Chor-Aufnahmen - Welche sind zu empfehlen?


  • Chorknabe hat mich in Beitrag 89 neugierig auf Thierry Machuel gemacht, diesen mir unbekannten französischen Komponisten (geb. 1962). Der Chor Les cris de Paris hat neben der erwähnten Aufnahme eine weitere Einspielung seiner Werke veröffentlicht. Ich hatte mir diese Box Clairvaux - Or, les murs mit zwei CDs und einer DVD bestellt, ohne zu wissen, was mich erwartet.


    Dieser Ort ist ein ehemaliges Kloster, das heute ein Gefängnis ist. Das Besondere sind die Texte, die Machuel vertont hat. Die zu langjährigen Haftstrafen verurteilten Insassen haben Gedichte verfasst, Worte von seltener Tiefe, welche die Erfahrungen und Gefühle der Eingeschlossenen reflektieren. Im schön gestalteten, bebilderten 70seitigen Booklet sind die Gedicht-Texte, verschiedene Essay und ein Interview in französischer und englischer Sprache abgedruckt. Wer die Texte verstehen möchte, sollte diese beiden Sprache beherrschen, sonst wird sich die Aussage der Chor-Kompositionen dem Hörer nicht erschliessen.
    Die A-Capella-Chorwerke Paroles contre l'oubli (Worte gegen das Vergessen) und Nocturnes de Clairvaux dauern 21 bzw. 39 Minuten, sind gross angelegte Werke, die aber den intimen Charakter der Texte stets wahren. Die Tonsprache ist modern, sie wirkt nie aufgesetzt, um schnelle Effekte zu provozieren. Ihre Kraft bezieht die Musik aus der Stille und dem Leisen. Wer sich auf die Werke einlässt, gelangt in Grenzbereiche menschlichen Lebens.


    (Auf einer zweiten CD sind drei Kamermusikwerke, welche das Trio Pasquier eingespielt: Chants de captivité für Violine und Piano, Lecons de Ténèbres für Violine, Viola und Violincello und Lebensfuge für Piano zu vier Händen. Ich erwähne dies hier um der Vollständigkeit zu genügen.)


    Der Dokumentarfilmer Julien Sallé hat einen ruhigen Film über den Kompositionsvorgang und die Gefangenen und ihre Texte gedreht. In langen Einstellungen ohne Veränderung der Kameraposition erzählen die Gefangenen dem Komponisten von ihren Texten, ihren Gefühlen und Gedanken. Dabei sind sie immer von hinten zu sehen. Eindrücklich, wie Machuel zuhört, sehr wenig spricht, sich Notizen macht, wenn die Gefangenen berichten und erzählen. Die Kamera ist dabei, wenn Machuel komponiert. Der Eindruck von Eingeschlossenheit, Statik, der durch die Kameraführung entsteht, ist vom Filmer wohl gewollt.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Hallo moderato,


    obwohl ich Distler und Lauridsen Chormusik gern höre - warum letzterer als "eher gefällig" eingestuft wurde? - habe ich mir die zwei CDs aus Deinem Beitrag Nr. 90 auf meinen Merkzettel bei jpc gelegt - werde sie mir zu "Weihnachten" schenken.


    Danke für Deinen Hinweis.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Palestrina, Messen


    Ich bin absoluter Laie im Bereich der Chormusik, aber aus musikalischer Neugier und bei dem Schnäppchen-Preis für fünf CDs konnte und wollte ich nicht widerstehen:



    Nach einem ersten hereinhören bin ich schwer beeindruckt. Ein für mich sehr reiner und klarer Klang, der ohne orchestrales Beiwerk die verschiedenen Stimmen zu guter Geltung kommen läßt.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.


  • Carlo Gesualdo von Venosa (1560-1613)
    Tenebrae nennt sich diese 1990 aufgenommene und 1991 beim Label ECM herausgekommene Einspielung aus der italienischen Renaissance. Man höre und staune, wie das Hilliard Ensemble singt. Die Akkustik des Kirchenraumes der Douai Abbey (England) ist perfekt aufgenommen: Die Stimmen mischen sich im Hall des Raumes, die einzelnen Stimmen sind dennoch gut zu unterscheiden und zu orten.


    Feria V;
    Feria VI;
    Sabbato Sancto Responsorium 1-9;
    Benedictus;
    Miserere


    (Ich sehe, dass in Beitrag 3 dieses Threads diese Doppel-CD von Uwe bereits empfohlen wurde. Doppelt genäht hält besser!)

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Hallo moderato,


    Threshold of Night ist bei mir inzwischen angekommen - die Musik spricht mich sehr an - es wird dauern, bis ich Musik und Text zusammengebracht habe.


    Die CD mit den Chorwerken wird folgen.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • They did it again:

    "Es ist nun aus mit meinem Leben" hatte ich als Track zum Reinhören gewählt und bekam gar nicht genug davon. Das könnte von Brahms sein...

    „In sanfter Extase“ - Richard Strauss (Alpensinfonie, Ziffer 135)

  • Ich habe mir das gerade angehört, lieber Accuphan, und ich kann deine Begeisterung verstehen. Ich fühlte mich bei diesen solistisch besetzten Liedern an die Kreustabkantate von J.S.B. erinnert, bei der ich einmal als Tenorsolist mitwirken durfte. Dort hatten wir die vier Stimmen mit Chorsolisten besetzt, während unser Dirigent das Solo sang. Das war eine der eindrucksvollsten Aufführungen, bei denen ich je mitgewirkt habe.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Meine Lieblingschöre sind in erster Linie Opernchöre. Allerdings höre ich gut gesungene Volkslieder genauso gerne. Diese zum Beispiel:


    Leiter ist nicht mehr zu ermitteln, um welche Aufnahme es sich genau handelt.


    LG moderato


    W.S.

  • Ich meine, dass dies eine alte Aufnahme sein muss, den das Ensemble gibt es nicht mehr. Wenn dir der Palestrina gefallen hat, solltest du dir Aufnahmen von den Tallis-Scholars oder The Sixteen zulegen, z.B. die berühmte "Missa Papae Marcelli", die eine der großartigsten Messkompositionen der abendländischen Musik ist und die ich früher oft gesungen habe. Indirekt muss sie dir bekannt sein, denn sie ist das Hauptthema, worum es in Pfitzners "Palestrina" geht. Daneben empfehle ich noch Motette und Messe "Sicut lilium". Von "Pro cantione antiqua" ist meine liebste Aufnahme die der "Tenebrae" (die klassische katholische Karfreitagsliturgie) von Tomás Luis de Victoria.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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  • Es stimmt ja so gar nicht, wie es Pfitzner dargestellt hat. Und ich bleibe dabei, der ich eine große Menge der abendländischen geistlichen Musik selbst gesungen habe: es ist ein großartiges Werk, Rom hin oder her, außerdem gut zu singen. Hier muss ich den großen Kirchenmusiker Addi Preißler zitieren: wichtig is aufm Platz, sprich im Dom!

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Hallo Wolfram,


    das war halt damals so wegen des Textes - welchen pflichtgemäßen Diensteifer hat wohl Bach bei mancher seiner Kantaten an den Tag gelegt?


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zitat

    Wolfgang: Meine Lieblingschöre sind in erster Linie Opernchöre. Allerdings höre ich gut gesungene Volkslieder genau so gern. Diese zum Beispiel:


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    Diese wunderschöne Doppel-CD, lieber Wolfgang, ist schon seit vielen Jahren in meiner Sammlung, und nicht nur das "Schifferlied" von Friedrich Silcher: "Es löscht das Meer die Sonne aus", sondern auch Die "Hymne an die Nacht" von Ludwig van Beethoven: "Heil'ge Nacht, o gieße du stille Labung in dies Herz" oder auch das mitreißende "Lützows wilde verwegene Jagd" von Carl Maria von Weber habe ich damals im Notenmaterial besorgt und konnte unseren Dirigenten überzeugen, diese Lieder in unserer Männerchorabteilung einzustudieren.
    Den Beethoven haben wir dann sogar in einem offizeillen Konzert aufgeführt (für meinen ersten Tenor sehr schwer), und die anderen Chöre auf Ständchen zum Besten gegeben.


    Den Beethovenchor kennen auch die Taminos, die es mit Männerchören nicht so haben, als überirdisches "Andante con moto" aus der Klaviersonate Nr. 23 f-moll op. 57 "Appassionata". Während dieses Posting höre ich dieses Andante, gespielt von Claudio Arrau.


    Liebe Grüße


    Willi :rolleyes:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Wer ausgezeichnete CDs mit Männerchören sucht, wird hier fündig:



    Das titelgebende Werk "The singing Apes of Khao Yai" wäre die CD alleine schon wert. Aber auch die Werke von Holst, Pizzetti, Cornelius (!! neunstimmig), Schumann, Schubert und Schönberg (!!) sind große Musik. Habe dies teilweise schon mit einem meiner Chöre einstudieren dürfen. - Wobei mir bei Schubert die ganz kleine Besetzung eigentlich besser gefällt und vom Komponisten in den meisten Fällen auch so gedacht war.


    Mit Männerchor und Orchester unverzichtbar:


    Bruckner: Helgoland
    Grieg: Landerkennung/Landskjenning op. 31
    Sibelius: Tulen Synty (Der Ursprung des Feuers) op. 32 (auch auch der Rest der CD, insbes. Finalandia mit Männerchor!)
    Brahms: Alt-Rhapsodie und Rinaldo
    Liszt: Faust-Sinfonie
    Busoni: Klavierkonzert (mit sechsstimmigen Männerchor im Finale)


    Hier ist Bruckners "Helgoland" enthalten. Gab es auch als Einzel-CD mit der 0. Sinfonie und dem 150. Psalm. Mal gebraucht versuchen!



    Griegs "Landerkennung" gibt es auch als Einzel-CD bei BIS, aber die ist kaum preiswerter.


  • Hallo, William B.A.!


    Bevor ich mit meinem Gesangsstudium anfing, habe ich auch kurzzeitig bei uns in einem Männergesangverein gesungen. Da hat man sich aber teilweise zuviel zugemutet. Das habe ich auch mehrfach moniert. Zum Beispiel der Eingangschor aus "Ernani". Der war bei einem Konzert, gelinde ausgedrückt, ziemlich verunglückt. So etwas sollte man nur guten, großen Chören überlassen. Ich besitze in meiner Sammlung Einiges an CD und Vinyl mit interessanten und gut gesungenen Chorliedern.



    Gruß Wolfgang

    W.S.

  • Händel, Messiah, Marriner, Academy



    Jede Menge toller Chöre.


    Ich habe nicht die oben dargestellte CD, sondern die 1976 bei der Decca erschienenen Platten und nehme peu à peu die Chöre (sorry, Rezitativisten (Rezitativeure ? Rezitativlinge?) oder schlicht Solisten?) per audacity auf Festplatte auf.


    Der Klang der immerhin 35 Jahre alten Aufnahme ist immer noch gut: zurückhaltender und transparenter als bei vielen CDs.

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  • Von den zahlreichen Einspielungen habe ich mich heute für diese entschieden. Ein wundervolles Werk. Empfiehlt jemand andere Interpretationen?


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!


  • Das Amarcord Ensemble hat deutsche Männerchor-Musik des 19. Jahrhundert beim Label Raumklang eingespielt. Neben Schumann uns Mendelsohn sind Namen von Komponisten vertreten, die ich bisher nicht kannte.


    Das Label Raumklang bürgt für eine Aufnahmetechnik vom Feinsten.


    Schumann: Rastlose Liebe ; Die Minnesänger ; Die Lotosblume ; Frühlingsglocken; Die Rose stand im Tau; Zürne nicht des Herbstes Wind; In Meeres Mitten ist ein offner Laden
    Steinacker: An den Mond; Die Hoffnung; Sehnsucht
    Mendelssohn: Türkisches Schenkenlied; Der Jäger Abschied; Sommerlied; Wasserfahrt; Liebe und Wein; Wanderlied; Weihgesang; Ständchen; Im Süden; Zigeunerlied
    Mühling: Gesellschaftslied; An's Liebchen; Abendlied
    Zöllner: Der Speisezettel
    Marschner: Testament; Liebeserklärung eines Schneidergesellen; Ständchen


    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928





  • Von den zahlreichen Einspielungen habe ich mich heute für diese entschieden. Ein wundervolles Werk. Empfiehlt jemand andere Interpretationen?


    Dieses Werk kenne ich gar nicht und auch nicht diese Einspielung. Ansonsten ist für Victoria natürlich Jordi Savall die erste Wahl, ebenso für Francisco Guerrero, den ich bis vor einigen Jahren gar nicht kannte und den ich durch das Ensemble "La Colombina" (nur 4 Männer unter der Leitung von Josep Cabré) schätzen gelernt habe. Morales fehlt mir noch ganz, aber das kommt auch noch.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

    Schönheit machet viel zu blinden...

    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Lieber Dr. Pingel,


    auch ich bin durch Savall auf Victoria gestoßen. Diese Aufnahme von The Sixteen besticht akustisch durch ihre feine Auflösung und Detailliertheit, interpretatorisch ist sie eher dramatisch angelegt, mit recht straffen Zeitmaßen.


    An anderer Stelle habe bereits auf meinen Favoriten hingewiesen:



    Savall hat dieses Werk m.W. nicht eingespielt. Unterschiedlicher können Auffassungen kaum sein - hier herrscht eine unglaubliche dynamische Binnendifferenzierung und vokale Transparenz; das kontemplativere Tempo fügt sich zu bis ins Letzte ausgeschwungenen Bögen von beseligender Archtitektur. Es ist ein himmlisch schönes Musikstück, und Tenebrea unter Nigel Short wurden hier ja bereits verschiedentlich (mit sehr unkonventionellem Programm) empfohlen.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Lieber farinelli,


    beide Requiem-Aufnahmen von Victoria habe ich auf deine Empfehlung hin besorgt. Es ist in der Tat ein anderes Konzept als Jordi Savall, aber dennoch beides wunderbare Einspielungen. Vielen Dank für den Tipp. Ich habe übrigens gesehen, dass Harald im Juli letzten Jahres die Nigel-Short-Aufnahme schon empfohlen hatte. Nigel Short hat ja bei den King´s Singers wie bei den Tallis-Scholars mitgewirkt.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

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    Schönheit alle Freyer grüssen...

    Schönheit reitzet an zum küssen...

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ja, Eric Ericson war (?) ein großer Chorleiter. Meine Lieblingsaufnahme ist "La Pellegrina" mit dem Linde - Consort. Eine sonst nur bei Monteverdi, Gabrieli und Schütz zu findende Pracht.

    Schönheit du kannst zwar wol binden...

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    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

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