Robert Schumann / Frauenliebe und -Leben Op. 42

  • Nachdem ich nun noch einmal eingehend den Zyklus gehört habe, stelle ich fest - ich muss mich hier amateurhaft ausdrücken, denn musiktheoretisch bin ich eben ein absoluter Amateur -, dass der Grundton der Musik für mich etwas Drückendes, gar nicht emphatisches hat, obwohl es rein textlich ja teilweise doch sehr emphatisch zugeht. Ob das eine Brechung sein soll oder gar Schumanns musikalisches Kommentar zur von Helmut erwähnten Süßlichkeit und Übertreibung Chamissos ist bzw. ob das Gedanken Schumanns zum Empfinden seiner eigenen Frau (zu der Zeit waren sie ja wohl, so weit ich weiß, allerdings noch nicht verheiratet) sind, wage ich nicht festzustellen, auch bin ich z.B. mit Schumanns Frauenbild nicht bekannt (war er ein totales Kind seiner Zeit, was das betrifft?)
    Allerdings tritt dann in der siebenten Strophe (ich hatte es für den Text in meinem vorangegangenen Post schon erwähnt) eine Brechung statt, zumindest für mein Ohr. Das drückende, fast melancholische mit dem auch die textlichen Hochstimmungen musikalisch untermalt wurden, wandelt sich am Anfang von "An meinem Herzen, an meiner Brust..." in etwas Klareres, Feineres, das Tempo wird erhöht (die Emphase wird hier auch durch die Musik spürbar), alles klingt "lebendiger" und unmittelbarer, geradezu tänzelnd, erst am Schluss der Strophe, als die Anfangszeilen wiederholt werden (dies auch Worte, die die Ich-Person des Gedichts in ähnlichem gegenüber dem Mann anschlägt) kehrt das drückende, melancholische zurück, die Lebendigkeit der Musik löst sich auf, wird wieder getragener.
    Warum demnach immer die Stelle mit dem Neugeborenem irgendwie hervorgehoben wird, sollte das Absicht sein?


    Ich würde mich freuen, wenn Helmut hier einmal die von ihm erwähnten deutlichen Zeichen in der Faktur erläutern würde.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Zit. Schallundwahn: ..."die von ihm erwähnten deutlichen Zeichen in der Faktur erläutern würde."


    Oh, oh! Ich hatte gar nicht vor, mich näher auf die Lieder einzulassen (das "Oh Oh" bitte als Aufstöhnen nehmen), denn ich beiße mir gerade an einer anderen Lied-Sache die Zähne aus und will auch den Mendelssohn-Thread noch abschließen. Auf alle Lieder dieses Zyklus werde ich ganz bestimmt nicht eingehen können, - aber auf einige Aspekte in der Faktur einzelner Lieder wohl doch.


    Auf den dunklen Grundton dieses Zyklus, den SchallundWahn erwähnt, hatte ich auch schon verwiesen. Das hängt ganz wesentlich mit der Wahl der Tonarten und mit der Art, wie die Harmonik eingesetzt wird, zusammen. In den ersten Liedern wählt Schumann B-Tonarten(B-Dur, Es-Dur, c-Moll, Es-Dur- B-Dur.) Die Zeit nach der Hochzeit wird in wesentlich heller wirkenden Kreuztonarten kompositorisch gestaltet. Bemerkenswert ist dann das d-Moll beim letzten Lied.


    Zu den weiteren Fragen von Schallundwahn: Es kann kaum ein Zweifel bestehen, dass Schumann die Empfindungen von Clara ihm gegenüber in diese lyrischen Texte Chamissos hineinprojizierte. Wenn man den Briefwechsel zwischen beiden unter diesem Aspekt studiert und ihre Tagebücher liest, hat man da kaum einen Zweifel mehr. Eine durchaus typische Stelle: "Sei Du mein Alles, auch mein Vater, nicht wahr, Robert." Dass sie ihre eheliches Leben als ein "Leben in ihrem Robert und für ihn" verstand, war diesem bewusst.


    Ich hatte ja oben die These vertreten, dass man die Komposition dieses Liederzyklus unter biographischem Aspekt durchaus als eine Art künstlerische Beschwörung des Glücks, das Liebe und Ehe mit sich zu bringen vermögen, verstehen kann, - im Wissen um die Vergänglichkeit dessen.


    Ob Robert Schumann hinsichtlich seines Frauenbildes "ein Kind seiner Zeit " war? Nein, das war er nicht, - allenfalls mit Einschränkungen. Vergleicht man die Biographien von Clara Schumann und Fanny Mendelssohn (Hensel), dann fällt auf, wieviel Freiraum Clara zur eigenen künstlerischen Entfaltung hatte. Sie war gerade nicht - wie Fanny Hensel - zu einem Leben im engen Raum der Häuslichkeit und zur totalen Ausfüllung der Rolle als Ehefrau und Mutter verdammt.

  • Auf den dunklen Grundton dieses Zyklus, den SchallundWahn erwähnt, hatte ich auch schon verwiesen. Das hängt ganz wesentlich mit der Wahl der Tonarten und mit der Art, wie die Harmonik eingesetzt wird, zusammen. In den ersten Liedern wählt Schumann B-Tonarten(B-Dur, Es-Dur, c-Moll, Es-Dur- B-Dur.) Die Zeit nach der Hochzeit wird in wesentlich heller wirkenden Kreuztonarten kompositorisch gestaltet. Bemerkenswert ist dann das d-Moll beim letzten Lied.


    Es kann kaum ein Zweifel bestehen, dass Schumann die Empfindungen von Clara ihm gegenüber in diese lyrischen Texte Chamissos hineinprojizierte. Wenn man den Briefwechsel zwischen beiden unter diesem Aspekt studiert und ihre Tagebücher liest, hat man da kaum einen Zweifel mehr. Eine durchaus typische Stelle: "Sei Du mein Alles, auch mein Vater, nicht wahr, Robert." Dass sie ihre eheliches Leben als ein "Leben in ihrem Robert und für ihn" verstand, war diesem bewusst.


    Ich hatte ja oben die These vertreten, dass man die Komposition dieses Liederzyklus unter biographischem Aspekt durchaus als eine Art künstlerische Beschwörung des Glücks, das Liebe und Ehe mit sich zu bringen vermögen, verstehen kann, - im Wissen um die Vergänglichkeit dessen.Ob Robert Schumann hinsichtlich seines Frauenbildes "ein Kind seiner Zeit " war? Nein, das war er nicht, - allenfalls mit Einschränkungen.


    Das die Strophen nach der Hochzeit also in helleren Kreuztonarten gestaltet sind, macht nachdem, was ich biografisch von Schumann weiß, ja deutlich Sinn. Es war ja für ihn kein Einfaches Clara zu heiraten, also formell gesehen, sie hatten doch, glaube ich, einige Hürden zu überwinden. Diese Schwierigkeiten VOR der Heirat mögen den melancholischen Zug der ersten Strophen erklären und das Aufhellen DANACH, trotzdem irrietiert mich doch der insgesamt dunkle Grundton des gesamten Zyklus. Beinah will es mir so scheinen, als wolle Schumann mit seiner Gestaltung das innewohnende Frauenbild dieser Gedichte kritisieren bzw. seine Betroffenheit darüber ausdrücken, dass dies zu seiner Zeit das Ideal darstellte...es ist als ironisiere er auf gewisse Weise die Verherrlichung des Mannes, dieses Nur-für-ihn-leben, das er es auch bei seiner eigenen Frau erblickte. Natürlich ist das eine ziemliche steile These von mir, die ich hier nicht als absolute Wahrheit verkaufen will.


    Lieber helmut, wenn du zur Zeit noch in einen anderen Zyklus verstiegen bist, ich habe Geduld und kann warten, wenn du wieder den Kopf für diesen hier frei hast und hoffe dann auf interessante Analysen :)

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Zit. SchallundWahn: "Beinah will es mir so scheinen, als wolle Schumann mit seiner Gestaltung das innewohnende Frauenbild dieser Gedichte kritisieren bzw. seine Betroffenheit darüber ausdrücken, dass dies zu seinr Zeit das Ideal darstellte...es ist alls ironisiere er auf gewisse Weise die Verherrlichung des Mannes, dieses Nur-für-ihn-leben, das er es auch bei seiner eigenen Frau erblickte."


    Das ist in der Tat eine "steile These", liebe SchallundWahn. Es gibt dafür keinerlei Anhaltspunkte in der Faktur der Lieder: Schumann identifiziert sich ohne erkennbare Brüche in der Melodik und Harmonik voll und ganz mit dem Inhalt der lyrischen Texte. Was er in seinen Liedkompositionen "leistet", das ist eine musikalische Ausleuchtung der dichterischen Aussage. So stimmt er beispielsweise musikalisch voll und ganz in den dichterischen Jubel von "Er, der Herrlichste von allen..." ein (2.Lied), - aber in der dritten Strophe, wo es um "selig nur und traurig sein" geht, tauchen Septimakkorde auf.


    Nein, - diese These ist garantiert unhaltbar! Tut mir leid, das so "knallhart" formulieren zu müssen.

  • Bevor ich das nächste Lied dieses Zyklus hier einstelle, sei noch mal daran erinnert, dass das erste Gedicht auch von Franz Lachner vertont wurde.
    Wer sich für die Lachner-Version des Liedes „Seit ich ihn gesehen“ interessiert, kann bei YouTube einige Aufführungen des Stückes anhören; auch wenn die Klangqualität nicht berauschend ist, kann man sich über diese völlig andere Art der Vertonung informieren. Die Singstimme wird von Klavier und Klarinette begleitet.
    In der Aufführungspraxis erscheint Franz Lachners Lied häufig mit Schuberts „Hirt auf dem Felsen“ in den Konzertprogrammen.

  • Zit.: "Bevor ich das nächste Lied einstelle..."


    Nanu! Das erste Lied ist doch noch gar nicht richtig besprochen worden. Da ist eine junge Frau verliebt und bekennt: "Seit ich ihn gesehen, / Glaub ich blind zu sein...". Aber dieses Lied klingt in keiner Weise beschwingt und beflügelt. Fast möchte man meinen, eine Spur von Traurigkeit darin zu hören. ShallundWahn hat sich schon darüber gewundert. Was will Schumann mit diesem Lied musikalisch ausdrücken? Wie ist die Komposition aufgebaut, so dass dieser Eindruck von Ernst sich einstellt?


    Sollte man darüber nicht erst einmal nachdenken?

  • Er, der herrlichste von allen,
    Wie so milde, wie so gut!
    Holde Lippen, klares Auge,
    Heller Sinn und fester Mut.


    So wie dort in blauer Tiefe,
    Hell und herrlich, jener Stern,
    Also er an meinem Himmel,
    Hell und herrlich, hehr und fern.


    Wandle, wandle deine Bahnen;
    Nur betrachten deinen Schein,
    Nur in Demut ihn betrachten,
    Selig nur und traurig sein!


    Höre nicht mein stilles Beten,
    Deinem Glücke nur geweiht;
    Darfst mich, niedre Magd, nicht kennen,
    Hoher Stern der Herrlichkeit!


    Nur die Würdigste von allen
    Soll beglücken deine Wahl,
    Und ich will die Hohe segnen,
    Segnen viele tausendmal.


    Will mich freuen dann und weinen,
    Selig, selig bin ich dann,
    Sollte mir das Herz auch brechen,
    Brich, o Herz, was liegt daran!


    Wenn Mann diesen Text hier eintippt - ohne Schumanns Musik im Ohr - kommt man sich vor wie ein echter Machotyp ... Ich zitiere mal aus Reclams Lied Führer:


    „Wenn uns heute das schwärmerische Gefühl und der Typus der demütig dem Manne hingegebenen Frau fremd geworden sind, so tut das der künstlerischen Wirkung der Liederfolge keinen Abbruch. Wir hören sie aus größerer Distanz, so wie man ein Bild aus vergangener Zeit betrachtet und wir dürfen sie umso mehr bewundern.“

  • Zitat

    Sollte man darüber nicht erst einmal nachdenken?


    Erst als auf „Absenden“ gedrückt hatte, konnte ich die Frage von Helmut Hofmann lesen …


    Nachdenken ist immer gut, aber in der entsprechenden Literatur lässt sich das Wesentliche nachschlagen. Da heißt es dann beispielsweise:


    „Die Tonartfolge B-Es-c-Es-B-G-D-d-B schafft durch Bevorzugung nahverwandter B-Tonarten eine einheitlich dunkle Stimmung; die helleren Kreuztonarten sind nur den Liedern des Mutterglücks vorbehalten.“ Es kann ja jeder Schreiber oder jede Schreiberin in diesem Thread hinzufügen was er/sie aus eigener Sicht für wichtig hält.

  • Lieber helmut,


    es braucht dir definitiv nicht Leid zu tun, meiner These zu widersprechen. Es war für mich denn auch mehr eine Überlegung, weniger eine eindeutige Feststellung mit der ich versucht habe mir meine Irritation erklären zu wollen. Ich bin kein Mensch, der Widerspruch nicht verträgt, wenn ich Unrecht habe, komme ich damit gut zurecht, erst recht, wenn mich jemand wie du darauf hinweist, vor dessen Wissen ich großen Respekt habe.


    Nun aber zurück zum Lied...
    die von hart eingeworfene Version von "Seit ich ihn gesehen" von Lachner illustriert sehr schön, mein "Problem", denn Lachners Version bietet jene Beschwingtheit, die ich bei Schumann nicht finden kann und frage eben warum diese Melancholie, die so gesehen dem Thema des Textes zu widersprechen scheint?
    Wieder eine Überlegung von mir...soll da das oft propagierte Bonmot von der Verbindung von Liebe und Schmerz/Leiden unterstrichen werden? Der Abschied von Kindheit?



    Nachdenken ist immer gut, aber in der entsprechenden Literatur lässt sich das Wesentliche nachschlagen. Da heißt es dann beispielsweise:„Die Tonartfolge B-Es-c-Es-B-G-D-d-B schafft durch Bevorzugung nahverwandter B-Tonarten eine einheitlich dunkle Stimmung; die helleren Kreuztonarten sind nur den Liedern des Mutterglücks vorbehalten.“

    Eben das, mit den helleren Momenten in den Strophen der Mutterschaft hatte ich ja auch schon herausgestellt, gleiches trifft für mich ja genauso auf den Text zu, der sich vom Rest etwas abhebt (nicht formal, denn der Impetus der Dichtung ändert sich kein Stück, aber von der Fixierung her). Wieder frage ich mich, warum stellt Schumann dieses Thema so heraus? Wieso weicht er hier von seinem Grundton ab?

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Lieber hart, nicht böse sein!


    Aber mit "Nachdenken" über Lieder meine ich nicht das Zitieren aus Reclams Liedführer (wie ich das nun eben zweimal lesen muss), sondern das eigene nachdenkliche Sich-Einlassen auf das, was da zu hören ist. Ich klammere dabei ganz bewusst den Aspekt "Was in den Noten zu lesen ist" aus.


    Das erste Gedicht von Chamisso hat das Gerade-Verliebt-Sein einer jungen Frau zum Thema. Schumann unterlegt diesem lyrischen Text aber einen feierlich ernsten Sarabande-Rhythmus und schreibt ein "Larghetto" vor. WARUM?


    Unter "Nachdenken über das Lied" verstehe ich, dass man sich einer solchen Frage widmet und das, was einem dazu einfällt, hier ins Forum stellt.
    Ich räume freilich gerne ein, dass man diese Haltung nicht teilen muss. Ich werde mich allerdings nicht davon abhalten lassen, sie auch in Threads wie diesem zu verfolgen und meine Verwunderung darüber zum Ausdruck zu bringen, dass ein Thread-Initiator sich mit dem Zitieren von Reclam begnügt.
    Nichts für ungut!

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  • Beinah will es mir so scheinen, als wolle Schumann mit seiner Gestaltung das innewohnende Frauenbild dieser Gedichte kritisieren bzw. seine Betroffenheit darüber ausdrücken, dass dies zu seinr Zeit das Ideal darstellte...es ist alls ironisiere er auf gewisse Weise die Verherrlichung des Mannes, dieses Nur-für-ihn-leben, das er es auch bei seiner eigenen Frau erblickte. Natürlich ist das eine ziemliche steile These von mir, die ich hier nicht als absolute Wahrheit verkaufen will.


    Hallo,


    ich will mich nicht im Detail in diesem Thread beteiligen, möchte aber auf einen Artikel in "Zeit-Online" verweisen mit dem Titel "Robert Schumann, Das eiskalte Genie", welcher ein Schlaglicht auf Schumanns Frauenbild gibt. Das könnte in die Beurteilung seiner Vertonung einfließen.


    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Gerade lese ich da etwas von "Links" und "Schumann, das eiskalte Genie". Wer diesen Titel erfunden hat, kann garantiert keine Ahnung von Robert Schumann haben. Wenn einer kein(!) "eiskaltes Genie" war, dann dieser Komponist. Bei einem Artikel, dem eine solche Überschrift vorangestellt wird, kann es sich nur um oberflächlichen Journalismus handeln. Ich plädiere noch einmal für das eigene Nachdenken über die Lieder dieses Zyklus.

  • Genau deswegen wollte ich es gern einmal lesen, lieber Helmut, auch ich finde den Titel schon herausfordernd und amüsiere mich immer gern über solche "Machwerke", aber genug davon.
    Ich habe weiter oben eine weitere Überlegung meinerseits eingestellt.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Kannst du den Link mal einstellen (oder ist das hier verboten?)


    Wenn Du bei Google das eingibst wie in meinem Beitrag, hast Du den Artikel.


    zweiterbass


    Nachsatz: Soviel ich weiß (kann mich aber auch täuschen?) , werden Links von der Forenleitung nicht so gerne gesehen.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Zitat

    Aber mit "Nachdenken" über Lieder meine ich nicht das Zitieren aus Reclams Liedführer (wie ich das nun eben zweimal lesen muss)

    Entschuldigung - soll auch nie wieder vorkommen, wie konnte ich auch ...
    Merke:
    Man darf Hartmut Höll zitieren, auch Matthias Walz, aber nicht aus Reclams Liedführer von Werner Oehlmann - Helmut hat es verboten (es ist zum Heulen)

  • Gerade lese ich da etwas von "Links" und "Schumann, das eiskalte Genie". Wer diesen Titel erfunden hat, kann garantiert keine Ahnung von Robert Schumann haben. Wenn einer kein(!) "eiskaltes Genie" war, dann dieser Komponist. Bei einem Artikel, dem eine solche Überschrift vorangestellt wird, kann es sich nur um oberflächlichen Journalismus handeln. Ich plädiere noch einmal für das eigene Nachdenken über die Lieder dieses Zyklus.


    Zitat von »SchallundWahn« Kannst du den Link mal einstellen (oder ist das hier verboten?)


    Wenn Du bei Google das eingibst wie in meinem Beitrag, hast Du den Artikel.


    zweiterbass


    Hallo,


    ich gehe davon aus, dass Du Dich inzwischen überzeugen konntest, dass es sich im Kern um eine Arbeit der Musikhochschule Düsseldorf handelt (ob die örtlich dafür zuständig sein könnte?).


    Viele Grüße
    zweiterbass


    Nachsatz: Dass Journalisten einen Blickfang brauchen, wenn sie auf wissenschaftliche Arbeiten aufmerksam machen wollen (und damit kein inhaltlicher Beitrag geleistet wird) müsste "eigentlich" Allgemeingut sein.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ich habe den Artikel gelesen. Der Journalist, der folgenden Satz schrieb:


    "Dass Schumann, im Reich der Töne ein Götterliebling, charakterliche Schwächen besaß, war vielen Biografen peinlich."


    ...hätte besser mal einen Blick in die neuesten Schumann-Biographien geworfen. Dieses Schumann- Bild, das er für revisionsbedürftig hält, gibt es schon seit längerer Zeit nicht mehr. Die "charakterlichen Schwächen" Schumanns sind sattsam bekannt. Und man weißt sie inzwischen im Kontext seiner Biographie als Mensch und Komponist richtig einzuschätzen. Außer den juristischen Aspekten - die mich herzlich wenig interessieren, muss ich gestehen - habe ich dem Artikel nichts Neues entnehmen können.


    Er hätte beispielsweise mal nachlesen sollen, wie sehr Robert Schumann darunter gelitten hat, dass man ihn bei der gemeinsamen Konzertreise nach Rußland (25.Januar - 24.Mai 1844) in gar keiner Weise beachtete, sondern die Pianistin Clara bejubelte. Das Verhältnis von Robert und Clara Schumann war ein wenig komplexer, als es in diesem Artikel erscheint. Völlig ausgeblendet wird, dass Robert Schumann unter extremen Minderwertigkeitskomplexen litt und seine Tätigkeit als Komponist als eine Art Beruf (und Berufung) verstand, mit dem er unter Beweis stellen konnte, dass die Selbstzweifel - und die Zweifel Wiecks! - unberechtigt waren. Auch seiner Frau Clara gegenüber sah er sich unter diesem Beweiszwang.

  • Die Dissertation von Friedericke Preiß an der Musikhochschule Düsseldorf dürfte neueren Datums sein, sodaß obige Argumentation ins Leere gehen dürfte (incl. des gezeigten Interesses) - das genaue Datum zu finden, war mir zu aufwändig - wer's genau wissen will, kann's ja ausfindig machen und dann als Gegenbeweis posten.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Und ich meine, wir sollten uns nun mit dem Liederzyklus selbst beschäftigen und den biographischen Hintergrund als hinreichend ausgeleuchtet betrachten. Was den Zyklus selbst betrifft, ist hierzu alles Wesentliche gesagt worden:


    Das Werk entstand im "Liederjahr" 1840 an nur zwei Tagen im Monat Juli. Robert Schumann identifiziert sich ohne Abstriche mit den lyrischen Aussagen der Gedichte Chamissos. Dessen letztes Gedicht klammerte er aus, - worauf noch einzugehen sein wird. Was das Motiv zur Komposition anbelangt, so gibt es dazu keine Erkenntnisse aus den schriftlichen Quellen. Es darf angenommen werden, dass Robert Schumann - so meine These - diesen Liederzyklus als eine Art kompositorische Beschwörung seines gemeinsamen Lebens als Komponist und Ehemann verstand. Er versetzte sich dabei in den weiblichen Partner.

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  • Ganz kurz zum erwähnten Artikel, den ich jetzt auch gelesen habe...nicht inhaltlich, jedoch stilistisch gesehen äußerst prätetiös. Zum Inhalt kann ich nur das gleiche sagen wie helmut, neu ist das alles für mich nicht, ich bin niemand, der Schumann je verherrlicht hätte.


    Wieder zum Liederzyklus...
    Ist er nun eine Beschwörung Schumanns seines gemeinsamen Lebens als Komponist und Ehemann, wie helmut sagt, oder greift das nicht vielleicht etwas kurz?
    Immer noch ungelöst erscheint mir der schión des öfteres erwähnte melancholische Grundton des gesamten Zyklus, der nur in den "Baby-Passagen" leicht aufgelöst wird.
    Meine Überlegungen dazu liefen da bisher ja in eine falsche Richtung, was wäre nun aber schlüssig? Liebe als untrennbar mit dunklen Untertönen, Glück gibt es nicht ohne Schatten?

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Zitat

    Merke:
    Man darf Hartmut Höll zitieren, auch Matthias Walz, aber nicht aus Reclams Liedführer von Werner Oehlmann - Helmut hat es verboten (es ist zum Heulen)


    Das sehe ich anders. :hahahaha: :baeh01: :jubel: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha: :hahahaha:


    Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

    Einmal editiert, zuletzt von WolfgangZ ()

  • SchallundWahn fragt: "Ist er nun eine Beschwörung Schumanns seines gemeinsamen Lebens als Komponist und Ehemann, wie helmut sagt, oder greift das nicht vielleicht etwas kurz?"


    Wieso wäre das ein Zu-kurz-Greifen"? Diese Aussage bezog sich ja nur auf die Frage nach der der zugrundliegenden Motivation. Sie sagt noch nichts über die künstlerische Aussage der einzelnen Lieder und des ganzen Werkes aus.


    Aber: Schön wäre doch, wenn wir dieser Frage im Verlauf der Besprechung des Zyklus nachgehen könnten. Ich versuche gerade, mich auf das erste Lied ein wenig näher einzulassen. Vielleicht bietet sich da ja schon ein Ansatz, um die Frage nach dem "dunklen Ton" zu klären.

  • Wieso wäre das ein Zu-kurz-Greifen"? Diese Aussage bezog sich ja nur auf die Frage nach der der zugrundliegenden Motivation. Sie sagt noch nichts über die künstlerische Aussage der einzelnen Lieder und des ganzen Werkes aus.

    Fragt sich nur, wenn diese Beschwörung für Schumann die Motivationsgrundlage gewesen wäre, warum hat er diese Beschwörung n der Faktur dann nicht völlig umgesetzt, sondern diesen "Schatten" über alles gelegt.


    Zum ersten Lied :
    Also mir kommt es stets so vor, als wären die Klaviertöne immer an Stellen abgesetzt, an denen sich u.a. die Stimme erhebt...sie ziehen sie quasi herunter (keine Ahnung wie ich das anders ausdrücken soll, bin ja nur Laie), wo sich die Stimme erhöhen "will", macht das Klavier einen Punkt.

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Dem Gedicht liegt als Versfuß ein Trochäus zugrunde. Rhythmisch ist das ein ruhiges Fließen der lyrischen Sprache, das am Ende der Verse in eine Pause mündet. Das ist dem gedanklichen Inhalt derselben voll gemäß, denn das lyrische Ich hat sich gerade in einen anderen Menschen verliebt. Es ist aber durch dieses „Ereignis“ – bei allen glücklichen Gefühlen - in eine tiefe existenzielle Verunsicherung geraten. Sie geht so weit, dass es meint „blind“ zu sein. Nur noch dieses eine Wesen vermag es zu sehen, und rings um es herum ist alles licht- und farblos. Das alte Mädchen-Leben ist auf den Kopf gestellt; das alte Spiel mit den Freundinnen geht nicht mehr. Und nicht nur das. Dieses verliebte junge Wesen möchte „weinen, still im Kämmerlein“.


    Wie greift Schumann diese hochkomplexe seelische Situation des lyrischen Ichs kompositorisch auf? Er schreibt, - bei einem Dreivierteltakt – ein „Larghetto“ vor und unterlegt dem Lied den Rhythmus einer Sarabande. Das ist klanglich-musikalisch ernste Feierlichkeit, die dem lyrischen Trochäus entspricht und allen Aussagen musikalisches Gewicht verleiht. Es geht um etwas existenziell Wesentliches und Wichtiges.


    Man kann darüber nachdenken, dass dieser Sarabande-Rhythmus auch dem Totentanz zugrundliegt und dass die musikalische Faktur des Liedanfangs im Nachspiel des letzten Liedes – bei dem es um den Tod geht – wiederkehrt. Zweifellos steckt kompositorische Absicht dahinter: Das erste Lied soll mit dem letzten musikalisch verkoppelt werden. Dem Anfang wohnt das Ende inne.


    Die Faktur des Liedes spiegelt in vollkommener und bewundernswerter Weise die Seelenlage des lyrischen Ichs, wie sie sich in den beiden Strophen darstellt. Bei der Melodiezeile, die auf dem ersten Vers liegt, wird auf einem Ton, einem „f“, deklamiert, - mit einem einzigen Sekundschritt nach oben. Das hat etwas Zögerliches an sich. Und prompt folgt auch eine Viertelpause. Bei der zweiten Melodiezeile verläuft das ähnlich. Auch sie mündet in eine Pause. Warum?


    Das lyrische Ich ist durch die Erfahrung der Liebe tief verunsichert. Es muss sich erst dessen vergewissern, was geschehen ist, „seit es ihn gesehen“. Die musikalischen Pausen sind Augenblicke der Selbstfindung und Selbstvergewisserung. Und die Feststellung des vermeintlichen „Blind-Seins“ bekommt mit der Rahmung durch Pausen darüber hinaus mehr musikalisches Gewicht.


    Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass diese Pause beim ersten und zweiten Vers der zweiten Strophe fehlt. Das ist in der Aussage des lyrischen Textes begründet: Hier trifft das lyrische Ich eine Feststellung (Sonst ist licht- und farblos / Alles um mich her“). Eine Pause der Selbstbesinnung und –vergewisserung ist hier nicht angebracht.


    Anlass zum Nachdenken bietet auch der Klaviersatz, mit dem das Lied einsetzt: Staccatierte Viertel, die gleichwohl durch Bögen miteinander verbunden sind. Warum? Man kann nur Vermutungen aufgrund des klanglichen Eindruckes anstellen. Wollte Schumann ein zu starkes klangliches Fließen der ersten Aussagen vermeiden, um ihnen nicht das Gewicht zu nehmen, das ihnen vom lyrischen Text her zukommt? Deshalb also das Staccato, das genau der Deklamation folgt und ihr zusätzlichen Nachdruck verleiht.


    Dafür würde auch sprechen, dass er in die erste Pause der Vokallinie einen Akkord in der Klavierbegleitung setzt, der wie eine Überleitung wirkt und der melodischen Linie gleichsam einen Ansatzpunkt bietet, ihre gleichsam stockende, weil in innerer Verunsicherung wurzelnde Bewegung fortzusetzen.


    Nach diesem stockenden Einsatz der melodischen Linie bei den ersten drei Versen, bei der diese sich bezeichnenderweise auf einer Tonebene bewegt, kommt es dann aber, wenn „ER“ ins Blickfeld gerät, zu einem melodischen Aufschwung. Bei den Worten „ich ihn“ bewegt sich die Vokallinie jetzt um eine Terz höher, und Schumann schreibt ein Ritardando vor, um dieser musikalischen Aussage größeres Gewicht zu verleihen. Und wenn gar „sein Bild“ in die Imagination des lyrischen Ichs eintritt, kommt große Emphase in die Vokallinie: Bei den Worten „wachen“ und „Bild“ beschreibt sie einen bis zum hohen „es“ ausgreifenden und mit einer leichten Dehnung (punktierte Viertelnote) versehenen Bogen.


    Wunderbar ist Schumann die kompositorische Gestaltung der letzten beiden Verse der ersten Strophe gelungen. Bei dem Wort „tiefstem Dunkel“ macht die Vokallinie einen überaus expressiven Septfall, dem gleich darauf ein Sextsprung nach oben folgt. Das ist musikalische Evokation des lyrischen Bildes vom aus „tiefstem Dunkel“ aufsteigenden Bild des Geliebten. Das Wort „heller“ wird dabei, seiner lyrischen Bedeutung entsprechend, wiederholt, - dieses Mal mit einem Quartsprung musikalisch akzentuiert.


    Es scheint mir – auch um nicht zu ausführlich zu werden – nicht erforderlich zu sein, in gleich differenzierter Weise auch auf die zweite Strophe einzugehen. Das ist auch nicht erforderlich, weil dort die Bewegung der melodischen Linie in ihrer Grundstruktur ähnlich ist. Es dürfte deutlich geworden sein, warum dieser Liedzyklus mit einem solch ernsten Grundton einsetzt:


    Es geht Schumann nicht um die musikalische Expression des Verliebtseins, sondern um das kompositorische Aufgreifen der im lyrischen Text zum Ausdruck kommenden existenziellen Bedeutsamkeit dessen, was sich in der Begegnung mit einem anderen Menschen ereignet, - einem Ereignis, dem das Wort „Liebe“ zugemessen ist.

  • Alle Achtung helmut, vor dieser Analyse kann ich mich nur demütig verneigen.


    Dem Gedicht liegt als Versfuß ein Trochäus zugrunde. Rhythmisch ist das ein ruhiges Fließen der lyrischen Sprache, das am Ende der Verse in eine Pause mündet. Er schreibt, - bei einem Dreivierteltakt – ein „Larghetto“ vor und unterlegt dem Lied den Rhythmus einer Sarabande. Das ist klanglich-musikalisch ernste Feierlichkeit, die dem lyrischen Trochäus entspricht und allen Aussagen musikalisches Gewicht verleiht. Es geht um etwas existenziell Wesentliches und Wichtiges.
    Die musikalischen Pausen sind Augenblicke der Selbstfindung und Selbstvergewisserung. Und die Feststellung des vermeintlichen „Blind-Seins“ bekommt mit der Rahmung durch Pausen darüber hinaus mehr musikalisches Gewicht.Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass diese Pause beim ersten und zweiten Vers der zweiten Strophe fehlt. Das ist in der Aussage des lyrischen Textes begründet: Hier trifft das lyrische Ich eine Feststellung (Sonst ist licht- und farblos / Alles um mich her“). Eine Pause der Selbstbesinnung und –vergewisserung ist hier nicht angebracht.
    Wunderbar ist Schumann die kompositorische Gestaltung der letzten beiden Verse der ersten Strophe gelungen. Bei dem Wort „tiefstem Dunkel“ macht die Vokallinie einen überaus expressiven Septfall, dem gleich darauf ein Sextsprung nach oben folgt. Das ist musikalische Evokation des lyrischen Bildes vom aus „tiefstem Dunkel“ aufsteigenden Bild des Geliebten. Das Wort „heller“ wird dabei, seiner lyrischen Bedeutung entsprechend, wiederholt, - dieses Mal mit einem Quartsprung musikalisch akzentuiert.
    Es dürfte deutlich geworden sein, warum dieser Liedzyklus mit einem solch ernsten Grundton einsetzt:Es geht Schumann nicht um die musikalische Expression des Verliebtseins, sondern um das kompositorische Aufgreifen der im lyrischen Text zum Ausdruck kommenden existenziellen Bedeutsamkeit dessen, was sich in der Begegnung mit einem anderen Menschen ereignet, - einem Ereignis, dem das Wort „Liebe“ zugemessen ist.


    Das Lied im Ohr sind deine Schlussfolgerungen unglaublich erhellend und das Ergebnis zu dem du kommst, beantwortet mir jetzt auch sehr schlüssig meine ewige Frage nach dem melancholischen Grundton. Du hast mir wirklich die Augen geöffnet über die Verbindung von Verliebtsein und existentieller "Krise" in diesem Liedes.


    Vielen herzlichen Dank!

    "Die Glücklichen sind neugierig."
    (Friedrich Nietzsche)

  • Wenn es mir gelungen sein sollte, dass Du, liebe SchallundWahn, das erste Lied dieses Zyklus und die kompositorische Intention Schumanns ein wenig besser zu verstehen vermagst, dann freue ich mich ganz einfach darüber. Nicht mehr und nicht weniger. Denn aus diesem Grund - und keinem anderen - mache ich von Anfang an Liedbetrachtungen hier im Forum.


    Und ich meine - und werde dafür, wie man hier wieder einmal nachlesen kann - dafür angefeindet, dass man, wenn man einen Thread zu einem Liedkomponisten oder einem Liederzyklus hier im Forum startet, sich als Thread-Initiator nicht darauf beschränken und damit begnügen sollte, die Liedtexte einfach nur abzudrucken und sie allenfalls mit einem kurzen Kommentar zu versehen. Für mich heißt das Starten eines Threads zu einem Liedthema, dass man sich selbst gründlich in das Thema hineinkniet. Alles andere ist für mich - ich betone das "für mich" - schlichte Bequemlichkeit.


    Das ist freilich nicht Dein Thema hier. Obwohl, - Du trägst unter Deinem Namen die grüne Bezeichnung "Anfänger". Sie besagt zwar überhaupt nichts über die eigentliche Qualifikation als Mitglied dieses Forums. Aber sie sagt etwas über die Kenntnisse hinsichtlich der internen Kommunikationsstrukturen und -intentionen in diesem Forum aus. Diesbezüglich dürftest Du tatsächlich noch "grün" sein. Und das ist auch der Hintergedanke bei meinen Anmerkungen eben gerade.


    Nun kommt aber ein dickes ...


    ABER: Ein "demütiges Verneigen" vor einer solch einfachen Liedbesprechung ist, wenn ich mir diese Anmerkung erlauben darf, ganz und gar unangebracht. Ich bin wie Du ein musikwissenschaftlicher Laie, der schon an der einfachen Aufgabe scheitert, eine harmonische Modulation in einem Notentext auf Anhieb zu erkennen oder einen verminderten Septimakkord als solchen ohne mühsames Buchstabieren (wie ein Viertklässler) zu erkennen. "Demütiges Verneigen" wäre einem Dietrich Fischer-Dieskau gegenüber angebracht gewesen. Und ich hätte das gar zu gerne getan, wenn ich ein einziges Mal in meinem Leben vor ihm gestanden und ihm nicht nur aus der großen Distanz der Sitzreihe fünf, sechs oder sieben gegenüber gesessen hätte. Der hätte sich übrigens - aus Respekt vor dem Komponisten - sehr wohl gehütet, einen Liederzyklus, der aus der Perspektive einer Frau und für eine Frauenstimme komponiert wurde, als Bariton auf der Bühne oder vor dem Mikrophon zu interpretieren. Aber heutzutage ist das Wort "Respekt" ja zu einem Fremdwort geworden.


    Eben habe ich gerade das erste Lied in der Interpretation von Kathleen Ferrier gehört. "Möchte lieber weinen, still im Kämmerlein" kann niemand so unmittelbar anrührend singen wie sie.

  • Die Dissertation von Friedericke Preiß an der Musikhochschule Düsseldorf dürfte neueren Datums sein, sodaß obige Argumentation ins Leere gehen dürfte (incl. des gezeigten Interesses) - das genaue Datum zu finden, war mir zu aufwändig - wer's genau wissen will, kann's ja ausfindig machen und dann als Gegenbeweis posten.


    Die Dissertation wurde 2004 vorgelegt. Sie ist ja vor allem eine juristische Darstellung der Prozesse Schumanns gegen seinen ungeliebten Schwiegervater Wieck. Die Kompetenz der Autorin habe ich nirgends angezweifelt gesehen. Ich werde mir diese Arbeit besorgen, den Artikel darüber, der hier teilweise kontrovers diskutiert wurde, fand ich hervorragend - die Überschrift ist die Überschrift, nach deutschem Presserecht nicht gegendarstellungspflichtig. Schumann ist ja schließlich nicht der Erste, dessen Biografie bis zur Unkenntlichkeit verklärt wurde. Die Klassiker - und nicht nur diese - werden in Deutschland gern zu Gutmenschen umgeschrieben. Aber nicht nur hier wie das britische Beispiel Dickens zeigt.


    Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Im Nachspiel des Zyklus tauchen die musikalischen Motive des ersten Liedes wieder auf. Ich hatte dazu in meiner Besprechung desselben gemeint: „Dem Anfang wohnt das Ende inne.“ Das kann man so sehen, denn dieses Lied weist vom lyrischen Text, aber erst recht von seiner Faktur her, einen hohen Grad an Reflektiertheit auf. Die tiefgreifende existenzielle Verunsicherung, die die Erfahrung der Liebe für das lyrische Ich mit sich bringt, beinhaltet, wie man an der Zögerlichkeit der Deklamation hören kann, auch die Ahnung der Vergänglichkeit.


    Hinzu kommt dieser Akkord am Ende der ersten und zweiten Strophe (nach „empor“ und „sein“), der zwar an sich nicht dissonant ist, aber auf der Grundlage des harmonischen Kontexts diese Wirkung entfaltet. Er wirkt einen Augenblick lang verstörend: Wie ein musikalischer Reflex eben dieser existenziellen Verstörtheit, in der das lyrische Ich sich in diesem ersten Lied sieht.


    Man kann diesen Sachverhalt aber auch anders deuten, und es spricht einiges dafür, dass diese Deutung näher liegt. Wenn im Nachspiel die Motive des ersten Liedes wieder aufklingen, so ist das auch so zu verstehen: Nach dem letzten Lied, das die Erfahrung des Todes musikalisch artikuliert und in dessen Zentrum die Worte stehen: „Die Welt ist leer, ist leer“, weist das Nachspiel darauf hin, dass die Liebe den Tod zu überdauern vermag.

  • Zitat

    Er hätte beispielsweise mal nachlesen sollen, wie sehr Robert Schumann darunter gelitten hat, dass man ihn bei der gemeinsamen Konzertreise nach Rußland (25.Januar-24.MaI 1844) in gar keiner Weise beachtete, sondern die Pianistin Clara bejubelte.

    Aber das ist ja nun wirklich ein uralter Hut, das steht in jedem Schumann-Buch!



    Zitat

    Und ich meine - und werde dafür, wie man hier wieder einmal nachlesen kann - dafür angefeindet, dass man, wenn man einen Thread zu einem Liedkomponisten oder einem Liederzyklus hier im Forum startet, sich als Thread-Initiator nicht darauf beschränken und damit begnügen sollte, die Liedtexte einfach nur abzudrucken und sie allenfalls mit einem kurzen Kommentar zu versehen. Für mich heißt das Starten eines Threads zu einem Liedthema, dass man sich selbst gründlich in das Thema hineinkniet. Alles andere ist für mich - ich betone das "für mich" - schlichte Bequemlichkeit.

    Er, der Herrlichste von allen hat für mich nun eine ganz andere Bedeutung gewonnen ... Mir schlichte Bequemlichkeit vorzuwerfen ist eine Frechheit ohnegleichen!


    So langsam reicht es. Ich habe neben diesem Forum noch ein Privatleben und der Besuch von Liederabenden (die Festspiele gingen gerade hier zu Ende) bedeutet mir weit mehr als irgendwelche Streitereien mit Helmut Hofmann. Einmal werde ich von Dir verpflichtet ein bestimmtes Strauss-Lied zu besprechen, das Du für wichtig hältst und andere "Scherze" mehr... ja wo sind wir denn? Bisher ging ich davon aus, dass sich hier jeder entsprechend seinen Möglichkeiten einbringen kann. Wenn dem nicht so ist, dann ist das hier für mich reine Zeitverschwendung.


    Ich wünsche noch ein schönes Wochenende

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