Das Klavier - König der Instrumente

  • Liebe Forianer


    Im allgemeinen wird ja die Orgel als die "Königin der Instrumente" bezeichnet. Ich gebe zu, daß ich dieser Ansicht nicht beipflichten kann.
    Seit ich mich erinnern kann nahm das Klavier in meiner Rangordnung eine Spitzenposition ein. Welches Instrument - ausser dem Klavier kann einerseits filigrane Solostücke, wie Nocturnes, subtile Liedbegleitung, wuchtige Solosonaten, Brillante Soloparts in Instrumentalkonzerten und - last but not least - Sinfonien und Opern in Transkriptionen überzeugend zur Aufführung bringen.


    Mich jedenfalls hat ein grollender Konzertflügel stets mehr beeindruckt als eine noch so große Orgel, ebenso der strahlende Diskant und das Perlen der Töne.....


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Lieber Alfred,


    wie es der Zufall will, bin ich gerade auf die gleiche Frage gestoßen. Richard Benz formulierte 1922 in "Die Stunde der deutschen Musik" etwas pathetisch: "Man hat sich oft gefragt und hat darüber geklagt, warum das Klavier seit Beethoven mehr und mehr alle anderen Instrumente verdrängt hat. Der tiefere Sinn ist, daß es, beim Verfall und der furchtbaren Verweltlichung der öffentlichen Musik, der Möglichkeit nach die einzige Stätte blieb, wo dem Heiligen noch rein und ungestört gedient werden konnte."


    Auch wer nicht gleich vom "Heiligen" reden will, wird dem Grundgedanken gut folgen können. Das unterscheidet das Klavier auch von der Orgel, die im öffentlichen Raum der Kirche steht.


    Hieran lassen sich zahlreiche weitere Gedanken anknüpfen. Das Klavier begrenzt die Musik über die Tonalität hinaus nochmals auf die Endlichkeit der Tasten und der Temperierung. Das ist zunächst eine Einschränkung, die dann aber der bewussten Gestaltungsmöglichkeit großen Spielraum gibt.


    Das Klavierspiel ist im Vergleich etwa zum Geigenspiel weit stärker auf Wille und Beherrschtheit ausgerichtet. Sicher gibt es Ausnahmen wie Liszt, aber in der Regel ähnelt das Spielen am Klavier stärker einer intellektuellen Beschäftigung am Schreibtisch als dem Spielen anderer Instrumente, die größeren Körpereinsatz, Atemtechnik etc. verlangen.


    Viele Grüße,


    Walter

  • Ich kann der Orgel generell nur wenig abgewinnen. Liegt vielleicht aber auch daran, dass die meisten Orgelwerke eher unglücklich stimmen statt erheiternd.
    Bei dem Klavier bin ich jedenfalls der selben Meinung. Kein Konzert ist so vielseitig wie das, des Klaviers. Die Sonaten für Klavier sind so vielseitig wie so manch Orchesterwerk. Und auch bei anderen Instrumentalsonaten wie der Violinsonate ist ein Klavier schon praktisch dabei.
    Der schöne Klang (Ich finde übrigens auch, dass das Klavier am einfühlsamsten sein kann), die unglaubliche Möglichkeitenbreite und aus der Sicht eines Klavierspielers auch die Faszination am Klavierspielen machen das Klavier zum absoluten König der Instrumente, wohl wahr. :yes:


    C.

  • Das Klavier ist von den "analogen" Instrumenten wohl das praktischste, welchem man durchaus schonmal ob seines riesigen tonalen Umfanges die Eignung als prädestiniertes "Kompositionswerkzeug" zusprechen kann. Es gibt einige Musiker, die dafür andere Instrumente heranziehen, aber das allgemeine Kompositionsinstrument ist das Klavier - auch im weiteren Sinne, denn im Prinzip ist auch ein Keyboard nichts weiter als eine gewisse Art von Klavier - nur eben digitalisiert und um weitere "Register" erweitert.


    Register - das ist es was die Orgel vom Klavier abhebt. Deshalb gehöre auch ich dazu, die die Orgel als Königin der Instrumente bezeichnen.


    Dem Klavier gebührt für mich die Ehre des "ersten Ministers" - um mal bei der Analogie bei Hofe zu bleiben. Das Klavier hat aufgrund seiner Effektivität einen direkteren Draht zur Allgemeinheit - die Orgel hingegen wird wohl immer für feierliche und religiöse Zwecke reserviert bleiben - sie ist ja nun mal in der Regel ortsgebunden. Über 90% der Orgeln stehen in Kirchen.


    Das Klavier hat gegenüber der Orgel noch einen weiteren praktischen Vorteil: Es ist für jede nur erdenkliche Musikrichtung geeignet.


    Nicht umsonst wurden und werden die meisten Orchesterwerke und Opern als Klavierauszug geboren - gewissermassen als Demoversionen mit Minimalbesetzung.


    Diese emotionale Bandbreite, wie man mit dem Klavier auszudrücken vermag - da kann die Orgel schon mal aufgrund ihrer Trägheit, ja fast schon Schwerfälligkeit nicht mithalten.


    Man stelle sich mal die Mondscheinsonate auf Orgel vor - eine wahrscheinlich auch für einen wahrhaftigen Tastenlöwen auf der Orgel schier unlösbare Aufgabe...!

    alle Menschen werden Brüder ...

  • Ich liebe das Klavier in jeder Beziehung, egal ob filigrane Stücke , brilliante Konzerte oder Wuchtige Beethoven Klaviersonaten drauf gespielt werden, das Klavier kann das Wienerische Schuberts ebenso darstellen wie das duftige, spritizge von Haydn.


    Kaum ein anderes Instrument eignet sich so zur Begleitung menschlicher solioSingstimme (allenfalls noch Laute und Gitarre) wie das Klavier


    Ich liebe auch Klaviervariationen über Themen aus Opern, aber das Beeindruckenste ist es wohl, wenn das Klavier eine Sinfonie weitgehend verlustfrei wiedergibt, bzw Details freilegt, die in der originalen Orchesterfassung niemals hörbar sind.


    Und ich bin zudem in der glücklichen Lage, daß mir sowohl historische Instrumente, als auch moderne Konzertflügel musikalischen Genuss verschaffen.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo Alfred u.a.,


    eigentlich ist es doch müßig, ob nun die Orgel oder das Klavier bedeutender ist. Es sind ja verschiedene Instrumente mit verschiedenen Funktionen. Ich schätze das Klavier sehr, mir liegen auch Klavierkonzerte mehr als Violinkonzerte und noch mehr als Bläserkonzerte. In der Kindheit habe ich Klavier spielen gelernt und bin so an die klassische Musik herangeführt worden. Das Klavier ist natürlich vielseitig und kann schon mal als Ersatz für ein Orchester genutzt werden, so ganz üblich bei der Einstudierung von Vokalwerken.
    Die Orgel ist hauptsächlich im kirchlichen Bereich aktiv, andererseits mag ich sehr die Verwendung der Orgel als musikalischer Höhepunkt oder Ausrufezeichen in Orchesterwerken, z.B. Zarathustra oder Saint-Saens Orgelsinfonie. Diese Wirkung hat kein Klavier. Die Orgel ist aber kein Instrument für den Hausgebrauch, schon deswegen ist ihr Einsatz beschränkt. Kann sich jemand eine Sonate für Violine und Orgel vorstellen?
    Das Klavier ist der König, dafür sprechen auch die vielen Klavierspieler/innen im Gegensatz zur kleinen Zahl der Organisten.


    mit besten Grüßen aus Berlin
    Manfred

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Zitat

    Kann sich jemand eine Sonate für Violine und Orgel vorstellen?


    Wo ist denn da das Problem? ?(
    Zumindest im Barock ist die Kombination Violine + Orgel als Generalbass doch relativ häufig anzutreffen.


    Gruß Heliaster :hello:

    "Phantasie ist unser guter Genius oder unser Dämon."
    - Immanuel Kant (1724-1804)

  • Zitat

    Original von Alfred_Schmidt
    aber das Beeindruckenste ist es wohl, wenn das Klavier eine Sinfonie weitgehend verlustfrei wiedergibt, bzw Details freilegt, die in der originalen Orchesterfassung niemals hörbar sind.


    Die Beliebtheit der Klavierfassungen (oder anderer Arrangements) von Orchesterwerken hier im Forum werde ich wohl nie nachvollziehen können. Für mich haben sie beinahe rein akademisches bzw. historisches Interesse, ich schwanke je nachdem zwischen "oh, interessant!" und "naja, extrem kurios". Wie man hier von "weitgehend verlustfrei" sprechen oder sich tatsächlich regelmäßig auf CD statt Beethovens 5. die Klavierfassung antun kann, wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben (Ich habe eine oder zwei CDs mit solchen Fassungen, die habe ich genau einmal angehört...)
    Es gibt zwar Ausnahmefälle, wo ich mich für Arrangements aller Art begeistern kann (Bach) und ich akzeptiere auch Fälle von Gleichwertigkeit (wie bei Brahms' Quintett/Sonate f-moll op.34), aber nicht für Klavierfassungen von klassischen oder romantischen Sinfonien.


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Original von Johannes Roehl
    Die Beliebtheit der Klavierfassungen (oder anderer Arrangements) von Orchesterwerken hier im Forum werde ich wohl nie nachvollziehen können. Für mich haben sie beinahe rein akademisches bzw. historisches Interesse, ich schwanke je nachdem zwischen "oh, interessant!" und "naja, extrem kurios".


    Interessant bis extrem kurios sind derlei Bearbeitungen allemal. Immerhin sind sie - und nicht nur die reinen Klavierarrangements - eine wirkliche Alternative zur 238ten Einspielung des 'Originals': Hier lassen sich dann u. U. tatsächlich Details hören, die nie zuvor ein menschliches Ohr gehört geht ;)


    Man bedenke, daß diese Arrangements für das damalige Publikum teilweise die einzige Möglichkeit war, eine Sinfonie überhaupt jemals zu Gehör zu bekommen. Die Werke wurden einem ja nicht in jeder Sonntagsmatinée zum Fraß vorgeworfen. Letztlich sind solche Arrangements eine Art 'HIP-Radio' für weniger betucht gewesene damalige Menschen gewesen.


    Hinzu kommt natürlich auch (dieser Effekt wird beim Hören der Bearbeitungen nicht unbedingt kar), daß auch die Möglichkeit bestand, in minimaler Hausmusikbesetzung (wenn nicht gar allein) eine Sinfonie (oder was immer) selbst zu reproduzieren.


    Zitat

    Wie man hier von "weitgehend verlustfrei" sprechen oder sich tatsächlich regelmäßig auf CD statt Beethovens 5. die Klavierfassung antun kann, wird mir wohl immer ein Rätsel bleiben (Ich habe eine oder zwei CDs mit solchen Fassungen, die habe ich genau einmal angehört...)


    Weitgenend verlustfrei sind solche Arrangements bestimmt nicht. Allein eine Klavierfassung von Haydns #103 setzte eine Kenntnis des Originals voraus, um zu erkennen, daß das Tremolo zu Beginn einen Paukenwirbel darstellen soll.


    Die Komponisten der Originale wußten um diese Arrangements und mußten sich teilweise beeilen, solche selbst zu erstellen, wenn sie nicht wollten, daß jemand ihnen zuvor kam... insofern steckt in jeder Sinfonie ein Arrangement automatisch latent mit drin. Man bedenke nur die allzu beliebten Harmoniemusiken zu den damals aktuellen Opern...


    Klavier solo wäre mir hörtechnisch auch zu langweilig. Bearbeitungen für Soloklavier empfinde ich als Selbstbausätze und sie interessieren mich persönlich auch nur, um Sinfonie XY selbst nachzuspielen (es gibt z.B. auch vierhändig gesetzte Haydnsinfonien). Anders ist das, wenn weitere Instrumente hinzukommen. In seltenen Fällen wie beispielsweise Haydns 'Sieben letzte Worte' ist jede der vier Fassungen (die vom Komponisten selbst stammen) für sich betrachtet selbständig und vollwertig.


    offtopic Ende.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Große Pianisten und ihre Transkriptionen einst und jetzt


    Da ich das Klavier für das fast allerschönste und allerwichtigste Musikquelle für mich halte, dachte ich, da muss ich mich auch kurz melden, mit einem Hinweis auf die Transkriptionen von FranzLiszt, unter anderem auf die Transkripte aus Wagners Opern. Anfang der 80-er Jahre erschien bei HUNGAROTON eine Schallplatte mit Zoltán Kocsis, wo er Liszts Wagner-Transkriptionen mit zwei eigenen ergänzt spielt: mit einer Einleitung zu Tristan und Isolde und mit einem Vorspiel zu den Meistersingern von Nürnberg. Damals war das eine riesige Diskussionsfrage in den Kreisen der Musikwissenschaftlern und der Laien - letztere, unter ihnen auch ich, waren begeistert.


    :hello:

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