Der Dirigent Wilhelm Furtwängler - unvergänglich?

  • Wenn ich sehe, dass Siegfried nun ne 9. von 1937 "ausgegraben hat, dann frage ich mich, wo es denn ne verbindliche Diskographie mit Bewertung geben könnte?
    Dr. Willem soll ja live sehr von schwankender Qualität gewesen sein. DA würde es schon helfen, Tipps zu erhalten, einfach um Fehklkäufe zu vermeiden.
    Ein Beispiel:
    Ich habe CDs aus der Maestro Serie und noch ein paar bei Music and Arts erstanden.
    Bei M&A gib es ne Eroica von 1953, auf der Maestro Serie ist eine von 1944 dabei (Zitiert am PC; nicht nachgeschaut)
    Die Maestro Aufnahme ist klar besser, wenn auch schlechter klingend.
    Bei M&A gehen mir die Tempomodifikationen im 1. Satz völlig auf die Nerven, bei der 1944 Aufnahme gibt es diese abgemildert auch, ich finde sie organisch und wunderbar.


    Gruß S.

  • Empfehlen kann ich dieses Buch von John Ardoin:



    Eine kommentierte Diskographie aller bis ca. 1992 bekannten Furtwängler-Aufnahmen samt Einführung in die Philosophie und Werkauffassungen Furtwänglers.


    :hello:


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • Bedingt durch die damals noch unbefriedigende Klangtechnik habe ich mich wenig mit Furtwängler-Aufnahmen beschäftigt.
    In meiner Kindheit und Jugend versuchte mein Vater mir, einige Aufnahmen näher zu bringen, was leider durch die mir damals schon wichtige Klangqualität und die für mich damals noch zu schwer zu hörenden Werke ( z.B. Brahms-Symphonie Nr.1) nicht von Erfolg gekrönt war.


    Vor Jahren hörte ich zufällig im Radio eine Furtwängler-Aufnahme und entdeckte eine Menge von Eigenheiten, die ich nicht nachvollziehen konnte.


    Heute abend jedoch hatte ich ein musikalisches Erlebnis, dass ich mit Sicherheit im Leben nicht vergessen werde:


    Die mir sehr bekannten Haydn-Variationen von Johannes Brahms habe ich mir erstmalig in einer klangtechnisch ganz erträglichen Furtwängler-Aufnahme ohne Unterbrechung angehört.


    Das bei mir sehr seltene Ergebnis:
    Ich war derart innerlich bewegt, dass ich eine Stunde lang nicht in der Lage war, zu meiner Frau irgendetwas dazu zu sagen, ohne von Tränen überwältigt zu werden.
    Warum das so kam, verstehe ich immer noch nicht....bin nicht so dicht am Wasser gebaut.


    Dabei hatte es noch normal angefangen: Wie immer hörte ich genau hin und bemerkte sofort, dass diese Live-Aufnahme es von der Perfektion des Zusammenspiels etc. her keineswegs mit den Jahrzehnte später entstandenen Aufnahmen anderer bekannter Dirigenten aufnehmen könnte. So werden manche Hemiolen (2 gegen 3 ) vom Orchester nicht immer rhythmisch so exakt bewältigt, wie es sein sollte.
    Ich kann auch nicht sagen, ob manche Tempobeschleunigungen ( die Variation fängt langsamer an als sie endet) Absicht waren oder eher der Livesituation zuzurechnen sind.
    Manchmal wunderte ich mich auch über einige Streicher"Intonationsschleifer", die schon fast an kleine Glissandi erinnern.


    Jedoch wurde ich zunehmend von einer enormen Musikalität des Musizierens gepackt, eine Art zutiefst erfülltes, durch Innenspannung, Wärme und Feuer beseeltes Musikerleben stellte sich bei mir ein.
    Da ist irgendwie ein Funke übergesprungen, der mein musikalisches Erleben entzünden konnte.


    Ich könnte nun versuchen, da etwas detailliert zu erklären, aber das will ich nicht, denn ich bin mir sicher, dass es beim Furtwänglerischen Musizieren Dinge gibt ( oder besser gesagt gab), die sich -Gott sei Dank- einer nüchternen Analyse entziehen.
    Letztendlich bleibt ein beträchtlicher Rest von Unwissenheit darüber, wie die Aufnahme dieses Dirigenten bei mir solch eine Wirkung hervorrufen konnte.
    Wie hätte ich es wohl erlebt, wenn ich im Konzertsaal dabeigewesen wäre? Das muss noch viel stärker gewesen sein.


    "Das ist es! So sollte man in Wahrheit Musizieren" habe ich zum Schluss nur noch denken können.
    Ich meine damit nicht unbedingt jedes fachliche Detail dieser Aufführung, sondern die für mich selbst bei dieser alten Aufnahme immer noch spürbare musikantische Spontanität und dieses leidenschaftliche "Hineingehen" in die Musik.
    Dabei ist keine emotionales Strohfeuer gemeint, sondern der Eindruck einer ernst und wahrhaftig empfundenen und durchaus auch durchdachten Musik.
    Als Hörer wurde ich in die Musik "hineingenommen" und konnte die darin enthaltende lyrische Elemente von Phrasen und Melodien mitempfinden.
    Es ist sehr schwer, solche Dinge in Worte zu fassen, und ich erwarte auch nicht, dass das jeder versteht und wenigstens gedanklich nachvollziehen kann, wovon ich hier schreibe.
    Ich bin mir sicher, dass Furtwänglers Aufnahmen zukünftig vermehrt ihren Weg in meine Sammlung finden werden. Wenn ich diesen Live-Mitschnitt noch einmal hören würde, würde ich wohl nicht mehr derart intensiv emotional reagieren.
    Die Erinnerung an ein starkes Hörerlebnis wird jedoch bleiben.


    Nach einer gewissen Erholungszeit habe ich heute abend noch ganz kurz einige der mir bekannten Orchesteraufnahmen dieses Werkes angespielt, aber ich konnte sie nach diesem Brahms/Furtwängler-Erlebnis einfach nicht weiterhören.
    Es fehlte mir diese Dimension des Beseelten, hingabevollen Spiels, die ich bei Furtwänglers Aufnahme aus mir nicht vollständig erklärlichen Gründen erleben konnte.
    Mir erschienen Einspielungen, die ich sonst sehr mochte, auf einmal irgendwie fad und uninspiriert zu wirken.


    Um also auf den Titel des Threads zu antworten:
    Jede Art des Musizierens ist von der Natur der Sache her sehr vergänglich, aber Furtwänglers Musizierhaltung verdient es, aufgrund ihrer Einzigartigkeit, auf Tonträgern weiterhin gehört zu werden - so lange, wie es Tonträger geben wird.
    Im diesem Sinne: Unvergänglich? JA


    :hello:
    Glockenton


    Nachtrag: habe gerade einen Link gefunden, den ich Furtwängler-Interessierten gerne weitergebe:


    "http://www.youtube.com/watch?v=TTLm8EsC2KU"

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Lieber Glockenton!


    Das ist ein wirklich schöner, weil sehr persönlicher Beitrag, der genau ein Problem bei Furtwängler deutlich macht. Wie kann man sich diesem Phänomen sprachlich nähern?


    Mir geht es da genau wie dir. Ich hantiere dann mit Begriffen wie Demut, der Musik dienen, Seele der Musik erblühen lassen, ein Kunstwerk im Augenblick quasi neu erschaffen, Mysterium und ähnlichen Blüten. Wohl wissend, dass es nicht den Kern trifft. Vielleicht ist es doch eher diese Ernsthaftigkeit, diese Hingabe, dieses selbstvergessene Eintauchen. Aber all das zeichnete und zeichnet andere Dirigenten auch aus.


    Oder ist es die Gesamtheit und zudem diese gänzlich zeitenthobene Haltung der Musik gegenüber? Furtwängler war für mich immer ein großer Zeitenfremder, jemand, der eigentlich nicht in das 20. Jahrhundert gehörte. Vielleicht macht ihn das so unabhängig von Zeitströmungen, von Moden, vielleicht ist er deshalb so anders und so aktuell.


    Jedenfalls wünsche ich dir noch viele ähnliche Erlebnisse mit ihm. Übrigens, welche Haydn - Variationen waren es? Die mit dem NDR oder welche aus Berlin?


    :hello: Gustav

  • Lieber Gustav,


    es waren die mit den Berlinern...


    Du hast da zwei Dinge gesagt, die ich hervorherben möchte:


    "Ein Kunstwerk im Augenblick quasi neu erschaffen"


    Genau so habe ich es auch empfunden.
    Es kam mir irgendwie so faszinierend aus dem Augenblick vor, ein bisschen so, als ob das Orchester sozusagen aus dem Moment heraus diese Musik erfindet/entwickelt, obwohl es ja "nur" bekannte Noten spielt.
    Ich bin mir sicher, dass sich Furtwängler auch Räume für eine Art Interpretations-Improvisation freihielt.
    Allerdings ist es m.E. schon bedeutsam, dass man sich das Werk ( in diesem Fall die Variationen) in einem Stück hintereinander wie im Konzert anhört, um Ähnliches zu erfahren.
    Irgendwo meine ich gelesen zu haben, dass Furtwängler einem Schallplattenproduzenten die Einspielung einer Symphonie unter der Voraussetzung zusagte, dass man ihm erlaube, alles hintereinander wie ihm Konzert aufzunehmen.
    Im Gegensatz zu Karajan war er ja kein Freund der Technik.


    Dann hast Du von


    "dieser gänzlich zeitenthobenen Haltung der Musik gegenüber" gesprochen.


    Auch wenn Du es anders gemeint hast, so kann man diesen Ausdruck möglicherweise sogar direkt musikalisch anwenden.
    Es soll vorgekommen sein, dass er beim Abhören einer eigenen Aufnahme bemerkte, dass dies überhaupt nicht das Tempo gewesen sei, dass er bei der Aufnahme dirigiert habe.


    Ich habe heute einmal angefangen, über diesen Dirigenten ein bisschen zu recherchieren.
    Er hatte lt. Celibidache ja sein ganz eigenes Zeit- und Tempogefühl.
    Dieser berichtet in seinem Text über Furtwängler " wie ein Leuchtturm"
    dass der Herr Doktor (wie er sich gerne ansprechen liess) auf die Frage "wie schnell geht das" im Hinblick au eine bestimmte Passage antwortete: "Ach, es hängt davon ab, wie es klingt"
    Also, nicht das Tempo bestimmt, wie es klingt, sondern wie es klingt, bestimmt das Tempo.
    Da steckt eine Welt tiefen musikalisches Erkennens und Empfindens dahinter, selbst wenn der Satz augenscheinlich recht banal klingen mag.


    Aber das sind auch nur schwache Erklärungsversuche, die letztlich überhaupt nicht greifen. Man muss diese Dinge schon selbst hören und und musikalisch erleben.


    Zitat

    Jedenfalls wünsche ich dir noch viele ähnliche Erlebnisse mit ihm


    Vielen Dank! Und Dir wünsche ich von Herzen dasselbe :)


    :hello:
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Zitat

    Original von Glockenton
    "Ein Kunstwerk im Augenblick quasi neu erschaffen"


    Genau so habe ich es auch empfunden.


    Das ist wohl auch der Grund, warum zwei Interpretationen Furtwänglers desselben Werkes nie gleich klingen. Er war wohl auch zu sehr Komponist im Herzen (eigentlich seine Präferenz), als das er dieses Mitfühlen (viel zu schwaches Wort) mit dem Komponisten hätte verhindern können in diesem Moment. Es waren für ihn ebenl keine abgeschlossenen Kunstwerke, sondern sie mussten jeden Abend neu erschaffen werden (immer strikt im Geiste des Komponisten), um sie wirklich zur Geltung, zum Erblühen kommen zu lassen. Dieses Erschaffen oder wie du es nanntes Erfinden ist wirklich ein ganz zentraler Begriff bei hm.


    Zitat

    Es kam mir irgendwie so faszinierend aus dem Augenblick vor, ein bisschen so, als ob das Orchester sozusagen aus dem Moment heraus diese Musik erfindet/entwickelt, obwohl es ja "nur" bekannte Noten spielt.


    Sehr schön gesagt. Und ich glaube Furtwängler hätte geantwortet: "Dann habe ich ja erreicht, was ich wollte." ;)


    Zitat

    Allerdings ist es m.E. schon bedeutsam, dass man sich das Werk ( in diesem Fall die Variationen) in einem Stück hintereinander wie im Konzert anhört, um Ähnliches zu erfahren.


    Völlig richtig. Nur in der Gesamt- und in der Geschlossenheit öffnet sich das Kunstwerk (hätte Fu wohl gesagt) und zwar das Kunstwerk des Komponisten und das des Dirigenten.


    Zitat

    Irgendwo meine ich gelesen zu haben, dass Furtwängler einem Schallplattenproduzenten die Einspielung einer Symphonie unter der Voraussetzung zusagte, dass man ihm erlaube, alles hintereinander wie ihm Konzert aufzunehmen.


    Schumann 4. Sinfonie bei der DGG erschienen. Und wenn man das Endergebniss hört (übrigens in Stereo) hat er absolut recht.


    Zitat

    Also, nicht das Tempo bestimmt, wie es klingt, sondern wie es klingt, bestimmt das Tempo.


    Natürlich eine grausliche Vorstellung für alle HIP - Dirigenten. Und es ist wirklich eine Gratwanderung. Hier muss dazu dann natürlich ein musikalisches Ethos kommen, eine Verantwortung dem Werk gegenüber, damit keine Willkür entsteht.


    Zitat

    Vielen Dank! Und Dir wünsche ich von Herzen dasselbe smile


    Ich danke dir. Ich hatte die zum Glück schon häufiger. Furtwängler ist eigen, oftmals fremd und wirklich ungewohnt. Aber wenn man es schafft, sich richtig auf ihn einzulassen (dazu gehören übrigens auch seine Schriften), dann öffnet sich einem ein Kosmos.


    Viel Spaß (eigentlich wirklich das völlig falsche Wort) dabei.


    :hello: Gustav

  • Im WDR lief gestern abend in der Reihen "Zeitzeichen" ein Beitrag zum 125. Geburtstag von Wilhelm Furtwängler:


    25. Januar 1886 - Geburtstag des Dirigenten Wilhelm Furtwängler
    Von Christoph Vratz

    Zitat

    „Herr Ka.“ war ihm nie geheuer. „Wenn’s drauf ankommt, dann ist da nichts“, schreibt „Fu“, wie ihn das Berliner Publikum gern nannte. „Herr Ka.“ - Herbert von Karajan - und „Fu“ - Wilhelm Furtwängler - waren Kollegen, Kontrahenten und Vertreter zweier unterschiedlicher Dirigenten-Generationen.


    Furtwängler war stets eine streitbare Figur. Als Jahrhundertdirigent verehrt, zum Mythos stilisiert und als vermeintlicher Staatsdiener des Hitler-Regimes abgestempelt, war er stets ideale Zielscheibe für Apologeten und Beckmesser. Die Furtwängler-Rezeption wurde über Jahrzehnte zum Schlachtfeld erbitterter Interessenskonflikte.


    Furtwängler selbst lebte lange in der Illusion zum großen Komponisten berufen zu sein, und er war überzeugt, dass die Kunst bessere Menschen mache. Unzweifelhaft sein musikalisches Vermächtnis, das für viele immer noch als Messlatte dient.


    Den gesamten Beitrag gibt es auch als podcast:
    http://gffstream-5.vo.llnwd.ne…zeichen_20110125_0920.mp3


    +++++++++++++++++


    Das Gesamtwerk auf CDs erscheint in diesem Monat bei Membran:



    Zitat

    Diese 107 CDs umfassen sämtliche Werke, die Furtwängler für die Schallplatte oder „live“ für den Rundfunk aufgenommen hat. Liegen von einem Werk mehrere Versionen vor, (so gibt es z. B. von Beethovens „Eroica“ 12 Einspielungen!) so wurde für diese Sammlung die schönste oder die beste oder die aufregendste Interpretation ausgesucht. Zahlreiche Bonus-CDs und -Tracks stellen zusätzlich Alternativaufnahmen in Ausschnitten vor.


    So bringt diese Edition von seiner allerersten (Webers „Freischütz“-Ouvertüre aus dem Jahr 1926) bis zu seiner letzten Aufnahme (Wagners „Walküre“ aus 1954) z. B. alle Beethoven- und Brahms- Symphonien, Wagners kompletten „Ring“ aus Rom, die berühmten Symphonien von Schubert, Schumann, Bruckner und Mozart, die Salzburger Mitschnitte des „Don Giovanni“, der „Zauberflöte“ und des „Figaro“, den Mitschnitt aus Bayreuth der „Meistersinger“ und, und, und …


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Auch die EMI wird nac h meinen Informationen den Furtwängler-Ring neu herausbringen.
    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Erst in der letzten Zeit bin ich zu einem ausgesprochenen Furtwängler-Fan geworden. Meine frühen Begegnungen mit Aufnahmen dieses Dirigenten wurden ähnlich getrübt wie es auch schon Andere viel weiter oben beschrieben haben. Da war zum einen mein Vorbehalt gegen Mono-Aufnahmen und zum anderen habe ich bei den ersten wahllosen Annäherungsversuchen nicht gerade die besten Interpretationen erwischt und desshalb Furtwängler für mich erst mal ad acta gelegt. Dann habe ich nach und nach so einige berühmte Aufnahmen kennen und schätzen gelernt, wie Mahlers Gesellen Lieder mit Dieskau, den Tristan oder Beethovens 5. KK mit Fischer. Ach ja, und das Bartok Vl.Konzert mit Furtwängler/Menuhin gehörte überhaupt schon früh zu meinen Lieblingsaufnahmen.
    Aber erst viele Jahre später, d.h. in den letzten Monaten habe ich Furtwängler wirklich für mich entdeckt. Letztes Jahr begann es mit dieser CD

    auf der ich beide Aufnahmen großartig fand. Ausserdem bietet diese sogenannte "harmonic balancing" Technik, die Music&Arts hier beim Remastering verwendet erstaunlich klare Klangfarben, wie ich sie bei Aufnahmen dieses Alters bisher nicht gehört habe. Da es bei Music&Arts in der gleichen Technik remasterte Bruckner Aufnahmen gibt habe ich mir die als Bruckner-Fan dann bestellt.

    Leider ist die Box in Deutschland auf normalen Wege nicht mehr zu bekommen, als ich sie bestellt habe hatte jpc sie noch im Programm. Jetzt habe ich sie nur bei Amazon USA (Amazon.com) gefunden, nicht bei Amazon.de. (Nachtrag: komisch der Link mit der ASIN Nr. führt jetzt doch zu Amazon.de - na umso besser)
    Da auch diese Bruckner Aufnahmen mich begeistert haben, mußte ich nun zuschlagen als EMI gerade diese neue Box zum Schleuderpreis herausgebracht hat.

    Enthalten sind die Nachkriegsaufnahmen der Beethoven Sinfonien, Brahms Sinfonien, Vl. Konzerte von Mendelssohn, Brahms, Beethoven (alles Menuhin), 5. Beethoven-Klavierkonzert Edwin Fischer, der Fidelio, Tristan und einige kleinere Sachen.
    Ich höre mich gerade durch diese Box und fast jede Aufnahme ist mir eine Offenbarung.

    Dabei hatte es noch normal angefangen: Wie immer hörte ich genau hin und bemerkte sofort, dass diese Live-Aufnahme es von der Perfektion des Zusammenspiels etc. her keineswegs mit den Jahrzehnte später entstandenen Aufnahmen anderer bekannter Dirigenten aufnehmen könnte. So werden manche Hemiolen (2 gegen 3 ) vom Orchester nicht immer rhythmisch so exakt bewältigt, wie es sein sollte.
    Ich kann auch nicht sagen, ob manche Tempobeschleunigungen ( die Variation fängt langsamer an als sie endet) Absicht waren oder eher der Livesituation zuzurechnen sind.
    Manchmal wunderte ich mich auch über einige Streicher"Intonationsschleifer", die schon fast an kleine Glissandi erinnern.


    Jedoch wurde ich zunehmend von einer enormen Musikalität des Musizierens gepackt, eine Art zutiefst erfülltes, durch Innenspannung, Wärme und Feuer beseeltes Musikerleben stellte sich bei mir ein.
    Da ist irgendwie ein Funke übergesprungen, der mein musikalisches Erleben entzünden konnte.


    Diese Beschreibung Glockentons kann ich 100% nachvollziehen; es ging mir mit den bisher gehörten Aufnahmen der Box ganz ähnlich. Es handelt sich ja durchweg um "mainstream"-Repertoire und damit um Werke, die ich zwar sehr schätze aber auch so oft gehört habe, daß ich sie kaum noch hören mag. Da hör ich bei Neueinspielungen dann mal rein und denke, aha so macht Paavo Järvi jetzt Beethoven, ja wirklich nicht schlecht, und wie macht er jetzt den Satz im Vergleich zu Dirigent XY, aha naja ganz interessant.


    Ganz anders jetzt bei den Beethoven Sinfonien mit Furtwängler. Auf einmal packt mich die Musik wieder, als würde ich Beethoven zum ersten Mal hören, auf einmal habe ich wieder das Gefühl, hier geht es wirklich um etwas.


    Heute morgen hörte ich die Pastorale. Vielleicht gibt es langsamere Aufnahmen, diese ist jedenfalls eine der langsamsten die ich je gehört habe, aber schon nach den ersten Takten mußte ich wirklich jedem Ton gebannt lauschen und habe nie eine spannendere Einspielung gehört.


    Im Gegensatz zu manchen Einschätzungen in diesem Thread würde ich Furtwängler als sehr präzisen Dirigenten beschreiben. Ich meine seine Wirkung besteht aus dieser Kombination von emotionaler Spannung und Präzision. Auch wer Furtwängler als Dirigenten breiter Tempi einschätzt irrt. Für die von mir genannte Pastorale trifft es zwar überwiegend zu, allgemein sind es aber eher teilweise extreme Tempi in beide Richtungen. Die in der Box enthaltende Mozart g-moll Sinfonie rennt beispielsweise so mancher HIP-Einspielung im Tempo davon.


    Von den enthaltenen Brahms Aufnahmen habe ich bisher nur die 2. Sinfonie gehört. Auch hier wieder das Gefühl als würde eine intensive Spannung und Konzentration der Musiker auf mich überspringen. Die in und auswendig gekannte Sinfonie scheint mir plötzlich eine neue Erfahrung. Das hat schon lange keine Aufnahme mehr so geschafft.


    Gruß aus Freiburg
    Byron

    non confundar in aeternum

  • In diesem Thread habe ich mich bisher - obwohl ich Furtwängler-Fan durch und durch bin - bewusst noch nicht zu Wort gemeldet, weil ich nicht wusste, wo ich anfangen soll mit dem Schreiben (welches bei mir unweigerlich ins Schwärmen ausufert: s.bummer hat mal nicht zu Unrecht formuliert, dass ich beim Thema Furtwängler nicht diskursfähig sei). Aber eines möchte ich dann doch sehr gern loswerden: ich freue mich, dass es so viele Taminos gibt, die Furtwängler ebenfalls verehren und seine Aufnahmen sammeln. Und irgendwann überwinde ich auch mal meine "anfängliche Schreibblockade" und mische hier in diesem Thread munter mit :)
    Beste Grüße
    Swjatoslaw

  • Habe heute bei JPC gesehen was es da für Aufnahmen mit Wilhelm Furtwängler gibt sogar alle
    seine Plattenaufnahmen.
    Ich persönlich habe sehr viele Aufnahmen von ihm, bin aber kein
    so arg großer Freund von diesen Boxen!
    Ich finde es dennoch toll wie diese Verehrung für ihn anhält!
    Das beeindruckt mich sehr! :)
    Wieviele Dirigenten gibt es denn die zwar nicht so großartig wie er waren aber schon sehr
    lange in Vergessenheit sind!
    Deswegen ein großes Hoch auf Wilhelm Furtwängler zum 125.Geburtstag und auch auf
    seine FAN GEMEINDE!
    :jubel:

    mucaxel

  • Dank Swjatoslaws Tipps habe ich mir nun in der Tat mal einen individuellen Beethoven-Zyklus unter Furtwängler zusammengestellt, bestehend ausschließlich aus Live-Aufnahmen mit den von mir bevorzugten Orchestern, den Wienern und Berlinern, und im Falle der Neunten mit dem Philharmonia Orchestra; alles Aufnahmen zwischen 1947 und 1954 (also sehr späte, und im Falle der 1. sogar seine allerletzte) und möglichst von Labels, mit denen ich vom Remastering her bisher nur gute Erfahrungen gemacht habe (Tahra, Music & Arts, Orfeo, DG, EMI). Ich denke, ich werde versuchen, diese Aufnahmen in den nächsten Monaten alle recht günstig meiner Sammlung hinzuzufügen:



    Symphonie Nr. 1
    Berliner Philharmoniker
    Berlin 19.09.1954



    Symphonie Nr. 2
    Wiener Philharmoniker
    London 03.10.1948



    Symphonie Nr. 3 "Eroica"
    Wiener Philharmoniker
    Wien 30.11.1952



    Symphonie Nr. 4
    Wiener Philharmoniker
    München 04.09.1953



    Symphonie Nr. 5
    Berliner Philharmoniker
    Berlin 27.05.1947



    Symphonie Nr. 6 "Pastorale"
    Berliner Philharmoniker
    Berlin 25.05.1947



    Symphonie Nr. 7
    Wiener Philharmoniker
    Salzburg 30.08.1954



    Symphonie Nr. 8
    Wiener Philharmoniker
    Salzburg 30.08.1954



    Symphonie Nr. 9
    Philharmonia Orchestra
    Luzern 22.08.1954


    Ich habe möglichst nur CDs ausgewählt, wo jeweils lediglich die von mir gewollte Symphonie drauf ist. Dies ließ sich bis auf zwei Ausnahmen auch durchziehen: Auf der CD mit der 6. ist auch die 5. vom 25. Mai 1947, also zwei Tage vor dem Konzert, auf welches die DG zurückgreift; von daher eine interessante Ergänzung und zu Vergleichszwecken spannend. Von der 2. gibt es ja bekanntlich überhaupt nur eine einzige Aufnahme (Gott sei Dank wenigstens eine!), und die ist nur in Kombination mit einer Studioaufnahme der 4. aus Wien (01.-03.12.1952) erhältlich. Sei's drum.


    P.S.: Tahra brachte die 9. aus Luzern vor kurzem als SACD neu heraus. Die Tonqualität soll, glaubt man Rezensionen, nochmal gesteigert worden sein. Ich bin gespannt!


    P.P.S.: Stimmt es eigentlich, daß die Tonqualität gerade bei der 2. so zu wünschen übrig läßt? Ich fand auf die Schnelle auch nur die Aufnahme von EMI selbst, keine Alternative.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Lieber Swjatoslaw,


    warum so zurückhaltend. Wenn Dir zum Schwärmen zumute ist dann tue Dir keinen Zwang an und lasse Deinen Gefühlen freien Lauf.
    Ehrliche Begesiterung steckt an und animiert zum Kennenlernen des Umschwärmten. Wilhelm Furtwänger hat für zahlreiche Aufnahmen auch die höchste Anerkennung verdient. Außerdem war er ein bewundernswerter universeller Geist. Vielleicht beruht darauf sein Mythos.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Hallo, Operus!


    Nach Herbert Ernst Groh lege ich nun die erste CD meines gerade erworbenen "Rings" unter Wilhelm Furtwängler auf. Klangmäßig ist das "Rheingold" immerhin zufriedenstellend. Aber das Dirigat: So sollte sich Wagner anhören.



    Gruß Wolfgang

    W.S.


  • Lieber Joseph,
    auf der von Dir verlinkten DG-CD, auf der sich auch das Violinkonzert mit Wolfgang Schneiderhan befindet, befindet sich eine Studio-Aufnahme der Fünften aus dem Funkhaus Masurenallee in Berlin vom 27. Mai 1947. Sie wird oft fälschlicherweise als ein Live-Mitschnitt aus dem Titania-Palast in Berlin vermarktet. Einen solchen Live-Mitschnitt der Fünften aus dem Titania-Palast gibt es tatsächlich, allerdings entstand dieser am 25. Mai 1947 und ist nicht auf der von Dir verlinkten DG-CD drauf. Ich besitze beide Versionen (live 25.5.1947 als Teil der 13 CD-Box von Audite; die Studioversion vom 27.5.1947 habe ich auf der genannten DG-CD) und rate dringend zur Live-Version vom 25. Mai 1947. Dieser Konzertmitschnitt entstand beim ersten Konzert, das Furtwängler nach dem Zweiten Weltkrieg mit den Berliner Philharmonikern gab (bzw. endlich wieder geben durfte) und besitzt daher nicht nur hohen künstlerischen, sondern auch zeitgeschichtlichen Wert. Demgegenüber fällt das, was zwei Tage später im sowjetisch besetzten Sektor im dortigen Funkhaus aufgenommen wurde, dann doch etwas ab. Da Du den "echten" Live-Mitschnitt bei der Tahra-CD mit der "Pastorale" gleich mitgeliefert bekommst, könntest Du Dir den Erwerb der DG-CD sparen.


    Um ganz korrekt zu sein, noch folgende Anmerkung: im Funkhaus Masurenallee sollen sich nach den mir zur Verfügung stehenden Quellen während der Aufnahmen auch Zuhörer mit im Raum befunden haben, denen man die Anwesenheit erlaubte. Es bleibt dessen ungeachtet aber eine Studio-Aufnahme. Zumindest handelt es sich um keinen Konzertmitschnitt. Und um einen Live-Mitschnitt aus dem Titania-Palast schon gar nicht.


    Die edititorischen Angaben auf der DG-CD muss man sich übrigens auf der Zunge zergehen lassen. Es heißt dort: "Aufnahme 1947 / 1953 Titania-Palast Berlin". Das ist insofern richtig, als das Violinkonzert mit Schneiderhan 1953 im Titania-Palast in Berlin aufgenommen wurde (genauer gesagt am 18. Mai 1953). Und wenn man den Schrägstrich zwischen 1947 und 1953 als Trennungsstrich interpretiert, bezieht sich die Ortsangabe "Titania-Palast" nur auf die Jahreszahl 1953, mithin nicht auf die 1947 im Studio entstandene Fünfte.


    Eine andere Frage ist natürlich, ob man die DG-CD angesichts ihres geringen Kaufpreises (als ich sie erwarb, kostete sie gerade mal 2,99 €) nicht zumindest wegen des Violinkonzerts mit Schneiderhan anschaffen sollte (Furtwänglers letzte Einspielung dieses Werks; in früheren Versionen spielten Erich Röhn und Yehudi Menuhin den Solopart). Aber Deine Vorgaben, lieber Joseph ("ausschließlich Live-Aufnahmen"; möglichst keine Koppelung mit anderen Werken als den Beethoven-Sinfonien), sind hier zweifach nicht erfüllt.


    @ operus
    Danke für Deine ermunternden Worte :)
    Herzliche Grüße
    Euer Swjatoslaw

  • Lieber Swjatoslaw,


    danke für die schnelle Reaktion!


    Die Sache mit dem angeblichen Live-Konzert vom 27. Mai 1947 kam mir schon seit langem nicht ganz koscher vor. Danke für die freundliche Aufklärung. Ich besitze diese DG-CD ohnehin schon (als einzige der gezeigten Aufnahmen), von daher spielt das jetzt keine Rolle; sie war wirklich sehr günstig. So schlecht finde ich die Aufnahme übrigens mitnichten: Ich zähle sie eher zu meinen bevorzugten Interpretationen. Das mit den Zuhörern würde einige Huster erklären. Kein Wunder, daß ich sie für einen Konzert-Mitschnitt hielt. Gerade von einem solch renomierten Label wie der DG würde man hier schon mehr Sorgfalt erwarten. Wie gespannt bin ich jetzt auf die "echte" Live-Aufnahme vom 25. Mai, die ja ohnehin auf der Tahra-CD mit der 6. dabei ist! :D


    Eine weitere Frage würde ich an der Stelle an dich richten, sofern du mir helfen kannst: Befindet sich auf jener Box von Audite nicht noch eine Aufnahme der 5. vom 23.05.1954? Und wenn ja: Wie schätzt du diese im Direktvergleich zu der sieben Jahre älteren Aufnahme ein? Denn ich liebäugelte evtl. auch mit dieser, wohl klanglich mit am besten dokumentierten Aufnahme.


    Apropos: Ich habe zwischenzeitlich (youtube sei Dank) in die 2. von 1948 reinhören können. Sie ist klanglich schon grenzwertig, aber "noch ausreichend", würde ich sagen. Ich denke, der Rest der von mir ausgesuchten Aufnahmen klingt deutlich besser. Bin gespannt, ob irgendwann und irgendwo noch ein anderer Mitschnitt der 2. unter Furtwängler auftaucht. Schon fast merkwürdig, daß auch die 1. viel öfter vorliegt, nämlich offensichtlich gar sechsmal.


    Liebe Grüße
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • guten morgen,


    ich habe mir den film (taking sides ) angesehen und möchte mir nun 1-3 CDs mit furtwängler kaufen - welche beethoven oder bruckner aufnahmen wäre den für mich empfehlenswert ? ich weiß, dass ich klanglich nicht viel erwarten darf - aber vielleicht gibt es einigermaßen gut remasterte aufnahmen ?


    gruss


    kalli

  • … ich weiß, dass ich klanglich nicht viel erwarten darf -
    aber vielleicht gibt es einigermaßen gut remasterte aufnahmen ?

    Die gut remasterten Aufnahmen werden »die Jüngsten« sein …
    da wo er immer langsamer wurde …


    Bei dem Label »AUDITE« gibt es da ein günstiges Angebot; allerdings nicht für 2,
    sondern ein Paket mit 13 CDs von Furtwängler sowie dazu einige andere hörenswerte …


    Nachzusehen unter
    http://www.audite.de/de/news/2…ngler_feiern_sie_mit.html

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

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  • Wenn die Tahra-SACD der Neunten mit dem Philharmonia Orchestra aus Luzern von 1954 wirklich so überragend in allen Belangen ist, werde ich sie mir jetzt wohl endlich mal zulegen. Der ausschlaggebende Punkt ist für mich einfach, daß hier das Philharmonia Orchestra spielt, daß 1954 sowieso auf seinem Höhepunkt war und mit dem Furtwängler ja bereits 1952 den Tristan eingespielt hat, der ja absolut herausragend ist. Damals war ja auch noch Dennis Brain (Solo-Hornist) im Orchester, der eine unglaubliche Ausstrahlung auf die übrigen Musiker ausgeübt haben muß.


    Gruß,
    Agon

  • Eine weitere Frage würde ich an der Stelle an dich richten, sofern du mir helfen kannst: Befindet sich auf jener Box von Audite nicht noch eine Aufnahme der 5. vom 23.05.1954? Und wenn ja: Wie schätzt du diese im Direktvergleich zu der sieben Jahre älteren Aufnahme ein? Denn ich liebäugelte evtl. auch mit dieser, wohl klanglich mit am besten dokumentierten Aufnahme.


    Generell kann ich zu der Audite-Box mit sämtlichen Live-Aufnahmen, die der RIAS von Furtwänglers Berliner Konzerten mit den Berliner Philharmonikern mitgeschnitten hat (Zeitspanne: vom ersten Nachkriegsauftritt Furtwänglers mit "seinem" Orchester am 25. Mai 1947 bis zum Todesjahr 1954, das mit zwei Konzerten vom 27. April und vom 23. Mai dokumentiert ist),

    eine uneingeschränkte Empfehlung aussprechen. Mich kostete die Anschaffung eine gewisse Überwindung, denn von allen Aufnahmen fehlte mir lediglich die Concertante Musik für Orchester op. 10 von Boris Blacher - ein nicht einmal 10-minütiges Werk. Alle anderen Mitschnitte besaß ich bereits in anderen Editionen. Aber die klangliche Aufbereitung von den Originalbändern des RIAS (nicht von irgendwelchen privaten Mitschnitten der Rundfunkübertragung) lässt alle früheren Editionen schnell vergessen. Wer auf optimales Remastering Wert legt, ist hier also gut bedient. Und ich habe meinen allein wegen des Blacher-Werks getätigten Einkauf einer 12 CD-Box (plus Bonus-CD: Furtwängler spricht über die Kunst der Interpretation) nie bereut.


    Zu Deiner Frage, lieber Joseph: Die Box beginnt mit dem Konzert vom 23. Mai 1947 (= CD 1) und endet mit dem Konzert vom 23. Mai 1954 (= CD 12). Beide Konzerte hatten exakt dasselbe Programm: vor der Pause die Beethoven-Sinfonie Nr. 6, nach der Pause die Beethoven-Sinfonie Nr. 5. Da Furtwängler im Mai 1954 bereits massive Probleme mit seinem Gehör hatte, ziehe ich persönlich den 1947er Mitschnitt vor. Furtwängler war 1954 einiges langsamer unterwegs (Nr. 5 - 32:38 1947, 34:35 1954; Nr. 6 - 42:24 1947, 44:37 1954). Wie berückend er trotz seiner beginnenden Ertaubung dirigierte, weißt Du, denn Du schätzt ja den 1954er Mitschnitt der Neunten - völlig zu Recht - als überragend ein. Zur Tonqualität: der 1954er Mitschnitt der Fünften hat ein stärkeres Grundrauschen als der 1947er, besitzt aber eine deutlich bessere Differenziertheit des Klangs (man kann beinahe schon von "Quasi-Stereo" sprechen).


    ich habe mir den film (taking sides ) angesehen und möchte mir nun 1-3 CDs mit furtwängler kaufen - welche beethoven oder bruckner aufnahmen wäre den für mich empfehlenswert ?


    Mach' den Furtwängler-Einstieg am besten mit der Neunten von Beethoven sowie der Fünften und der Achten von Bruckner. Alle drei Werke dirigiert Furtwängler so dermaßen überragend, dass es Dich vom Stuhl hauen wird. Bei der Achten würde ich diese Aufnahme hier wählen:

    Bei der Fünften favorisiere ich den Live-Mitschnitt aus Berlin vom 28. Oktober 1942 mit den Berliner Philharmonikern: das ist der helle Wahnsinn, was Furtwängler dort insbesondere im Finale gemacht hat. Der Salzburger Mitschnitt vom 19. August 1951 mit den Wiener Philharmonikern ist demgegenüber "zahmer".


    Bei der Neunten von Beethoven: von der Tonqualität her Luzern 1954. Von der mitreißenden Interpretation her: Berlin 22.-24. März 1942 (nicht zu verwechseln mit Berlin 19.4.1942: dieser Mitschnitt ist zwar auch sehr gut, aber nicht ganz so intensiv wie der Mitschnitt vom März 1942). Bei dieser Neunten habe ich das Gefühl, als spielten sämtliche Orchestermusiker auf ihren Stuhlkanten. So als ginge es um ihr Leben. Ein intensiveres Musizieren ist nicht mehr denkbar. Die Neunte von Beethoven aus dem März 1942 ist für mich nicht nur die beste Furtwängler-Aufnahme überhaupt und nicht nur die beste Beethoven-Aufnahme überhaupt. Sondern sie ist für mich die beste Aufnahme, die überhaupt jemals gemacht wurde.
    Herzliche Grüße
    Swjatoslaw

  • Lieber Swjatoslaw,


    vielleicht wird es dann doch die Audite-Box, zumal man die 1954er Aufnahmen einzeln schwer bekommt, und wenn die Tonqualität bei Audite zudem noch besser ist, spricht wenig dagegen, da auch interessante andere Sachen dabei sind.


    Liebe Grüße dir, allen Furtwänglerianern und denen, die es noch werden wollen
    :hello:

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • vielleicht wird es dann doch die Audite-Box, zumal man die 1954er Aufnahmen einzeln schwer bekommt, und wenn die Tonqualität bei Audite zudem noch besser ist, spricht wenig dagegen, da auch interessante andere Sachen dabei sind.


    Furtwänglers Beethoven bekommst Du mit dieser Box zwar nicht komplett, aber als Grundstock für den weiteren Aufbau einer Furtwängler-Sammlung ist die Audite-Box ideal. Zumal sie bei Amazon mit 33,97 € gerade sehr günstig zu erwerben ist. Nutze am besten diesen Link zum Bestellen

    dann hat Alfred wieder was in der Tamino-Kasse (der Vergleichspreis von jpc: 44,99 €). Als ich mir die Box angeschafft habe, musste ich noch knapp 70 € auf den Tisch des Hauses legen.
    Herzliche Grüße
    Swjatoslaw

  • Wenn ich das richtig sehe, ist auch die "Eroica" mit auf der Box, sogar zweimal. Praktisch, so könnte man sich auch hier die Einzelaufnahme sparen. Und auch ein paar Wagner-Werke, was mich freilich auch interessant.
    "Bedenken will ich's: wer weiß, was ich tu'! " ;)


    Liebe Grüße

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Richtig, die "Eroica" gibt's zweimal, ebenso Beethovens Sinfonien 5 und 6, Brahms' 3. und Schuberts "Unvollendete".


    Auch als "nicht uneingeschränkt Furtwänglerianer" kann ich die Box bedenkenlos empfehlen.

    Grüße aus der Nähe von Hamburg


    Norbert


    Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten.

    Gustav Mahler


  • 1Lieber Swjatoslaw,


    an Dich als Furtwängler-Experten eine Frage. TAHRA vermarktet die Salzburger Mitschnitte des Furtwängler-Freundes Alfred Kunz von Schuberts "Großer C-Dur"-Symphonie (1953) und von Webers "Freischütz" (1954) als Quasi-Stereo. Gegenüber dem offiziellen EMI-"Freischütz" aus der Festspiel-Reihe konnte ich bei TAHRA zwar eine räumlichere, "farbigere" und "luftigere" Abbildung insbesondere bei den Solisten festststellen, bin mir aber nach wie vor unschlüssig, ob es frühes Stereo oder sehr gutes Mono ist. Weißt Du eventuell mehr?


    Viele Grüße


    GiselherHH

    "Mache es besser! (...) soll ein bloßes Stichblatt sein, die Stöße des Kunstrichters abglitschen zu lassen."


    (Gotthold Ephraim Lessing: Der Rezensent braucht nicht besser machen zu können, was er tadelt)

  • TAHRA vermarktet die Salzburger Mitschnitte des Furtwängler-Freundes Alfred Kunz von Schuberts "Großer C-Dur"-Symphonie (1953) und von Webers "Freischütz" (1954) als Quasi-Stereo. Gegenüber dem offiziellen EMI-"Freischütz" aus der Festspiel-Reihe konnte ich bei TAHRA zwar eine räumlichere, "farbigere" und "luftigere" Abbildung insbesondere bei den Solisten festststellen, bin mir aber nach wie vor unschlüssig, ob es frühes Stereo oder sehr gutes Mono ist. Weißt Du eventuell mehr?


    Lieber Giselher,
    den "Freischütz" aus Salzburg vom 26. Juli 1954 habe ich in einer Walhall-Edition, welche sogar auf dem Cover behauptet, eine Stereoaufnahme ("Stereo Recording") zu sein:

    Auf den beiden CDs selbst heißt es dann paradoxerweise fettgedruckt "ADD MONO". Was man hört, ist für meine Begriffe eine durchaus räumlich und gut klingende Monoaufnahme, wobei mich allerdings bisweilen stört, dass der Klang gelegentlich vom einen zum anderen Kanal "wandert". Platt ausgedrückt: der "Quasi-Stereo"-Effekt besteht manchmal darin, dass man den Mono-Ton mal mehr im linken und mal mehr im rechten Kanal hört. So etwas kenne ich allerdings aus meinen eigenen Spulentonbandzeiten der 60er und 70er Jahre: auch meine damals angefertigten Radiomitschnitte "wanderten" gelegentlich herum, wenn das Tonband an manchen Stellen schadhaft war (also gelegentlich mal ein Kanal dumpfer wurde oder gar ganz "wegblieb"). Erwähnen muss man auch die hohe drop out-Rate (auch das kenne ich aus meinen Spulentonbandzeiten) der Aufnahme.


    Deine Frage, ob es sich möglicherweise um eine frühe Stereoaufnahme handelt, möchte ich jedenfalls verneinen. Aber "sehr gutes Mono", wie Du schreibst, trifft absolut zu. Leider muss das Bandmaterial arg gelitten haben - daher die von mir beschriebenen klanglichen Beeinträchtigungen.


    Zu den Tahra-Überspielungen, die Du ansprichst,

    kann ich nichts sagen, denn ich habe beide Aufnahmen in anderen Editionen. Dass die am 30. August 1953 in Salzburg mitgeschnittene Schubert-Sinfonie bei Tahra besser klingen soll als bei Orfeo

    kann ich mir allerdings angesichts der hohen editorischen Sorgfalt von Orfeo schlecht vorstellen. Dass der "Freischütz" bei Tahra besser klingt als in der oben abgebildeten Walhall-Edition, mag jedoch sein. Das war leider vor Jahren so ein Billigkauf für ein paar Euro bei Zweitausendeins (nach dem Motto: "Ich war jung, ich hatte kein Geld"). Wenn mir die "offizielle" EMI-Überspielung (mit einem anständigen Booklet und nicht bloß so einer Papiereinlage) mal über den Weg läuft, werde ich wohl zugreifen.
    Herzliche Grüße
    Swjatoslaw

  • Noch einmal zum Thema "Freischütz": weiß jemand (vielleicht Du, lieber Giselher?), ob das von mir beschriebene Problem mit den "drop outs" auch bei der EMI-Ausgabe in der Reihe "Festspieldokumente"

    existiert?
    Beste Grüße
    Swjatoslaw

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