Boccherini, Klavierquintette

  • Morgen,


    die kammermusikalischen Ölgemälde von Johannes Brahms haben ihren Ort, die kammermusikalischen Aquarelle von Luigi Boccherini (1743-1805) haben den ihren Ort. - Spätestens aus dem Film 'Ladykillers', die Produktion mit Alec Guinnes etc., kennt der Zuschauer die fein erfundene und gesponnene Streichermusik von Boccherini.


    Biografisches zu L.B. kann man jederzeit nachlesen. Mehr oder weniger gelehrte Kommentare zu seinem "gewaltigen Lebenswerk" (Hajo Bäß, Musiker, 1988) kann man einschlägig leicht erreichen.


    Auf die CD der EMI/deutsche harmonia mundi CDC 7 49789 2 Luigi Boccherini Klavierquartette, Ensemble LES ADIEUX, 1988, möchte ich hinweisen. Das Ensemble: Andreas Staier, Hammerflügel, Mary Utiger, Violine, Paula Kibildis, Violine, Hajo Bäß, Viola, Christina Kyprianides, Violoncello. Dabei handelt es sich um 4 seiner 12 Klavierquintette op. 56 und op. 57, darunter op. 57 Nr. 6, mit der musikalischen Passage einer vorbeiziehenden madrider Nachtwache. Dazu gibt es eine Erläuterung des Komponisten: "Die 'Nachtwache', die von ferne kommt und daher kaum zu hören sein darf, wird immer lauter und dann wieder leise in dem Maße, wie sich wieder entfernt."(aus dem Booklet).


    Die Passage der Nachtwache dauert 4'39, die musikalische Dynamik geht über 40 dB hinaus, man könnte meinen, es sei ein Orchester am Werk. Der Nachhall will Wiederholung, erst dann ist Ruhe - in der Nacht.


    MfG
    Albus

  • Hallo Albus, hallo Forianer


    Ich habe mir mit meinem Beitrag ein wenig Zeit gelassen, aus den verschiedensten Gründen:


    Ich bin, sosehr ich Boccherini schätze und liebe, hab ich doch sämltliche Sinfonien von ihm (davon ein andermal) und etliche Gitallenquintette, doch kein Boccherini-Kenner, so hab ich zuerst ein wenig recherchiert und meine Sammlung erweitert.
    Das erste, was ich tat, ich kaufte mir Klavierquintette (op 56 Nr 1,5 und 6) kam aber bald drauf, daß das nicht das Gesuchte war (trotzdem wunderschön). Bei näherer Recherche stellte ich fest, daß ich das, was ich eigentlich kaufen wollte, ohnedies bereits in meiner Sammlung hatte, nämlich das Klavierquintett op 57 Nr 6 , welches die Variationen über "Ritirata notturno di Madrid" im dritten Satz enthält. Dazu kam, daß ich es genau in der Besetzung die Albus bereits genannt hatte besitze.
    Für alle Interessenten: Es ist dies ein preiswertes Vergnügen:



    In der Budget-Serie "Baroque Esprit" der Deutschen Harmonia Mundi, kostet diese Einspielung lediglich 4.99 Euro.


    Das Thema mit der Nachtwache (G 418 op 57 Nr 6 3.Satz) kam mir allerdings seehr bekannt vor, und das mir recht. Boccherini hat das Thema und seine 12 Variationen auch in den Gitarrenquintetten verwendet (G 453 4. Satz), bzw er hat die Klavierquintette unter andereren Opuszahlen sowohl als Gitarrenquintette als auch als Streichquintette bearbeitet. ich muß allerdings sagen, daß die Klavierquintettfassung überzeugender ausgefallen ist. Albus weist mit recht darauf hin, daß man hier den Eindruck bekommt, ein komplettes Orchester spiele. Das Thema beginnt zaghaft schüchtern um sich immer mehr und aggressiver durchzusetzen, bis es wieder leise ausklingt. In gewisser Weise ähnelt es hier dem Bolero.


    Boccherini, ein augebildeter Cellist, war generell ein begnadeter Kammermusiker, immerhin teilt er sich mit Joseph Haydn den Anspruch, das Streichquartett erfunden zu haben, und zwar erfanden es die beiden unabhängig voneinander.....
    Über 500 Werke sind von ihm erhalten.
    Warum er nicht berühmter wurde als er heute ist, ist in seinem Dienstverhältnis begründet. Sein spanischer Dienstherr, wollte Boccherinis Melodien für sich allein reserviert haben. Deshalb verwöhnte er Boccherini finanziell sehr, versuchte aber (offenbar mit Erfolg) Ihn abzuschirmen.


    Beste Grüße aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Guten Abend,
    (besonders auch an Albus - freue mich mit diesem Forum auch ihn [wieder-]entdeckt zu haben).


    Ich besitzte die DHM-CD schon seit einem Jahr und halte sie für einen großen Schatz (mein Favorit ist dann auch op.57,6 - dort aber die finale Polonese: was für ein Thema, welche Länge, wie wunderbar: der chromatische Abstieg beim Pianoforte!).


    Grüße,
    Leonard

  • Tag,
    und Tag Leonard,


    beiseite ist zu sagen, nachzutragen von weiterher, der zu sehr Unglückliche war Bradford Tracey gewesen, Cembalist, der aus Kanada nach Europa gekommen war. Er starb am 17.9.87 im Alter von 36 Jahren in Freiburg/Brsg.


    Der NDR hatte mir nicht geantwortet. Aber nun bin ich sicher.


    MfG
    Albus

  • Also nun brat mir doch einer einen Storch.


    Man sitzt am Mittagstisch und ahnt nichts böses, nebenbei plätschert NDR Kultur aus dem winzigen Küchenradio (japanisch). Wenn man nicht an einem zähen Brötchen kaute, schliefe man jetzt ein...


    Da kommt... -- oder ich beginne besser von der anderen Seite: wer kennt das nicht, das einem Melodien aus den Tiefen des Schädels plötzlich ins Bewußtsein schießen? Fast so deutlich als liefen sie gerade im Radio? Also, was ich sagen will: ich kaue an diesem ausgesprochen zähen Brötchen und da steigt eine dieser Melodien in mir auf, nämlich EBEN JENE POLONESE aus dem Quintett op.57 Nr.6 von L.Boccerini. Allerdings in komplett falscher Besetzung. Empörend falscher Besetzung, nämlich für Gitarre - also ich weiß nicht, muß das sein? Und Streichorchester. Im Grunde übrigens gar nicht so übel, eigentlich nur ein wenig ungewohnt.


    Und dann eben die Überraschung (mir fiel fast das Brötchen aus dem Mund). Das Stück endet und die Dame am Mikrophon präsentiert den Komponisten und es ist EBEN NICHT Boccerini.


    Sondern?


    Nicht Boccerini jedenfalls. Ich kann doch Boccerini von, sagen wir Capitani oder Capillari unterscheiden (oder war's Cannibali? Tomaso? Eben japanische Bauart das Radio, winzig klein und man versteht nicht immer jedes Wort).


    Grüße,
    Leonard



    PS: Ich habe dann im Internet doch noch den Komponisten gefunden (und man erinner sich, wie ich von dieser Thematik im letzten Satz von op 57,6 geschwärmt habe!)


    Ferdinando Carulli
    Gitarrenkonzert A-Dur,
    Polonaise (2.Satz [?])
    Paulikovics, Pal (Gitarre)
    Budapester Streichorchester

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  • Hallo!


    Ach ja! Hier könnte/sollte ich auch noch mal auf diese tolle CD hinweisen:


    Meine begeisterten Worte hier haben anscheinend bereits Forianer zum Kauf angeregt. =)


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hurra!


    Brilliant Classics sei Dank, daß ich mich nun mit Klavierquintetten von Boccherini satthören kann! :yes:





    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hi mein lieber Pius!


    Boccherini und diese ganze Zeitspanne der Klassik um Kraus, Kozeluch etc. liegt mir seit einiger Zeit eigentlich gar nicht mehr. Vielleicht sind es mittlerweile 2Monate, vielleicht auch schon länger. Ich finde da keinen Gefallen mehr. Es wirkt auf mich alles 'eintönig' (auweia...steinigt mich, ist aber nicht wortwörtlich zunehmen, mir fällt nur keine bessere Beschreibung ein) und langweilig.
    Und da ich nicht mehr positiv von der Musik angetan war, hab ich sie für mich erst mal beiseite gelassen und mich dem gewidmet, was mir zusagt: die Romantik generell und vieles außer Klassik und (zu) Modernes.


    Lichtblick in dieser Zeit ist derzeit nur Mozart, der mich u.a. mit seiner Jupiter beglücken kann.
    Aber seine Zeitgenossen eben irgendwie nicht mehr und mich gelüstet es auch nicht nach ihnen.


    Einen frischen Eindruck habe ich von den Werken somit auch nicht :wacky:
    Aber eventuell wird's ja (irgendwann) mal wieder was.


    Lieben Gruß nach Frankfurt, Maik :hello:

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Hallo Maik,


    Deine Bemerkungen kann ich, zumindest bis zu einem gewissen Grade, nachvollziehen. So richtig toll, finde ich, wirds erst mit Beethoven.


    Aber in homöopathischen Dosen genossen und mit interessanteren Werken sind auch Boccherini, Haydn, C. Ph. E. Bach und sogar - jetzt hoffe ich, nicht gesteinigt zu werden - Mozart zu positiven Überraschungen fähig. Ich streue solche CDs immer mal wieder zwischen gewichtige J. S. Bachsche, Beethovensche oder romantische Werke und bin dann auch immer wieder entzückt und aufgeschlossen für intellektuell Schwierigeres, oder hätte ich schreiben sollen: Anspruchsvolleres.

    Grüße aus Eisenach
    Alexander

  • Hallo!


    Das ist ja kaum zu glauben, was ausgerechnet hier für ketzerische Bemerkungen fallen! X(


    Können wir wieder zurück zu den Boccherini-Klavierquintetten kommen? :motz:


    Wenn ich dazu Zeit habe, werde ich demnächst einige einzelne davon mal vorstellen.


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Hallo Alexander,


    das mag ja sein und auf eine Mozart Sonate oder Symphonie habe ich ja auch mal Lust und höre sie auch mit Genuss, aber nach den anderen treibt es mich einfach nicht und gerade im Moment, wo ich vielleicht 3, maximal 4 CDs am Tag hören kann (oder besser gesagt Werke!), zieht es mich nach Lieblingen die mich beglücken, die mir Freude bereiten, nicht etwas, das mich noch herausfordert wenn ich eh schon platt bin.


    Aber mich zeiht es ja nicht nur in die Romantik, sondern auch Spätromantik, Barock und Renaissance sowie klassische Moderne.
    Das ist auch ein breites und ausreichendes Beschäftigungsspektrum. Hier kann ich mich in aller Ruhe austoben, viel kennen lernen und genießen - ab und zu ein Mozart, kann ich aber auch nicht verwehren.


    LG Maik

    Wie ein Rubin auf einem Goldring leuchtet, so ziert die Musik das Festmahl.


    Sirach 32, 7

  • Zitat

    Original von Alexander Gliese
    in homöopathischen Dosen genossen und mit interessanteren Werken sind auch Boccherini, Haydn, C. Ph. E. Bach und sogar - jetzt hoffe ich, nicht gesteinigt zu werden - Mozart zu positiven Überraschungen fähig


    Wenn nötig bin ich bereit persönlich eine Tonne Steine zu kaufen, abzuliefern und dazu noch zu benützen. :motz:

  • Paul, lass ihn. Er leidet bereits Tantalosqualen... :D

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo,


    eine Tüte Kiesel, bitte! :D




    Doch zurück zu Boccherini. Die oben vorgestellte CD mit Les Adieux besitze ich auch. Bisher haben mir allerdings die Gitarrenquintette mehr zugesagt. Bei denen war ich beim ersten Hören sofort Feuer und Flamme, bei den Klavierquintetten schien der Funke dagegen noch nicht so überzuspringen. Allerdings gefielen sie beim zweiten Hördurchgang bereits besser als beim ersten.


    Grüße,
    Gentilhombre

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Zitat

    Original von Gentilhombre
    Bisher haben mir allerdings die Gitarrenquintette mehr zugesagt. Bei denen war ich beim ersten Hören sofort Feuer und Flamme, bei den Klavierquintetten schien der Funke dagegen noch nicht so überzuspringen.


    Völlig einverstanden. Die Gitarrequintetten sprudeln. Das fehlt IMO bei den Klavierquintetten. Ist die Gitarre daran Schuld?


    LG, Paul


    PS Waren es nicht ursprünglich Quartetten, wofür B. später ein Zusatzinstrument schrieb?

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  • Oh Gott, oh Gott, ich bin schon ganz klein und fühle mich gesteinigt. Ich dachte, im Boccherini-Thread könnte ich wagen zu verraten, dass Mozart nicht zu meinen Favoriten zählt. Keine Sorge, das war bestimmt nicht gegen Euch oder andere gemeint.


    Außerdem habe ich
    1. zugegeben, dass ich Boccherini, Mozart etc. durchaus auch gerne höre und
    2. gebe ich hiermit des Weiteren zu, dass ich eine ganze Reihe von CDs mit Werken derselben besitze.


    Na immerhin, der Boccherini-Thread ist ja ziemlich lebhaft geworden.

    Grüße aus Eisenach
    Alexander

  • Zitat

    Original von Alexander Gliese
    Außerdem habe ich
    1. zugegeben, dass ich Boccherini, Mozart etc. durchaus auch gerne höre und
    2. gebe ich hiermit des Weiteren zu, dass ich eine ganze Reihe von CDs mit Werken derselben besitze.


    Die Bestellung wird aufgehoben :D


    LG, Paul

  • Zitat

    Original von Alexander Gliese
    Oh Gott, oh Gott, ich bin schon ganz klein und fühle mich gesteinigt. Ich dachte, im Boccherini-Thread könnte ich wagen zu verraten, dass Mozart nicht zu meinen Favoriten zählt. Keine Sorge, das war bestimmt nicht gegen Euch oder andere gemeint.


    Außerdem habe ich
    1. zugegeben, dass ich Boccherini, Mozart etc. durchaus auch gerne höre


    Du hast es nicht verstanden. Die Beleidigung liegt u.a. schon in einer Phrase wie "Boccherini, Mozart etc." :D


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Danke, Paul,


    dann kann ich nun wieder mit ruhigerem Gewissen zu Bette gehen, die Kopfhörer aufsetzen und zur Buße - ich glaube aber auch zu meinem Vergnügen - das Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli a-Moll op. 25 Nr. 6 und das Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli E-Dur op. 11 Nr. 5 hören. Na, das nenne ich eine Strafe, die mir sogar gut gefällt. Zufrieden?

    Grüße aus Eisenach
    Alexander

  • Hallo Johannes,


    das habe ich nicht verstanden: Wer könnte sich jetzt beleidigt fühlen, die Boccherine- oder die Mozart-Anhänger?

    Grüße aus Eisenach
    Alexander

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  • Was meinen persönlichen Geschmack betrifft, Paul, dürftest Du ins Schwarze treffen. Für mich ist die Mischung aus Gitarre und Streichern ein ganz besonderes Vergnügen. Da mag natürlich auch die Interpretation selbst eine Rolle spielen. Ich besitze die Einspielung des Academy of St. Martin in the Fields Chamber Ensembles mit Pepe Romero an der Gitarre, auf Philips. Romero hat ja seine Wurzeln in der Flamenco-Tradition und das kommt der Spielweise sicher zugute. Sprudeln paßt sehr schön, finde ich.


    Ob es bei den Klavierquintetten an der Einspielung liegt, am Instrument oder am Interpreten (glaube ich nicht), kann ich noch nicht sagen. Als ich mir die CD kaufte, hatte ich eigentlich erwartet ebenso mitgerissen zu werden wie bei der anderen. Vielleicht liegt es aber auch nur am Zeitpunkt. Ich werde wohl demnächst noch mal reinhören müssen.


    Ob es sich bei den Quintetten um ehemalige erweiterte Quartette handelt, weiß ich gar nicht. Aber die hiesigen Experten dürften da sicher etwas drüber wissen.



    Zitat

    Original von Alexander Gliese
    Na immerhin, der Boccherini-Thread ist ja ziemlich lebhaft geworden.


    Alexander, das war doch harmlos. Wenn Du Action suchst, mußt Du Dich nur zum Thema Anna Netrebko äußern, egal in welcher Form. Der Rest geht dann von alleine. :D Und wenn wir alle der gleichen Meinung wären, wär's auch ziemlich langweilig.



    Schöne Grüße,
    Gentilhombre

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor

  • Hallo Gentilhombre,


    vielen Dank. Der Wirbel um Anna Netrebko interessiert mich nicht und so wüst, wie sich einige Beiträge aus dem "empfohlenen" Thread lesen, waren meine o.g. unmaßgeblichen Bemerkungen - zumal hier nicht richtig passend - auch gar nicht gemeint. Also, es bleibt dabei, ich höre heute Boccherini; vielleicht bekomme ich danach und nach Euren obigen fachkundigen Beiträgen Lust auf mehr.

    Grüße aus Eisenach
    Alexander

  • Zitat

    Original von musicophil
    Waren es nicht ursprünglich Quartetten, wofür B. später ein Zusatzinstrument schrieb?


    Lieber Paul,


    im Experten-Forum kann ich Dir leider noch nicht antworten. ;)


    Ich habe mal meine CDs hervorgekramt und einen Blick in die Beiheftchen geworfen. Hajo Bäß schreibt im Begleittext zu den Klavierquintetten:


    Zitat

    Luigi Boccherinis 12 Klavierquintette op. 56 und op. 57 (...) sind neben sechs Sonaten für Klavier und begleitende Violine aus dem Jahre 1768 die einzigen authentischen Werke für Tasteninstrument und Streicher aus seiner Feder.


    Im Text heißt es weiter, die Entstehung der Werke sei auf einen Auftrag des Komponisten und Verlegers Ignace Pleyel zurückgegangen, da Kammermusik mit Klavier neben dem Streichquartett damals sehr populär war.


    Bei den Gitarrenquintetten allerdings liegst Du mit Deiner Vermutung richtig, denn wie Thomas Kahlcke berichtet:


    Zitat

    Seit 1786 hatte zu den Gönnern und Auftraggebern Boccherinis in Madrid die reiche adlige Familie Benavente gehört. Der Marquis von Benavente war ein begeisterter und gut ausgebildeter Freizeit-Gitarrist (...). Zudem war er ein einflußreicher Mann, der sich für die Akzeptanz der Gitarre, dem traditionellen spanischen Folklore-Instrument, in der E-Musik nachdrücklich einsetzte. Für diesen Marquis schrieb Boccherini Ende der 1790er Jahre insgesamt zwölf seiner kurz zuvor komponierten Klavierquintette um, d.h. er richtete die Klavierstimme für die technischen und klanglichen Möglichkeiten und Grenzen der Gitarre ein.


    Damit dürfte die Frage wohl geklärt sein.



    Grüße,
    Gentilhombre

    "Das ist zeitgenössische klassische Musik. Dann unterstelle ich, daß da kein intellektueller Zugang..."
    Miroslaw Lem, Tenor


  • ...und wer sie nicht freiwillig kauft, dem schenkt er sie eben... 8)


    Bin schon sehr gespannt... tippe aber eher auf die hier:


    [jpc]1795521 [/jpc]


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo, Ulli!


    Ich hatte Dir doch schon gesagt, daß es die Staier-CD (Les Adieux) ist.
    Im direkten Vergleich gefallen mir die Klavierquintette hier besser als bei Ensemble Claviere (Brilliant-Box, auch mit historischen Instrumenten). Wenn Dir die DHM-CD gut gefällt, willst Du wahrscheinlich ohnehin irgendwann alle Quintette kennenlernen...


    Viele Grüße,
    Pius.

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  • Salut,


    ich hatte länger überlegt... :rolleyes: Du sprachst ja von zwei Vollpreis-CDs... eine Nachschau hat ergeben, dass es dann mit dieser von der DHM drei wären... ?( Daher meine Vermutung.


    Naja, bis bald.
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Zitat

    Original von Ulli
    Du sprachst ja von zwei Vollpreis-CDs... eine Nachschau hat ergeben, dass es dann mit dieser von der DHM drei wären... ?


    Die DHM-CD mit Les Adieux/ Andreas Staier kostet nur um die 5 Euro - weit vom Vollpreis entfernt!!
    Zugreifen, Leute!! :yes:

  • Heute stehts für 4,99 € drin, das ist wahr! Gestern, als ich bei jpc nachschaute, stand es mit 19,99 € angegeben. Und diesen Preis kenne ich bei DHM auch als etabliert...


    Merkwürdig das Ganze... andererseits auch wieder beruhigend :O


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • ...und da ist sie schon:


    [jpc]5043657 [/jpc]


    Luigi Boccherini [1743-1805]
    Klavierquintette


    e-moll G415
    a-moll G412
    Es-Dur G410
    C-Dur G418


    Les Adieux:
    Andreas Staier, Hammerklavier
    Mary Utiger, Violine
    Paula Kibildis, Violine
    Hajo Bäss, Viola
    Christina Kyprianides, Violoncello


    Pius Versuch, mein Voruteil gegen Boccherini abzubauen stieß auf fruchtbaren Boden! Vielen Dank!


    Alfred hat irgendwo einmal beschrieben, dass man bei Boccherini die spanische Herkunft [sinngemäß] heraushört: Ich höre eher einige archaische Klänge, stellenweise erinnert mich die Musik an jene von Vivaldi, obschon die Klavierquintette natürlich stilistisch eher klassischer Natur sind. Vielleicht liegt es auch an dem für mich nicht nachvollziehbaren Umstand, dass die Aufnahmen in der Evangelischen Kirche in Honrath gemacht wurden...? Der obligate Hall macht schon einiges am Klangbild aus. Bei den Kraus-Quartetten, gespielt von Mitgliedern des Concerto Köln, habe ich ähnlich ungute Gefühle dabei.


    Auch hier aber bestätigt sich mein Eindruck, dass Boccherini für meinen Geschmack etwas "zu dick aufträgt":


    Zitat

    Original aus dem Booklet


    [...] unterstützt von einem recht kompakt geratenen Streichersatz, was öfter zu Klangbalanceproblemen zwischen Klavier und Streichern führt. Boccherini scheint den üppigen Streicherklang geliebt zu haben: er schreibt oft Doppelgriffe in mehreren Stimmen zugleich [...]


    Üppiger Streicherklang ist für mich in der Kammermusik, die ich eher als filigran kenne, etwas irritierend - auch hier klingt es eher konzertant, wie bereits bei den Quintetten op. 11, Nr. 4-6. Hier bläht sich manchmal - nicht selten - ein ganzes Kirchenschiff wie ein Universum auf.


    Die Schönheit der Musik bleibt von diesem "Makel" allerdings unberührt. Besonders die beiden moll-Quintette sind mir bereits ans Herz gewachsen!


    Auch ich kann diese überaus günstige Einspielung sehr empfehlen.


    Liebe Grüße


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Salut,


    ich wollte nicht den Eindruck erwecken, dass mir die Aufnahmen mit Les Audieux nicht gefallen [habe ich vielleicht auch nicht], aber hier das Ergebnis einer mehrstündigen Stausitzung:


    Von den beiden Quartetten im Tongeschlecht moll [e-moll op. 57 Nr. 3/G415 und a-moll op. 56 Nr.2/G412] sind mir jeweils die Finalsätze positiv aufgefallen:


    Das e-moll-Quintett ist [nur] dreisätzig. Der Finalsatz ist für mich eine Art alla turca und könnte durchaus vom reifenden Beethoven komponiert worden sein. Es erinnert mich thematisch an die „Wut über den verlorenen Groschen“. Auf Beethoven komme ich später nochmals zurück. Der Satz ist dreitilig: umrahmt von diesem alla turca, das im Original Provensal: Allegro vivace heißt, ist in der Mitte ein lyrischer Teil eingebettet. Die Überleitung von diesem Mittelteil zum Hauptteil finde ich besonders gut gelungen.


    Ähnlich energiegeladen, aber anders verteilt, ist der Finalsatz des a-moll-Quintetts, recht rabiat.


    Die beiden folgenden Quintette stehen in Es-Dur [op. 56 Nr. 3/G410] und C-Dur [op. 57 Nr. 6/G418]. Das Es-Dur-Quintett beginnt mozartisch elegant, was ich nach den beiden Vorgängern nicht erwartet hätte, und steigert sich über Edelperlgeplätscher bis hin zum Regen funkelnder Brillanten, wobei diese Kristalle gelegentlich auch mal dämonische Facetten zeigen, aber eher selten.


    Das C-Dur-Quintett beginnt auch harmlos und elegant, im dritten Satz [einem Variationssatz] dann aber das absolut Unerwartete: es schleicht sich langsam etwas an… wie Donner, der aus der Ferne grollt und mutiert dann zu einem Hagel aus ungeschliffenen scharfen Diamanten: Ich habe mir vorgestellt, wie Staier dem Hammer Flügel wachsen lässt… erst mochte ich diese Szenerie überhaupt nicht, mittlerweile finde ich sie genial. Der Diamantenhagel verebbt und der Satz plätschert alsdann wieder wohlig vor sich hin. Das Thema übrigens ist jenem aus dem Menuett aus Beethovens Septett op. 20 [auch Klaviersonate] sehr ähnlich, nur dass es im 4er anstelle in 3er-Takt auftritt.


    So, nun bin ich beruhigt.


    Liebe Grüße
    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

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