Das Alter...

  • Sagitt meint:


    Einer dieser Ausnahmefälle war Karl Erb, über den Rilke bereits in den zwanziger Jahren schrieb, und der 1941 mit Ramin die Matthäus-Passion machte, als 65zig Jähriger. Die Stimme ist ein wenig"steif", aber noch voll "da".


    Oftmals sind die Sänger bemerkenswerter, die wirklich auf dem Höhepunkt ihres Schaffens abtreten, wie Maria Ivogün oder Lisa della Casa.

  • Dazu gehört eine Menge Selbstkritik und Selbstdisziplin. (Und auch eine gewisse finanzielle Unabhängigkeit oder Vorsorge, damit man sich das leisten kann.) Und da fängt es an - es ist nicht so, dass selbst wenn man merkt, dass man seinen Zenit überschritten hat, ein ordentliches Honorar zu einem Argument wird, sich selbst einzureden, dass jetzt die Stimme zwar nicht mehr rund und schön ist, aber nun eine charaktervolle Nuance erhalten hat, die man dem Publikum nicht vorenthalten kann?

    mit freundlichen Grüßen
    Martina
    Auf dem Rohre taugt die wonnige Weise mir nicht!

  • Sagitt meint:


    Teilweise ist es traurig, zu hören, wie jemand so gar nicht die Grenze seines Tuns erkennt.


    Beim dem Jahrhundertsänger Fischer Dieskau gibt es neben viel Licht auch viel Schatten. Zu lange, zu oft Partien, die ihm nicht entsprachen.

  • Lieber sagitt,
    zitieren wir zu Karl Erb doch mal einen der garantiert etwas von Gesang versteht:
    "Noch nach der Vollendung seines 70. Lebensjahres stand er auf dem Podium oder machte Aufnahmen, deren Ausdrucksreichtum zu bewundern bleibt". Zitiert aus Fischer-Dieskaus Buch "Auf den Spuren der Schubert-Lieder".
    Man höre sich einmal die Aufnahme von Schuberts "Die Liebe hat gelogen" an, 1937 aufgenommen, da war Erb 60 Jahre alt.

  • Was geschieht bei einer alternden Stimme?


    Durch gezieltes Training lässt sich der Alterungsprozess der Stimme hinauszögern.
    Und doch unterliegt auch die Stimme dem Alterungsprozess, der ihre Leistungsfähigkeit einschränkt. Physiologisch gesehen sind hierfür zwei Phänomene bedeutsam:
    Das die Kehlkopfmuskulatur haltende Knorpelgerüst des Kehlkopfes verknöchert zunehmend und verliert dadurch an Elastizität. Zudem reduziert sich die Belastbarkeit und Flexibilität der Schleimhaut. Besonders die Schleimhaut auf den Stimmlippen muss für eine gute Stimmfunktion beweglich und robust sein.


    Einschränkungen der stimmlichen Leistungsfähigkeit können bereits ab fünfzig Jahren deutlich in Erscheinung treten.
    Welches sind typische Alterserscheinungen der Stimme?


    - eingeschränkte Lungenfunktion wirkt sich auf Atemführung und Tonhaltedauer aus.
    - Abschlaffen von Muskeln und Gewebe führt zu Intonationsschwierigkeiten.
    - Veränderung des Gehörs führt ebenfalls zu Intonationsschwierigkeiten (sekundär).
    - Nachlassende Spannfähigkeit der Stimmlippen führt zu Verlust der Höhe.
    - Die Geläufigkeit der Stimme nimmt ab.
    - Stimmumfang wird geringer.
    - Dynamische Modulationsfähigkeit nimmt ab. Vor allem im Piano wird die Lautstärkeregelung schwierig.
    - Registerübergänge treten stärker hervor.
    - Die Stimme wird schwächer, kraftloser, weniger belastbar, schneller müde, matter,instabil, brüchig.
    - Das Vibrato hat oftmals die Tendenz zum Tremolo.


    A und O für die Gesunderhaltung der Stimme bis ins hohe Alter ist eine gute und richtige Atmung. Der Atem liefert der Stimme die Energie. Vom Luftstrom des Ausatmens werden im Kehlkopf die Stimmlippen zum Schwingen angeregt.
    Mit dem Ein- und Ausatmen ist eine periodische An- und Abspannung verbunden.
    Durch eine gute Atmung ermöglicht man es den Stimmlippen, optimal zu arbeiten.
    Gut ist hier im Sinne von natürlich gemeint:
    Die Luft strömt ein, dabei flachen sich die beiden Zwerchfellkuppeln ab. Dieses
    Absenken des Zwerchfells bewirkt, dass sich die Bauchdecke nach vorne wölbt. Der gerade Bauchmuskel entspannt sich.
    Dadurch, dass sich die Lungenflügel mit Luft füllen, hebt sich der Brustkorb und dehnt sich nach allen Seiten hin aus.


    (Claudia Rübben-Laux)

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  • Zitat

    Original von Basti
    Da fällt es dann also noch schwerer, ansichts seines mittlerweile desaströsen Organs objektiv zu bleiben :pfeif:, oder nicht?


    Sorry, dass ich aus der Diskussion mal grad aussteige, aber bin ich der einzige der sich am "desaströsen Organ" stört? Sicherlich mag Domingos stimme sicherlich ein paar Verschleißerscheinungen aufweisen, aber wenn ich nach der Karriere (mit samt seinen Fehlern) in diesem Alter noch so singen könnte, würde ich mich glücklich schätzen. Ich bin der Meinung, dass Domingo noch manch jüngeren Tenor in die Tasche steckt.

  • Zitat

    Original von WotanCB


    Sorry, dass ich aus der Diskussion mal grad aussteige, aber bin ich der einzige der sich am "desaströsen Organ" stört? Sicherlich mag Domingos stimme sicherlich ein paar Verschleißerscheinungen aufweisen, aber wenn ich nach der Karriere (mit samt seinen Fehlern) in diesem Alter noch so singen könnte, würde ich mich glücklich schätzen. Ich bin der Meinung, dass Domingo noch manch jüngeren Tenor in die Tasche steckt.


    Nein, lieber Wotan, du bist nicht der einzige. Zuletzt habe ich hin im ersten Akt Walküre in Hamburg gehört, das war vor drei Jahre und ich kann nur sagen: Hut ab!!! Sicherlich kein junger Spund mehr, aber von desaströs meilenweit entfernt.


    Ich störe mich übrigens auch an:


    Zitat

    Tja, da wäre es doch prima gewesen, wenn sie in Düsseldorf geblieben wäre großes Grinsen .


    Lieber Basti! Ich bin jedenfalls heilfroh, dass Hildegard Behrens den Sprung in die große Karriere geschafft hat, nicht nur ihretwegen, sondern auch meinetwegen, verdanke ich ihr doch zwar wenige, dafür aber bleibende Opernerlebnisse.


    :hello: Gustav

  • Zitat

    Original von WotanCB


    Sorry, dass ich aus der Diskussion mal grad aussteige, aber bin ich der einzige der sich am "desaströsen Organ" stört? Sicherlich mag Domingos stimme sicherlich ein paar Verschleißerscheinungen aufweisen, aber wenn ich nach der Karriere (mit samt seinen Fehlern) in diesem Alter noch so singen könnte, würde ich mich glücklich schätzen. Ich bin der Meinung, dass Domingo noch manch jüngeren Tenor in die Tasche steckt.


    Das sehe ich auch so. Natürlich klingt er nicht mehr wie ein Vierzig- oder Fünfzigjähriger, aber ich finde ihn für sein Alter immer noch höchst erstaunlich und es ist schon sensationell, wenn man nach so langer Zeit des aktiven Singens immer noch mit eine weitgehend intakten Stimme aufwarten kann.


    :hello:
    Jolanthe

  • Ich denke, dass ältere Sänger, wenn Sie auf der Bühne stehen, den jüngeren noch immer die Show stehlen können.


    Klar ist Domingo kein "Spring-Chicken" mehr, allerdings hat er eine derartige Ausstrahlung, dass man für einen Abend mit ihn noch immer die aktuell hochgejubelten jüngeren Tenöre links liegenlassen kann (zuletzt sah ich ihn live bei seinem 40-jährigen Bühnenjubiläum an der Wiener Staatsoper, wo er einen famosen letzten Otello-Akt von sich gab; der Siegmund war so-so..).


    Ich denke da auch an Agnes Baltsa, Gruberova, Anja Silja und nicht zuletzt auch an Franz Grundheber oder Raimondi, die alle schon über 60 (oder 70) Jahre alt sind.


    Aber wie gesagt - das sind die live-Erlebnisse wo man diese Künstler nicht nur hört, sondern auch sieht und teilweise sogar spürt. Plattenaufnahmen sind in diesem Alter meistens da nicht mehr so angesagt, weil da einfach die Persönlichkeit nicht mehr so rüberkommt und man eher geneigt ist, sich "nur noch" auf die Stimme zu konzentrieren.

    Hear Me Roar!

  • Hihihi..."desaströses Organ", ich schätze mal Bübchen Basti wäre froh, wenn er ein Gran der vokalen Power eines Plácido Domingo hätte. Da muss ich doch wirklich grinsen...wer ihn in den letzten vier, fünf Jahren live hat singen hören, der hörte sicher nicht mehr den Domingo von vor zwanzig, dreißig Jahren, aber er hört einen wunderbar musikalischen, immer noch klar und kraftvoll singenden Tenor....er selbst hat nie behauptet, durch den "Boccanegra" nun zum Bariton mutiert zu sein...,der die meisten der Jungen nicht nur in die Tasche steckt, sondern sie wahrhaft "alt" aussehen lässt. Zudem kann ihm, was Bühnenpräsenz und Gestaltungskraft angeht, kaum einer auch nur das Wasser reichen.


    LG
    Fides :jubel: :jubel: :jubel:

    La vita è bella!

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  • Nun, wir wollen dem lieben Basti ja nicht den Neid der Besitzlosen unterstellen, eher ihm vielleicht eine gewisse Flapsigkeit konzedieren, die sich mit den Jahrzehnten hoffentlich in eine noble Milde wandeln wird - in der Sache kann ich nicht finden, daß es gerecht wäre, von einer Stimme in jedem Alter das Gleiche erwarten zu wollen. Domingo als junger Tenor mit schon damals baritonalen Neigungen (da kommt er ja schließlich her) hätte sicher auch irgendwie den Boccanegra gesungen, aber um die wissende Stimme zu bekommen, die man für eine zufriedenstellende Gestaltung gerade dieser Partie benötigt, benötigt man wohl auch Lebenserfahrung und eine gewisse geistige Abgeklärtheit. Das Gleiche gilt übrigens für Partien wie den Boris Godunow (den singt auch kein junger Spunt) oder den Don Quichotte.


    Desaströs ist das Wort, das ich bei gereiften Männerstimmen fast nie, bei überständigen Sopranen allerdings häufiger gebrauchen würde - ich nenne jetzt mal keine Namen fast nur noch kreischender abgesungener Diven. Die von Dreamhunter angeführten Baltsa und Silja gehören sicher nicht dazu, weil sie ihr Repertoire im Laufe der Jahre klug angepaßt haben und dann doch immer noch, selbst in kleineren und kleinsten Rollen (man denke an Martha Mödl in Pique Dame) mit ihrer vokalen und darstellerischen Leistung einer Produktion ein unverwechselbares Gesicht geben. Ergo: in der Beschränkung zeigt sich auch hier der Meister!


    Grüße!


    Honoria

    "...and suddenly everybody burst out singing"
    Busman's Honeymoon

  • Um mal zurück zur Sache zu kommen: Ich schätze, dass das von Basti beschriebene Phänomen auch damit zu tun hat, dass man als Männer stimme auch später zur Bühne finden kann. Sprich: Ein Sopran wird mit Anfang 30 kaum auf der Bühne noch durchstarten können. Die muss dann schon ihre Bühnenerfahrung gesammelt haben. Männerstimmen haben es da einfacher, da sie mit 30 meistens einen recht schönen Kern bekommen, der sich bis 40, 50 auch noch ausprägen wird. So kann man als Bariton, Bass auch später gross in Erscheinung treten und wirkt damit im Buisness auch jünger.


  • :jubel: :jubel: :jubel:

    Freundliche Grüße Siegfried