ZitatAlles anzeigenOriginal von Alfred_Schmidt
Eine gute Frage, die sich so leicht nicht beantwortrn lässt - Als radikaler Vertreter der These "lasst bitte Stücke wie sie sind" und als Gegener irgenwelcher Dilettanten, welche an klassischen werken herumdoktern, möchte ich den Versuch einer Antwort wagen (wenngleich hier die Fronten so festgefahren sind, daß es sowieso vergebne Liebesmüh ist.
Es entspricht einer alten Tradition solche Werte durch staatliche Subventionen zu erhalten. Und das ist bis dato auch nie in Frage gestellt worden.
Wenn man es in Frage stellt, dann müsste man die Oper privatisieren.
Dagegen hätte ich herzlich wenig, denn dann würden Sponsoren das tun, was einst Mäzene machten, nämlich aus privaten Quellen Gelder zuschiessen. Das hätte dann aber auch den angenehmen Nebeneffelt, daß die Kernfrage dieses Threads gar keine mehr wäre, denn die meisten Sponsoren würden keine Inszenierungen duilden, die bei einem bemerkenswerten Prozentsatz des Publikums nicht nur auf Ablehnung stossen, sondern regelrechte Haßgefühle verursachen.
Wie Du siehst, liebe Severina, bin auch ich gegen eine Subventionierung von Opernhäusern, vor allem, solange diese selbst das angestammte Publikum (Opernabbonements werden in der Wiener Oberschicht VERERBT) durch unerwünschtes Repertoire und unerwünschte Inszenierungen vergraulen.
Es ist leider schon Sitte, daß die Verteidiger der "reinen Lehre" in den Medien als senile Trottel dargestellt werden, die eigentlich schon obsolet sind, und die modernen Inszenierungen nicht verstehen.
Daher getrauen sich etliche Gegner nicht ihren Abscheu zu artikulieren - und das ist durchaus erwünscht.
Hier bei Tamino haben sich etliche konservative Kräfte darüber beschwert, daß ich Berichte über moderne Inszenierungen überhaupt zulasse und mich gefragt, auf welcher Seite ich eigentlich stehe.
Ich antworte in solchen Fällen, daß Tamino das einzige mir bekannte Medium ist, wo man unzensiert seine Ablehnung gegenüber "modifizierenden" Inszenierungen, wo eine völlig neue Geschichte erzählt wird (die dann oft vor und hinten nicht zusammenpasst) artikulieren kann
Daß sich der eine oder andere resignierend zurückgezogen hat - ist traurig, liegt aber nicht am Forum
mit freundlichen Grüßen aus Wien
Alfred
Lieber Alfred,
meine Fragestellung war natürlich etwas provokant ;), weil ich das ständig wiedergekäute Argument von den "armen Steuerzahlern, die diesen Mist (= Regietheater) finanzieren müssen", einmal andersrum in die Diskussion einbringen wollte. In Wahrheit sehe ich das nämlich viel gelassener, weil ich im Unterschied zu dir einen Inszenierungspluralismus bevorzuge, nach dem Motto "Jedem das Seine!"
Der "Kulturkampf" wird leider immer wieder von dir geschürt, und ich verstehe immer noch nicht, warum. Ich befinde mich an keiner "Front", ich bekämpfe niemanden, nur weil er andere ästhetische Vorstellungen hat als ich, und alles, was ich mir wünsche, ist die gleiche Toleranz von den anderen. (Ich weiß, das ist alles "Heuchelei" der Regietheatermafia usw. usw. Das wird leider nicht richtiger, auch wenn du es in schöner Regelmäßigkeit in die Runde wirfst.) Ich kann außerdem deine Beobachtung nicht nachvollziehen, dass die Threads zu gewissen Inszenierungen nur deshalb angeklickt werden, weil sich die stillen Mitleser an irgendwelchen Grabenkämpfen ergötzen wollen. Mit Ausnahme des "Freischütz"-Threads, den LT mit ziemlich unbrauchbaren Mitteln zu untergraben versucht hat, geht es in den "Gestern in der Oper"-Beiträgen in letzter Zeit erfreulich konstruktiv zu.
Ich weiß, ich weiß: Weil sich alle "normalen Leute" resignierend zurückgezogen haben Ist dir eigentlich wirklich noch nicht aufgefallen, wie viele Befürworter zeitgemäßer Inszenierungen sich inzwischen "resignierend zurückgezogen haben" bzw. kaum noch posten?? Und zwar alle die, die an ehrlichen Diskussionen interessiert sind, wo mit Argumenten und nicht mit Vorurteilen und böswilligen Unterstellungen gearbeitet wird, jene, die sich nicht als Mitglieder einer Mafia denunzieren lassen wollen, nur weil sie die Kühnheit besitzen, Zeffirelli und Schenk nicht für das Maß aller Dinge der Opernwelt zu halten.
Du wirst es nicht fassen, lieber Alfred, aber auch ich kann an Inszenierungen dieser beiden Gefallen finden, allerdings nur in homöopathischen Dosen ;). Manchmal ist mir tatsächlich nach der Zeffirelli-Traviata, aber auf die berühmte Insel würde ich trotzdem die Decker- oder Guthinszenierung mitnehmen.
Noch kurz zum Punkt Subventionierung-Sponsoring: Wahrscheinlich ignorierst du diesen Einwand ebenso wie die wiederholten Hinweise, dass moderne Inszenierungen, so sie gut gemacht sind, eben nicht vor halb leeren Häusern spielen (So gern du das auch hättest ), aber wenn Sponsoren wirklich nur an konventionellen Inszenierungen Gefallen fänden, hätte die Oper Zürich schon längst zusperren müssen. Die finanziert sich nämlich zu einem Großteil aus Sponsoring - die Stadt schießt, verglichen mit z.B. Wien, relativ wenig zu - und trotzdem bietet sie erstens ein interessanteres Programm mit echten Raritäten (Ausnahme ist die laufende Saison, die finde ich ziemlich enttäuschend diesbezüglich) und vor allem, wieder verglichen mit Wien, wesentlich zeitgemäßere Inszenierungen. Martin Kusej, Claus Guth, Robert Carsen etc. sind quasi Hausregisseure, dort inszenieren fast alle Regiezampanos, die ich ansonsten nur aus deutschen Landen kenne und die ich mir hin und wieder auch in Wien wünschte. (Beachte bitte: Hin und wieder! ) Nach deiner Theorie müsste man in Zürich also unter massivem Besucherschwund leiden, Tatsache aber ist, dass die Bude ähnlich voll ist wie Wien, und das bei einem minimalen Anteil von Operntouristen. Insofern ist für mich Zürich ein viel aussagekräftigeres Beispiel für das, was die "Masse" (Ich hoffe, alle sehen die Gänsefüßchen ) will, als Wien, wo ja ganze Buslasungen voll mehr oder minder interessierter Touristen für eine nahezu 100%ige Auslastung sorgen.
lg Severina