Alberic Magnard - ein fast Vergessener

  • Zitat

    Original von Gustav Theodor
    [...] Magnard und Schönberg hätten das Streichquartett wieder da aufgenommen, wo Beethoven es bei op.131 liegen gelassen habe.


    Lieber Gustav Theodor,


    interessante These. Immerhin habe ich gerade die Schnippsel mit dem von Dir erwähnten Quatuor Via Nova angehört: Das klingt etwas runder, ausgewogener, weniger schroff, weniger zugespitzt - doch die Schönberg-Nähe (1. Quartett) höre ich hier ebenfalls heraus; scheint also am Werk, nicht an der Interpretation zu liegen. Diese Einspielung mit drei französischen Quartetten (neben Magnard noch Ernest Chausson und Albert Roussel - bei letzterem assoziiere ich Bartók!), die mir alle noch unbekannt sind, könnte eine Empfehlung wert sein; vielleicht kennt sie jemand:


    ?

  • Zitat

    Übrigens könnte der Eindruck der Modernität auch an der Interpretation des Quatuor Ysaye liegen: Das Fauré-Streichquartett scheinen sie ebenfalls eher schroff, aufgerauht und nervös aufzufassen, das kenne ich auch anders: harmonischer, elegischer


    Lieber Gurnemanz,


    ich habe gerade den Fauré in Aufnahmen mit dem Quatuar Ysaye und dem Miami String Quartet verglichen und muss Dir Recht geben: die Ysayes nehmen den Fauré viel nervöser und dramatischer, was dem Stück etwas von seiner Melancholie und Zärtlichkeit nimmt. Allerdings ist bei den Ysayes zu spüren, wie Fauré mit dem Stück gekämpft hat, was ja aus den Briefen des ertaubten und kranken Komponisten hervorgeht. Ich will das jetzt nicht länger ausführen, sonst geraten wir off-topic. Aber ich würde jetzt die Ysayes tatsächlich eher als Zweitaufnahme enmpfehlen, als interessante Ergänzung, denn diese unendliche Zärtlichkeit des Abschieds finde ich die wichtigere Komponente an diesem letzten Werk Faurés.


    Was jetzt das Magnard-Quartett anbelangt, so danke ich Dir für den Hinweis auf die wieder erhältliche Erato-Einspielung durch das Quatuor Via Nova - ich habe auch gleich in die Schnipselchen hineingehört und mir fiel gleich auf, dass die den Beginn des ersten Satzes erheblich langsamer nehmen als die Ysayes, was aber gar nicht so schlecht klingt. Allerdings meine ich auch ein paar Intonationsprobleme gehört zu haben. Aber wie ich mich kenne, werde ich mir die Aufnahme demnächst mal zulegen, immerhin ist es seltenes Repertoire, das ich höchstens einmal sonst noch habe, und günstig zu bekommen. Falls es bis dahin nicht schon jemand anderes gemacht hat, werde ich berichten!


    Gruß,
    Gustav Theodor

    "Nur in der Gesellschaft wird es interessant, Geschmack zu haben."
    Immanuel Kant

  • Nachdem (oder besser gesagt: trotzdem) mir die Mitdiskutanten zwischenzeitlich abhanden gekommen sind, will ich doch als gewissenhafter Mensch mein Versprechen halten, die Aufnahme des Ysaye-Quartetts mit der des Via Nova-Quartetts zu vergleichen, die seit dem Wochenende endlich in meinem Besitz ist. Vielleicht fühlt sich ja wieder jemand angesprochen und wir können hier weitermachen?


    Ganz allgemein: Die Tempi beim Via-Nova-Quartett sind insgesamt etwas langsamer, haben aber immer noch den nötigen Drive, zum Beispiel in der rasanten Sérénade, dem zweiten Satz. Wie schon von damals von Gurnemanz aus den Hör-Schnipseln herausgehört, hat das Via-Nova-Quartett ein runderes, satteres Klangideal, während die Ysayes eher schlanker und, wenn man negativ ausdrücken will, schärfer klingen. Wohlwollender könnte man sagen: heller, transparenter.


    Beim Via Nova-Quartett klingt das Quartett daher "romantischer", schwärmerischer als in der Vergleichsaufnahme, die dafür in der rhythmischen Präzision punktet: der Trauermarschrhythmus im dritten Satz wird von den Ysayes deutlicher herausgearbeitet ebenso die scharf punktierte Eröffnung des ersten Satzes. Dafür sind die von den wundervollen Harmonien tragen.


    Allerdings - und da täuschte mich schon damals das Hör-Schnipselchen nicht - ist in dieser Aufnahme das Via-Nova-Quartett nicht so hundertprozentig intonationssicher. Man vergleiche die Passagen in den höchsten Geigen kurz vor dem Schluss des dritten Satzes - eine absolut halluzinatorische Stelle - und muss feststellen, dass sich die irgendwie passabel durchmogeln, während die Ysayes souverän durch die ätherischen Höhen schreiten, immer klar und eindeutig definiert. Leichte Trübungen, vor allem bei unisono-Stellen, sind beim Via-Nova-Quartett immer mal wieder hörbar, gehen beim Hören aber als "feurig" durch und trüben zumindest meinen Hörgenuss nur unwesentlich. Andere werden es vielleicht gar nicht wahrnehmen.


    Welche Platte soll ich also empfehlen? Meine Wahl ist leider nicht eindeutig, mit leichter Tendenz zur aktuellen Neuanschaffung. Die Aufnahme vom Via Nova-Quartett ist eingängiger, schwärmerischer, weniger schroff. Die vom Ysaye Quartett analytischer, rhythmisch etwas präziser, dafür weniger sinnlich. Aufnahmetechnisch entsprechen sich Interpretation und Klang: bei den Ysayes minimal trockener und transparenter, bei den Via Novas etwas mehr Raum, Bass und Fülle. Für den Fauré auf der Ysaye-Platte ist mein Urteil deutlicher: eher als interessante, aber nicht unbedingt notwendige, da nicht 100 Prozenz überzeugende Alternative zum Beispiel für die hervorragende Aufnahme des Miami String Quartet. Für den Magnard: man sollte beide haben (und wohl noch weitere, so man sie denn bekommt...), denn dieses Stück ist ein absolutes Juwel, das auch nach mehrmaligem Hören nichts von seiner Faszination verliert.


    Viele Grüße,


    Gustav Theodor

    "Nur in der Gesellschaft wird es interessant, Geschmack zu haben."
    Immanuel Kant

  • Meine Erstbegegnung mit diesem Meisterwerk der französischen Spätromantik an der Grenze zur Moderne. Eigentlich wollte ich ihm einen eigenen Thread widmen, aber hier steht schon so viel wertvolles, dass ich es unterlasse und hier weiter schreibe.
    Vieles wurde von den - leider überwiegend abhanden gekommenen - Taminos schon gesagt.

    Das mit 40 min ziemlich umfangreiche 1903 (also zeitgleich mit Ravels Gattungsbeitrag) komponierte Streichquartett bietet von Cesar Franck kommend eine Musik zwischen dem frühen Schönberg (Verklärte Nacht, 1. SQ) und den Impressionisten. Ein üppiges Klangtableau mit vielenVerzweigungen gekennzeichnet durch eine absolut sichere Meisterschaft des Tonsatzes, mit vielen Raffinessen und teils berückenden Momenten. Ich sehe dieses Werk auf der gleichen Höhe wie die Gattungsbeiträge von Ravel und Debussy. Die Interpretation durch das famose - leider seit kurzem aufgelöste - Ysaye Quartett erscheint mir - ohne das ich Alternativen kennen würde - ideal. Die weiter oben erwähnte Einspielung durch das Via Nova Quartett werde ich sicher nicht zu Rate ziehen, da ich mit den dort wohl anzutreffenden Intonationstrübungen zunehmend Probleme habe. Außerdem ist die vorliegende Einspielung derzeit beim Werbepartner sehr günstig zu erhalten.

  • Ich hatte vor etwa zwei Jahren das Quartett schon mal kurz erwähnt. Die CD mit dem Artis Quartett ist aber wohl vergriffen.


    Ich habe keine präzise Erinnerung, aber damals fand ich das Werk deutlich verschieden von Ravel oder Debussy, eher wie einen spätestromantischen Nachfolger Francks. Bei den Sinfonien hat man Magnard ja manchmal mit Bruckner verglichen. Sicher ist nicht gerechtfertigt, dass das Werk nahezu unbekannt ist, aber dass es als eher düsterer Brocken von etwa 40 min nicht den Bekanntheitsgrad von Debussys oder Ravels Quartetten erreicht, wundert mich nicht.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • aber damals fand ich das Werk deutlich verschieden von Ravel oder Debussy, eher wie einen spätestromantischen Nachfolger Francks.


    Ich gebe Dir völlig recht, ein impressionistisches Werk ist das Magnard Quartett keinesfalls, aber man hört schon, dass er einige Techniken der Impressionisten rezipiert hat. Ansonsten steht es m.E. der "deutschen Schule" näher als der französischen. Was ja auch für Franck und seinen Wagnerimus gilt. Die Aufnahme mit dem Artis Quartett würde mich interessieren, da die sich ja sehr intensiv mit dem Schönberg-Kreis auseinandergesetzt haben, aber der derzeit gefragte Preis ist für mich indiskutabel.

  • Im Falle der BÉRÉNICE ist es eine Rundfunkaufnahme aus Montpellier unter Marc Soustrot mit Francoise Pollet und René Massis, deren Beschaffung sich bestimmt für alle lohnt, die sich für diesen verkannten Komponisten interessieren. Leider kann ich hier nur, wie so oft, auf Opera Share verweisen.

    Es gab den Hinweis, dass die Version von 1940 in Montpellier nicht von Marc Soustrot, sondern Jan Latham-Koenig dirigiert wurde.

  • Anlässlich einer Neuaufnahme der Sinfonien Nr 1 und 2 im speziellen Thread


    Albéric Magnard - Die Sinfonien


    ist mir dieser, der allgemeine, Thread über Magnard in Errinnerung gerufen worden und ich füge hier eine - bei Wikipedia veröffentliichte - Liste aller erhaltenen Werke ein

    Werke mit Opuszahl

    • Trois Pièces pour Piano op. 1
    • Suite dans le style ancien op. 2 für Orchester
    • Six Poèmes en Musique op. 3 (Lieder; 1887–90)
    • 1. Sinfonie c-Moll op. 4 (1889/90)
    • Yolande op. 5, Oper (UA 1892; verloren, 2018 rekonstruiert)
    • 2. Sinfonie E-Dur op. 6 (1893)
    • Promenades op. 7 für Klavier (1893)
    • Quintett für Klavier und Bläser d-Moll op. 8 (1894)
    • Chant Funèbre op 9 für Orchester
    • Ouverture op. 10 für Orchester
    • 3. Sinfonie b-Moll op. 11 (1895/96)
    • Guercœur op. 12, Oper (1897–1901)
    • Violinsonate G-Dur op. 13 (1901)
    • Hymne à la Justice op. 14 für Orchester (1901/02)
    • Quatre Poèmes en Musique op. 15 (Lieder)
    • Streichquartett e-Moll op. 16 (1902/03)
    • Hymne à Venus op. 17 für Orchester
    • Klaviertrio f-Moll op. 18 (1904/05)
    • Bérénice op. 19, Oper (UA 1911)
    • Cellosonate A-Dur op. 20 (1909/10)
    • 4. Sinfonie cis-Moll op. 21 (1913)
    • Douze Poèmes en Musique op. 22 (Lieder)

    Werke ohne Opuszahl

    • En Dieu Mon Espérance et Mon Épée pour Ma Défense für Klavier
    • À Henriette, Lied

    Im Tamino Opernführer befindet sich ein Eintrag zu seiner Oper:


    MAGNARD, Albéric: GUERCOEUR


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !