ein Grund mag wohl sein, daß zumindest Tintner und Skrowaczewski nicht so "langweilig" empfunden werden, wie Du es gerne suggerieren möchtest. (...)
Soll heißen: Bei allem Verständnis für Deine Begeisterung und Deine Protektion für bestimmte Dirigenten gebietet es in meinen Augen der Respekt, andere Dirigenten nicht pauschal abzuqualifizieren.
Völlig klar - jeder soll kaufen und hören, was er möchte, aber das Forum dient doch dem Austausch von Gedanken. Und das sind nun mal meine Gedanken zum Thema "Welche Bruckner-Aufnahme sollte man kaufen und welche sollte man lieber im Geschäft lassen, selbst wenn sie einem noch so billig angeboten wird?". Ich bin insofern ein etwas "gebranntes Kind", als ich mir tatsächlich den gesamten Zyklus mit Skrowaczewski und dem RSO Saarbrücken in Einzel-CDs gekauft habe, als diese vor ein paar Jahren bei jpc für sehr wenig Geld verramscht wurden. Natürlich ist es nur mein ganz persönlicher Höreindruck gewesen, den ich ich damals beim Durchhören der CDs hatte, aber ich habe mich schon sehr über diese von mir als überaus langweilig und nichtssagend empfundenen, im Klang übrigens merkwürdig wattigen Aufnahmen geärgert. Selbst wenn ich damals nur 2,99 € pro CD (bzw. 4,99 pro Doppel-CD) bezahlt habe, addierte sich das dann doch auf ein gewisses Sümmchen und mir war klar, dass ich das Geld lieber anderweitig hätte ausgeben sollen. Bis auf die Jugend-Sinfonie f-moll und die "Nullte" (weil dort die Orchesterfassung des Adagios aus dem Streichquintett F-Dur beigegeben ist) sind all diese Saarbrückener Aufnahmen flugs im Marketplace gelandet - zum Glück bin ich sie alle losgeworden.
Die Qualitäten von Simone Young und ihrem Orchester kann ich insoweit beurteilen, als ich sie hier vor der Haustür habe und (sicherlich ebenso wie Du) aus dem Operngraben kenne. Das ist nun mal alles nicht annähernd mit den Berliner oder Wiener Philharmonikern zu vergleichen (weshalb ich mir Orchesterkonzerte seit Jahren fast nur noch in Berlin anhöre. Und wenn ich in Hamburg bleibe, dann gehe ich zum NDR-Sinfonieorchester, nicht zu den Philharmonikern). Warum sollte man sich also Simone Youngs Bruckner-CDs aus Hamburg kaufen (zumal diese noch nicht einmal billig, sondern im Gegenteil sehr teuer sind)?
Mit dem Vergleich Wand/Tintner hast Du insofern Recht, als ich mir damals tatsächlich nicht die Aufnahmen mit dem Kölner RSO angeschafft habe. Wäre es bei diesem Zyklus geblieben, hätte es also nie Bruckner-Aufnahmen von Wand mit Spitzenorchestern gegeben, wäre ich wahrscheinlich nie zum Wand-Fan geworden. Da es diese Aufnahmen aber nun einmal ab der Sinfonie Nr. 3 gibt, möchte man natürlich dann auch die ersten beiden Sinfonien mit Wand haben. Und da bleibt einem nun mal nichts anderes übrig, als die Kölner Aufnahmen zu kaufen. Ab der Sinfonie Nr. 3 aber bitte nur noch Sinfonieorchester des NDR, Berliner Philharmoniker, Münchener Philharmoniker usw.
Parallele zu Tintner: wenn er erst einmal herausragende Bruckner-Aufnahmen mit erlesensten Klangkörpern herausgebracht haben sollte und es gibt dann eine "Lücke", werde ich diese vielleicht dann - neugierig geworden - mit einer dieser Billig-Aufnahmen von Naxos mit schottischen, irischen und neuseeländischen Orchestern schließen. Bis dahin frage ich mich aber: warum um alles in der Welt soll ich mir ein Orchester aus Neuseeland, von dem ich noch nie anderweitig etwas gehört habe, ausgerechnet mit einer Bruckner-Sinfonie zu Hause auf CD anhören, wenn es doch gerade hier eine solch unglaubliche Auswahl von Aufnahmen mit absoluten Spitzenorchestern gibt?
Man kann das auch noch etwas weiter verallgemeinern: mir tut es oft in der Seele weh, wenn ich die Leute am Samstag bei Zweitausendeins in Hamburg sehe, die sich Beethoven-Sinfonien oder Verdi-Opern mit irgendwelchen Orchestern aus Teneriffa, Alaska oder Nowisibirsk kaufen, welche von irgendwelchen no name-Dirigenten geleitet werden. Der einzige Grund für diese Kaufentscheidung ist der Preisaufkleber: "1,99 €" - und schon geht dieser Ramsch über die Ladentheke. Welche Chance wird dort vertan, offenbar noch recht unerfahrene Klassikeinsteiger, die die Erstanschaffung eines Werks tätigen möchten, mit einer besseren Einspielung für das jeweilige Werk zu begeistern.