Clara Schumann - Ihre Lieder

  • Clara Schumann – jedem Musikfreund ist dieser Name geläufig. Jeder Weiß, dass sie als Clara Wiek als Pianistin über alle Maßen berühmt war, jeser kennt sie als Gattin Schumanns und platonische (?) Freundin von Johannes Brahms.


    Wir wissen heute auch (wieder), dass sie komponiert hat – jahrzehntelang hat man davon in diesem Jahrhundert keine Notiz davon genommen. Als ich das erste mal Lieder von ihr hörte, machten diese einen eher indifferenten bis langweilig spröden Eindruck auf mich – was sicher auch teilweise der Sängerin angelastet werden durfte.


    Vor kurzem erwarb ich jedoch diese CD,


    hauptsächlich, weil ich „Futter“ fürs Forum suchte, nicht weil ich mir etwas Besonderes erwartet hatte..Robert Schumann, Claras Gatte war ja von ihren Kompositionen durchaus angetan – und er ermunterte seine Frau – teilweise sogar mit sanftem Druck – zu komponieren. Aber das Urteil eines liebenden Gatten kann man nicht wirklich als Maßstab nehmen, denn Liebe nimmt jegliche Kritikfähigkeit – man sollte sich davor hüten….


    Nun muß ich sage, dass mein diesmaliger Eindruck nicht nur wesentlich positiver war, als jener, den ich beim ersten Mal bem anhören von Liedern der Clara Schumann hatte, sondern dass mir einige der Lieder sogar regelrecht gefielen.


    Es ist kein Geheimnis, dass ihre Verbreitung eher zürckhaltend stattfand – euphemistisch gesagt. – aber das sagt noch nicht viel aus.


    Wie bewertet Ihr Clara Schumanns Lieder? – es sind ja nicht allzu viele


    Anschliessend noch ein Statement zum Begleitinstrument der oben gezeigten Aufnahme. Sie wurde unter Einsatz eines Klaviers aus dem Besitz von Clara Schumann gemacht., welches sich derzeit im Schumannhaus in Zwickau befindet.


    Clara hatte jedoch zumendest ein weiteres Klavier zur Verfügung, welches sich in Wien , in der Sammlung alter Musikinstrumente, einer Dependance des Kunsthistorischen Museums in der Wiener Hofburg (Sammlungen Neue Burg) befindet.


    Mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Hallo, Alfred!


    Mein Freund in Bonn ist Fan beider Schumanns. Seine Frau spielt oft auch Schumann´sche Musikstücke auf dem Klavier. Die Musik entspricht auch meinem Geschmack. Auch in Bonn gibt es ein Schumann-Haus, daß nicht weit entfernt ist und ich mit meinem Freund bald besichtigen werde.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Es will sich nicht so recht was tun in diesem Thread. Warum aber? Liegt es daran, dass die Lieder von Clara Schumann weitgehend unbekannt sind? Das wäre betrüblich, denn es gibt durchaus einige gute Gründe, sich mit ihnen näher zu beschäftigen.


    Erstens sind sie in ihrer melodischen Linie zumeist überaus gefällig. Clara Schumanns Lieder zeichnen sich durch melodischen Einfallsreichtum aus und weisen eine zum Teil hochkomplexe Klavierbegleitung auf, bei der wohl durchaus die Pianistin kompositorisch durchgeschlagen hat.


    Zweitens werfen die Lieder die interessante Frage auf, wie weit sie in ihrer musikalischen Substanz eigenständig sind, - wie weit also die Liedkomponistin Clara sich von ihrem so sehr bewunderten Mann Robert zu emanzipieren vermochte.


    Robert Schumann entwickelte Ende 1840 ja die Idee zu einem gemeinsamen Liederheft mit Clara, und zwar auf Texte von Rückert. Es trug dann, als es 1841 bei Breitkopf und Härtel erschien, den Titel: "Zwölf Gedichte auf F. Rückerts Liebesfrühling, für Gesang und Pianoforte, von Robert und Clara Schumann". Das Titelblatt ist eindrucksvoll: Eine Art aufgespanntes Tuch mit dem Druckbild darin, gerahmt von einem gewaltigen Girlandenwerk. Die einzelnen Lieder sind, und das ist bemerkenswert, nicht in ihrer Autorschaft ausgewiesen. Man wusste also nicht, welches Lied von wem geschrieben worden war.


    Clara litt bei der Arbeit an diesem "Liebesfrühling" unter erheblichen Selbstzweifeln. Robert hatte sie zuvor ermuntert. Eintrag ins gemeinsame Ehetagebuch: "Die Idee, mit Clara ein Liederheft herauszugeben, hat mich zur Arbeit begeistert. (...) Kl. (ara) soll nun auch a.d. Liebesfrühling einige componieren. O thu´ es Klärchen!".


    Sie notiert: " Ich habe mich schon einige Mal an die mir von Robert aufgezeichneten Gedichte von Rückert gemacht, doch will es gar nicht gehen - ich habe gar kein Talent zur Composition." Einige Zeit später aber notiert sie: "Ich habe diese Woche viel am Componieren gesessen, und denn auch vier Gedichte von Rückert für meinen lieben Robert zu Stande gebracht."


    Drei davon wurden dann von Robert Schumann, zusammen mit neun von ihm selbst, in die Sammlung "Liebesfrühling" aufgenommen. Dietrich Fischer-Dieskau meint in seiner Schumann-Biographie: "Die Nummer 2, 4 und 11 des LIEBESFRÜHLINGS atmen so sehr Schumanns Geist, daß an echte Mithilfe von seiner Seite gedacht werden kann." (S.113)


    Ich habe mir Mühe gegeben, den "Geist" des Ehemanns Robert in diesen Liedern der Clara aufzuspüren. Das Ergebnis will ich noch für mich behalten, weil ich auf intensive Beteiligung hier hoffe. (Mein alter Forums-Traum!)

  • Lieber Alfred,
    seit 1996 gibt es eine Aufnahme mit Liedern von Clara Schumann, die der dänische Bariton Bo Skovhus (der seine Karriere an der Wiener Volksoper begann) zusammen mit Helmut Deutsch interpretiert.
    Diese CD hat den Untertitel "Das Herz des Dichters" und beinhaltet Schumanns Liederkreis, op.24 und Dichterliebe, op.48
    Dazu Kompositionen von Clara Schumann, die hier aufgelistet sind:


    Es handelt sich um folgende Lieder:


    Liebeszauber, op.13 Nr.3 (Geibel)
    Der Mond kommt still gegangen, op.13 Nr.4 (Geibel)
    Die stille Lotosblume, op.13 Nr.6 (Geibel)
    Liebst du um Schönheit, op. 12 Nr.4 (Rückert)
    Warum willst du and´re fragen, op.12 Nr.11 (Rückert)
    !ch hab´in deinem Auge, op.13 Nr.5 (Rückert)
    Die gute Nacht, aus Sämtliche Lieder (Rückert)
    Ich stand in dunklen Träumen, op.13 Nr.1 (Heine)
    Sie liebten sich beide, op.13 Nr.2 (Heine)
    Volkslied, aus Sämtliche Lieder (Heine)
    Lorelei, aus Sämtliche Lieder (Heine)


    Die "Neue Zeitschrift für Musik" schrieb damals:
    "Die Lieder werden wohl nicht einen geräuschvollen Triumphzug durch die Salons machen, aber in stiller Klause wird sich manch empfängliches Gemüth an ihrer ungeschmückten Anmuth und dem poetischen Dufte, der durch sie weht, erquicken."

  • Ich mag noch nicht aufgeben. Man möchte hier doch lesen, wie die Forianer die Lieder der Clara Schumann beurteilen, und nicht, welche Aufnahmen sie in ihrem Plattenschrank haben.


    Die Frage nach der Qualität der Lieder ist doch durch den Thread von Alfred aufgeworfen, der von sich bekennt, dass sie anfänglich einen "indifferenten bis langweilig spröden Eindruck" auf ihn gemacht hatten, bis er dann durch die Beschäftigung mit der von ihm hier präsentierten Gesamtaufnahme sein Urteil revidierte. Tatsächlich galten die Lieder der Clara Schumann lange als "wenig inspiriert", weil man sie an den Maßstäben maß, die man von dem Werk ihres Ehemanns abstrahierte.


    Wenn die "Neue Zeitschrift für Musik" sie mit den Prädikaten "ungeschmückte Anmuth" und "poetischer Duft" belegte, wie man oben lesen kann, dann wäre es doch reizvoll, einmal zu überprüfen, ob etwas daran ist. Man muss ja nicht der sicher schwierigen Frage nachgehen, ob und in welchem Maß und in welcher Form Robert Schumann auf die Rückert-Vertonungen Claras Einfluss genommen hat (wie ich ursprünglich vorgeschlagen hatte).


    Es gäbe jede Menge andere interessante Fragen. Zum Beispiel hat Clara ein Rückert-Gedicht vertont, das auch von Gustav Mahler zur Grundlage für ein Lied gemacht wurde: "LIEBST DU UM SCHÖNHEIT". Ich bin mir nicht sicher, ob ich die Mahler-Vertonung der von Clara Schumann vorziehen würde. Meines Erachtens hat sie den Geist dieses Textes musikalisch besser getroffen als er. Alllein das Thema der Klaviereinleitung fesselt, und der chromatisch eingefärbte Melodiebogen über "o nicht mich liebe" ist von schlichter Eindringlichkeit. Hier würde ich, ohne zu zögern, von "ungeschmückter Anmuth" sprechen.


    Interessant wäre auch ein Vergleich der Vertonung von Heines "LORELEI" von Clara Schumann und Franz Liszt. Auch da würde ich dem Lied von Clara den Vorzug geben.


    Clara Schumann hat vier Gedichte von Heine vertont. Es reizt doch eigentlich, einmal zu hören, was sie mit diesem Dichter musikalisch anzufangen wusste, - sozusagen in Konkurrenz zu ihrem großen Ehemann.


    Warum wenden wir uns hier im Forum immer wieder nur den altbekannten Liedern und der - im Grunde doch zweitrangigen! - Frage zu, wer sie nun besonders schön oder weniger gut singt?


    Dabei gäbe es so viel Neues zu entdecken! Es muss ja nicht das späte neunzehnte und das zwanzigste Jahrhundert sein, bei dem das Kunstlied seine usrprüngliche Nähe zum Volkslied verloren hat und - zugegeben - etwas schwierig zu hören ist. Bei Clara Schumann gibt es tatsächlich "ungeschmückte Anmuth" und "poetischen Duft" zu genießen!

  • Als ich hier diesen Thread eröffnete, war ich mir durchaus der Tatsache bewusst, daß er nicht das Zeug zu einem "Renner" hat.
    Aber natürlich wird von Tamino einerseits erwartet, nicht nur Mainstream zu bieten, andrerseits haben wir ein kleines aber feines Team von Liederliebhabern, die dieses Thema durchaus behandeln können.
    Aber es gibt natürlich auch andere Nebenaspekte. Man sollte die Lieder auch (mehrmals) gehört haben, bzw sie daheim verfügbar haben, um allfällige Beschreibungen, Einwände und Argumente nachvollziehen zu können.
    Das bringt es zwangsläufig mit sich, daß jeder, der vorhat sich hier zu beteiligen, die eine oder andere Aufnahme hören muß.
    Das ist doch - wenn es stattfindet - schon ein Erfolg an sich. Der kann allerdings auch im Stillen stattfinden - weil sich beispielsweise der Durchschnittshörer einfach überfordert fühlt.
    Ich fühle mich beispielsweise nicht in der Lage, zu sagen ob Schumann seiner Frau geholfen hat, gehe aber davon aus, daß es nicht der Fall war. Letztlich war es ja sein Wunsch, daß seine Frau komponiert - nicht daß seine Lieder unter ihrem Namen veröffentlich würden.
    Letztlich blieben die Lieder in Hinsicht auf den Komponisten unbezeichnet - was meine These weiter stützt.
    Daß Claras Lieder einerseits den Geist der Zeit atmen, andrerseits eine gewisse Prägung durch ihren Mann aufweisen - das sind Selbstverständlichkeiten, über die man gar nicht zu reden braucht.
    Ausserdem waren die 4 Lieder , von denen 3 im Gemeinschaftswerk veröffentlicht wurden (Clara war nicht informiert) ein Geburtstagsgeschenk.
    Wie ich dem Booklet meiner Naxos Aufnahme entnehme, entwickelten sich angeblich speziell Claras Lieder aus diesem Zyklus als die beliebtesten dieses Zyklus, wobei den zeitgenössischen Musikfreunden nicht bekannt war, wer welches Lied geschrieben hatte.


    Er ist gekommen
    Liebst Du um Schönheit
    Warum willst Du andre fragen ?


    Das sind die drei von Clara Schumann vertonten Rückert-Lieder , welche Robert Schumann in den obgenannten Zyklus aufgenommen hat, damit auch jeder weiß worum es hier geht. (Schumann hatte seiner Frau 5 Texte vorgeschlagen, 4 davon hatte sie vertont.
    Wenn ich nicht irrre ist das vierte "Die gute Nacht", es findet sich allerdings ein weiteres Lied nach Rückert in Claras Liedschaffen, "Oh weh des Scheidens" in Claras Sammlung.


    Immer wieder geht aus Briefen etc hervor, daß Schumann sie Lieder seiner Frau als eigenständig betrachtete - dazu aber später.
    Auch "Das Veilchen" sollten wir im Laufe des Threads einer näheren Betrachtung unterziehen.......


    Wenn ich Clara Schumenns Lieder ursprünglich als spröde eingestuft habe - was offensichtlich ein Fehlurteil ist -
    dann lediglich ihrer relativen Kompexität wegen, sie gewinnen, je öfter man sie hört.
    Vielleicht sollte ich erwähne, daß ich persönlich unkomplizierte Lieder mit "Ohrwurmcharakter" bevorzuge - dies sei hier nur erwähnt, weil man ja bedauerlicherweise bei der Beurteilung von Werken immer wieder seine persönlichen Präferenzen ins Spiel bringt, was zwar einerseits bedauerlich, andrerseits aber notwendig ist, damit wir nicht zu "standardisierten" Beurteilungen kommen.


    Aus meiner Sicht sagt Kritik über ein Werk zumeist weniger über das Werk an sich aus, als darüber, wofür der Kritiker steht.
    Das Wort "Kritik" in diesem Zusammenhang sollte hier nicht allzu wörtlich genommen werden, "Einschätzung" träfe die Sache vermutlich besser.


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Eine interessante Beobachtung:


    Die hochgelobte Schumann-Lieder-Aufnahme des Tenors Maximilian Schmitt enthält auch drei Lieder von Clara Schumann. Klickt man die CD bei Amazon an, liest man auf der Titelseite:


    "Träumend wandle ich bei Tag. Schumann-Lieder nach Heinrich Heine. Maximilian Schmitt / Gerold Huber". Als Inhalt der CD wird unter dem Komponistennamen Robert Schumann ausgewiesen: Dichterliebe op.48, 9 Lieder op. 24, zwei Lieder op.13 und "Loreley".


    Bei den Liedern "Sie liebten sich beide" und "Ich stand in dunklen Träumen" handelt es sich jedoch um Lieder Clara Schumanns aus deren opus 13. Bei der Loreley liegt ebenfalls ein Clara-Schumann-Lied vor. Der Laie kann das aus der Inhaltsangabe bei Amazon nicht erkennen. Da kein Komponistenname genannt wird, muss er denken, diese Lieder seien alle von Robert Schumann. Auf dem Titelbild kommt der Name Clara Schumann ja auch nicht vor.


    Interessant, nicht wahr? Dabei hätte Clara Schumann mehr Respekt und Anerkennung verdient. Sie hielt sich zwar nicht für eine große Lied-Komponistin, - das wohl aber vor dem Hintergrund der Maßstäbe, die ihr geliebter Robert gesetzt hatte. Ihre Lieder sind jedoch weit entfernt von leerem Musikgeplänkel. Einige weisen ein verblüffend hohes kompositorisches Format und große Ausdrucksstärke auf.


  • Es hat ja vor einiger Zeit ein gewisses Missfallen erregt, dass ich hier auf eine CD hingewiesen habe, auf der Bo Skovhus / Helmut Deutsch einige Clara Schumann-Lieder zur Aufführung bringen.


    Da nun neuerdings in diesem Thread auf Liedaufnahmen des Tenors Maximilian Schmitt hingewiesen wird, sollte es auch mir erlaubt sein, interessierten Lesern einen Hinweis zu geben.


    Auf der gezeigten CD werden folgende von Clara Schumann komponierte Lieder gesungen:


    Er ist gekommen (Friedrich Rückert)
    Warum willst du and´re fragen (Friedrich Rückert)
    Geheimes Flüstern hier und dort (Hermann Rollett)
    Ich stand in dunklen Träumen (Heinrich Heine)
    Sie liebten sich beide (Heinrich Heine)
    Was weinst du, Blümlein (Hermann Rollett)
    Das ist ein Tag, der klingen mag (Hermann Rollett)


    Bei diesen Liedern fällt auf, dass drei Mal derTextdichter Hermann Rollett genannt wird; dieser Schriftsteller wurde nur wenige Tage vor Clara Schumann geboren, es sind die letzten Lieder von Clara Schumann.

  • Zitat hart:


    "Es hat ja vor einiger Zeit ein gewisses Missfallen erregt, dass ich hier auf eine CD hingewiesen habe, auf der Bo Skovhus / Helmut Deutsch einige Clara Schumann-Lieder zur Aufführung bringen."


    Hier liegt ein Missverständnis vor, wie man oben (Beitrag 5, erster Satz) leicht nachlesen kann. Ich war schlicht und einfach der Meinung, dass es wünschenswert sei, nicht nur die Existenz von Liedern auf dieser oder jener CD anzuzeigen, sondern auch zwei drei Worte über die Lieder selbst zu verlieren, die dort zu finden sind.


    Es ging also einfach um die Artikulation eines WUNSCHES. Es ist noch nicht einmal ein rein persönlicher, sondern einer, der ganz im Sinne dieses Threads geäußert wurde: Den Liedern Clara Schumanns einen höheren Bekanntheitsgrad zukommen zu lassen.


    Sollte mein Wunsch infolge einer gewissen Ungeschicklichkeit in der Formulierung als "Missfallensäußerung" angekommen sein, so bedauere ich das!

  • Ich sehe gerade, dass die von hart angezeigte CD offensichtlich auch Zitate aus dem Briefwechsel zwischen Clara und Robert Schumann enthält. Bei der Gelegenheit erlaube ich mir ebenfalls noch einen Hinweis: Der Briefwechsel zwischen den beiden ist in Buchform bei Athenäum erschienen. Titel: Robert und Clara Schumann. Briefe einer Liebe. Eingeleitet von Dietrich Fischer-Dieskau, herausgegeben von Hanns-Josef Ortheil. Ahenäum-Verlag, Königstein/Ts. 1982.


    Aus meiner Sicht ein zweifellos lesenswertes Buch. Man lernt die Persönlichkeit Clara Schumanns in unmittelbarer Begegnung mit ihren schriftlichen Äußerungen viel besser kennen, als wenn man etwas über sie liest. Davon gibt es ja auch jede Menge.


    Interessant der Hinweis von Fischer-Dieskau: "Die Demut vor dem Genie ihres Mannes rang sie sich oft nicht ohne Qualen ab."

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  • Zwei Lieder von Clara Schumann möchte ich kurz vorstellen, weil sie die ganze Bandbreite ihres kompositorischen Liedschaffens recht gut aufzeigen.


    Das erste: ER IST GEKOMMEN (Text von Friedrich Rückert).


    Es ist das erste der Lieder, die Clara zu dem gemeinsamen Projekt "Liebesfrühling" beigetragen hat. Mir scheint, dass sie bei diesem Lied sehr stark unter dem Anpsruch stand, etwas kompositorisch Anspruchsvolles zu leisten. Wenn man so will, dann ist hier zumindest eine indirekte(!) Einflussnahme von Robert Schumann zu erkennen.


    Das Lied zittert förmlich vor innerer Erregung: In der melodischen Linie wie auch in der Klavierbegleitung. Hier zeigt die Pianistin, wozu sie in der Lage ist. Erstaunlich aber, wie sich das dann alles in der letzten Strophe beruhigt. Die melodische Linie findet bei den Worten "Ich seh es heiter, / Denn er bleibt mein auf allen Wegen" zu einer wirklich anrührenden Innigkeit.


    Das zweite: SIE LIEBTEN SICH BEIDE (Text von Heinrich Heine)


    Hier habe ich mir spontan beim Hören notiert: "Das ist Clara! Hier spricht sie sich musikalisch selber aus, ohne ihrem Robert gefallen oder ihm imponieren zu wollen"


    Das Lied ist ganz von einer tastenden Moll-Akkordik geprägt, in der sich die Singstimme in großen melodischen Bögen bewegt. Musikalisch eindrucksvoll ist das Seelenleben zweier Menschen gestaltet, deren Liebe zerbricht und die sich nur noch "zuweilen im Traum" sehen. Die kompositorische Könnerschaft Claras zeigt sich besonders deutlich in der weit ausgreifenden Bewegung, mit der die Singstimme die Bitternis der Schlussverse durchmisst: "Sie waren längst gestorben / Und wußten es selber kaum".

  • Rückerts Gedicht "LIEBST DU UM SCHÖNHEIT" ist ja nicht nur von Clara Schumann, sondern auch von Gustav Mahler vertont worden. Ich hatte schon einmal bekannt, dass ich die Vertonung von Clara Schumann als durchaus "gelungen" einschätze, und zwar so sehr, dass sie nach meinem Dafürhalten neben der von Gustav Mahler sehr wohl bestehen kann. Schön wäre - und für mich höchst erfreulich - , wenn man hier zu dieser Frage weitere Meinungsäußerungen lesen könnte.


    Friedrich Rückert: LIEBST DU UM SCHÖNHEIT
    Liebst du um Schönheit, o nicht mich liebe!
    Liebe die Sonne, sie trägt ein goldnes Haar!
    Liebst du um Jugend, o nicht mich liebe!
    Liebe den Frühling, der jung ist jedes Jahr!
    Liebst du um Schätze, o nicht mich liebe!
    Liebe die Meerfrau, sie hat viel Perlen klar!
    Liebst du um Liebe, o ja - mich liebe!
    Liebe mich immer, dich lieb´ich immerdar!


    Clara Schumanns Lied wird thematisch von der Melodiezeile geprägt, die den ersten Vers umgreift. Sie besteht musikalisch aus einem einfachen Quartsprung, der gleichsam aus einem Anlauf auf dem jeweils gleichen Ton bei den Worten "Liebst du um" erfolgt. Danach bewegt sich die Singstimme in einem ruhigen, eindrucksvollen und von verminderten Akkorden getragenen Bogen über den Worten "o nicht mich liebe" wieder nach unten. Bei dem Vers "Liebe die Sonne ..." erfolgt wiederum eine Abwärtsbewegung der melodischen Linie, die in eine aufgelöste Moll-Akkordik im Klavier eingebettet ist.


    Höchst eindrucksvoll ist die Modifikation in der musikalischen Faktur, wie sie jeweils mit Blick auf die Aussage der einzelnen Strophen vorgenommen wird. Die melodische Linie bewegt sich in der Grundanlage ähnlich wie in der ersten Strophe, reflektiert aber den Inhalt der jeweiligen Verse durch eine Abwandlung in der Harmonik und in den einzelnen Tonschritten. Eindrucksvoll zu hören ist das z.B. bei der Zeile "der jung ist jedes Jahr". Von beschwörender Eindringlichkeit ist der Schluss des Liedes: "Liebe mich immer ..."


    Das Lied von Gustav Mahler muss nicht detailliert besprochen werden, da es vermutlich jedermann bekannt ist. Es wirkt im Vergleich zu dem von Clara Schumann schlichter in seiner musikalischen Faktur, - mit Ausnahme des Schlusses allerdings. Bis dorthin hört man durchweg eine nahe am lyrischen Wort sich vollziehende Deklamation in einem homophonen Klangbett. Bei der letzten Zeile entwickelt allerdings auch Mahler großes klangliches Pathos und ein regelrecht bezauberndes Melos.


    Man kann jetzt darüber streiten, ob er Clara Schuman darin übertrifft. Wahrscheinlich ist das der Fall, - hauptsächlich wegen der weiter ausgreifenden Phrasierung der melodischen Linie. Aber es wäre wirklich schön, andere Meinungen dazu zu hören.

  • Hallo Helmut,


    bitte um etwas Geduld - die Clara Schumann Lieder kommen in den nächsten Tagen bei mir an, erst dann kann ich vergleichen.


    HerzlicheGrüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Helmut,


    nun kann ich vergleichen, mir liegen vor:


    Für Clara Schumann: Stephan Loges, Bariton, Eugene Asti Klavier, 2000, helios
    Für Mahler: Stephan Genz, Bariton, Roger Vignoles, Klavier, 2004, Hyperion


    Zum Gedicht:


    In der 4. Strophe liegt eine "idealistische" (letztlich richtige) Aussage, warum ein anderer Mensch geliebt werden soll/kann/darf.


    In den Strophen 1 - 3 ist die Aussage von Strophe 4 an drei Negativbeispielen exemplarisch dargestellt/verdeutlicht.


    Zur Musik:


    Clara Schumann: Das Lied ist als Strophenlied angelegt, wobei jeweils die 2. Verszeilen analog dem Text individuell musikalisch angepasst, aber der 1. Verszeile angenähert sind. Die 1.Verszeile ist stets gleich; es ist eine eingängige, leicht singbare Melodie ("im Volkston" - meine schon mehrfach verwendete Bezeichnung für Liedmelodien dieser Art, nicht Volkslied gemeint!); der 1. Halbsatz in Dur mit einem Quartsprung nach oben auf "…Schön,,," (in den Strophen 2 - 4 entsprechend) und auf den Ausgangston zurück bei …heit", der 2. Halbsatz in Moll mit einem erneuten Quartsprung nach oben, nun aber schrittweise abwärts zu dem Ausgangston. Die Klavierbegleitung nimmt im Vorspiel den Quartsprung auf (-wärts) und diese Phrase ist auch für die Liedbegleitung je im 1. Halbsatz zuständig - das wirkt auf mich "wie im leichten Plauderton"; auch die Mollpassagen in den 2. Verszeilen wirken nicht "tragisch" eher melancholisch. In der 4. Strophe werden Verszeilen zur Verstärkung wiederholt und musikalisch gespiegelt.



    Mahler: Auch er legt das Lied im Prinzip als Strophenlied an, aber mit größeren Anpassungen/Abweichungen in den jeweiligen Strophen - und ist vom "Volkston" und einer eingängigen Melodie doch ziemlich weit entfernt und auch von "Plauderton" kann keine Rede sein. Es ist viel Dramatik, Pathos und (über-) gesteigerte Empfindung ("Sonne, Frühling")zu hören, auch z. B. "…liebe mich immerdar" letzte Strophe. Auch in der 2. Strophe wird die "Jugend" gleich in Moll eingefärbt (wann hat Mahler diese Rückert-Lieder vertont?).



    Meinem Naturell (ich mag es nicht so gern "dick aufgetragen") liegt die Vertonung von Clara Schumann mehr - 1:0 für sie.



    Zur Interpretation:
    Bei Genz höre ich bei hohen Einzeltönen mit der Bruststimme die Mühe für einen Bariton verbunden mit leichten Intonationsschwierigkeiten, was mit der Kopfstimme (letzte Verszeile 4. Strophe) nicht der Fall ist.


    Für Loges sind die stimmlichen Anforderungen bei Weitem nicht so hoch (im doppelten Wortsinn). Seine sprachliche Artikulation in der Gesangsstimme finde ich sehr gut, bis auf den "ch-Laut".



    Da ich Intonationsprobleme sehr störend empfinde - 2:0 für "helios"


    Herzliche Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Du fragst, lieber zweiterbass, wann das Lied von Gustav Mahler entstanden ist. Soweit ich feststellen konnte, wurden die Rückertlieder 1905 publiziert. Alma Mahler hat übrigens behauptet, "Liebst du um Schönheit" sei als "Privatissimum" für sie gedacht gewesen.


    Dass Dir die Vertonung von Clara Schumann eher liegt als die von Mahler, kann ich nachempfinden. Vermutlich liegt das daran, dass Clara Schumanns Lied eher den Charakter eines typischen "Klavierliedes" aufweist, während Mahler selbst in seinen Rückert-Liedern für Klavier - obgleich sie die intimsten sind, die er geschrieben hat - , durchaus noch orchestral denkt.

  • Hallo,


    das Gedicht von Heine "Ich stand in dunklen Träumen" hat sie 2 x vertont, einmal in op. 13 und in einer späteren 2. Fassung ohne Opuszahl. Schubert hat dieses Gedicht auch vertont und zwar unter "Ihr Bild " als Nr. 9 im Schwanengesang.


    Es ist mir, mit meinenMitteln, zu zeitaufwändig heraus zu finden, wann sie diese Lieder komponiert hat (das kann Helmut sicher besser und schneller!); ich gehe aber davon aus, dass es vor Roberts Tod war. Warum hat sie es 2 x vertont - und hat sie Schuberts Vertonung gekannt, was die Frage "warum" noch intensivieren würde.


    Schuberts Vertonung, durch seine geniale Musiksprache, ist der "gequälte Aufschrei" eines zutiefst enttäuschten, von der geliebten Frau verlassenen Mannes, der sie immer noch liebt und vergebens nach Fassung ringt.


    Davon ist in Claras Vertonungen Nichts zu hören/spüren - es klingt bei mir wie ein wehmütiger Abschied, der sich mit der Unabänderlichkeit bereits abgefunden hat.


    Auf Details des musikalischen Ausdrucks gehe ich nicht ein - der Unterschied ist zu offensichtlich und bedarf keiner Erläuterung.


    Herzliche Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber zweiterbass,


    überschätze mal bitte meine Fähigkeiten nicht. Aber Deine Frage bezüglich dieser Heinevertonung konnte ich klären. Die sechs Lieder von Claras op. 13, worunter sich auch "Ich stand in dunkeln Träumen" (2. Fassung) befindet, entstanden zwischen 1840 und 1843. Das Lied "Ihr Bildnis" wurde 1844 veröffentlicht. Es ist die erste Fassung der Heine-Vertonung.


    Ob Clara Schumann Schuberts Lied kannte, vermag ich beim besten Willen nicht herauszufinden. Ich würde es für wahrscheinlich halten. Das ist aber eine reine Vermutung, die sich auf mein Bild stützt, das ich von dieser großartigen Frau habe.

  • Ich habe mir heute Die Zeit genommen Die beiden Versionen von Rückerts "Liebst Du um Schönheit" miteinander zu vergleichen. Ob allerdings gerade ich die geeignet Person dafür bin , das sei dahingestellt-


    Vielleich sollte man an dieser Stelle einen der Vorteile des Tamino-Klassikforums herausstreichen, daß man nämlich gelegentlich dazu angeregt wird , Musikstücke bewusst zu hören, denen man ansonst keine oder wenig Beachtung geschenk hätte....


    Beim Vergleich sit mir klar geworden, daß es verschiedene Blickpunkte gibt Lieder zu beweten. Ich habe dies bis jetzt vorzugsweise auf Grund ihrer melodischen Schönheit getan, ohne mich groß um den Text zu kümmern - und ich behaupt, daß die Mehrheit des sogenannten Klassikpublikums HEUTE so urteilt. (?)


    Im Umfeld des Kunstlied-Bereichs unseres Forums wurde ich darauf aufmerksam, daß man das auch anders sehen kann, eine Vertonung kann den textlichen Inhalt einer Dichtung verändern, betonen, mißbrauchen oder zerstören.
    Zudem spielt natürlich auch der Interpret eine gewisse Rolle -korrekter müsste man sagen DIE Interpeten, denn auch der Klavierpart hat nicht unerheblichen Einfluss auf den Gesamteindruck.


    Ich habe gehört:




    Clara Schumann:


    Dorothea Craxton, Sopran - Hedayet Djeddikar, Klavier
    Gabriele Fontana Sopran - Konstanze Eickhorst, Klavier


    .



    Gustav Mahler:


    Christian Gerhaher, Bariton - Gerold Huber, Klavier
    Konrad Jarnot, Bariton - Helmut Deutsch, Klavier
    (jeweils als "Füller" zu "Lieder eines fahrenden Gesellen")


    .


    Ich kam - noch bevor ich die Einstufung von Zweiterbaß gelesen hatte - zum Schluß, daß die Fassung von Clara Schuman dem Rückertschen Text eher gerecht wurde, als die Version Gustav Mahlers.


    Der Erste Satz jeder Strophe wird hier nicht wie eine Hypothese - beinahe neutral in den Raum gestellt, sondern als Frage formuliert - An sich sind beide Lesarten möglich.
    Der signifikante Unterschied tritt jedoch besonders in der ZWEITEN Aussage zutage:


    während Mahlers Version -zumindest in den mir vorliegenden Interpretationen - in etwa klingt :


    Oh nicht mich LIIIEEEBE !


    so kommt die Clara Schuhmann -Version der von Rückert gewollten Aussage


    Oh nicht MICH liebe, doch wesentlcih näher



    Auch im Schlußsatz, der eigenen Liebeserklärung gibt es einen bedeutenden Unterschied, der insbesondere in der Interpretation von Gabriele Fontana signifikant auffält: Während bei Mahler eine eher verhalten anmutende Liebeserklärung das Lied beschliesst, ist es bei Clara Schumann eine jubelnde, begeisterte.....



    mfg aus Wien



    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat Alfred Schmidt:


    "...- und ich behaupte, daß die Mehrheit des sogenannten Klassikpublikums HEUTE so urteilt. (?)"


    Das ist sicher zutreffend. Und es trägt auch seine innere Berechtigung in sich: Man nimmt als Hörer in einem Konzert ein Kunstlied primär und ganz unmittelbar vom klanglichen Eindruck her auf. So ist es ja vom Komponisten auch gedacht. Allerdings wird man das Mitören des Textes dabei nicht ausklammern, denn dieser klangliche Eindruck bekommt ja erst in Einheit mit dem Text einen Sinn und seine künstlerische Aussagekraft. Jeder frage sich einmal, ob er, wenn er in einem Konzertsaal die Klavier-Transkription von "Gretchen am Spinnrade" von Franz Liszt hört, nicht ganz spontan den Text von Goethe mithört (selbst wenn er ihn nicht ganz vollständig rekapitulieren kann).


    Ganz sicher aber wird man sich während eines Liederabends mit Heine-Liedern von Robert Franz nicht mit der Frage herumschlagen, ob diese Vertonungen von Heine-Lyrik jeweils dem Geist des lyrischen Textes gerecht werden. So etwas macht man nur, wenn man sich reflexiv und analytisch mit Liedern beschäftigt, - hier im Forum zum Beispiel.


    Womit das zweite Thema von Alfred angesprochen ist:


    "... eine Vertonung kann den textlichen Inhalt einer Dichtung verändern, betonen, mißbrauchen oder zerstören."


    Bei "verändern", "betonen" und "missbrauchen" würde ich uneingeschränkt zustimmen. "Zerstören" kann aber eine Vertonung einen lyrischen Text nach meiner Meinung nicht. Er bleibt als solcher ja weiterhin erhalten und kann in der vom Autor gewollten Form rezipiert werden. Wenn man allerdings mit "zerstören" die Tatsache meint, dass der dichterische Gehalt eines lyrischen Textes mit einer Vertonung verfehlt werden kann, dann hat dieses Wort seine Berechtigung. Ich habe dieses Phänomen gerade am Beispiel der Vertonung des Eichendorff-Gedichts "ABSCHIED" durch Robert Franz (bei dem das Lied "ABENDS" heißt) im Thread "Sprache und Musik" aufgezeigt.


    Dieses Verfehlen des dichterischen Gehalts eines lyrischen Textes durch einen Komponisten ist aber weitaus seltener als das Gegenteil: Die Aufwertung eines Gedichtes durch seine Vertonung. Um zum Thema dieses Threads zurückzukehren: Die Gedichte von Friedrich Rückert sind ein gutes Beispiel für dieses Phänomen der Aufwertung. Meines Erachtens haben die beiden Gedichte "ER IST GEKOMMEN IN STURM UND REGEN" und "LIEBST DU UM SCHÖNHEIT" in der Vertonung durch Clara Schumann deutlich an künstlerischer Aussagekraft gewonnen. Von Robert Schumanns Lied "WIDMUNG" ("Du meine Seele, du mein Herz...") möchte ich in diesem Zusammenhang erst gar nicht reden.

  • Zitat

    Zitat Alfred Schmidt:


    "...- und ich behaupte, daß die Mehrheit des sogenannten Klassikpublikums HEUTE so urteilt. (?)"


    Das ist sicher zutreffend.


    Ich halte diese Behauptung für gewagt, wenn nicht anmaßend. Worauf stützt Ihr Eure Behauptung? Wie denkt Ihr über die Menschen, die im Konzert, im Liederabend, in der Oper rechts und links von Euch sitzen? Sind das Hörer zweiter Klasse oder jedenfalls Hörer, die nicht so gut hören wie Ihr?

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  • Zitat Wolfram:


    "Sind das Hörer zweiter Klasse oder jedenfalls Hörer, die nicht so gut hören wie Ihr? "


    Da scheint ein Missverständnis vorzuliegen. Das, was Alfred Schmidt über die "normale" Haltung des Konzertpublikums beim Hören von Liedern im Konzertsaal - in Form einer Behauptung - festgestellt hat, kann man schwerlich als "Anmaßung" einstufen. Es entspricht ganz einfach den Tatsachen und hat in gar keiner Weise etwas Abwertendes an sich. Hier wurde keine differenzierende Abstufung zwischen einem Konzertpublikum "erster" und "zweiter Klasse" vorgenommen.


    Man hört, wenn man da nicht gerade als Kritiker sitzt, im Konzertsaal nicht analytisch. Das wäre ja grauenhaft und würde einem jeglichen Genuss rauben. Es wäre auch nicht im Sinne des Komponisten!


    Das Hören eines Liedes ist im Falle eines Konzerts zunächst einmal ein auf melodische Schönheit und die Gesamtheit der kompositorischen Qualität sich richtender rezeptiver Akt, bei dem natürlich der Text des Liedes mitrezipiert wird. Selbstverständlich weist dieses Rezipieren auch reflexive Anteile auf. Man nimmt ja bewusst wahr, was sich da melodisch und harmonisch ereignet und beurteilt dabei mehr oder weniger bewusst auch die Qualität der sängerischen Leistung mit.


    Was Alfred Schmidt sagen wollte - und so habe ich ihn auch verstanden - ist:


    Im Konzertsaal wird mit einem Lied nicht so umgegangen, wie das hier im Forum geschehen kann: Dass man nämlich zum Beispiel die musikalische Faktur eines Liedes analysiert und die Frage stellt, in welcher Form diese die spezifische Struktur des lyrischen Textes reflektiert. Oder: Dass man die sängerische Leistung analytisch in ihrer Angemessenheit der Struktur der melodischen Linie gegenüber bewertet.


    Nichts anderes wurde in meiner Reaktion auf den Beitrag von Alfred Schmidt festgestellt. Den Vorwurf, hiermit eine Haltung zu vertreten, die "anmaßend" ist, halte ich für unangebracht und - mit Verlaub - ein wenig ehrenrührig!

  • Ich bedauere, dass ich mich auf eine Bemerkung Alfred Schmidts eingelassen habe. Das tat ich, weil sie mit einem Fragezeichen versehen war und mir deshalb diskussionswürdig erschien. Es war ein Fehler, weil es in diesem Thread ja um die Lieder Clara Schumanns geht. Dass ich diese für überaus "threadwürdig" halte, sagte ich bereits und werde mich künftig danach richten.

  • Das von zweiterbass vorgestellte Lied " ICH STAND UN DUNKELN TRÄUMEN" (Text: Heinrich Heine) von Clara Schumann wurde, außer von Schubert (worauf zweiterbass hinwies), auch noch von Hugo Wolf und Edvard Grieg vertont. Ein kurzer Vergleich lässt die Eigenart der Musiksprache Clara Schumanns besonders gut hervortreten. Schubert wird ausgeklammert, weil sich von seinem Lied ja jeder sein Bild machen und hier einbeziehen kann.


    EDVARD GRIEG: Seine Fassung des Heine-Gedichts (Op.2, Nr3) hört sich überaus dramatisch an. Es setzt zwar mit sehr lyrisch wirkenden Akkkorden im Klavier ein, die sich, ebenso wie dann die Singstimme, von oben nach unten bewegen. Aber schon nach den ersten beiden Versen macht die melodische Linie eine Pause, und im Klavier setzt eine dramatische Bewegung ein. Diese hält durch das ganze Lied hindurch an, erfährt sogar noch eine Steigerung am Ende der zweiten Strophe (bei den Versen "Und wie von Wehmutstränen ..."). Zwischen den Strophen sind jeweils lange Klavier-Zwischenspiele zu hören. Mit dem Beginn der drittten Strophe ("Auch meine Tränen flossen..") setzt die Singstimme zu einem großen, pathetisch aufgeladenen Bogen an, der wohl dieses Herabfließen der Tränen musikalisch abbilden soll. Mit den beiden letzten Versen kommt wieder Ruhe in das Lied. Alles klingt so, als würde das lyrische Ich in dem "Ach" der Klage langsam versinken.


    HUGO WOLF: Das ist ein Lied, das in ruhigem Viervierteltakt dahinzufließen beginnt, mit leicht hingetupften Tönen im Klavier eingeleitet. Die Singstimme setzt in großen Bögen ein, mit Melodiezeilen, die jeweils einen Vers umgreifen. Bei "Um ihre Lippen ..."(Beginn zweite Strophe) kommt nervöse Bewegung in das Lied. Die Klavierbegleitung beginnt zu perlen und umspielt die Singstimme, die sich in ruhigen Bewegungen der Erinnerung an das Lächeln überlässt, das sich um die Lippen der Frau zog. Bei "Und ach! ich kann es nicht glauben..." wird der Ton des Liedes unvermittelt laut, fast heftig. Diese Passage wird sogar noch einmal wiederholt, noch stärker im Forte, mit einer schmerzhaft hochgezogenen melodischen Linie. Danach sinkt diese wie ermattet in sich zusammen, in der resignierten Feststellung "... dass ich dich verloren hab´!"


    CLARA SCHUMANN: Ihr Lied (ich wählte die Fassung aus op.13) ist im Vergleich zu den Vertonungen von Grieg und Wolf von einem sehr ruhigen und überaus lyrischen Ton geprägt. Er wirkt fast schon volksliedhaft, was sowohl mit der relativ einfach angelegten Struktur der melodischen Linie zu tun hat, als auch damit, dass die Harmonik wenig komplex ist und durchweg diatonisch geführt wird. In der zweiten Strophe und zu Beginn der dritten schleichen sich zwar Moll-Töne in das Lied ("Wermutstränen" !), die melodische Linie bewegt sich aber keinesfalls in anders gearteten Bewegungen. Mit den Versen "Und ach! ich kann es nicht glauben..." kehren wieder Dur-Harmonien in das Lied ein, und die melodische Linie kann sich hinunter auf ihren Ruhepunkt auf der Tonika bewegen.


    Clara Schumann hat dieses Heine-Gedicht ganz aus der Einfühlung in die Situation komponiert, die Heinrich Heine hier lyrisch evoziert. Alle Bilder sind für sie offensichtlich in ein mildes, wehmütiges Licht der Erinnerung getaucht, in das sich gerade mal Moll-Klänge einschleichen dürfen, bei dem aber jegliche Form von Dramatik kompositorisch ausgeschlossen bleibt.

  • Zitat


    Man hört, wenn man da nicht gerade als Kritiker sitzt, im Konzertsaal nicht analytisch. Das wäre ja grauenhaft und würde einem jeglichen Genuss rauben. Es wäre auch nicht im Sinne des Komponisten!

    Warum gleich wieder bedauern? Es war einer der besten Sätze, die Du hier geschrieben hast ...

  • Lieber hart, dieser Satz hier:


    "Es war einer der besten Sätze, die Du hier geschrieben hast ... "


    ... macht mich sehr nachdenklich. Wenn Du den wirklich so gemeint hast, wie er hier steht, wäre das für mich ein Grund mehr, das Forum zu verlassen.


    Ich denke ohnehin gerade darüber nach, jetzt, wo sich am 27. Februar mein Eintritt in das Tamino-Forum jährt. Irgendwie scheine ich nicht hierherzugehören. Leider!

  • Beim Vergleich sit mir klar geworden, daß es verschiedene Blickpunkte gibt Lieder zu beweten. Ich habe dies bis jetzt vorzugsweise auf Grund ihrer melodischen Schönheit getan, ohne mich groß um den Text zu kümmern - und ich behaupt, daß die Mehrheit des sogenannten Klassikpublikums HEUTE so urteilt. (?)


    Das ist sicher zutreffend. Und es trägt auch seine innere Berechtigung in sich: Man nimmt als Hörer in einem Konzert ein Kunstlied primär und ganz unmittelbar vom klanglichen Eindruck her auf. So ist es ja vom Komponisten auch gedacht. Allerdings wird man das Mitören des Textes dabei nicht ausklammern, denn dieser klangliche Eindruck bekommt ja erst in Einheit mit dem Text einen Sinn und seine künstlerische Aussagekraft. Jeder frage sich einmal, ob er, wenn er in einem Konzertsaal die Klavier-Transkription von "Gretchen am Spinnrade" von Franz Liszt hört, nicht ganz spontan den Text von Goethe mithört (selbst wenn er ihn nicht ganz vollständig rekapitulieren kann).


    Ich halte diese Behauptung für gewagt, wenn nicht anmaßend. Worauf stützt Ihr Eure Behauptung? Wie denkt Ihr über die Menschen, die im Konzert, im Liederabend, in der Oper rechts und links von Euch sitzen? Sind das Hörer zweiter Klasse oder jedenfalls Hörer, die nicht so gut hören wie Ihr?


    Hallo Wolfram,


    ich habe nun mal die Textstellen vollständig (des besseren Verständnisses wegen) zitiert, auf die Du Dich in Deiner Stellungnahme beziehst. Ich kenne auch Helmuts Antwort



    Es kann gar nicht anders sein: Du musst da gewaltig etwas "in die falsche Kehle bekommen haben" - nur was??? Aus den Zitaten lässt sich Deine Antwort nicht herleiten!


    Es wäre sehr hilfreich, wenn Du das "WAS" mitteilen könntest.


    Du musst natürlich nicht antworten, aber allein schon wegen des Stils in diesem Thread wäre es wünschenswert.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Im Konzertsaal wird mit einem Lied nicht so umgegangen, wie das hier im Forum geschehen kann:

    Wenn aber im Konzertsaal mit dem Lied so umgegangen würde wie hier im forum ergibt sich für mich die Frage, wie lange sollte denn ein Konzert dann dauern?


    LG, Bernward


    "Nicht weinen, dass es vorüber ist
    sondern lächeln, dass es gewesen ist"


    Waldemar Kmentt (1929-2015)


  • Ohne dass ich das wollte, habe ich offensichtlich eine Lawine losgetreten, die die schönen Lieder unserer Clara hier kraft ihrer Eigendynamik einfach zu überrollen scheint. Dabei scheint mir doch alles ganz klar zu sein, was ich zum Thema "Unterschied Konzertsaal - Tamino-Forum" gesagt habe.


    An Dich gerichtet. lieber Bernward Gerlach:


    Im Konzertsaal soll ja gerade nicht mit dem Lied so umgegangen werden, wie das im Forum zuweilen geschieht. Es gibt zwar auch verschiedentlich sogenannte "Gesprächskonzerte", bei denen Einblicke in die musikalische Struktur dessen gegeben wird, was der jeweilige Künstler zu bieten hat, - aber selbst dann vollzieht sich in dem Augenblick, wo ein musikalisches Kunstwerk dann ausgeführt und interpretiert wird, ein Hören im Publikum, wie ich es beschrieben habe.


    Selbst wenn man dann etwas genauer hinhören sollte, als das für gewöhnlich geschieht, weil man ja die Erläuterungen im Kopf hat, es dominieren immer noch die Freude und das Entzücken an Klängen, Melodien und Sprache in der faszinierenden Synthese, wie sie das Lied zu bieten hat.


    Und an Wolfram noch nachträglich gerichtet:


    Was meine Nachbarn rechts und links im Konzertsaal betrifft: Ich habe mich immer schon geärgert, wenn da mal einer oder eine neben mir saß und Noten auf dem Schoß oder in der Hand hatte. Und am meisten freue ich mich, wenn ich neben mir das konzentrierte und zugleich verzückte Lauschen beobachten kann, nach dem auch mir zumute ist.


    Jetzt meine ich aber: Die Sache ist abgetan und erledigt!

  • Das ist für mich die erstaunlichste unter den Heine-Vertonungen von Clara Schumann. Während man bei den anderen Liedern auf Texte von Heinrich Heine spürt, wie sie sich dem Prinzip des Melodischen verpflichtet fühlt und eine gewisse lyrische Idyllik oder volksliedhafte Einfachheit wahren möchte, hat sie sich hier erstaunlich weit davon emanzipiert.


    HEINRICH HEINE
    Es fiel ein Reif in der Frühlingsnacht,
    Er fiel auf die zarten Blaublümelein,
    Sie sind verwelket, verdorret.


    Ein Jüngling hatte ein Mädchen lieb,
    Sie flohen heimlich von Hause fort,
    Es wuß´ weder Vater noch Mutter.


    Sie sind gewandert hin und her,
    Sie haben gehabt weder Glück noch Stern,
    Sie sind verdorben, gestorben.


    Schon die Klaviereinleitung, mit ihren enharmonisch aufsteigenden Akkorden, weicht ab von den anderen Heine-Liedern Claras. Die melodische Linie, die auf den ersten beiden Versen liegt und auch wieder, wie das Klaviervorspiel, von unten nach oben aufsteigt und danach wie lakonisch abfällt, hat nichts von lyrischer Idyllik an sich. Das wirkt wie eine kühle Feststellung: Ein Reif fiel auf die zarten Blaublümelein.


    Nun aber, wenn es um den Jüngling, das Mädchen und ihre Liebe geht, kommt Pathos in das Lied. Die melodische Linie steigt langsam an, steigert sich immer höher und macht dann einen großen Bogen über dem Vers: "Es wußt´ weder Vater noch Mutter". Nun kommt eine lange Pause für die Singstimme, derweilen das Klavier diese Situation zu reflektieren scheint.


    Danach setzt die Singstimme die "Erzählung" fort, in einem ruhigen, jetzt nach dem vorangegangen hohen Pathos eher sachlich wirkenden Ton. Das "Sie sind verdorben, gestorben" wird in erschreckend einfachen Tonschritten deklamiert. Auf der letzten Silbe des Wortes "gestorben" liegt eine lange melodische Dehnung, die einfach nicht enden zu wollen scheint.

  • Eigentlich, - so denke ich jetzt beim Blick auf das eben gerade vorgestellte Lied von Clara Schumann - , gibt es doch hier im Forum viele interessante Fragen und Themen, über die sich ein Gespräch lohnt. Es ist doch gar nicht nötig, sich auf das mehr oder weniger qualifizierte Kommentieren von Beiträgen anderer Forumsmitglieder zu beschränken.


    Da leben zum Beispiel zwei Menschen, Musiker und Komponisten, in einem engen geistigen Kontakt miteinander, sind darüberhinaus auch noch verheiratet, lesen Gedichte desselben Autors und komponieren Lieder darauf. Die Rede ist von Robert und Clara Schumann und Heinrich Heine.


    Wie haben sie diesen Lyriker jeweils gelesen? Was an seinen Gedichten hat sie angesprochen? Gibt es da da erkennbare Unterschiede, die sich in der Thematik ihrer jeweiligen Lieder und ihrer jeweiligen musikalischen Faktur niedergeschlagen haben?


    Der Text des eben vorgestellten Liedes von Clara - "VOLKSLIED" betitelte sie es - wurde ja auch von Robert Schumann zu einem Lied komponiert. Clara Schumann hat ihr Lied nicht veröffentlicht. Sie hat es, wenn ich richtig informiert bin, zeitlich nach dem Lied von Robert komponiert, das sie natürlich kannte. Was hat sie dazu bewogen, sich dieses Heine-Gedicht selbst noch einmal kompositorisch vorzunehmen?


    Das können wir natürlich nicht wissen. Aber was wir tun könnten, wäre, diese beiden Lieder miteinander zu vergleichen und ein wenig darüber zu spekulieren, was beide jeweils mit ihrer Komposition zum Ausdruck bringen wollten. Und außerdem: Welche Rückschlüsse lassen die von Clara Schumann gewählten Heine-Gedichte auf die Motive ihrer Hinwendung zu diesem Dichter zu?


    Wie gesagt: Es gibt viele interessante Fragen und Themen.

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