Tschaikowsky-Symphonien-Ranking

  • Nun also ist der große Russe an der Reihe, was unsere Rankings angeht.
    Manche mögen sie für blödsinnig halten, aber haben sie doch immer dazu beigetragen, den jeweiligen Komponisten und seine Werke wieder ins Gespräch zu bringen.


    An der Spitze stehen bei mir klar die V. und VI. etwa gleichrangig. Die ganz späten Bernstein-Aufnahmen sind hier meine Favoriten. Daneben Karajan und hin und wieder durchaus auch Mrawinsky.


    Knapp dahinter rangiert die IV. Die Favoriten sind dieselben wie bei den beiden letzten Symphonien.


    Die relativ selten eingespielten "kleinen" Symphonien stehen im Schatten der späten, doch handelt es sich hierbei um überaus interessante Werke mit bereits unverkennbar eigener Tonsprache. Schon die I. ist ein vollwertiges spätromantisches Konstrukt, das sehr zu gefallen weiß. Ich sehe sie zusammen mit der II. und III. auf einer Stufe. Meine Karajan-Aufnahmen erscheinen mir tadellos.


    :hello:


    P.S.: Es dürfen natürlich auch all diejenigen mitmachen, die nur die drei "großen" Symphonien kennen.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich hätte das vorhin beinahe bei "Was hört ihr gerade..." geschrieben, es passt aber hier.
    Vielleicht weil Walzer angesprochen wurden, legte ich mir etwas leichte Musik auf, Tschaikowsky Streicherserenade und Capriccio italienne. Die Serenade ist ein Stück, das ich noch nicht allzu oft gehört habe und das mir sehr gut gefällt: Eingängig, ohne trivial zu werden, unterhaltsam, nicht allzu schmalzig, wirklich sehr gut gemacht. Das Capriccio war eines meiner Einstiegswerke in die Klassik, ich finde es stellenweise noch ganz hübsch, aber für sein Material viel zu lang und repetitiv.


    Derart ein wenig auf den Geschmack gekommen, hörte ich mir die 5. Sinfonie (Szell) an. Wenn eine einzelne Sinfonie mein Klassikeinstieg gewesen ist, dann sicher diese (wobei die "Neue Welt" vermutlich nur wenig später kam). Die "Pathetique" überforderte mich mit 14,15 ein wenig (oft hörte ich nur den 3. Satz :D), aber die 5. liebte ich komplett. Später war ich des Stücks überdrüssig, habe es jahrelang gar nicht gehört, dachte aber vor ein paar Jahren, dass ich Tschaikowsky wieder neu schätzen könnte.


    Mir gefiel das Stück sicher nicht schlecht. Es ist brillant gemacht, die Einbrüche des "Schicksalsmotiv" in den beiden Mittelsätzen durchaus packend (auch wenn der langsame Satz schon sehr schmalzig und auch zu lang ist), eingängige Melodien, farbig instrumentiert. Das Finale wurde allerdings zum Problem. Ich finde es dramaturgisch unsinnig, dass die Durwendung schon in der breiten Einleitung vorweggenommen wird und dann noch einmal Dramatik (die mitunter in "Western"-Musik abgleitet) heraufbeschworen werden soll, die triumphale Wendung am Ende ist dann natürlich völlig vorhersehbar (und klingt auch "angehängt").


    Insgesamt hatte ich häufig ein ähnliches Gefühl wie wenn man ein Buch, das man als Kind immer wieder verschlungen hat, 10 oder 20 Jahre später wiederliest. Man weiß das Meiste noch ziemlich genau (stellenweise "auswendig"), man kann auch noch ganz gut nachvollziehen, warum man so begeistert war, aber im Grunde ist es halt doch Karl May :D Natürlich ist Tschaikowsky viel besser als Karl May (mir fiel gerade nichts anderes ein), aber die Ähnlichkeit des Erlebnisses war frappierend.


    Dennoch, von der 4. (die ich viel später kennenlernte und an der ich mich nie "überhört" hatte) war ich neulich noch weniger angetan (mein Favorit ist hier das Scherzo).
    (Das "Überhören" kann es daher eigentlich nicht gewesen sein; ich habe die Stücke zwischendurch kaum je gehört und zB Beethovens 5. begeistert mich nach wie vor, obwohl ich sie nur noch selten höre.)
    Jetzt traue ich mich kaum die Pathetique, die ich doch immer für die mit Abstand beste gehalten hatte, wiederzuhören, aus Angst vor Desillusion... :rolleyes:


    Jedenfalls bestätigt sich der Eindruck, den ich vor 5 oder 6 Jahren, als ich die Ballette jenseits der Auszüge zum ersten Mal gehört habe, erhielt: Tschaikowsky ist viel besser, wenn er Serenaden, Ballettszenen und -tänze, Suiten usw. komponiert. Das Pathetische in der 4. und 5. ist für mich plakativ, oft unplausibel und letztlich ermüdend, Scherzi, Valse u.ä. dagegen brillant (wenngleich auch wieder angesichts des in den Ecksätzen beschworenen Pathos, zu "leicht")


    Die Dritte kenne ich ehrlich gesagt überhaupt nicht richtig; die habe ich ein paarmal gehört, aber ich würde sie vermutlich nicht wiedererkennen (was vielleicht auch bezeichnend ist). Die 1. gefiel mir immer gut, weil recht unpathetisch, die 2. ist ein ganz nettes, aber sehr leichtgewichtiges Werk. Momentan kein Wiederhörbedarf (s.o., außerdem habe ich die Box mit der GA verlegt und nur 4-6 zur Hand).


    Daher: 6 - 5 - 1 - 4 - 2 - 3


    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • @Johannes: Ist zwar ein wenig off-topic, aber trotzdem sei mir die Frage gestattet: was hältst Du von den Solo-Konzerten (Klavier-, Violinkonzert, Rokoko-Variationen)?


    Mein persönliches Ranking, um wieder ins Topic zu kommen: 5-6-4-1-3-2


    Die 5. habe ich mal live gehört, im Anschluß an das Violinkonzert mit Hilary Hahn in Düsseldorf. Das war phantastisch - durch dieses unmittelbare Erlebnis ist mein Gefühl für diese Symphonie wieder entflammt. :)

  • Zitat

    Original von Travinius
    @Johannes: Ist zwar ein wenig off-topic, aber trotzdem sei mir die Frage gestattet: was hältst Du von den Solo-Konzerten (Klavier-, Violinkonzert, Rokoko-Variationen)?


    Das Violinkonzert höre ich mir nicht mehr freiwillig an, das rangiert noch unterhalb der Sinfonien, purer Schmalz. Das 1. Klavierkonzert funktioniert, wenn es extrem runtergefetzt wird (Richter/Mravinsky? oder Kondrashin?, weiß nicht mehr genau) und nicht durch breite Tempi noch aufgeblasen; das G-Dur-Konzert kenne ich zu schlecht, habe es als recht ermüdend in Erinnerung, dem würde ich aber nochmal eine Chance geben. Ich besitze Haas' GA in einer Philips-Box (die gerade verlegt ist) und habe vor ein paar Monaten Pletnevs GA der Konzerte gekauft, aber noch nicht gehört. Die Rokokovariationen sind ganz nett, aber auch kein Werk, was ich vermissen würde, wenn ich es nie mehr hören könnte.


    Zitat


    Mein persönliches Ranking, um wieder ins Topic zu kommen: 5-6-4-1-3-2


    Die 5. habe ich mal live gehört, im Anschluß an das Violinkonzert mit Hilary Hahn in Düsseldorf. Das war phantastisch - durch dieses unmittelbare Erlebnis ist mein Gefühl für diese Symphonie wieder entflammt. :)


    live habe ich nur die 6. gehört (Berlin, aber Rundfunkorchester oder ein anderes, nicht die Philharmoniker). Live würde ich mir auch die 4. u. 5. anhören; ich glaube schon, dass das fetzen kann. Aber ansonsten s.o., maximal einmal im Jahr und vielleicht funkt's irgendwann mal wieder, aber ich bin eher skeptisch.


    Auch die Ballette höre ich nicht oft. Aber wenn, bin ich wie heute bei der Serenade, immer positiv überrascht, anders als (jedenfalls teilweise) bei den Sinfonien, allerdings habe ich diese Werke auch noch lange nicht so oft gehört.


    Neulich bei der 4. war danach Rimskys "Capriccio Espagnol" auf der CD, großartig, mitreißend. Ich habe nichts gegen leichteres "orchestral spectacular", aber bei den Tschaikowsky-Sinfonien funktioniert das für mich nicht (mehr).


    :hello:


    JR

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  • Es ist halt auch eine Alters- und Hörerfahrungsfrage. Gerade bei pathetischer Musik kann die Abnutzung bezüglich einst quasi inbrünstig gehörter Werke ausgeprägt sein - das Kennenlernen erfrischend neuer oder noch nicht bekannter traditioneller Spitzeneinspielungen kann auch nur bedingt für Abhilfe schaffen.


    Von daher würde meine Rangfolge im Moment eher so aussehen:


    1 - 2 - 3 - 5 - 6 - 4


    Ich mag die gedämpfte und unpathetische Stimmung der "Winterträume" zur Zeit sehr, höre die Sinfonie öfters, kenne sie auch erst seit ungefähr zwanzig Jahren :untertauch: . Die letzten drei hingegen liegen auf Eis - ist halt so. Dass das keine Aussage zur musikalischen und außermusikalischen Qualität dieser Werke - per se und im Vergleich - darstellt, muss ich wohl nicht auseinandersetzen.


    Die Vierte mochte ich nie - diese leitmotivischen Unisono-Schläge (am Anfang und später) gefallen mir einfach nicht! Für ein Katharsis-Erlebnis wäre ich nicht undankbar, will ich doch, was Musik anbelangt, so offen wie möglich sein und Vorurteile abbauen, wann es nur geht. :yes:


    Übrigens spricht mich auch schon seit langem das zweite Klavierkonzert mehr an als das erste. Und leider muss ich bezüglich des Violinkonzerts Johannes Roehl zustimmen.


    Dennoch: Bewusstes Pausieren kann hier im positiven Sinne entgegenwirken. Nur fürchte ich, dass das bei Tschaikowksy zur Zeit längere Pausen sind als - sagen wir - bei den Holst`schen Planeten.


    :( Manchmal möchte man wieder so alt sein wie Joseph II, ich meine den hier, nicht den echten.


    Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Mein Einstieg in die Symphonien Tschaikowskys war - wenig ungewöhnlich - die Pathetique.
    Ich hörte sie mit Karajan, nachher kam der noch klangschönere späte Bernstein hinzu (mag sein, dass es Kitsch ist, doch übertrifft Kitsch in dieser Qualität nichtkitschiges Mittelmaß bei weitem).
    Mittlerweile höre ich auch Mrawinskys schmerzhafte Lesart sehr gerne, je nach eigner Gemütslage.


    Nach dieser einen Symphonie wandte ich mich erst den Konzerten und Orchesterwerken zu, ehe mich ein im Radio gehörtes Live-Konzert völlig überwältigte.
    Ich hörte es im Auto, mitten im tiefwinterlichen Schneegestöber (womit wir wieder beim Kitsch wären ;)), die Symphonie zog mich völlig in ihren Bann, nach einer beglückenden Hörerfahrung wurde ich in Kenntnis gesetzt, dass es sich dabei um Tschaikowskys Winterträume-Symphonie gehandelt hatte.


    Die Bernstein CBS-Gesamtaufnahme ließ nicht lange auf sich warten, die 1. Symphonie ist hier absolut großartig interpretiert.




    Mit der Zeit kam dann auch noch die Zweite hinzu, die ich mittlerweile ebenfalls sehr schätze, auch die fünfte habe ich in positiver Erinnerung, ohne sie genau zu kennen.
    Bei 3 und 4 gibt es derzeit noch eher auf Vorurteilen basierende Ablehnung, die Vierte erschien mir zu oberflächlich-laut, die dritte belangslos.


    All dies bildet sich dann auch in meiner Rangliste ab, die sich folgendermaßen darstellt:



    6 - 1 -- 2 -- 5 --- 3 - 4

    'Architektur ist gefrorene Musik'
    (Arthur Schopenhauer)

  • Der Umfragen nun wieder mal eine neue.


    Als meine Nr. 1 nenne ich ohne zu zögern die Sinfonie Nr. 5. Von der Nacht zum Licht, könnte man vereinfacht sagen, aber dieses Werk überzeugt in jedem Satz und ist auch von der Dramaturgie einfach spannend. Ich habe die Sinfonie live das letzte Mal im vorigen Jahr mit Gennadi Roshdestwenskij hier in Berlin erlebt und in einem anderen Thread meine Begeisterung kundgetan. Meine Lieblingsaufnahmen sind mit Mrawinski und Furtwängler, nennenswert auch Norrington, Markevich oder Barenboim (mit dem West-East Divan Orchestra).


    Danach auch ohne zu zögern die Nr. 6, Pathetique. Immer wieder erschütternd der Übergang zum 4. Satz: nach dem jubelnden Schluss des 3. Satzes folgt das tragische Ende. Auch hier sind Mrawinski und Furtwängler zu nennen, aber auch Celibidache oder Muti.


    An dritter Stelle, wie kaum anders zu erwarten, die 4. Sinfonie. Ich verstehe manche Vorbehalte, die es gegenüber diesem Werk gibt. Trotz einiger vordergründiger Effekte, z.B. die schmissigen Trompeten am Beginn, den pizzicato-Satz oder im Finale der markante Beckenschlag, mag ich die Sinfonie dennoch sehr, wobei ich die Beschreibung, die der Komponist selbst gab, als recht passend finde und mir die Lösung des Problems gefällt: Vom Schicksal eben nicht einfach zum Sieg, sondern nimm das Leben wie es ist und schau, wie es die anderen machen.


    Bei der übrigen Reihenfolge will ich mich kurz fassen.


    An vierter Stelle die 1. Sinfonie, Winterträume, mit ihren herrlichen Themen, wirklich passend jetzt zur Jahreszeit. Ich habe hiervon nur eine Aufnahme mit Neville Marriner, die mir aber sehr zusagt, weshalb ich es bis jetzt dabei belassen habe.


    Danach die dritte Sinfonie, leider sehr selten gespielt, dabei auch mit wunderschöner Thematik.


    An letzter Stelle die 2. Sinfonie, eigentlich die einzige, zu der ich gar keinen Zugang finde. Das beste daran ist für mich der letzte Satz, aber sonst lässt mich die Musik ziemlich kalt.


    Nicht zu vergessen bei der Aufzählung sollte die Manfred-Sinfonie sein. Ich will sie hier nicht in das Ranking aufnehmen, weil es schwer zu sagen ist, wo sie platziert sein sollte. Es ist nun mal ein unterschätztes Meisterwerk, das Musikwissenschaftler wegen seiner "Formlosigkeit" etwas über die Schulter ansehen. Dabei gelingt es Tschaikowsky die Titelfigur, den in den Alpen ziellos umherirrenden, von Schuld- und Reuegefühlen geplagten Helden, sehr gut musikalisch darzustellen.


    Damit sei von mir alles zu dem Thema gesagt.


    Viele Grüße


    :hello:

    Wenn schon nicht HIP, dann wenigstens TOP

  • Der Thread hat sich ja bereits sehr angemessen interessant entwickelt. Es wurde durchweg vermieden nur eine "Zahlenkombination" abzuliefern !


    Mein erster Kontakt mit Taschaikowsky waren die 60er-Jahre-Aufnahmen der Sinfonien Nr.4 - 6 mit Karajan (DG), die ich auch heute noch höher schätze, als seine späteren.
    Das hat sich bei mir eingebrannt, da kenne ich jede Stelle genau. So soll es sein !
    Im Gegensatz zu JohannesR., den ich andererseits gut verstehen kann, bin ich des Hörens dieser Werke nie überdrüssig geworden. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass ich in den neunziger Jahren bis ca.2003 eine Tschaikowsky-Pause eingelegt habe, die einfach darin zu begründen ist, das andere Komponisten in dieser Zeit vorrangig zu entdecken waren.
    Ich mag den Bombast der 4 ganz gerne und höre mir diesen Wahnsinn auch heute weiter gerne an. Bernstein, Solti und Karajan geben sich die Ehre !
    ((Die Tschaikowsky-KK habe ich auch in der entromantisierenden Pletnev/Fedossejew-Aufnahme-Virgin. Diese sind wirklich hochempfehlenswert - auch das tolle KK Nr.2))


    Ganz hingerissen war ich schon viel früher von einer Eurodisc-Platte (was sonst ?? :D) der Sinfonie Nr.1 Winterträume mit Swetlanow.
    Die Sinfonien Nr.2 und 3 haben mich, genau wie bei fast allen hier, immer weniger interessiert, sind aber mit Swetlanow besser als jede ander Aufnahme ! Nur kanglich sind die Aufnahmen mit Bernstein und Karajan vorzuziehen.


    novesvento möchte ich zustimmen, das es für die Winterträume kaum eine bessere Aufnahme gibt als Bernstein / New Yorker PH (SONY), die natürlich als SONY-GA vorliegt - einfach Super die Tschaikowsky-Sinfonien mit Bernstein zu hören. Auch klanglich sind diese gar nicht so schlecht (wie hier oft geschrieben wurde).


    Joseph hat aber auch recht, wenn er schreibt, dass die Karajan-Aufnahmen (DG) tadellos sind.
    Auch diese GA finde ich überzeugend, aber bei den Sinfonien 5 und 6 müssen es bei mir die (DG, 60er) sein.
    :pfeif: Auch wenn es immer keiner hören/lesen will: Ich finde es sehr gut, dass Karajan bei den Sinfonien Nr.1-3 die noch nicht vorhandene kompositorischen Reife des jungen Tschaikowsky geschickt überspielt und aus den Werken alles rausholt. Sie klingen bei Karajan perfekt !


    Die Solti-Aufnahmen aus Chicago (Decca) der Sinfonien Nr.5 und 6 sind mir, auch nach der Karajan-Prägung, derart ans Herz gewachsen, dass ich diese auf jeden Fall zu meinen Favotiten hinzuzählen möchte. Präziser, rhytmischer und auffwühlender geht kaum. Da hat wohl jeder eine andere subjektive Empfindung.


    Bei der Rang-Reihenfolge möchte ich unbedingt die Manfred-Sinfonie mit einbeziehen, denn die gehört mit dazu ! Und Manfred geht bei mir nur noch mit Swetlanows Aufnahmen bei Melodiya und Warner. Alles Andere ist kalter Kaffee !


    6 - 5 - Manfred - 4 - 1 --- 2 - 3

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Zitat

    Original von teleton
    Joseph hat aber auch recht, wenn er schreibt, dass die Karajan-Aufnahmen (DG) tadellos sind.
    Auch diese GA finde ich überzeugend, aber bei den Sinfonien 5 und 6 müssen es bei mir die (DG, 60er) sein.


    Hallo Wolfgang,


    ich fand bei Karajans "Pathétique" (70er) die Pauken im 3. Satz bereits phänomenal. Ist das in der 60er-Aufnahme wirklich noch besser? Das würde mich neugierig machen, wenn dem so wäre. :D


    Liebe Grüße
    :hello:

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    – Luís de Camões

  • Zitat

    Original von WolfgangZ
    Es ist halt auch eine Alters- und Hörerfahrungsfrage. Gerade bei pathetischer Musik kann die Abnutzung bezüglich einst quasi inbrünstig gehörter Werke ausgeprägt sein - das Kennenlernen erfrischend neuer oder noch nicht bekannter traditioneller Spitzeneinspielungen kann auch nur bedingt für Abhilfe schaffen.


    Bei mir bin ich sicher, dass es nicht an den Interpretationen liegt. Auf LP seinerzeit war es vermutich Roschdestwjenskij (Eurodisc) mit 5 und 6 und diese und die anderen habe ich nur in eher "schlanken" Einspielungen (Markevitch, Fricsay, Szell u.ä.) vorliegen, die gewiß nicht überdurchschnittlich triefen. Die Musik trieft eben ein wenig, das muss man einfach einräumen :D


    Ich höre mir Mozarts g-moll (beide), Beethovens 5. oder die Unvollendete auch nicht mehr sehr oft an. Aber wenn ich es tue, bin ich fast immer begeistert (es sei denn die Interpretation enttäuscht). Es ist bei mir und Tschaikowsky also nicht bloßer Überdruß oder das Pathos, sondern wohl eine spezifische Kombination, die die Gesten und Melodien abgeschmackt erscheinen lässt. Ich habe das schonmal in einem Thread zu einzelnen Sinfonien zu beschreiben versucht. Bei unprätentiösen Stücken wie Streicherserenade oder Nußknacker ist das was anderes (wiewohl man sich an denen vermutlich auch schnell überhören kann, der Zuckergehalt ist einfach zu hoch :D)


    Zitat


    Die Vierte mochte ich nie - diese leitmotivischen Unisono-Schläge (am Anfang und später) gefallen mir einfach nicht! Für ein Katharsis-Erlebnis wäre ich nicht undankbar, will ich doch, was Musik anbelangt, so offen wie möglich sein und Vorurteile abbauen, wann es nur geht. :yes:


    Die Vierte habe ich ebenso wie das Violinkonzert erst zu einer Zeit kennengelernt, als ich Tschaikowsky distanzierter gegenüber stand. Überhört kann ich mich an denen nicht haben, mag sie dennoch nicht. Dagegen hat die 5. ihren Startvorteil ein wenig erhalten können, aber s.o. Dem Konzert sollte ich vielleicht mal wieder eine Chance geben. Aber es ist so ein aufdringlicher Ohrwurm, dass ich Passagen daraus in den Kopf kriege, wenn ich nur dran denke oder darüber schreibe.... :rolleyes:


    :hello:


    JR

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  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • 5 - 6 - 4 - 1 - ( 2 und 3)


    Wobei ich 2 und 3 eher nicht leiden kann, ebenso Teile aus 1 und 4...


    Aber 5 ist eindeutig eine großartige Sinfonie...


    Echt gelungen, wunderbar...


    @ JR:


    Die Streicherserenade ist wirklich großartige Musik, kann aber nicht sagen, dass sie mir besser gefällt als No. 5...
    Da gefällt mir No. 5 einfach zu gut...


    Gruß :hello:

    Komponiert ist schon alles - aber geschrieben noch nicht. (W.A. Mozart)

  • Man darf sich halt nicht irgendwelche tiefgründige Detailarbeiten in den Kompositionen Tschaikowskys erwarten (die sind bei ihm selten und wenn dann gibt es genug andere Komponisten die darin überzeugender sind). Ich höre Tschaikowsky in bestimmten Momenten wenn ich einfach Lust danach habe in eine
    intensiv emotionale Musik einzutauchen ohne mich ständig analytisch darauf konzentrieren zu müssen alles Wichtige mitzubekommen (was diese Musik nicht abwerten soll sondern nur das die Stärken m.M. woanders liegen).


    Tschaikwoskys Stärke ist wie wir wahrscheinlich alle wissen die Melodie, der Hang zur emotionalen Überschwänglichkeit was je nach Geschmack manche gut manche schlecht finden. Mir kommt es vor allem in seinen langsamen Sätzen so vor als würde er sich immer auf eine Art schmalen Grat zwischen rührender Melancholie und
    einem schon ins kitschig ausufernden Pathos bewegen. Für mich ist er aber weder noch sondern irgendwo dazwischen, immer je nach der gewissen Stelle einen kleinen Schritt zu dieser oder jenen Seite. Für mich klingen sie großteils wie Kreuzungen zwischen russischer Melancholie und italienischer Kantabilität.


    Meine Lieblingssinfonie ist die 5
    Die einzige Sinfonie von ihm wo ich alle Sätze liebe. Einfach weil mich die Themen ansprechen, die (bei guten Interpretationen) feurige Impulsivität des Finalsatzes der natürlich nicht mit Effektwirkungen geizt ohne aber jetzt zu sehr in Banalität und Oberflächlichkeit abzugleiten (wie ich es leider bei seinen zuvorgehenden Finali mehr das Gefühl habe) Mag ja sein das das Ende vorhersehbar ist aber bei welcher Sinfonie (bis auf die 6.) ist das nicht der Fall? Es wird ja denk ich mal auch keiner annehmen das er zB beim Finale der 4. aprupt nach euphorisch, triumphalen Emotionen einen tragischen Schluß setzt nur weil er gegen Ende kurz die Schicksals-Fanfaren vom Anfang des 1.Satzes wieder hervorholt (?)
    Was ich mir aber sicher vorstellen kann (was auch allgemein für seine Sinfonien gilt) das sich bei wiederholtem Hören gewisse Übersättigungsmerkmale einstellen, wie so oft wo hauptsächlich Melodik das dominierende Element in der Komposition ist.
    Ich höre deshalb vor allem diese Sinfonie auch ziemlich selten.


    Dann folgt für mich 4
    Das Schlechteste an ihr ist für mich das Finale das ich als ziemlich aufgesetzt, kitschig empfinde (steh nicht so auf Tschimbum-Trara Musik im Militärblaskapellenrythmus)
    Die anderen Sätze mag ich aber auch sehr gern. Vor allem das schöne Seitenthema des 1.Satzes (vorwiegend von den Holzbläsern vorgetragen) aber ich persönlich finde dazu diesen Kontrast des Hauptthemas auch nicht so schlecht. Dem langsamen Satz kann ich auch durchaus was abgewinnen (man darfs halt wie gesagt nicht zu oft hören) und das Pizzicato-Scherzo ist sowieso eine originelle Idee.


    1 wäre bei mir die Nächste.
    Hier ist für mich mit deutlichem Abstand der 1.Satz der Beste (dieses Verspielte, die abwechslungsreiche Rythmik, diverse Kontraste und difiziles Stimmungsspiel wie er das später in seinen Sinfonien leider nicht mehr so in der Art und Weise angwendet hat) , der langsame Satz gefällt mir auch sehr gut und sogar dem Finalsatz kann ich stellenweise etwas abgewinnen, das Scherzo ist für mich eher durchschnittlich.


    Als Nächstes die 6 die nach der 5. das für mich liebste Finale seiner Sinfonien hat. Leider aber können mich die anderen Sätze nicht so ganz überzeugen, noch am ehesten der 1.Satz der auch seine hörenswerten Momente hat. Der 2.Satz klingt für mich aber hingegen eher mehr nach Teeklatsch oder Eiskunstlaufhintergrundmusik. :stumm::untertauch:
    Da hätten zB ein paar scharfe Kontraste nicht geschadet. Der 3.Satz...naja...gabs nicht mal auch so ein ähnliches Thema bei John Williams, irgendwo bei Indiana Jones oder sowas? Irgendwie erinnert es mich an Hollywood-Action-Fantasy-Musik wenn der Held trimphierend auf dem trabenden Pferd sitzt ;)


    Dann wohl 3 O.k. Tschaikowsky hat selbst diese Sinfonie ziemlich geringgeschätzt wie man aus Überlieferungen weiß, aber so schlecht finde ich sie eigentlich nicht (vor allem wenn man mit geringen Erwarungen reingeht :D )
    Ich finde das Scherzo ist zB durchaus hörenswert, verspielt, thematisch auch recht originell. Der langsame Satz hat auch seine schönen Momente - gut manche Übergänge klingen ziemlich abgehakt, aprupt, manche Höhepunkte driften wieder etwas zu sehr ins pathetische ab, aber es gibt doch manche Stellen die mir ziemlich gut gefallen wie zB das Fagott-Thema.


    Die 2 ist bei mir das Schlußlicht - die hab ich mir auch bislang zu selten angehört, weil ich wurde bei keinem der bisherigen Hörversuche warm mit ihr.
    Deswegen kann ich da auch nichts dazu schreiben.


    :hello:
    Thomas

    „Eine Erkenntnis von heute kann die Tochter eines Irrtums von gestern sein.” (Marie von Ebner-Eschenbach)

  • Daß die 4. von den späten Symphonien soweit hinten steht, ist interessant. Ich höre sie mir grad nochmal an (Bernstein, DGG 1989) und muß sagen, daß besonders der 2. Satz wunderbar ist, sehr romantisch und ruhig. Das Scherzo hat auch seine Meriten Der 4. Satz ist natürlich recht plakativ, aber es ist schon noch erträglich, wobei selbst ich zugeben muß, daß ich den Finalsatz der 5. lieber höre als den der 4. (wenn, dann fast nur Bernstein).


    :hello:

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    – Luís de Camões

  • Um eine Symphonie annähernd für sich selbst bewerten zu können ,


    muss man auch bei P I Tschaikowsky mit der entstehungsgeschichte


    den gesamten kulturellen Zusammenhängen sowie dem Notentext vertraut sein .


    Und der jeweilige Autor sollte dann auch in der Lage sein, seine bevorzugten Aufnahmen zu beschreiben aus mehreren Aufnahmen , die ihm geläufig sind .


    Dann spielen die sehr oft zeitbedintgten Erwartungen eine grosse Rolle , die das Publikum an ein Werk wie eine Interpretation hat .


    Dies muss deutlich werden in einem Beitrag .Und wenn sehr eingängige Themen in einer Komposition für dessen Ablehnung der Masstab sind, dann dürften s e h r viele Kompositoonen gar nicht mehr aufgewführt werden !


    Wenn ich z. B. zehn Aufnahmen einer Symphonie habe , dann bleiben nach mehreren Jahren doch in aller Regel meine subjektiven Referenzaufnahmen erhalten . Wobei man die Qualität einer Aufnahme sehr wohl bewerten kann !


    Tschaikowsky- wie auch Brahms - Symphonien finden sich leider verhältnismässig selten in den Konzertabenden ( seit etwa 12- 15 Jahren ) . Dies liegt nicht an den Wünschen des Publimkums , sondern an Modeströmungen zugunsten vor allem Mahlers oders seltsamerweise zugunbsten Bruckners .



    Bei der hier so angegriffenen 4ten Symphnoien lege ich mich auf eine Interpretation fest :


    Leonard Bernstein / New York Philharmonic Orchestra ( CBS ; LP ).


    Diese Aufnahm eist auch auf CD erhältlich .


    Die 6te Symphonie höre ich seit Jahren bevorzugt durch Carlo Maria Giulini ( EMI ) und sdem Livemitschnitt bei BBC Legends ..
    Markevitch find eich interessant .
    Missglückt finde ich b e i d e Bernsteininterpretationen ( die Aufnahme mit dem extrem langen Schlussatz entstellt auch noch die Kernaussage Tschaiskowskys in diesem Satz ! ) .


    Bei der 5ten bin ich bis heute nicht sicher, welche zwei oder drei Aufnahmen ich aussuchen würde . Eine schöne Symphonie, die bewegt , aber auch bewegend ist .


    Zu Tschaikowsky insgesamt könnte man einen langen Artikel schreiben. Abere s gibt sehr treffende Kernaussagen zu seiner Musik , ihm selbst natürlich , seiner Stellung innerhalb der russischen Kompositionen und in ihrem Verhältnis zu nicht - russischen Kompositionen .


    Und wen ich vorigen Woch bei tamino-klassikforu,at lesen muss , dass jemand sich über das b-Moll-Klavierkonzert "eingehend" äussert , aber das 2te Klavierkonzert gar nicht kennt , dann.............



    Frank

    Frank Georg Bechyna
    Musik & Medizin

  • Zitat

    Original von Joseph II.
    Daß die 4. von den späten Symphonien soweit hinten steht, ist interessant. Ich höre sie mir grad nochmal an (Bernstein, DGG 1989) und muß sagen, daß besonders der 2. Satz wunderbar ist, sehr romantisch und ruhig. Das Scherzo hat auch seine Meriten Der 4. Satz ist natürlich recht plakativ, aber es ist schon noch erträglich, wobei selbst ich zugeben muß, daß ich den Finalsatz der 5. lieber höre als den der 4. (wenn, dann fast nur Bernstein).


    :hello:


    Vielleicht müsste man - dem Wert gedanklich-formaler Geschlossenheit zum Trotze :D - alle Einzelsätze in eine Rangfolge bringen. Dann würde der von Joseph genannte Satz IV/2 vielleicht deutlich weiter oben rangieren oder auch der originelle Fünf-Viertel-Walzer aus der Pathetique. Bei mir wäre das so ...


    Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Hallo,


    ich kann Hammel nur beipflichten, die Fünfte ist wirklich eine großartige Sinfonie und besonders höre ich sie gerne von einem Spitzenorchester. Sehr gelungen Solti mit dem CSO, Bernstein mit seinen New Yorkern und der Hammer Gergiev mit den Wienern, der für mich die Zerrissenheit und Gefühle von Tschaikowsky am besten zum Ausdruck bringt.


    Als GA kommen HvK und Pletnev sowie bei 4,5,6 Roshdestnewsky, vielleicht auch Mravinsky in die engere Wahl. Die 6. hat Günter Wand mit dem NDR-SO hervorragend eingespielt.


    Also: 5-6-4-3-2-1.


    Grujß Gerlach


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Das Oboensolo am Anfang des 2. Satzes der Vierten mag ich besonders gerne, vor allem ist es auch für einen Klarinettenanfänger leicht nachzuspielen. Schön, wenn es sehr "verschleppt" gespielt wird (ich glaube, es heißt "rubato" [1]), es gibt eine DGG-Aufnahme mit Bernstein, da ist es sehr ausgeprägt.


    Oder doch nicht Rubato? Das Spiel wird ja verlangsamt, aber meines Erachtens nicht wieder aufgeholt.

  • Nochmal ein Versuch:


    5 — 6 — 3 — 4 — 2 — 1


    Grad die Polnische (Nr. 3) gefällt mir neuerdings ausnehmend gut. Der Finalsatz ist ein besonderes Ereignis. Es gibt da ein Video mit Gergijew, das die Karajan-Aufnahme bei weitem übertrifft.

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    – Luís de Camões

  • Ich auch:
    Die liebste ist mir die 5. Vor allem der urgewaltige Schluss, den hier letztens jemand als sinnlosen Bombast o.s.ä. bezeichnet hat. Ich liebe das.


    Dann kommt Manfred, soweit er überhaupt in die LIste gehört. Herrlich episch, lyrisch, mythisch, mystisch, feierlich..


    Dann die 4. mit ihrem Ideenreichtum, der Experimentierlus und den fröhlichen Pizzicati.




    Der große Abstand ist nicht versehentlich:
    die 1.


    die 6.


    und 2 und 3, da habe ich nie Zugang gefunden.


    Tschö
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.