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In diesem Jahr wird Sir Charles Mackeras 85. Und doch ist er alles andere als greisenhaft. Fast jugendlich wirkt er, wenn man die Interviews anlässlich seiner neuen Einspielung der Sinfonien Mozarts anschaut und anhört. Und diese Vitalität spiegeln auch seine Aufnahmen wieder.
Charles Mackerras wurde am 17. November in Schenectady, im US-Bundesstaat New York geboren. Er wuchs auf in Australien, studierte und spielte Oboe in Sydney. In London studierte er Dirigieren und kam dann durch einen Zufall an ein Stipendium nach Prag, wo die gemeinsame Zeit mit Václas Talich bestimmend für Mackerras wurde.
Charles Mackerras wurde nie ein Mainstream-Star. Und doch war und ist er ein wichtiger Inspirator für die Musik, der an mehreren Stellen Schwerpunkte gesetzt und entscheidende Impulse gegeben hat, z.B. seine Aufführungen des Opernwerkes von Leos Janacék, seine Einspielungen von Händels Messias, der Operetten von Gilbert und Sullivan.
Über seine in Deutschland nahezu unbekannten Einspielungen der Symphonien von Johannes Brahms heißt es in einem Artikel:
ZitatPhilologischer Ehrgeiz prägte auch seinen Umgang mit der Musik von Händel, Mozart, Brahms und anderen: Zurück zu den Quellen! Mackerras’ (in Deutschland kaum bekannte) Aufnahmen der Brahms-Sinfonien und -Serenaden orientieren sich nicht nur an der Uraufführungsbesetzung der ersten und vierten Symphonie mit nur 49 Musikern. Er studierte außerdem die Aufzeichnungen des vom Komponisten hoch geschätzten Dirigenten Fritz Steinbach. Zuvor hielt Mackerras Brahms für einen auch in Tempofragen strengen Klassizisten, im Gegensatz zu Wagner, der große Freiheiten propagiert habe. Steinbachs Analyse belehrte ihn eines Besseren, weshalb seine Brahms-Deutungen mit dem Scottish Chamber Orchestra nicht nur wunderbar schlank und transparent, sondern auch erstaunlich frei und lebendig daherkommen.
Als bahnbrechend gilt seine Gesamtaufnahme der Symphonien Mozarts mit dem Prager Kammerorchester in den 80er Jahren: eine temporeiche und kraftvolle Einspielung, die gleichzeitig viele Feinheiten und Details hörbar macht.
Wolfgang Amadeus Mozart:
Symphonien Nr. 1-41
+Symphonien KV 19a, 45b, 73l, 73m, 73n, 75, 111b
Prager Kammerorchester, Charles Mackerras
Telarc , DDD, 1986
Zurzeit entsteht eine neue, von den Rezensenten stark beachtete Gesamteinspielung der Mozart-Symphonien mit dem Scottish Chamber Orchestra. In einer Rezension fand ich die folgende Einschätzung dazu:
ZitatMackerras gilt als ausgewiesener Fachmann für Mozart, was er in diesen Aufnahmen (einmal mehr) unter Beweis stellt: Verspielt und doch kraftvoll und präzise kommen diese wichtigen Sinfonien Mozarts daher. Als Klangkörper agiert das SCO wie schon beim Vorgängeralbum als historisch-informiertes Hybrid-Ensemble: Eigentlich auf modernen Instrumenten musizierend, wird es von historischen Bläsern ergänzt. Denn mehr als die Wahl der Instrumente, interessiert sich Mackerras für den authentischen Klang, den die Aufnahme ergibt. Und so viel ist sicher: Am (authentischen) Orchesterklang der brillant aufspielenden Schotten ist auf jeden Fall nichts auszusetzen, ebenso wenig an Mackerras schlüssiger, detailreicher, spannungsgeladener Deutung. Es ist immer wieder überraschend, was Mackerras alles an kleinen Nuancen herausarbeitet (etwa im Andante der vermeintlich ‘kleinen’ Sinfonie No. 32), die dank des glasklaren Klangs der Aufnahmen auch deutlichst beim Hörer ankommen. Stellenweise hat man wirklich das Gefühl, man hört die Sinfonien, die einem doch so vertraut sind, (wieder) zum ersten Mal, so neu, so überwältigend klingen sie hier.
Ich finde es sehr beeindruckend, dass jemand in diesem hohen Alter nicht nur inspirierend wirkt, sondern auch noch selber so offen ist für neue Inspirationen und Abenteuer.
In einer der vielen Lobreden über Mackerras heißt es bezeichnend:
ZitatBis heute ist er einer der ganz wenigen Dirigenten, die treffsicher CD-Meilensteine produzieren. Dass es je wieder Dirigenten geben wird, die sich auf so unauffällige Weise in den Olymp dirigieren, ist zu bezweifeln.
Freundliche Grüße von Andrew