werden, weil sich die stillen Mitleser an irgendwelchen Grabenkämpfen ergötzen wollen.


    Also, ich ergötze mich schon ziemlich :stumm: :angel:


    Ich wäre aber für folgenden Threaduntertitel


    Eine Verteidigung der Oper gegen ihre Liebhaber

  • Hallo Oper337,

    Zitat

    Selbst in der Jüd. Kultusgemeinde wird eher das Wort Holocausth genannt,als Shoah.


    kannst Du Dich überwinden, das Wort "Holocaust" korrekt zu schreiben, nämlich ohne "h" am Schluß? Man macht sich ja als Forum lächerlich, wenn dieses Wort permanent verschrieben wird!


    Abgesehen davon: Für mich zählt weniger, wer was wie sagt, als worum es geht. Holocaust ist für die Verbrechen der Nationalsozialisten das falsche Wort, da es sich von "Brandopfer" herleitet. Nichts desto weniger wird es verwendet und verstanden. Und leider auch falsch geschrieben.


    ***


    Nun zum Inhaltlichen.
    Ich hoffte auf eine Antwort, die ungefähr in diese Richtung geht: Man soll "Nabucco" nicht mit der Shoah in Verbindung bringen, weil ein derartiges Verbrechen mit dieser Hm-ta-ta-ta-plus-tra-la-la-Musik zusammengehen sollte.Außerdem - hoffte ich in Deiner Antwort lesen zu können - ist es problematisch, das für die Juden glückliche Ende des "Nabucco" mit der Ermordung von Millionen und aber Millionen Juden in Übereinstimmung zu bringen.
    Das hoffte ich zu lesen.
    Leider Fehlanzeige.
    Wenn man konkrete Regietheater-Inszenierungen schon ablehnt, sollte man es wenigstens aus den richtigen Gründen tun und nicht, weil Hesekiel das Regietheater nicht erwähnt.
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von Edwin Baumgartner
    Wenn man konkrete Regietheater-Inszenierungen schon ablehnt, sollte man es wenigstens aus den richtigen Gründen tun und nicht, weil Hesekiel das Regietheater nicht erwähnt.
    :hello:


    Na, das würde ich jetzt nicht so unterschreiben


    "Und er sprach zu mir: du Menschenkind, hebe deine Augen auf gegen Mitternacht, siehe, da stand gegen Mitternacht das verdrießliche Bild am Tor des Altars, eben da man hineingeht. Und er sprach zu mir: Du Menschenkind, siehst du auch, was diese tun? Große Greuel, die das Haus Israel hier tut, daß sie mich ja fern von meinem Heiligtum treiben. Aber du wirst noch mehr große Greuel sehen..."


    Wenn das mal nicht gegen das Regietheater gemünzt ist, dann weiß ich aber auch nicht...

  • Da ich das Wort schon ausgebessert habe, jedoch es werden zwar beide Formen erlaubt,


    denke ich, dass Hesekil kaum das Wort im Munde hatte, Shoah übrigens auch nicht,


    denke ich, dass die Verbrechen der NSDAP kaum für eine Oper, wie "Nabucco" zur Verwendung kommen sollten.


    Aber, da werde ich wieder falsch verstanden, und so verabschiede mich, aus diesem Thread,


    Staubi bleibender Peter aus Wien.


  • Letzte Meinung zu diesem unerschöpflichen Thema!


    Ich finde es geschmacklos, Verdis Oper, zu diesem Zweck zu missbrauchen,


    auch wenn zwischen der Shoah und dem Exil in Babylon ein himmelhoher Unterschied ist.


    Verdi nahm mit seinem Textdichter Solera die Bibel zum Vorbild, den "Völkischen Beobachter" hatte er ja, zum Glück, nicht.


    Und die Verbrechen dieser Partei gaben ja auch nicht den Hintergrund zu dieser Oper.

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  • Zitat

    Original von oper337
    Zefirelli gehört unter Denkmalschutz, nicht weil er verstaubt ist, sondern weil er die Opern, dem Komponisten getreu spielen lässt.


    Das ist ein ganz wesentlicher Irrtum. Zefirelli hat nichts anderes gemacht, als das, was z. B. auch Konwitschny tut - er hat die Stücke so inszeniert, wie er sie verstanden hat. Jetzt gefallen manchen Leuten die Zefirelli-Inszenierungen besser, als jene von Konwitschny - das ist, so, wie das hier diskutiert wird, eine reine Geschmacksfrage. Würde man andere Parameter, als den persönlichen Geschmack heranziehen, könnte sich herausstellen, dass Konwitschny näher am Stück dran ist, als das ein Zefirelli jemals sein konnte. Sich auf den Komponisten zu berufen, aber da will ich jetzt nicht breiter werden, ist aus mehreren Gründen völlig untauglich.

  • Lieber Alviano,

    Zitat

    Zefirelli hat nichts anderes gemacht, als das, was z. B. auch Konwitschny tut - er hat die Stücke so inszeniert, wie er sie verstanden hat.


    Ich fürchte, mit dem "Verstehen" greifst Du für Zeffirelli zu hoch - und das meine ich ohne jede Polemik.
    "Verständnis" bedeutet für mich, daß die Basis eine intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Gehalt des Werks ist. Wobei sich dieser Gehalt aus dem Notentext und dem Text selbst ableitet, nicht aber aus den Regieanweisungen, die meiner Meinung nach lediglich eine Krücke für die Phantasie sind.
    Shakespeare ist bekanntlich ein Meister der gesprochenen Kulisse (das bedeutet, daß der gesprochene Text alle szenischen Informationen enthält). Opern haben (sollten haben...) eine klingende Kulisse: Die Informationen enthält die Musik, eventuell auch der gesungene Text. Ein Regisseur, der sich darauf beschränkt, die Regieanweisungen zu inszenieren (und sei es auch noch so farbenfroh), arbeitet meiner Meinung nach gegen das Werk, weil er lediglich eine ohnedies vorhandene Komponente dupliziert. Dann kann man gleich konzertant spielen.


    Zeffirelli ist für mich einer dieser Duplizierer. Was er auf die Bühne stellt, mag in den Augen einiger (vieler...) schön sein (ich finde, es ist grauenhaftester Kitsch), aber er sagt damit nichts über die Personen und ihre Beziehungen aus.
    Ich bleibe bei der "Boheme" in Wien: Bei Zeffirelli ist alles brav nach dem Libretto inszeniert, Ausstattung opulent, das große Menscheln ist angesagt. Ganz nett, aber bedeutungslos.
    Kupfer hingegen hatte eine fabelhafte Idee: Von Anfang an versucht Mimi, an die Bohemiens heranzukommen. Mit einem Mal erfahre ich: Mimi ist einsam (sonst würde sie das nicht machen), Mimi ist schüchtern (sonst würde sie den ersten Schritt wagen). Damit bekomme ich Informationen über Mimi, aus denen Kupfer dann eine Geschichte entwickelt, die sich vielleicht nicht einmal um echte Liebe dreht, sondern um Menschen, die einander brauchen, um aus ihrer Vereinsamung auszubrechen.
    Ohne dem Werk Gewalt angetan zu haben, ist das Menscheln vorbei und macht echter Menschlichkeit Platz.
    Wobei: Für mich ist die Kupfer-"Boheme" konservatives Theater - aber in diesem Fall auf allerhöchstem Niveau.


    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von fortunata
    Ist Konwitschny nahe an Verdis "Don Carlo" wenn er Posa eine Pizza bringen lässt weil Eboli den Braten im Rohr vergessen hat?


    Andere Frage: Ist er deshalb ein Verräter am Gehalt des "Don Carlos"?
    (Anm.: das Carlos-"s" ist wichtig, denn es handelt sich bei dieser Inszenierung um die französische Fassung, nicht um die italienische, die ebenfalls an der Staatsoper gespielt wird.)
    :hello:

    ...

  • Zitat

    Original von fortunata
    Ist Konwitschny nahe an Verdis "Don Carlo" wenn er Posa eine Pizza bringen lässt weil Eboli den Braten im Rohr vergessen hat?


    Und wie! Ein geradezu köstlicher Einfall um die Ballettmusik unterzubringen.


    LG calaf

    Without deviation from the norm, progress is not possible.
    (Frank Zappa)

  • Zitat

    Original von fortunata
    Ist Konwitschny nahe an Verdis "Don Carlo" wenn er Posa eine Pizza bringen lässt weil Eboli den Braten im Rohr vergessen hat?


    Aber ja, vor allem ist Konwitschny perfekt an der Musik Verdis dran, auch das hat mit der Frage, ob diese Szene gefällt, nichts zu tun, ich finde sie ob ihrer Synchronität mit der Musik sehr gelungen. Solche Fragen, wie sie hier von fortunata gestellt werden, implizieren bereits die negative Antwort, das sagt wieder nur etwas über den Geschmack der Fragestellerin, aber nichts über den Gehalt der angesprochenen Inszenierung aus.


    Lieber Edwin,


    wir sind uns bei Zefirelli völlig einig, aber das ist schon "Oper 2.0", was Du da einbringst, soweit sind wir hier noch nicht.


    :hello:

  • "Ebolis Traum" hat in Konwitschnys Regie dieselbe Funktion wie die ursprüngliche Balletteinlage, die Verdi zähneknirschend für die Pariser Oper schreiben musste (Jockey Club!): Ein Divertissement, eine Sistierung der eigentlichen Handlung zwecks Unterhaltung und Zerstreuung. Konwitschny wollte wenigstens einen heiteren Moment innerhalb dieser doch sehr düsteren Oper. Und das ist ihm, wie ich finde, hervorragend gelungen. Wobei ich, selbst wenn man diesem imaginierten Lebensentwurf den Kitschcharakter nicht absprechen kann, doch keine Denunziation der Figuren darin erkennen kann. Der etwas verklemmt beginnende Abend mit dem Chefehepaar lockert sich mit zunehmendem Alkoholpegel und nach einer kleinen Slapstickeinlage lachen alle miteinander. Verglichen mit der "Rahmenhandlung" des "Don Carlos", wo ein jeder des anderen Unglück gewollt oder ungewollt vermehrt, ist dies ein sehr humaner Moment. Und Konwitschny hat ihn durchaus kongenial mit der Musik inzeniert. Ich denke da nur z.B. an das kurze "Flötensignal", das sich wirklich haargenau so anhört wie der Signalton eines modernen Backofens.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Zitat

    Original von GiselherHH
    "Ebolis Traum" hat in Konwitschnys Regie dieselbe Funktion wie die ursprüngliche Balletteinlage, die Verdi zähneknirschend für die Pariser Oper schreiben musste (Jockey Club!): Ein Divertissement, eine Sistierung der eigentlichen Handlung zwecks Unterhaltung und Zerstreuung. Konwitschny wollte wenigstens einen heiteren Moment innerhalb dieser doch sehr düsteren Oper. Und das ist ihm, wie ich finde, hervorragend gelungen. Wobei ich, selbst wenn man diesem imaginierten Lebensentwurf den Kitschcharakter nicht absprechen kann, doch keine Denunziation der Figuren darin erkennen kann. Der etwas verklemmt beginnende Abend mit dem Chefehepaar lockert sich mit zunehmendem Alkoholpegel und nach einer kleinen Slapstickeinlage lachen alle miteinander. Verglichen mit der "Rahmenhandlung" des "Don Carlos", wo ein jeder des anderen Unglück gewollt oder ungewollt vermehrt, ist dies ein sehr humaner Moment. Und Konwitschny hat ihn durchaus kongenial mit der Musik inzeniert. Ich denke da nur z.B. an das kurze "Flötensignal", das sich wirklich haargenau so anhört wie der Signalton eines modernen Backofens.


    :hello:


    GiselherHH


    ...und die Beteiligten Sängerinnen und Sänger hatten sichtlich Spaß bei der "Einlage".
    Bei aller Heiterkeit der Szene - sie zeigt doch das Seelenleben und die geheimen Wünsche der Eboli und erklärt damit im Grunde genommen auch, warum sie aus Eifersucht oder Enttäuschung (oder beidem) Elisabeth verrät.


    LG
    Rosenkavalier

  • Hallo,


    Einige persönliche Anmerkungen:


    Ich glaube nicht (mehr) an einen Konsensansatz.


    Hier wird die Diskussion geführt gemäß des Schemas:
    Regie = Modern = gut (oder schlecht) und Traditionelle Inszenierung = Altmodisch = (gut oder) schlecht; im gegenseitigem Ausschlussverfahren der Interpretationsansätze. Aber: Modernität ist nicht a priori 'gut' und Konservatismus ist nicht a priori 'gut'.


    M. E. ist die Diskussion lediglich vorgeschoben, da man in Wahrheit eine ganz andere Debatte führt, hier also lediglich eine „Stellvertreter-Diskussion“ vornimmt? Die zeitweise extrem leidenschaftliche geführte Debatte und Bedingungslosigkeit der Argumente bezeugt mir dieses.


    Die jeweiligen Definitionen sind gar nicht eindeutig, auch nicht vollständig kongruent innerhalb eines „Lagers“. Ebenso ist die Grenzziehung zwischen den Lagern nicht unproblematisch.


    Jede Inszenierung ist für sich zu betrachten und zu bewerten, eine Verallgemeinerung führt nur zur gewollten und ungewollten polemischen Konfrontation.


    Meiner Meinung nach haben beide Ansätze ihre Berechtigung und finden bei der Vielzahl der Opernhäuser und Aufführungen auch ihren Platz.


    Totale traditionelle Inszenierung - HIP (?) auf der Opernbühne bedeutet beim Belcanto die Rückkehr zum Kastratengesang! Darüber hinaus müssten viele Operninszenierungen ohne elektrisches Licht auskommen etc.


    D. h. welcher Traditionsansatz ist denn eigentlich gemeint, nachempfunden den 20er, 40er oder 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, oder ist die Entstehungszeit der Oper gemeint?


    Es wurde gesagt, die Anhänger des modernen Regiemusiktheaters kennen die Werke bereits umfassend in „ursprünglicher Form“ und wollen „Neues“. M. E. müssen die sogenannten Traditionalisten die Werke unter Berücksichtigung der Sprachentwicklung, der historischen Zusammenhänge etc. mindestens genauso gut kennen, denn ihnen nimmt der „aufzeigende Stil“ des Regiemusiktheaters diese (Erkenntnis-)Arbeit nicht ab.


    Mir persönlich ist eine Interpretation im „aufzeigenden Stil“ lieber, wenn nicht eine überbordende „Neusymbolik“ um sich greift, welche wiederum einen vollkommen neuen Interpretationsansatz nach sich zieht. Aber auch dieses toleriere ich, wie im Grenzfall auch eine komplette Neuinterpretation.


    Geht es mir in erster Linie um die Orchester- und die Gesangsleistung sehe ich lieber eine Inszenierung im traditionellen Stil. Die Ablenkungen durch Regieeinfälle sind dort geringer! Aber ich möchte auch Vielfalt und Weiterentwicklung, und wenn zeitgenössische Komponisten meinen Geschmack nicht unbedingt treffen, erwarte ich diese Veränderung bzw. eine andere Interpretation durch Regie, Bühnenbild und Licht beim sogenannten Repertoire.


    Der Feind der Oper ist der Stillstand! Die Offenheit der Interpretation muss gegeben sein!


    Da (fast) alle, welche „zwischen den Stühlen sitzen“ oder neutraler formuliert, einen Weg des „sowohl als auch“ beschreiten, entweder irgendwann doch ein (Extrem-)Lager beziehen oder von beiden Lagern „beschossen“ werden, nehme ich für mich letzteres in Kauf.


    Bis dann.

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