Franz Schmidt - Grenzgänger zwischen den Stilen

  • Ich könnte mir vorstellen, dass es mit seiner überschaubaren Berühmtheit ähnlich zugeht wie bei Thomas Schmidt-Kowalski. Es kommt in der Folge von großen Meistern und hebt sich nicht genug von diesen ab.


    WAAAAAAS????????????


    Du setzt Franz Schmidt mit dieser unsäglichen Thomas-Schmidt-Kowalski-Musik gleich?????????? Das schlägt dem Fass den Boden aus!!!! Schmidt-Kowalski (Jahrgang 1949) komponiert heute, in unserer Gegenwart Musik, die sich anhört, als sei sie zwischen 1870 und 1900 von einem begabten Verehrer der Musik von Johannes Brahms komponiert worden, der so klingen wollte wie der Meister selbst.


    Schmidt dagegen ist eigenständig. Seine Musik reagiert auf Zeitströmungen, bleibt zwar der Tonalität und spätromantischer Tonsprache überwiegend verbunden, doch sie ist aus ihrer Zeit heraus original. So kann man zu Schmidts Lebzeiten (1874 - 1939) komponiert haben, seine Musik entstand während einer der großen musikhistorischen Umbruchphasen. Er ist halt nicht den Weg des gleichaltrigen Schönberg gegangen - und doch, Schmidts Musik ist keineswegs epigonal, sie verarbeitet die Moderne durchaus. In seiner Vierten ist er schon weiter als Mahler, da werden Auseinandersetzungen mit der Zeit zum Klingen gebracht, noch deutlicher eigentlich in der Dritten aus den Zwanziger Jahren. Das Oratorium "Das Buch mit den sieben Siegeln" ist eine hochbedeutende Komposition. Eine der wichtigsten Kompositionen dieser Gattung im 20. Jahrhundert.


    Schmidt-Kowalski ist dagegen: ... nichts!


    Grüße,


    Garaguly

  • Dank an meinen Kollegen Garaguly!


    Klaus, hör Dir einfach mal Franz Schmidt an und Du weißt Bescheid:


    ( zum Beispiel: )



    Auch die Kammermusik gehört zum Schönsten (bei großer Individualität!), was ich an spätromantischer Musik kenne (und ich kenne so einiges).


    Da fällt mir ein: Wann kaufe ich mir eigentlich endlich das Buch mit den sieben Siegeln ... :stumm:


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Da fällt mir ein: Wann kaufe ich mir eigentlich endlich das Buch mit den sieben Siegeln ...


    Hat nicht Welser-Möst, über den gerade an anderer Stelle hergezogen wird, das nicht auch aufgenommen?


    Mit dieser Aufnahme lebe ich seit vielen Jahren (1988) und bin voll zufrieden (nicht so aufgerauht wie Harnoncourt, weicher, glatter...):



    Aufnahme 1988 konz., Wien
    Dirigent: Horst Stein
    Wiener Symphoniker
    Singverein der Gesellschaft der Musikfreunde Wien
    Orgel: Rudolf Scholz


    Alt-Solo: Margaretha Hintermeier
    Bass-Solo: Harry Peters
    Johannes: Peter Schreier
    Sopran-Solo: Gabriela Fontana
    Stimme: Robert Holl
    Tenor-Solo: Yoshihisa Yamaji


    LG


    :hello:

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Danke an Harald für den CD-Tipp. Ich habe zum Welser-Möst-Thema auf zwei Einspielungen mit Musik von Franz Schmidt verlinkt, kenne aber zugegebenermaßen nur die 4. Sinfonie und die Husaren-Variationen mit ihm wirklich gut und bin sehr angetan.


    "Das Buch mit sieben Siegeln" kenne ich nur eher flüchtig vom Rundfunk und mit Welser-Möst.


    Ich könnte mir ebenfalls vorstellen, dass im Sinne der Melancholie und milden Dekadenz des Österreichers auch dem Oratorium ein weicher Zugriff besser bekommt.


    Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ich kenne von Schmidt bislang nur zwei Kammermusikwerke (eines der Klavierquintette mit Klarinette und eines ohne) und die nicht sehr gut; also keines seiner größeren Werke, wobei mich das Oratorium eigentlich interessieren sollte. Der Vergleich mit einem Niemand wie Schmidt-Kowalski ist natürlich bizarr; Schmidt war seinerzeit ein angesehener Komponist und er ist meinem Eindruck nach, wenn auch nur mit wenigen Werken (u.a. dem etwas schmalzigen Intermezzo) im 20. Jhd. durchgehend halbwegs präsent gewesen, im Ggs zu den vielen Komponisten aus der Zeit, die in den letzten 20 Jahren ausgegraben wurden (wie zB Joseph Marx oder die sonst als Dirigenten bekannten Weingartner und Von Hausegger). Wie gesagt, kenne ich zu wenig, um ihn richtig einordnen zu können. So in der Gegend von Korngold vielleicht (wobei letzterer den Wunderkind-Bonus hatte).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ihr könnt den Vergleich alle so schnell und locker abbügeln. Aber könnte es nicht sein, dass es wirklich ein wenig so ist, dass wenn Schmidt-Kowalski eine Weile früher gelebt hätte, das Urteil ganz anders ausfallen würde?
    Klaus

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Hallo, Klaus!


    ich nehme an, Du kennst keine Musik von Franz Schmidt. Daher nochmals die Bitte: Hör Dir Musik von ihm an - das Zwischenspiel aus "Notre Dame" ist allerdings bei allem Charme eine Wunschkonzert-Nummer und nicht repräsentativ. Du wirst feststellen, dass die beiden Komponisten außer dem Familiennamen kaum etwas miteinander zu tun haben.



    Zitat

    Aber könnte es nicht sein, dass es wirklich ein wenig so ist, dass wenn Schmidt-Kowalski eine Weile früher gelebt hätte, das Urteil ganz anders ausfallen würde?

    Das glaube ich nicht. Er würde, hätte er zu Zeiten eines Brahms gelebt, von mir aus dastehen wie ein Herzogenberg. Franz Schmidt aber hat einen ganz persönlichen Stil.


    Im Übrigen denke ich keineswegs, dass Du Dich dafür rechtfertigen musst, Schmidt-Kowalski zu hören. Nur hat seine Musik nicht die Bedeutung seines Namensvetters; das wird man kaum bestreiten können.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Ihr könnt den Vergleich alle so schnell und locker abbügeln. Aber könnte es nicht sein, dass es wirklich ein wenig so ist, dass wenn Schmidt-Kowalski eine Weile früher gelebt hätte, das Urteil ganz anders ausfallen würde?


    Lieber Klaus,


    die Antwort auf Deine Frage ist ganz einfach: Hat er aber nicht! Schmidt-Kowalski ist ein Kind der Bundesrepublik Deutschland - geboren im Jahr der Staatsgründung. Da geht das so nicht mehr, wenn man künstlerisch Ernst genommen werden will.


    Grüße,


    Garaguly

  • Das glaube ich nicht. Er würde, hätte er zu Zeiten eines Brahms gelebt, von mir aus dastehen wie ein Herzogenberg. Franz Schmidt aber hat einen ganz persönlichen Stil.


    Ich habe mich ja darüber gefreut, dass der absurde Vergleich kritisiert wurde. Allerdings ist Herzogenberg - ebenso wie Schmidt - ein angesehener Komponist mit Personalstil, eventuell ein klein bisschen weniger berühmt als Schmidt, aber der große Niveauunterschied ist da jetzt nicht auszumachen. Freilich hat Herzogenberg durch seine starke Brahmsorientierung Schwierigkeiten und überhaupt war die Position von Brahms als Musikgott für seine Zeitgenossen ein Problem.


    Wieso nicht einfach Schmidt mit seinen österreichischen Kollegen vergleichen? Drei der bekanntesten dieser Richtung wurden genannt: Korngold, Marx und Hausegger, unbedingt durch Schreker zu ergänzen. Die Musik der Avantgardisten Zemlinsky, Schönberg, Webern, Berg und Hauer war einfach zu radikal, um ein breiteres Publikum anzusprechen, und in den 30er Jahren war Schmidt in Österreich wohl die Nummer eins (was er nicht gewesen wäre, wären Schreker und Korngold nicht jüdischer Abstammung gewesen). Reznicek scheint seine wichtigeren Werke noch zu Mahlers Lebzeiten geschrieben zu haben. Unter den jüngeren ist noch an Wellesz und Toch zu erinnern. Blickt man heute zurück, hat Schmidt seine herausragende Stellung verloren, ist aber immerhin weniger vergessen als Hausegger, Marx, Wellesz und Toch.


    Mit schönen Grüßen aus Wien ;)

  • Zitat

    Wieso nicht einfach Schmidt mit seinen österreichischen Kollegen vergleichen? Drei der bekanntesten dieser Richtung wurden genannt: Korngold, Marx und Hausegger, unbedingt durch Schreker zu ergänzen. Die Musik der Avantgardisten Zemlinsky, Schönberg, Webern, Berg und Hauer war einfach zu radikal, um ein breiteres Publikum anzusprechen, und in den 30er Jahren war Schmidt in Österreich wohl die Nummer eins (was er nicht gewesen wäre, wären Schreker und Korngold nicht jüdischer Abstammung gewesen). Reznicek scheint seine wichtigeren Werke noch zu Mahlers Lebzeiten geschrieben zu haben. Unter den jüngeren ist noch an Wellesz und Toch zu erinnern. Blickt man heute zurück, hat Schmidt seine herausragende Stellung verloren, ist aber immerhin weniger vergessen als Hausegger, Marx, Wellesz und Toch.


    Einen deutlicheren Niveauunterschied zwischen Brahms und Herzogenberg wollte ich nicht implizieren, aber eben doch recht große Ähnlichkeiten. Die wenigen Kammermusikwerke von Herzogenberg, die ich neuerdings kenne, sprechen mich sehr an - wenn ich aber nicht wüsste, dass sie nicht von Brahms sind, weil ich die von Brahms einigermaßen im Ohr habe, ich würde sie eben Brahms zuordnen. Das meinte ich mit "persönlicher Stil". Eines Besseren lasse ich mich - ohne jede Ironie - gerne belehren, wenn man mir das ganz Spezifische an Herzogenberg erläutert. :)


    Ein Schmidt-Kowalski wird - oben wurde es ja auch in einem anderen Beitrag behauptet - wahrscheinlich nach Brahms klingen. (Ich habe mal meiner Erinnerung zufolge irgendein Solokonzert von Schmidt-Kowalski gehört, hübsch, irgendwie hochromantisch, völlig anachronistisch).


    Natürlich kann man Schmidt mit Schreker oder Korngold vergleichen, aber verwechseln kann man diese Namen stilistisch meines Erachtens nicht - oder doch sicher weniger als Brahms und Herzogenberg. Wärst Du damit einverstanden, Meister KSM?


    Wie gesagt und als kleine Replik auf des Kurzstückmeisters Replik: Es ging mir primär um die stilistische Unverwechselbarkeit, nicht so sehr um das Verhältnis zwischen musikalischem Schaffen, Zeitbezug und Publikumswirksamkeit. Da kenne ich mich nicht sonderlich aus.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Einverstanden, Schmidts Personalstil ist leicht zu erkennen, Herzogenbergs weniger. Schmidt ist sicher eigenständiger als Herzogenberg. Wenn jemand nicht weiß, was er hören will, würde ich ihm auch eher Schmidt als Herzogenberg nahelegen.
    :hello:

  • Heute vor 75 Jahren gestorben:



    Franz Schmidt (* 22. Dezember 1874 in Pressburg; † 11. Februar 1939 in Perchtoldsdorf) war ein österreichischer Komponist.



    (Grab auf dem Wiener Zentralfriedhof)
    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ich will mich hier anschließen und darauf hinweisen, dass Franz Schmidt am 22. Dezember 1874 in Pressburg geboren wurden.


    Heute ist die 140. Wiederkehr seines Geburtstages.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Hallo,


    Franz Schmidt lernte ich als Kind durch das berühmte Zwischenspiel aus der Oper "Notre Dame" kennen, das ich sehr geliebt habe. Eigenartigerweise habe ich keine Tonaufnahme mehr von diesem schönen Stück. Irgendwann lernte ich seine 4. Sinfonie kennen, es handelt sich um ein Requiem für seine früh verstorbene Tochter. Sie gehört vor mir zu den großen Sinfonien und verdient Beachtung. Leider ist sie viel zu selten auf den Spielplänen zu finden. Ich habe die Aufnahme mit Martin Sieghard und dem Bruckner-Orchester Linz, der auch hier leider relativ nüchtern dirigiert. Insgesamt wird das Werk dennoch gut dargestellt und Elisabeth Bauer spielt sehr anrührend das Solo-Cello. Die Sinfonie verfügt über eine ungewöhnliche Form, soweit ich mich erinnere ist sie als Ganzes zentrosymmetrisch aufgebaut. Wenn ich die Sinfonie höre, lasse ich das Scherzo gerne weg, es wirkt auf mich motorisch und leer und paßt irgendwie nicht in ein Requiem, wie ich meine. Da bin ich eben Subjektivist.
    Ich habe mir auch eine Gesamtaufnahme der Schmidt-Sinfonien mit L´udovic Rajter und dem Radio Bratislava Sinfonieorchester gekauft, aber Schmidt´s andere Sinfonien haben vor mir leider nicht die Qualität seiner vierten.
    Besonders gelobt werden muß das herausragende und dokumentarische Klangild der Chesky-Aufnahme. Vermutlich kein synthetischer Hall, keine Kompression, eine Zweimikfonaufnahme* mit wohl nur einer Cello-solo-Stütze, keine zu große Mikrofonbasis (wohl ORTF) dennoch sehr gut durchhörbar, was auch an der trockenen Akustik des Aufnahmesaales liegt. Wenn etwas konstruktive Kritik erlaubt ist: Das Hauptmikrofon hängt mir wohl zu hoch, den Streichern fehlt daher etwas Fülle.
    Auch die vier frühen Orchestersätze von Anton Bruckner sind überaus hörenswert. Sie wirken auf mich sehr inspiriert, auch wenn Bruckner hier seinen späteren Personalstil noch nicht entwickelt hat. Hier kann man bei jpc hineinhören:



    * Ich bin kein prinzipieller Gegner von Stützmikrofonen. So viel stützen, wie musikalisch nötig, aber so wenig wie möglich ist hierzu meine Ansicht, denn sie stören immer die Raumwirkung.


    Meine "Musik-Ansprache"


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)


  • Mit dieser Aufnahme der Sieben Siegel unter Mitropoulos möchte ich daran erinnern, dass Franz Schmidt am 11. Februar 1939 gestorben ist.


    Heute ist sein 76. Todestag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Franz Schmidt dümpelt wie Hans Pfitzner und Max Reger auch so am Rande der Wahrnehmung herum, dabei hat er schon sehr eindrucksvolle Sachen komponiert, z.B. Das Buch mit sieben Siegeln.

    Gerade ist mal wieder eine CD erschienen, u.a. mit einer Weltersteinspielung, das aus dem Nachlass des Komponisten von 1899 datierende Phantasiestück für Klavier und Orchester B-Dur. Hier nimmt Schmidt wohl schon Themen aus seiner Erfolgsoper »Notre Dame« vorweg. Das Werk galt als verschollen, tauchte aber kürzlich auf und erfuhr am 8. November 2013 im Wiener Musikverein seine UA.
    Daneben enthält die CD die Chaconne d-moll als ein Orchesterarrangement der 1925 vollendeten Chaconne für Orgel cis-moll. UA der Orchesterfassung erfolgte 1933 in Wien unter Clemens Krauss.
    Krauss ist auch der Widmungsträger der Variationen über ein Husarenlied für Orchester. Dieses Werk erlebte seine UA 1931 in Wien mit den Wiener Philharmonikern, erklang noch im selben Sommer bei den Salzburger Festspielen und schon im Februar 1932 durch die New Yorker Philharmoniker unter Bruno Walter.


    Ich kannte keines der Stücke, fand sie alle attraktiv und relativ gut zugänglich. Mangels Vergleich kann ich die Interpretation nicht wirklich einstufen, in der Chaconne klingt einiges sehr orgelhaft, aber das verwundert natürlich nicht. Stokowski hätte sicher seine Freude mit dem Stück gehabt.


  • Die Symphonien von Franz Schmidt fristen immer noch ein Dasein am äußersten Repertoirerand. Insofern ist jede hochkarätige Einspielung willkommen. Diese könnte eine sein.


  • Ich habe aus Anlass der letzten Beiträge in diesem Thread, der immerhin im Laufe der Jahre schon über 14.000 Seitenaufrufe erhalten hat, Franz Schmidts Sinfonie Nr. 1 nach geschätzten 20 Jahren wieder angehört. Und ich war schlechthin hingerissen.
    Jetzt muß ich aber versuchen Struktur in meinen Beitrag zu bringen, denn es gäbe vielerlei zu sagen. Natürlich liest man, bevor man so einen Artikel schreibt, was denn die Konzertführerautoren zu sagen haben. Im konkreten Falle: Nicht besonders viel, man begnügt sich mit den biographischen Daten und eine Aufzählung von Komponisten, die Franz Schmidt als Vorbild gedient haben sollen und dann noch, dass er von der Tonalität, die er nie wirklich verließ, zur bis an die Grenzen "erweiterten" Tonalität gefunden hat. Die Sinfonien sind daher nicht als einheitlicher Block zu betrachten, sondern als Einzelwerke, wo Schmidt , das was man heute unter seinem Personalstil versteht, allmählich entwickelt hat.
    Aber bleiben wir fürs erste mal bei seiner ersten Sinfonie, welche zwischen 1896 und 1896 komponiert und von der damaligen Jury EINSTIMMIG mit dem 1. Preis des Kompositionswettbewerbs der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien ausgezeichnet wurde, was am 16. Dezember1900 eine Aufführung im goldenen Saal dieser Vereinigung unter Leitung des Komponisten mit sich brachte. Zudem wurde das Werk in die Reihe der Abonnementkonzerte aufgenommen. Der gefürchtete Wiener Musikkritiker, Eduard Hanslick sagte Franz Schmidt eine glänzende Karriere voraus.
    Heutige Konzertführer bezeichnen das Werk oft als musikalisch eher belanglos und allenfalls noch musikhistorisch interessant - eine Beurteilung, die ich nicht teile, und die dem Werk mehr schadet als sonst irgend etwas
    Der Partitur gab Schmidt das poetische Kennwort „Ich singe wie der Vogel singt, der in den Zweigen wohnet“.
    Zu meinem Eindruck der Sinfonie an sich ist zu sagen, dass es mir schwer fällt Bruckner herauszuhören. Auch wenn Bruckner einer der Lehrer Schmidts war, das Werk sehr viele Bläserstellen aufweist so hat es doch einen eher übersichtlichen Zusammenhalt, ist nicht weitschweifig, aber sehr optimistisch, teilweise sogar triumphierend angelegt. Der zweite Satz ist nur teilweise ein ruhender Pol, er kann auch ziemlich auftrumpfen, aber bei den ruhigeren Stellen ist er niemals melancholisch oder düster, sondern eher kontemplativ, zufrieden in sich versunken.
    Ich habe lange nachgedacht an welches "Vorbild" mich diese Sinfonie erinnert: Bruckner war mir zu schwer und zu"dick" zu breit und langatmig, Brahms ist mit Sicherheit schwerblütiger als diese erste Sinfonie von Franz Schmidt. Irgendwann kam ich dann zur Überzeugung, daß MICH die optimistische Herangehensweise dieses Werke ein wenig an Mendelssohns "Italienische" Sinfonie erinnert. Mag sein, daß ich mich hier irre, es ist aber mein persönlicher Eindruck.


    Alles in allem ein wunderbares, eingängiges Werk, bei dem auch die Melodik nicht zu kurz kommt, es sollte in Konzerten das Publikum geradezu wie ein Magnet anziehen. Ich besitze die beiden oben abgebildeten Einspielungen. Abghört wurde heute die MARCO POLO Einspielung mit dem Budapest Symphony Orchestrea unter Michael Hálasz.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Empfehlen kann ich wohl diese einigermaßen aktuelle Einspielung:



    Zwar kenne ich die Aufnahme selber nicht, war aber im zugehörigen Konzert. Es handelt sich um eine der letzten Dirigate Simone Youngs mit den Philharmonikern Hamburg bevor Kent Nagano die Leitung des Hamburger Opernorchesters übernommen hat. Deutlich in Erinnerung ist mir vor allem KFV, dessen Stimme m.E. inzwischen deutlich an gestalterischer Dimension gewonnen hat.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner

  • Erfreulich, dass sich die Wiener Philharmoniker nach gut 50 Jahren wieder einmal einer Symphonie ihres ehemaligen Mitgliedes Franz Schmidt widmen. Und gelungen ist die Aufnahme unter Semyon Bychkov IMO auch. Die Strauss-Nähe ist natürlich jederzeit spürbar und auch diese Aufnahme kann mich nicht davon überzeugen, dass es sich um ein symphonisches Meisterwerk handelt. Gelegentlich anhören mag ich mir das aber schon.


  • Ist es Zufall oder kündigt sich hier ein Franz-Schmidt-Boom an. Wenige Wochen nach der Sony-Aufnahme aus Wien legt MDG einer weitere Einspielung der 2. Symphonie mit Bonner Kräften vor.


  • Da ist doch noch einmal ein Schmidt zu mir gekommen. Ich hatte ihn fast vergessen. Und ich muss sagen, die Symphonie, nun ja, nicht schlecht. Kann man gut hören, aber die fuga solemnis - Junge, Junge, das ist ja ein Ding. Fängt ganz harmlos an und man ist irgendwann mit den Gedanken woanders und dann steigert es sich und - ja, dann haut es mich um. Das ist wirklich tolle Musik. Jetzt überlege ich, ob ich mir noch eine andere Aufnahme zulegen soll, denn dies ist ja ein echtes Billigangebot gewesen.

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Hallo Klaus,


    es freut mich wieder von Dir zu hören/lesen ! Was andere Aufnahmen angeht, so möchte ich auf Beitrag 46 verweisen, in dem ich die Rajter-GA der Järvi-GA gegenübergestellt hatte.
    Kurz zusammen gefasst:
    Wenn es um Allegro-Sätze geht, so ist Järvi (Chandos) spannender und liefert mehr Emotion und Aussagekraft; wenn es um die ruhigen Sätze geht, dann wirkt Rajter mit seinem Bratislawa SO mehr Hingabe und Einfühlungsvermögen.


    Die Sinfonie Nr.4, die mir noch von Schmidt am Besten liegt, gefällt mir in der ausgefeilten Metha-Aufnahme mit den Wiener PH ganz ausgezeichnet, die auch klanglich die Herausragenste ist.
    Auf dieser Decca-Doppel-CD mit einer ebenso herausragenden Mahler 2:



    Decca, DDD

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • Hallo Wolfgang! :hello:


    Mir ging es hier allerdings wirklich fast nur um die Fuga. Die hat mich wirklich umgehauen. ich habe sie 4 mal hintereinander gehört und freue mich schon auf das nächste Mal.
    Insofern hätte ich gern Empfehlungen genau für dieses eine Stück.


    TSchö

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Ludovit Rajter heißt der Dirigent und Radio Bratislava Symphony Orchestra das Orchester, es ist eine 4 CD-Box und beinhaltet die 4 Symphonien. (Amazonlink krieg ich nicht hin, JPC führt es anscheinend nicht).
    Somit habe ich jetzt endlich einen etwas größeren Einblick in das symphonische Werk von Schmidt und es lässt mich immer weniger los. Erklären kann ich mir meine Faszination gar nicht wirklich, es hängt aber auf jeden Fall damit zusammen, dass ich die Stücke rhythmisch und melodisch ungeheuer unterhaltsam finde.
    Mein Liebling bleibt dabei die 2., die ich mir momentan immer wieder anhören kann. "Spielfreude" ist ein Begriff, der mir beim Hören immer wieder einfält, weil es mir sehr gut gefällt, wie er eben mit dem Thema spielt und seine Späße treibt.
    Alle anderen finde ich auch sehr hörenswert und ich tue auch dies zur Zeit sehr ausführlich.


    Aber nichts geht über die Fuga. Daher bin ich echt traurig, dass ich absolut keine andere Aufnahme davon finde. Kann das denn sein, dass es nur diese eine Naxos-CD gibt?

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Ludovit Rajter heißt der Dirigent und Radio Bratislava symphony Orchestra das Orchester, es ist eine 4 CD-Box und beinhaltet die 4 Symphonien.


    Anbei das Bildchen … ;)


    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

  • Jetzt überlege ich, ob ich mir noch eine andere Aufnahme zulegen soll, denn dies ist ja ein echtes Billigangebot gewesen.


    Egal ob Billigaufnahme oder nicht. Das bedeutet heute manchmal nicht viel. Auch sogenannte Billigaufnahmen können spitze sein ... wenn ich zum Beispiel an die RPO-Reihe denke, die für 2,50€/CD (bei Rossmann und Co.) verkauft wurden.
    Auch NAXOS_CD´s sind heute manchmal absolute Spitzenaufnahmen; auch klanglich, die sich nihct vor Hochpreis-CD´s verstecken brauchen.


    Aber zur Fuga solemnis:
    Oben die ausgeschriebene Bezeichnung, damit man sieht für welche Instrumente mit Orgel das komponiert wurde.
    Ich kenne das Stück gar nicht und nehme nach meiner Durchsicht im Netz auch an, dass die Naxos-Aufnahme die einzige Aufnahme sein dürfte.
    8o Da hat Sinaisky offenbar einen unbekannten Leckerbissen ausgegraben.
    :thumbsup: Der Schluss ist in der Tat fulminant.


    *** Hier ist die YT-Datei der Sinaisky-Aufnahme,
    denn für das 13minütige Stück möchte ich mir die Naxos-CD nicht unbedingt zulegen, zumal ich zwei Aufnahmen der Zweiten habe:



    *** Die von Maurice abgebildete und Dir genannte Schmidt-Sinfonien-GA habe ich auch. Wenn man es objektiv betrachtet, hätte die auch (trotz der Anschaffungen danach mit N.Järvi und Metha) für alle Zeiten gereicht - die ist TOP und bringt höchstes Einfühlungsvermögen für den Zyklus mit.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

  • wobei mir die 2. auf der Naxos-CD eindringlicher und eindrücklicher erscheint als die in der Box.


    Ich frage mich allerdings immer mehr, welche Bedeutung Schmidt eigentlich hatte oder hat.
    Zum einen ist er nicht unbekannt und es gibt sehr wohl alle möglichen Sachen von ihm, zum anderen habe ich dann doch nur sehr wenig gefunden. Und auch hier im Forum scheint es da praktisch keine Resonanz zu geben.
    Das ist doch tolle Musik!!!

    ich weiß, dass ich nichts weiß. Aber ganz sicher bin ich mir da nicht.

  • Das ist doch tolle Musik!!!


    Na jaaaa. Dieser tage habe ich mir, angeregt durch Deine Beiträge auch wieder einmal die Sinfonie Nr.4 (die mit Metha mit Abb in Beitrag 84) angehört.
    ^^ Also so doll isses nun auch nicht.


    :!: Aber die quasi von Dir ausgegrabene total unbekannte Fuga Solemnis fand ich nochmal richtig hörenswert und kurzweilig.

    Gruß aus Bonn, Wolfgang

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