Konservative Opernaufführung - was bedeutet das? (2. Versuch)

  • Zitat

    Wenn eine Unstimmigkeit nicht unmittelbar auftritt, so ist das auch als Bestandteil des Kunstwerks zu akzeptieren aus der Sicht des Freundes der konservativen Opernaufführung.

    wenn nun aber diese Unstimmigkeit ein bedeutender Bestandteil des Werk bildet, dann folgt daraus, das diese Akzeptanz keinesfalls als werkgemäß anzusehen wäre.

    Zitat

    Nein, denn der Zustand des Zurückgedrängten möge ebenso bewahrt bleiben, wie die anderen Elemente des Musikdramas. Bei der Bewertung der Wichtigkeit der verschiedenen Elemente des Musikdramas wünscht sich der Freund der konservativen Opernaufführung große Behutsamkeit von Seiten des Regisseurs, dessen Aufgabe nicht ist, die Gewichtung aus der Hand des Komponisten und Librettisten zu revidieren.

    Es geht nicht im Revision der Gewichtung, sondern zunächst um die Bestimmung der Gewichtung.

    Zitat

    Dass das "Herausarbeiten" mitunter als "Verändern" empfunden wird, haben wir jetzt schon ein paar mal in den Editor gesetzt.

    Empfunden wird ist nicht gleichzusetzen mit, ob es tatsächlich um eine Veränderung handelt.


    :hello:

  • wenn nun aber diese Unstimmigkeit ein bedeutender Bestnadteil des Werk bildet, dann folgt daraus, das diese Akzeptanz keinesfalls als werkgemäß anzusehen wäre.


    Das würde implizieren, dass die Schöpfer des Werkes, indem sie diese Unstimmigkeit unauffällig gemacht haben, gefehlt haben, bedeutet also eine Kritik an dem Kunstwerk und den Versuch, dieses zu verbessern, zu verändern. Der Freund der konservativen Opernaufführung hegt mehr Respekt vor dem Werk und belässt es dem Kommentar und dem Betrachter, derlei Beurteilungen vorzunehmen, die stets irrtümlich sein können und es oft sind.

  • Zitat

    Das würde implizieren, dass die Schöpfer des Werkes, indem sie diese Unstimmigkeit unauffällig gemacht haben, gefehlt haben, bedeutet also eine Kritik an dem Kunstwerk und den Versuch, dieses zu verbessern, zu verändern.

    Nicht gemeint damit, dass die Schöpfer diese unauffällig gemacht haben. Denkbar aber auch, dass Regie-Anweisungen aus den Notwendigkeiten der damaligen Praxis erfolgten, aber ganz anders intendiert waren.
    Selbstverständlich ist das eine kritische Aneignung des Kunstwerks, Brüche zur Erscheinung zu verhelfen (nicht in besserwisserischer Perspektive). Sondern aus Respekt vor dem Werk. Jedes Kunstwerk trägt die Male der Welt in der sie entstehen.

    Zitat

    Der Freund der konservativen Opernaufführung hegt mehr Respekt vor dem Werk und belässt es dem Kommentar und dem Betrachter, derlei Beurteilungen vorzunehmen, die stets irrtümlich sein können und es oft sind.

    Jede konservative Opernaufführung ist aber bereits ein Kommentar zum Werk (allein wie Ton, Text und Anweiisungen umgesetzt werden, du wirst das Subjekt der Regie nicht ganz ausschalten) und indem z.B. diese Brüche ignoriert werden sind sie zugekleistert und damit überlässt sie es keinesfalls mehr ganz dem Betrachter derlei Beurteilungen selbst vorzunehmen
    :hello:

  • Zitat

    Jeder teilt nur seine persönliche Interpretation des Seienden mit, das, was er für "Wahrheit" hält oder als solches empfindet.

    dann würde sich jede Kommunikation in z.b. Tamiino erübrigen und es existierten auch keine Naturgesetze, die zumindestens eine temporäre Geltung mit extrem hohen Wahrscheinlichkeitsgraden besitzen und damit auch extrapoliert wird, aber das ist nicht Thema dieses Threads.
    :hello:

  • Selbstverständlich ist das eine kritische Aneignung des Kunstwerke, diese Brüche zur Erscheinung zu verhelfen (nicht in besserwisserischer Perspektive).


    Um auf die Brüche, sofern sie denn vorhanden sind, aufmerksam zu machen, eignet sich ein Programmheft aus der Sicht des Freundes konservativer Opernaufführungen besser als der Eingriff in den zugrundeliegenden die Regieanweisungen beinhaltenden Text.
    :hello:

  • dann würde sich jede Kommunikation in z.b. Tamiino erübrigen und es existierten auch keine Naturgesetze, die zumindestens eine temporäre Geltung mit extrem hohen Wahrscheinlichkeitsgraden besitzen und damit auch extrapoliert wird, aber das ist nicht Thema dieses Threads.
    :hello:


    Genau, es ist nicht Thema dieses Threads.

  • Zitat

    Um auf die Brüche, sofern sie denn vorhanden sind, aufmerksam zu machen, eignet sich ein Programmheft aus der Sicht des Freundes konservativer Opernaufführungen besser als der Eingriff in den zugrundeliegenden die Regieanweisungen beinhaltenden Text.

    Auch jede konservative Opernaufführung ist bereits ein Eingriff, weil Regieanweisungen (Bühnenbild, Choreographie, Kostüme etc) in der Regel sich nicht 1:1 umsetzen werden lassen...
    :hello:

  • Jede konservative Opernaufführung ist bereits ein Eingriff, weil Regieanweisungen (Bühnenbild, Choreographie, Kostüme etc) in der Regel sich nicht 1:1 umsetzen werden lassen...


    Nach dieser von Dir vorgenommenen Belegung des Wortes "Eingriff" ist jede Aufführung ein "Eingriff" in den zugrundeliegenden Text - das entspricht nicht der üblichen Verwendung des Begriffes. Dadurch würde die Bedeutung von "Eingriff" aus dem Wort fortgenommen und ich müsste mir neue Wörter suchen - was ich aber jetzt nicht tue, da ich mich nicht genötigt sehe, Deiner Begrifflichkeit zu folgen (die anderen Wörter würdest Du auch unverzüglich Ihrer üblichen Bedeutung berauben).


    Oder anders gesagt - was der eine als "Eingriff" empfindet, empfindet der andere als "Umsetzung".
    :)


    Ich bemerke, dass wir beginnen, in die Wortklauberei abzudriften, und verabschiede mich.
    :hello:

  • Zitat

    Nach dieser von Dir vorgenommenen Belegung des Wortes "Eingriff" ist jede Aufführung ein "Eingriff" in den zugrundeliegenden Text - das entspricht nicht der üblichen Verwendung des Begriffes.

    Ja jede Aufführung ist es ja auch (mehr oder weniger) und es ist darin kein Widerspruch zu der von dir behaupteten übliche Verwendung des Begriffs "Eingriffs" zu entdecken.


    Zitat

    (die anderen Wörter würdest Du auch unverzüglich Ihrer üblichen Bedeutung berauben).

    das erneut ungerecht und unztreffend.


    Zitat

    [i] Oder anders gesagt - was der eine als "Eingriff" empfindet, empfindet der andere als "Umsetzung".
    :) Ich bemerke, dass wir beginnen, in die Wortklauberei abzudriften, und verabschiede mich[/i

    Wortklauberei ist nicht beabsichtigt, die Gefahr des Abdriftens sehe ich allerdings auch. Mir geht es um das unterschiedliche Verständnis des Begriffs "konservative Opernaufführung."


    Dein Verständnis ist nach meinen Dafürhalten sehr eng gefasst und "buchstaben"getreu und sehr auf z.B. Regieanweisungen und bloßen Text bezogen. Die Gründe, dass dieses nicht unanfechtbar ist, wurden angesprochen.


    Mein Verständnis von konservativer Opernaufführung ist eher auf das Werk als ganzes bzw. als solches bezogen. Ich konzediere, dass mein Verständnis auch anfechtbar ist, weil es z.B. nicht in gleicher Weise eingrenzbar und festschreibbar ist , wie das deinige..


    :hello:

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  • [quote] ist die m.E. verunglückte Verfilmung durch Karajan, in welcher Vickers z.B. mit derart verlangsamten Bewegungen agieren muss, dass jede Natürlichkeit auf der Strecke bleibt und ein verteiftes Eintauchen ins Geschehen zumindest mir verunmöglicht wird.


    Die "verlangsamten Bewegungen" Otellos ergeben sich zwangsläufig aus dem Tempo der Musik. Ausserdem war Vickers alles eher als ein viriler Typ.


    Was die von Amfortas permanent zitierten und obsessiv herbeigeredeten Unstimmigkeiten in den Libretti anlangt, ist festzuhalten, dass es deren Unzählige gibt. Schon Slezak sagte, er habe auch nach dem 300sten Troubadour das Werk nicht verstanden. Oder die Rolle Roccos, der als gütiger Familienvater (zumindest was die Beziehung zu seiner Tochter betrifft), später schlußendlich als opportunistischer Kollaborant mit dem System und im Finale dann als unerschrockener Menschenfreund hingestellt wird. Und so weiter ...


    Mit diesen und vielen anderen Widersprüchen muß der Opernfreund leben und versuchen, in seiner Imagination eine Harmonisierung - wenn überhaupt - zu erreichen. Keine Frage, dass hier die Erkenntnisse des Regisseurs hilfreich sind und in der Regel vom Publikum auch zumindest als Diskussionsgrundlage akzeptiert werden - aber auch in diesem 2. Thread wird wieder der Fehler perpetuiert, dass die Dissenz ganz woanders zu finden ist: in der Veränderung der Handlung und der Veränderung der angegebenen Zeit.


    Die Frage muß also lauten: Sind diese Veränderungen statthaft, und warum müssen sie stattfinden?
    Das ist die Kernfrage, die eine "konservative Opernaufführung" ausmacht oder nicht.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Nachdem ich diesen Thread erst jetzt entdeckt habe - und er schon weit fortgeschritten ist - hatte ich anfangs Angst - hier den Anschluss zu finden. Aber ich sehe es ist gar nicht notwendig, weil der Uralt Streit bereits wieder eingesetzt hat.(wenngleich bemerkenswert ist wie verschieden doch zwei Threads mit gleichem Beginn verlaufen können)


    Ich möchte hier festhalten, daß ich mich in diesem Thread nicht auf sprachliche Spitzfindigkeiten einlassen möchte (wiewohl ich damit umgehen kann) sondern Umgangssprache verwenden werde.


    Wolfram hat gefragt, was denn die Grundbedingungen seien, die ich bei einer "Klassischen" Operninszenierung voraussetzen würde.
    Diese erste Frage ist einfach beantwortet.
    Die Oper soll in jenem Land spielen, welches der Librettist vorgesehen hat
    Die Oper soll in jener Zeit spielen, die der Librettist vorgesehen hat
    Die Kulissen und Kostüme sollen möglichst "realitätsnah" sein - ein Punkt auf den ich später noch eingehen werde.


    Man sollte es nicht glauben - aber diese SCHEINBAR - so engen Grenzen lassen unglaublich viel Spielraum für eine Phantasievolle Regie.


    Wir sprechen hier ja stets von OPERNTHEATER, dessen Spielregeln andere sind, als jene des Sprechtheaters.
    Beim operntheater haben die Autoren immer nach einer möglichst einfachen - oft schablonenartigen Zeichnung der Charaktäre gestrebt und es wurden bei Umsetzungen von Sprechstücken oft unwichtigere Nebenrollen gestrichen - um das Geschehen "dichter" und "einprägsamer " darzustellen. Oper ist (meiner Meinung nach) keine ideale Kunstform , wo psychologische Charakterbilder bis ins letzte Detail durchgezeichnet werden, sondern begnügt sich (von Ausnahmen abgesehen) mit einfacher Zeichnung von Persönlichkeiten.
    Diese Vereinfachung lässt manche Inhalte eher unlogisch oder simpel erscheine, daher musste man zu Kunstkniffen greifen, die diesen Umstand vertuschen. Ideal ist hier eine bombastische Gestaltung welche vom eigenlichen Text ablenkt, die angestrebte Stimmung jedoch zusätzlich betont. Gruselige Nachtszenen, Gespenster, Hexen und sogar der Teufel sind beliebte Stimmungsmacher in Opern. Desgleichen exotisch gekleidete Fürsten, Feldherrn oder Priester. Natürlich gibt es Opern die ihre Wirkung aus anderen Quellen schöpfen - aber grundsätzlich sind die genannten "Sensationen" vom Publikum gern gesehen und werden GENAU DESHALB gern eingesetzt. Die Zauberflöte ist in dieser Hinsicht ein ergiebiges Feld....


    mfg aus wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das finde ich sehr richtig ...


    Mir fällt kein Mittel ein, wie man der sophistischen Schwurbeleien von Amfortas oder Wolfram Herr wird, wenn diese sich permanent in Fragen (wie soll "ausgelegt" werden u.ä.) verbeißen, aber kein Wort darüber verlieren, weshalb sie deine Thesen ignorieren.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

  • Ich wollte mich eigentlich in diesem Thread nicht zu Wort melden, weil mir der ganze Fortgang der Argumente zu sehr Selbstzweck scheint und es so aussieht, als wenn derjenige in diesem Wettstreit der Argumente gewinnt, der am längsten durchhält, nicht derjenige, der die besseren Argument hat. So nimmt es nicht wunder, dass der eine oder andere (zuletzt Crissy) abspringt.


    Nun habe ich heute Abend in meiner (privaten) Fidelio-Rallye etwas erlebt, das mich zumindest zu diesem einen Posting bewegt hat. Nach meinem Abschluss de Maazel-Fidelios fiel mir ein, dass ich Positives über Jonas Kaufmann als Florestan gelesen hatte. Um gleich auf den Punkt zu kommen, loggte ich mich bei Youtube ein und erlebte den Schock des Tages:
    Ein Opernfreund hatte am 11. 7. 2011 die Arie des Florestan "Gott! Welch Dunkel hier - In des Lebens Frühlingstagen" aus einer Aufführung der Bayerischen Staatsoper vom 8. 7. 2011 gepostet mit Jonas Kaufmann:


    Dieses Posting ließ mich ratlos zurück. Was hatte sich der Regisseur nur dabei gedacht? "Gott! Welch Dunkel hier?" - Die Bühne ist ziemlich hell erleuchtet, Florestan läuft ohne Ketten zwischen vielen aneinanderstehenden Glaskäfigen herum, über denen diverse Figuren schweben, an über Lenkrollen befestigten Seilen, - ohne Sinn und Verstand. Nun singt Kaufmann seine Arie- aber: mein Gott- welche Stimme. Es haut mich glatt um. Er kann einer der ganz großen "Florestans" werden.
    Aber als wenn er es geahnt hätte: zwischen den einzelnen Arienteilen wirft er sich zu Boden, krümmt sich udt tippt mit seinen Armen und seinen nackten Füßen verzweifelt auf den Boden. Am Schluss seiner Arie versucht er dann sich an einem Glaskäfig nach oben zu hangeln, muss sich aber ermattet wieder zu Boden sinken lassen.


    Kennt einer von euch diese Aufführung?


    Jetzt verstehe ich auch, warum Pater Gregor, der eine Woche später in München unsere Choralschola-Fortbildung leitete, bei einer Stadtführung kundtat, dass er keine Vorstellung in der Bayerischen Staatsoper mehr besuchen würde. Er hatte wohl auch die Nase voll von den Regisseuren.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Mir fällt kein Mittel ein, wie man der sophistischen Schwurbeleien von Amfortas oder Wolfram Herr wird, wenn diese sich permanent in Fragen (wie soll "ausgelegt" werden u.ä.) verbeißen, aber kein Wort darüber verlieren, weshalb sie deine Thesen ignorieren.


    Lieber Miiletre,


    ich hatte bereits auf verbale Entgleisungen Deinerseits hingewiesen. Warum vergiftest Du die Atmosphäre in unnötiger Weise?


    Die Oper soll in jenem Land spielen, welches der Librettist vorgesehen hat
    Die Oper soll in jener Zeit spielen, die der Librettist vorgesehen hat
    Die Kulissen und Kostüme sollen möglichst "realitätsnah" sein - ein Punkt auf den ich später noch eingehen werde.


    Lieber Alfred,


    das ist endlich mal eine Antwort auf meine Frage.


    Ich gebe Dir grundsätzlich Recht. Dennoch muss ein Regisseur m. E. die Freiheit haben, diese Punkte anders zu entscheiden, Das Kriterium der Zulässigkeit ist m. E., ob die künstlerischen Gewinne dabei die Verluste (die gibt es notwendigerweise) überwiegen. Und es ist ein Häufigkeitsproblem: Man bekommt ja heutzutage nichts anderes mehr angeboten - wäre der Regietheateranteil bei 10%, gäbe es diese ganze Diskussion nicht.


    Trotzdem muss ich Deine Thesen ein wenig weiter hinterfragen - und hoffe, dass mir dies nicht als Sophisterei ausgelegt wird:


    - Verdi und sein Librettist verlegten die Handlung des Maskenballs nach der Komposition bzgl. Ort und Zeit. Da das Stück trotzdem funktioniert, schließe ich - und führe den Maskenball sogleich als Beispiel meiner These an -, dass es im Einzelfall wichtigeres gibt, als die Erhaltung von Ort und Zeit. Könntest Du dem zustimmen?


    - was sind das "Land, in dem das Stück spielt" bei Zauberflöte und Rheingold? Bei der Nornenszene der Götterdämmerung? Sind sie beim Tristan wirklich wichtig? Was ist bei diesen Werken die "Zeit, in der das Stück spielt"? Und was sind realitätsnahe Kostüme bei Göttern und sonstigen Fantasiewesen wie der Königin der Nacht?

  • Lieber Wolfram,
    Da ich in wenigen Minuten das Haus verlassen muss um mich meinem 9 Stundentag zum Brötchen verdienen zu widmen, werde ich erst abend dazu kommen deine Argumente aufzugreifen und meinen Standpunkt dazu zu erläutern.
    Insbesondere die Zauberflöte ist ein interessantes Werk in dieser Hinsicht.


    Beste Grüße
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Die Oper soll in jenem Land spielen, welches der Librettist vorgesehen hat
    Die Oper soll in jener Zeit spielen, die der Librettist vorgesehen hat
    Die Kulissen und Kostüme sollen möglichst "realitätsnah" sein - ein Punkt auf den ich später noch eingehen werde.


    Hallo Alfred,
    wie gesagt, sehe ich das ein wenig anders - wie die Kulissen und Kostüme aussehen, würde ich von den Gepflogenheiten der Zeit abhängig machen, in der die Oper entstanden ist, von dem, wovon die Komponisten und Librettisten ausgegangen sind, womit sie auf der Bühne gerechnet haben. Aber meine Wunschvariante sieht eben ein wenig anders aus als Deine.
    :hello:

  • wie man der sophistischen Schwurbeleien von Amfortas oder Wolfram ......wenn diese sich permanent in Fragen (wie soll "ausgelegt" werden u.ä.) verbeißen, aber kein Wort darüber verlieren, weshalb sie deine Thesen ignorieren.


    1. Nicht nur von dir werden mir Sophismus, Umbiegen von Wortbedeutungen, Schwurbeleien etc. unterstellt. Gegen derlei ungerechte Anschuldigungen verwahre ich mich. Das ist kein gepflegter und angenehmer Diskussionsstil.
    2. Ich unterstelle außerdem, dass dir eigentlich klar ist, dass und vor allem warum wiederholt Alfreds Thesen in Frage gestellt wurden.


    Die "verlangsamten Bewegungen" Otellos ergeben sich zwangsläufig aus dem Tempo der Musik. Ausserdem war Vickers alles eher als ein viriler Typ.
    Nein, alternative Inszenierungen des Otellos weisen sinnvollere choreographische Umsetzungen aus, als die primitiv-illustrative, oft nicht nur musikalische Message überlagernde Karajans. Außerdem könnte beim Film ebenso gut ein Schauspieler den „Stunt“ des Tenors übernehmen.


    Mit diesen und vielen anderen Widersprüchen muss der Opernfreund leben
    So ist es.


    und versuchen, in seiner Imagination eine Harmonisierung - wenn überhaupt - zu erreichen.
    Nein, keine Harmonisierung. Das kann außerdem – polemisch gesagt – sogar als „zu starker“ Eingriff ins Werk angesehen werden; vor allem wenn Alfred schreibt: "Diese Vereinfachung lässt manche Inhalte eher unlogisch oder simpel erscheine, daher musste man zu Kunstkniffen greifen, die diesen Umstand vertuschen. Sowie: Ideal ist hier eine bombastische Gestaltung welche vom eigentlichen Text ablenkt, die angestrebte Stimmung jedoch zusätzlich betont."
    Das ist eindeutig ein Eingriff in das Werk (der aber nicht vorn vorne herein abzulehnen wäre). Und an diesem Punkt kann sich die Diskussion anknüpfen, ob dieser bzw. welcher dieser Eingriffe eher dem Sinn einer „konservativen“ Opernaufführung entspricht, unter Berücksichtigung dessen, was jeweils unterschiedlich unter „konservativer“ Opernaufführung verstanden wird.


    Mein Verständnis von konservativer Opernaufführungen, dass ich als prozessual bezeichnen würde, heischt allerdings, Unstimmigkeiten (ich meine damit auch, wenn z.B. Musik, Text, Bild und Regieanweisungen „kontrapunktisch“ „kontradiktorisch“ im Verhältnis zueinander stehen, was Alfred auch in seinem Posting deutlich macht) können/sollen/mögen deutlich herausgearbeitet werden. Das wäre werkdienlich, weil es Teile eines Werk u.U. vors Abgleiten in unverbindliche Belanglosigkeit bewahrt, nämlich in dem Fall, wenn Unstimmigkeiten, Brüche überhaupt erst die spezifische Qualität bestimmter Teile einer Oper bedingen, also als bedeutungsvoller, substanzreicher sich erweisen, als die Erscheinung einer bloßen „glatt-polierten“ Oberfläche, die derlei Brüche „vertuscht“ (Zitat Alfred) . Ich denke dabei z.B. an Wagner.


    Keine Frage, dass hier die Erkenntnisse des Regisseurs hilfreich sind und in der Regel vom Publikum auch zumindest als Diskussionsgrundlage akzeptiert werden - aber auch in diesem 2. Thread wird wieder der Fehler perpetuiert, dass die Dissenz ganz woanders zu finden ist: in der Veränderung der Handlung und der Veränderung der angegebenen Zeit.
    Die Frage muß also lauten: Sind diese Veränderungen statthaft, und warum müssen sie stattfinden?
    Das ist die Kernfrage, die eine "konservative Opernaufführung" ausmacht oder nicht.
    Oder nicht. Es ist eine wichtige Frage, aber nicht automatisch die Kernfrage.
    :hello:

  • Bevor ich hier mitmische, teile ich mit, daß es meine feste Absicht ist, niemanden persönlich zu attackieren der in diesem Forum Mitglied ist


    Ich beginne der Einfachheit halber auf den Wunsch des KSM einzugehen:


    Zitat

    wie die Kulissen und Kostüme aussehen, würde ich von den Gepflogenheiten der Zeit abhängig machen, in der die Oper entstanden ist, von dem, wovon die Komponisten und Librettisten ausgegangen sind, womit sie auf der Bühne gerechnet haben. Aber meine Wunschvariante sieht eben ein wenig anders aus als Deine.

    Das ist eine durchaus legale Sichtweise. - und sie könnte mich auch interessieren.
    Allerdings tritt hier - was mich nicht stört - der museale Aspekt besonders stark in den Vordergrund.
    Die Besucher erleben eigentlich nicht die "Handlung" der Oper - sondern deren Realisierung, die (beispielsweise) einer des achzehnten Jahrhunderts nachempfunden wurde. Opernbesuch als "historisierendes Event"
    Hiefür eignen sich meiner Meinuig nach jedoch nur wenige Opernhäuser, beispielsweise jenes in Drottningholm, in Schwetzingen, und das Schönbrunner Schloßtheater Schönbrunn in Wien.....
    ______________________________________________________________

    Zitat

    dass es im Einzelfall wichtigeres gibt, als die Erhaltung von Ort und Zeit. Könntest Du dem zustimmen?

    Verdi tobte über die notwendigen Veränderungen - und es hat in der Geschichte der Oper immer wieder Einzelfällle gegeben, wo Zeit oder Ort verändert wurden. Die Gründe waren unterschiedlich, ebenso wie das Ergebnis. Meist waren es finanzielle Nöte die derlei erzwangen - in seltenen Fällen aber auch eine Regie die sich von der Verschiebung einen besseren Effekt erhoffte. Zumeist wurde aber davon abstand genommen und lediglich - von allen unbemerkt - ein bühnenwirksamer Anachranismus oder "historischer Fehler" eingebaut (z. .b "Wikingerhelm" - auf den komme ich bei Gelegenheit noch zu sprechen.)


    Zitat

    was sind das "Land, in dem das Stück spielt" bei Zauberflöte und.....

    Das Land wurde hier in der Tat nicht genannt, was zahlreiche Ausstatter dazu verleitete ein "Ägyptisches Ambiente" zu schaffen - was meiner Meinung nach nicht die glücklichste Lösung darstellt.
    Es gibt bereits einenThread vom 12. Dezember 2004, wo im Titel schon meine Meinung durchklingt.
    Die Zauberflöte - Ein Machwerk ?
    Ich bitte aber, diesen Thread - er ist seit 2009 inaktiv - ruhen zu lassen und das Thema in einem neuen - aus der ungeliebten Serie: Opern unter der Lupe (wird in einer Stunde erstellt) zu behandeln - wobei ich bitte den alten Thread erst in einige Tagen zu lesen - damit man realtiv unbeeinflusst davon bleibt.


    Hier nur in aller Kürze: Die Zauberflöte ist eine bühnen- und publikumswirksame Oper ohne wirklichen Tiefgang. Dieser wird durch geschickten Einbau von brennenden Fragen und Moden der Mozartzeit durch Schikaneder geschickt vorgetäuscht.
    Wenn auch gewisse Libettoanweisungen diffus sind - im großen und ganzen sind sie genau beschreibend, (Wasserfall, Tempel, etc etc) Wenn ich oft von Realitätsnähe schreibe, dann meine ich eher eine ÜBERZEUGENDE Szenerie, die zur Beschreibung durchs Libretto passt und deren Realisierung so packend ist, daß man meint - so und nicht anders müsse es gewesen sein.


    mit freundlichen Grüßen
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Dieser wird durch geschickten Einbau von brennenden Fragen und Moden der Mozartzeit durch Schikaneder geschickt vorgetäuscht.
    Wenn auch gewisse Libettoanweisungen diffus sind - im großen und ganzen sind sie genau beschreibend, (Wasserfall, Tempel, etc etc) Wenn ich oft von Realitätsnähe schreibe, dann meine ich eher eine ÜBERZEUGENDE Szenerie, die zur Beschreibung durchs Libretto passt und deren Realisierung so packend ist, dass man meint - so und nicht anders müsse es gewesen sein.


    Hier nur in aller Kürze: Die Zauberflöte ist eine bühnen- und publikumswirksame Oper ohne wirklichen Tiefgang.


    Die Zauberflöte gehört nicht zu meinen Lieblingsopern Mozarts. Aber sie birgt mehr oder weniger deutlich unterhalb der illustrativen Oberfläche „Tiefgang“, vor allem in musikalischer Gestalt.. Und das Vermissen/Leugnen an „Tiefgang“ der Zauberflöte in diesem Zitat kann als exemplarischer Beleg dafür angesehen werden, dass ein Eingriff ins Werk durch Versteifung auf eher äußerliche Librettoangaben, verschüttet bzw. nicht bewahrt, was durchaus als substanzreich z.B. in der Zauberflöte sich erweist, während dagegen werkgerechte Aufführung durch eigenständige Gewichtung von Musik, Text, Bild bzw. Anweisungen des Librettos in der Interpretation derlei Elemente herausarbeiten vermag.
    Sie erweist sich damit als „konservativ“ nicht im Sinne von beflissener Befolgung eher äußerlicher Anweisungen, sondern in der Gestaltung dessen, was der Substanz eines Werkes zuzurechnen wäre, um sie publikums- und bühnenwirksam zur Geltung zu bringen, ohne Aussparung dessen, was als Unterhaltung des Publikums gilt, verbunden mit der Intention, das Werk vor musealer Belanglosigkeit bzw. vor Degradierung zum Objekt bloßer Unterhaltung zu bewahren.
    :hello:

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  • Ich stimme Dir nur bei den Kastraten zu - Kerzenlicht und originaler Stimmton werden in der HIP-Szene mitunter berücksichtigt. Das Kerzenlicht zwar nur sehr selten, aber immerhin. Mein Ideal einer Barockoper findet natürlich bei Kerzenlicht statt.


    An echte Beleuchtung mit Kerzen- oder Gaslicht plus Reflektoren ist heute aus feuerpolizeilichen Gründen nicht mehr zu denken!


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Zitat

    Achso, Alfred hat in das Werk eingegriffen.

    Unsinn. Alfred hat nicht in das Werk eingeriffen, weil er es nicht inszeniert, sondern Alfreds Vorschläge bilden bereits in ihrer Gewichtung einen Eingriff. Sie sind enger an Librettoanweisungen fixiert als z.B. bei Everding.
    :hello:

  • Zugegeben, es gehört genau so wenig hierher, wie der Beitrag von Kurzstueckmeister von gestern, auf denen ich hier Bezug nehme:


    Auch mir würde diese Macbeth-Produktion nach Bildern und Kritiken zu schliessen durchaus gefallen (man kann nämlich aus Zeitungen auch postiv zu Opernbesuchen animiert werden.) Was ich aber auffällig finde, nachdem ich heute diverse Kritiken (Neuer Merker) durchgelesen habe:


    Von Amfortas wurde des öftern die Gleichschaltung des Feuilletons bestritten. In vielen Kritiken wurde einerseits die Begeisterung des Premièren(!)publikums betont, andererseits aber mokiert man sich über "Harmlosigkeit", über das "Rampentheater" bis hin zum Satz, dass "zwei Opas Oper machen". Keine Gleichschaltung? Kein Hang zum Regietheater? Schon witzig....

  • Diese Verschwörungstheorie ist weiterhin zu bestreiten.
    Kannst du leicht überprüfen an Hand des Feedbacks zum Knabe-Rheingold.


    Ich habe mir den Macbeth nicht reingezogen. Von Rainer Wagner wurde die Macbeth-Regie wohlwollend besprochen. Vor allem die Choreographie des Hexenchors.
    Einwände gab es zur Bilderüberfülle der Massenszenen. Ztiat: “ würde zu einem Ritterspektakel besser passen, als zu einer mörderischen Oper“.
    Weiterhin ist zu lesen:“ Muti und Stein .. zeigen die stark veränderte Pariser Fassung, wechseln aber zum Finale in die Urfassung.. und Muti hat Steins Vorschlag zugestimmt die ..Ballet- Musik des 3. Aktes vor die Hexenszene zu stellen..“


    Also genug Gründe für Freunde konservativer Opernaufführungen über derlei werkenststellende Eingriffe des sog. "Regietheaters" (in der Kollaboration Mutis mit Peter Stein) zu hadern. :thumbsup:
    :hello:


  • Das ist doch wirklich blauäugig. Denn immer schon hat es in der Bühnentradition derlei Abwägungen gegeben, welche Fassung(en) man heranzieht, wenn mehrere Fassungen existieren. Darin sehe ich nichts Verwerfliches - ist eher eine Geschmacks- oder Stilfrage.


    Bezeichnend, dass auch hier wieder am Kern der Sache vorbeischwadroniert wird. Ich möchte endlich eine Antwort resp. Begründung auf die Frage erhalten, warum die Verlegung der Handlung in eine andere Epoche notwendig sein sollte, ebenso dass man Bühnenszenen kreiert, die mit den Intentionen und Anweisungen der Autoren dermaßen hart kollidieren.

    Arrestati, sei bello! - (Verweile, Augenblick, du bist so schön!)

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