Hallo Ihr,
Ich war vor Jahren in fast jedem Celi-Konzert. zuerst eher neutral abwartend, mit der Zeit immer begeisterter! Insbesondere seine Bruckners haben mich (auch im Vergleich mit Günter Wand) völlig in den Bann gezogen, aber nicht nur die. Auch Brahms 2 und 4, seine Wagners, Mozart Requiem, Faure Requiem, Tschaikovskys letzte Symphonien... Was bin ich da oft über Stunden völlig verstört rausgegangen und konnte mich gar nicht lösen von dem Erlebten. Und, ja es stimmt: Die Zeit verschwand völlig. 3 Stunden? 1 Stunde? Egal, das einzige was da war, war die Musik. Mal schneller, mal langsamer, immer intensiv, aber nicht nach Uhrzeit messbar.
Was aber GAR NICHT ging, war Beethoven 5. Wenn man da den vorwärtsstürmenden Drive herausnimmt und die Sinfonie akustisch "seziert" - auch in dem Bemühen Details und Zusammenhänge zu zeigen- fällt sie auseinander. Dieses Werk lebt ja gerade zu vom "werden" und stürmt vorwärts! Warum gings nicht? M.E. stand da Celi seine Philosophie im Weg. Genau das, was die Bruckners so grossartig gemacht hat, hat Beethoven vernichtet.
Im Grunde finde ich seinen phänomenologischen Anatz auch richtig: Tempo ist von dem abhängig, was rauskommt. Und in der eher problematischen (matschigen, Streicher zudeckenden) Akustik des Gasteigs musste er halt dann langsamer werden, um Bruckners grossflächige Musik transparent zu halten. Übrigens empfand ich G. Wand eigentlich auch nicht schneller... Ich glaube auch nicht, dass er ein grosser Selbstdarsteller und Vermarkter war. Er wollte gutes Geld, sicherlich, aber dafür hat er auch geprobt wie kaum einer! Sowie zeitlich wie intensiv (@ Ulrica: ich glaube, Du stimmst mir zu!). Ich kenne mindestens 2 Solisten aus dem damaligen Orchester, die übereinstimmend berichteten: Nie haben wir so viel gelernt, Nie haben wir so "Musiziert", das kommt nie wieder. Folgerichtig sind sie dann auch gegangen....
Und sich dem Trend einer weltweiten, schnell austauschbaren Einheitsinterpretation entgegenzustemmn, halte ich für die damalige Zeit (80er, der CD-Boom begann!!) sehr mutig! Er war einfach konsequent, abzusagen, wenn er seine Vorstellungen nicht verwirklichen konnte. In München konnte er. Kleines Beispiel, was ich mit Einheitsinterpretation meine (wörtlich berichtet von einem o.a. ex-Solisten der MPhil, der wie alle auch mal woanders aushilft) über eine Mahler 2te mit einem Ex-GMD der bayerischen Staatsoper: "Ihr spielt einfach wie immer und ich häng mich dran...". Soweit also zur "Interpretation" einzelner Dirigenten. Was rauskommt, ist nach 3 Proben also nicht mehr als Zufall, erarbeitet ist da nichts. Seit dieser Erfahrung meide ich "Gastdirigenten".
Die CD spiegeln in der Tat und leider nicht das wieder, was in einer Aufführung zu hören und zu erleben war. Da wirkt in der Tat dann vieles zerdehnt und überpointiert, oft will sich der rechte Fluß nicht einstellen. (Furtwängler nach Celi: Was haben Sie gemacht!?!? Sie haben gedreht!!! Alles viel zu langsam!!!!!). Auch hier muss ich Celi leider bestätigen: Aufnahmen sind Konserve, nicht Musik; Genauso wie ein Bild nicht die Landschaft ist. Kann auch schön sein, ist aber nicht das gleiche und eigentliche!
Dennoch bin ich in der Rückschau froh und dankbar, dies alles gehört haben zu dürfen. Es hat mein Ohr für vieles geschärft, mein Denken etwas umgeworfen und mich ermutigt, weiter zu denken. Die CDs höre ich gern als Erinnerung, als Gedächtnisauffrischung. Vieles von dem, was er wollte und tat, kommt dennoch rüber!
Grüsse
MArtin