Franz Schubert – Kunstlieder modifiziert, arrangiert, manipuliert und verziert

  • Mann/Frau/Gruppe wollen eben bekannt werden/ins Gerede kommen/auffallen, das steigert den Umsatz.

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Was hart vorstellt und Helmut Hoffmann kritisch sichtet, ist wohl eine Modeerscheinung, eine Masche im Kontext des sogenannten Crossover. Auch zweiterbass hat sicherlich Recht; man muss auf sich aufmerksam machen. Angesichts der Flut konkurrierender Ensembles, die man aus einer Sicht mild verächtlich als "Mainstream" bezeichnet, aus anderer (eher auch meiner Sicht) als notwendige Ergänzung zur riesigen Tradition, um als Musiker zu sich und in den Beruf zu finden, stellt das einen möglichen Ausweg dar, hin zur Identitätsfindung - auch in wirtschaftlicher Hinsicht. Ich weiß auch aus der Erfahrung eines gelegentlichen Honorar-Musikkritikers unserer lokalen Zeitung, in welchem Ausmaß solche Ensembles jetzt sprießen - vom Duo für Gitarre und Posaune bis hin zu allen möglicher Klezmer-Combos, die Bach spielen und Folklore aus dem Balkan ...


    Ich habe gelernt, hier lockerer zu werden. Distanz - vorher stets, hinterher noch oft genug - wird man sich bewahren müssen, um nicht in Gefahr zu geraten mitzuschwimmen, sich anzubiedern, den Blick für Authentizität und ehrliches Bemühen um die Materie zu verlieren - als Ausübender, als Rezipient, als Kritiker. Dennoch wäre es mir nach wie vor - trotz vieler Schritte in die richtige Richtung - viel lieber, man würde solche Moden zurückfahren und sich stattdessen um ein oft sehr wertvolles Repertoire bemühen, das immer noch brachliegt, unvermindert vergessen oder kaum bekannt ist, obwohl es einen essentiellen Bestandteil der Musikgeschichte verkörpert oder obwohl es einfach schön zu hören ist.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Wenn WolfgangZ meint: "...Dennoch wäre es mir...viel lieber, man würde solche Moden zurückfahren und sich stattdessen um ein oft sehr wertvolles Repertoire bemühen, das immer noch brachliegt, unvermindert vergessen oder kaum bekannt ist,..."


    ...dann kann man ihm nur beipflichten. Das Problem ist freilich: Hier geht es um ein Phänomen der Musikindustrie und ihres Marktes. Solche Produktionen, wie sie hier vorgestellt werden - wohlgemerkt aus rein informationellen Gründen, nicht weil der Präsentator dahinterstünde! - entstehen ja nur deshalb, weil die Produzenten davon ausgehen, dass es einen Abnehmer-Markt dafür gibt. Und dieser hängt mit dem allgemeinen Konsumverhalten der heutigen Gesellschaft zusammen.


    Ein "Bemühen um wertvolles brachliegendes Repertoire" ist heutzutage ein Unterfangen für wagemutige Nischen-Produzenten, die dabei u.U. wirtschaftlich Kopf und Kragen riskieren. Ändern könnte man diesbezüglich nur etwas, wenn man bildend auf den musikalischen Geschmack und das musikalische Bewusstsein einwirkt. Ein heikles und mühseliges Unterfangen! Ein Mensch, der die Lieder Schuberts als solche kennen und lieben gelernt hat, wird in solche Produktionen wie die gerade hier zur Diskussion stehende allenfalls aus reinem Informationsbedürfnis hineinhören. Ich kann mir nicht vorstellen, dass er sie schätzen und lieben lernt.


    Es sei denn, er ist vorwiegend an vordergründigen musikalischen Reizeffekten interessiert. Dann bietet eine solche CD sicher mancherlei Spektakuläres.

  • Aber ich will nicht schon wieder meckern

    Aber das hat ja nun mit „Meckern“ überhaupt nichts zu tun, weil dem von Helmut Hofmann Geschriebenen vernünftigerweise nicht widersprochen werden kann. Gerade am Beispiel von »Der Doppelgänger« (ich musste es mir erst mal wieder vollständig anhören) wird ganz deutlich, dass dieser ungeheuere Spannungsbogen des klassischen Vortrages durch Klavier und Singstimme auch nicht entfernt erreicht wird.


    Ein Mensch, der die Lieder Schuberts als solche kennen und lieben gelernt hat, wird in solche Produktionen wie die gerade hier zur Diskussion stehende allenfalls aus reinem Informationsbedürfnis hineinhören.

    Genau so ist es! Ich werde mich doch nicht vom klassischen Liederabend abwenden, weil einige Musiker mit ihren Möglichkeiten experimentieren, was übrigens ihr gutes Recht ist. Ich bin oft in den Bergen Tirols unterwegs, würde ich dort bei einem Feuerwehrfest ein „lustig gemachtes“ Schubertlied im Stile Franui hören, wäre ich hell begeistert (aber es muss nicht “Der Doppelgänger“ sein) – „Die Taubenpost“ würde ich jedoch in einem solchen Falle nicht so tiefgründig hinterfragen (obwohl auch diese Bemerkung richtig ist, dass das kein lustiges Liedchen ist).






  • Ich habe gelernt, hier lockerer zu werden.


    Nichts gegen das „Lockersein“ – wenn es Franui gelingt neues Publikum zur guten Musik herüber zu ziehen, soll mir das recht sein. Aber als in den 1960er Jahren in den Konzertsälen Dietrich Fischer-Dieskau, Hermann Prey und Peter Schreier Schubertlieder vortrugen, hatte ich nicht das Gefühl, dass sich diese Lieder in Gefangenschaft befinden. Man kann einem neuen Publikum durchaus andere Klangerlebnisse anbieten, aber man sollte die Kirche im Dorf lassen und nicht so tun als sei der traditionelle Liederabend etwas für Ewiggestrige.


    Diese Bemerkung erlaube ich mir zum Textauszug aus dem Begleitheft der besprochenen CD:

    »Franuis Schubert-Interpretationen sind ein Befreiungsschlag. Sie befreien die Lieder des jungen Komponisten aus der fast zweihundertjährigen Gefangenschaft, in der sie von wechselnden Kennern mit unfroher Strenge bewacht wurden«.


    und weiter im Text:

    »Kein feierlicher Anlass. Kein Sänger, der sich bebend die Hemdbrust prall atmet. Keine Angst vor Reizhusten. Und keine Angst, sich danach mit dem einen falschen, dem peinlichen Satz zu blamieren. Kein Programmheft – nur die Musik von Franz Peter Schubert.
    Man kennt diese klammen Situationen von Liederabenden und Kammerkonzerten. Fünfhundert, manchmal tausend Menschen sitzen aufgereiht in engen Stuhlreihen und zwingen sich mit geradezu herkulischer Kraftanstrengung zu innerer Einkehr. Große Kunst hat immer auch mit Qual zu tun.«


    „Kein Programmheft – nur die Musik von Franz Peter Schubert“, ja dann macht mal, hat Liszt ja auch schon gemacht. Da ist man so genau, dass man Schuberts zweiten Vornamen nennt, mag aber kein Programmheft, weil die Texte nicht vonnöten sind.
    Das ist dann eben nicht der ganze Schubert, Schubert light, sozusagen.

  • Kollege hart zitiert das CD-Heft mit mild-ironischer Distanz.


    Ich möchte gern deutlicher werden: Das ist von Kenntnis, ja von Aussage befreites Anbiederungsgeschwätz. Ich frage mich dennoch: an welche Zeilgruppe eigentlich??


    Besten Gruß! Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Fragt WolfgangZ: "An welche Zielgruppe eigentlich?"

    Na, sie wird doch genannt.
    Es sind die modernen Hörer von Musik, für die "Hören" Konsumieren mit Wohfühleffekt bedeutet. Man braucht das entspannende und beflügelnde Feeling. Und bloß keine Anstrengung dabei, kein Zwang zum konzentrierten und möglicherweise sogar mit gedanklicher Arbeit verbundenen Zuhören.


    Genau so habe ich diesen bemerkenswerten und überaus verräterischen Satz aus dem Begleitheft besagter CD "Große Kunst hat immer auch mit Qual zu tun" gelesen.


    Na, Gott sei Dank!, möchte man ausrufen, wenn man so etwas liest. Große Kunst hat etwas zu sagen. Deshalb ist sie ja "groß". Und das, was sie zu sagen hat, ist bei der Rezeption mit gedanklichem und emotionalem "Aufwand" verbunden. Nur der, der den Reichtum, der einem dabei zuteil wird, nicht zu erfassen und zu schätzen weiß, wird diesen "Aufwand" als "Qual" bezeichnen.


    Welch eine Zumutung, sich einem Schubertlied in einem Konzertsaal in aufrechter Haltung und konzentrierter Aufmerksamkeit hörend zuzuwenden. Da ist es doch viel besser und konsumgerechter, aus diesen nur über konzentriertes Hören zu erfassenden musikalischen Strukturen einen "Sound" zu machen, der - à la franui - wohlig über einen hingeht und zudem noch wunderbar glatt in einen hinein, ohne dass man bewusst schmecken und dann auch noch schlucken muss.


  • Als man in Franz Schuberts Nachlass das Werk »Sonate für Arpeggione und Pianoforte« fand, war man zunächst irritiert, weil den Findern ein Instrument dieses Namens nicht bekannt war. Heute beschreibt man dieses Instrument als eine Art Kreuzung aus Gitarre und Violoncello. Zunächst wurde das Instrument als »Guitarre d´amour« oder »Sentimental-Guitarre« bezeichnet. Als Erfindungsjahr wird 1823 angegeben. Um das Erfindungsrecht gab es Streit zwischen Johann Georg Stauffer und Peter Teufelsdorfer, weil sich beide für die Erfinder des Instruments hielten.
    Das Booklet dieser CD enthält alle Liedtexte (in drei Sprachen), sowie ein *Gespräch mit den drei ausführenden Künstlern. In den beiden letzten Stücken - »Ich schleiche bang und still herum« (D 787/2) und »Der Hirt auf dem Felsen« (D 965) singt die französische Sopranistin Sandrine Piau, alle anderen Stücke dieser CD werden instrumental aufgeführt.


    *Im Gespräch wird u. a. die Frage gestellt:


    Aber Sie gehen in Bezug auf die Stimme noch sehr viel weiter, wenn Sie sie… verstummen lassen?


    Antoine Tamestit (Viola) antwortet:


    "Hinsichtlich dieses Versuchs kann man sich begriffsstutzig geben und sagen, dass die hypothetische Viola schließlich nur eine Übertragung auf andere Stimmbänder darstellt. Aber es ist keine Unterschlagung, eher eine „Abwesenheit“ der Stimme, wie in dem feinsinnigen Gedicht von Rückert Dass sie hier gewesen, eines unserer sechs Lieder: „Schönheit oder Liebe, ob versteckt sie bliebe, Düfte tun es und Tränen kund, dass sie hier gewesen“. Selbstverständlich gilt meine ganze Liebe der Viola und ich versuche hier, eine andere Form der musikalischen Wahrheit zu vermitteln, die das Instrument mit seiner „inneren Stimme“ zum Ausdruck bringen kann. Dadurch ergibt sich für mich ein Transkriptionsprinzip, das den Inhalt des Lieds „erzählt“ und dem Pianisten (oder einem anderen zusätzlichen Instrumentalisten) als Begleiter einen neuen Weg aufzeigt."



  • In einem Forenbeitrag vom 15. November 2010 hatte ich zwar – bezüglich dieser Aufnahme – geschrieben: „So etwas höre ich einmal und dann nicht wieder“, aber nun musste ich - dieses Threads wegen - rückfällig werden.


    Erstmals wird in diesem Thread eine DVD gezeigt, die unter diesem Thema natürlich nicht fehlen darf, eine filmisch aufbereitete Winterreise mit dem Tenor Ian Bostridge und dem Pianisten Julius Drake. Normalerweise kommt man bei der »Winterreise« mit der Nennung von zwei Künstlernamen aus, aber hier tritt noch der Regisseur David Alden aus den Kulissen, Kulissen in Form einer Irrenanstalt, nämlich dem Nachbau einer verlassenen Londoner Nervenheilanstalt. Das Stück spielt in einem überdimensionalen und vergammelten Raum, wo der Putz von den Wänden bröckelt und die Fensterscheiben zersplittert sind. Beim Vortrag »Die Wetterfahne« reißt der Sänger die versifften Vorhänge herunter und bei »Der Lindenbaum« bekommt der Stuhl einen Tritt und fliegt durch das Zimmer; am Ende liegt der Interpret wie tot am Boden, singt dann jedoch erfreulicherweise mit: “Manche Trän aus meinen Augen“ weiter … Dieser Abriss sollte dem Thread-Leser, der diese DVD nicht kennt, einen kleinen Einblick in die Geschehnisse geben. Bei KLASSIK COM findet sich ein Eintrag, der es so ausdrückt:


    »Schon 1997 beging der britische Tenor Ian Bostridge mit seinem Klavierbegleiter Julius Drake das Sakrileg, die Winterreise aus befrackten Konzertsälen herauszuhole«


    Immer wieder muss der gute alte Frack als Argumentationshilfe herausgeholt werden, wenn es gilt, seine Fortschrittlichkeit zu demonstrieren. Wie so oft, gibt es dazu unterschiedliche Meinungen; einige sollen auszugsweise zitiert werden.


    Ein Kritiker meint bei Amazon: »Wenn Franz Schubert den englischen Tenor Ian Bostridge gekannt hätte, er hätte ihm mit Sicherheit die Winterreise gewidmet. David Alden, der schon für die großen Opern- und Rock-Bühnen der Welt mit Bravour inszeniert hat versteht es in intimster Weise die Winterreise zu deuten. «Während ein anderer meint:» Warum dieser Film so hochgejubelt wird, ist mir ein Rätsel. Endlose Einstellungen, die langweilen anstatt anzuregen. Da höre ich mir die Musik lieber pur an. Ich kann nur abraten«


    Diese beiden Aussagen stehen im Widerspruch; ich schließe mich eindeutig der negativen Beurteilung an. Also anregend ist hier gar nichts, ganz im Gegenteil, es ist beschämend, wenn man diese wunderliche Aufführung mit der DVD Dietrich Fischer-Dieskau / Alfred Brendel vergleicht, wo ohne szenischen Firlefanz weit mehr erreicht wird, weshalb die Dieskau-DVD (Siemensvilla, Berlin 1979) auch nicht in diesen Thread gehört und nur zum Vergleich genannt wird.


    Man muss nüchtern feststellen, dass das so genannte »Regietheater« nach der Oper sich nun auch am Liederabend vergreift, denn das ist kein Einzelfall.
    Zu dieser Bostridge-Einspielung ist positiv zu bemerken, dass im Booklet alle 24 Liedtexte abgedruckt sind.

  • Wenn man eine solche Produktion, wie die von hart oben angezeigte, unter dem – hier ja relevanten – Aspekt der Interpretation von Liedkunst kritisch sieht und beurteilt, dann erweist sie sich als überaus aufschlussreich. Man erkennt: Zentraler Angelpunkt für jede Interpretation und ihr Gelingen ist die Verpflichtung dem künstlerischen Werk gegenüber. Das, was der Komponist in Gestalt des Notentextes zu sagen hat, ist primäre Richtschnur für jegliche Form von künstlerisch-interpretatorischer Realisation.


    Und in diesem Falle ist ganz einfach festzustellen: Die Interpreten haben nicht erkannt – oder wollten nicht akzeptieren -, dass Schuberts „Winterreise“ ein in seinem Wesen höchst introvertiertes musikalisches Werk ist: Musikalisches Panorama des seelischen Erlebens und Erleidens einer gleichsam existenziellen Wanderschaft ohne Ziel. Allein die erstaunliche Magerkeit des Klaviersatzes müsste das ja doch jedem Musiker schon deutlich werden lassen.


    Heißt im Umkehrschluss: Wer, wie Ian Bostridge, aus der „Winterreise“ ein derart extrovertiertes theatralisches Spektakel macht, muss zwangsläufig ihr Wesen und die ihr von Schubert mitgegebene künstlerische Aussage verfehlen. Er lässt den Respekt vor dem Werk vermissen, dem er ja - wie Fischer-Dieskau immer wieder betonte - zu dienen(!) hat.
    Aber das Ganze passt gut in die Gegenwart: Produktionen mit maximalem Showeffekt kommen an und lassen sich gut verkaufen.

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  • Ich bewundere den Mut, den der Tenor Ian Bostridge und Julius Drake mit dieser Produktion des Zyklus "Winterreise" gezeigt haben. Ian Bostridges darstellerische und sängerische Leistung gehen mir unter die Haut.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • Dass man von dieser Interpretation der "Winterreise" betroffen sein kann, dass sie einem sogar "unter die Haut geht", wie moderato hier bekennt, kann ich sehr gut verstehen. Allerdings verstehe ich nicht so ganz, wieso vonseiten Ian Bostridges "Mut" dazugehören soll, eine solche Interpretation vorzulegen.


    Es bedarf keines Mutes, "die Winterreise aus den befrackten Konzertsälen herauszuholen", wie das Zitat lautet, das hart oben gebracht hat. Im Grunde liegt Bostridge damit ganz auf der Welle, die auch vom heutigen Regietheater geritten wird. Wenn man sich völlig sicher glaubt, verstanden zu haben, was der Komponist "eigentlich" hatte sagen wollen, dann ist man von interpretatorischem Sendungsbewusstein getragen. Sendungsbewusstsein hat Mut nicht nötig.


    Ich würde statt dessen behaupten: "Mut" braucht es, entgegen dem Zeitgeist sich in den Dienst des Werkes zu stellen. "Dienen", das heißt das eigene Ego unter und damit hinter das Werk zu stellen, ist heuzutage nicht en vogue.


    Aber noch einmal: Unabhängig davon kann man Bostridges Interpretation durchaus beeindruckend finden.

  • Bostridges darstellerische und sängerische Leistung gehen mir unter die Haut.

    Lieber moderato,
    es ist purer Zufall, dass ich gerade einen Beitrag im »Bostridge Thread« schrieb, bevor ich Deinen Beitrag hier gesehen hatte. In künstlerischen Dingen kann man eigentlich nicht "Recht haben", man kann nur unterschiedlich empfinden. Diese persönliche Empfindung habe ich versucht darzustellen.

  • Wenn man sich in der Musik nicht so gut auskennt, kann man bei der ersten Ansicht dieser CD Alfred Schnittke für einen Interpreten Schubertscher Musik halten; wird dann aber belehrt, dass Schnittke ein in der Sowjetunion geborener Komponist ist (1934-1998), der ein beachtliches Gesamtwerk vorweisen kann.
    Das Booklet spricht von einer Wesensverwandtschaft der beiden Komponisten, wobei besonders auf den »Erlkönig« hingewiesen wird.


    Obwohl es eigentlich nicht direkt zum Thema gehört, sei erwähnt, dass es in meiner CD-Sammlung das einzige Begleitheft ist, das inmitten musikalischer Betrachtungen eine Werbeseite hat, nämlich für Kaffee … zu loben ist, dass alle Liedtexte abgedruckt sind.


    Die CD erscheint aber hier nicht wegen dieser Informationen, sondern weil für eine Spieldauer von 14:42 vier Schubertlieder eingespielt wurden, die mit Violoncello und Klavier dargeboten werden: Erlkönig op.1 / Die liebe Farbe op. 25 Nr. 16 / Gute Nacht op. 89 Nr. 1 / An die Musik op. 88 Nr. 4.
    Insbesondere »Erlkönig« wird so voluminös und mit Getöse gespielt, dass man sich als Liederfreund eher nach der üblichen Form sehnt und an die Gestaltungsregel denkt: »weniger ist mehr«.
    Interessant ist, dass Maisky / Hovora (siehe Threadbeitrag 72), die ja ähnlich konzertieren, dieses Stück nicht eingespielt haben. Bei den drei andern Schubertliedern, die man von Kleinhapl / Woyke hört, geht es dann schließlich auch behutsamer zur Sache.

  • Ein Kritiker meint bei Amazon: »Wenn Franz Schubert den englischen Tenor Ian Bostridge gekannt hätte, er hätte ihm mit Sicherheit die Winterreise gewidmet.

    und hätte er noch ein Jahr länger gelebt, hätte er die Winterreise mit Sicherheit für das Symphonium geschrieben.


  • Das ist eine meiner liebsten Aufnahmen in diesem Genre, wenn ich mir diese ganz persönliche Bemerkung erlauben darf. Mein Lob gilt auch dem ästhetischen Erscheinungsbild der Präsentation, was einmal erwähnt werden sollte.
    Es wird vorzüglich musiziert und die 20 Lieder sind, wie ich finde, klug ausgewählt. Da ich bei einigen wenigen dieser Lieder den Text nicht im Kopf habe, war es interessant zu erfahren wie die Musik alleine wirkt, während man bei den meisten dieser Lieder den Text beim Hören natürlich mitdenkt.
    Liedtexte findet man im Booklet nicht, die Hinweise der Künstler sind französisch und englisch abgedruckt; nur die einleitenden Worte »Du bist die Ruh, der Friede mild, Die Sehnsucht du, und was sie stillt« sind in der Sprache Friedrich Rückerts dargestellt.


    Auch Gérard Souzay sagt im Booklet etwas zum Thema Text und Musik (aus einem Filmbeitrag von 1977), wobei er natürlich als Sänger der Musik Priorität einräumt.
    Alexis Descharmes weist darauf hin, dass Künstler wie Thomas Quasthoff und Ian Bostridge einen ganz besonderen Einfluss auf ihn ausüben.
    »Inarguably, in the sphere of Schubert´s Lieder, artists like Thomas Quasthoff or Ian Bostridge have a very particular influence on me and, with their recitals and recordings, have given me masterful lessons in phrasing, legato and colours …«


    Descharmes meint, dass jedes Lied seinen eigenen Wert über das Gedicht hinaus hat und er versucht nicht nur den gesanglichen Tonfall zu imitieren.

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    Der Booklettext versucht die Gitarre unbedingt in Nähe Schuberts zu rücken, was zum Beispiel in Passagen wie dieser zum Ausdruck kommt:


    »Franz Schubert, der seit 1808 Sängerknabe in der kaiserlichen Hofkapelle in Wien war, wurde während seiner Jugendjahre sicherlich mehrere Male mit der Gitarre konfrontiert. Es ist höchstwahrscheinlich, dass er selbst während einer längeren Periode Gitarre spielte – und für Gitarre komponierte -, da sein Vater sich das derzeitige Fortepiano für seinen musikalischen Sohn nicht leisten konnte«


    Die Rätselstunde ist eröffnet, wenn man folgendes liest:
    »Nirgendwo in Franz Schuberts Liederverzeichnis ist die Gitarre benannt; Musikforscher sind allerdings davon überzeugt, dass viele seiner Lieder in zwei Versionen erschienen: eine für Gesang und Klavier und eine für Gesang und Gitarre«


    Auf dieser CD werden drei Gitarren eingesetzt und die 20 Lieder erstrecken sich über die gesamte Schaffensperiode Schuberts.
    Das Stockholm Guitar Trio besteht aus Jakob Henriques, Anders Karlsson und Jens Kihlén.
    Der Bariton Gunnar Klum ist 1962 in Schweden geboren und wurde an der Musikhochschule Stockholm ausgebildet.


    Neben den Fakten zu dieser CD noch eine subjektive Bemerkung:
    Es ist nachvollziehbar und verständlich, dass man Schuberts schöne und populäre Lieder auch mit anderen Instrumenten spielen möchte, aber eine gepflegte Stimme mit Klavierbegleitung ist beim Schubert-Lied wohl durch nichts anders zu übertreffen.

  • Es wird jeweils eine der Aussage des Liedes gemäße "Orchestrierung" gewählt. So klingt zum Beispiel "Über allen Gipfeln" wie eine ruhige Blasmusik vom Kirchturm herab, während die "Taubenpost" als lustige Tanzmusik mit Ziehharmonika-Einsatz zu vernehmen ist.


    Ich weiß nicht, aber ganz so naiv ist das auch wieder nicht gedacht. Franui ist doch ein höchst amüsanter, schräger und subversiver Diskurs über Hörerwartungen und ihre teils wörtliche Erfüllung. "Anbiederungsgeschwätz" ist ein ziemlich unangemessenes Urteil für eine solche marktfremde, zwischen allen Stühlen positionierte Winkelsparte, die sich wirklich niemandem anbiedern möchte, sondern quasi österreichischen Humor auf höchstem Niveau bietet. Die ganze Diskussion, als ob es hier tatsächlich um harmlose Dorfmusik ginge, scheint mir gründlich daneben zu treffen. Wer aber etwas so gekonnt macht wie diese Musiker, der darf das allemal.


    :hello:

    Zerging in Dunst das heilge römsche Reich


    - uns bliebe gleich die heilge deutsche Kunst!

  • Das Zitat, das farinelli seinem Beitrag zugrundelegt, hat er in seiner Urheberschaft nicht ausgewiesen. Es stammt aus meinem Kommentar zu jener "franui-CD", die hart hier weiter oben angezeigt hat.
    Wenn farinelli nun meint "Ich weiß nicht, aber ganz so naiv ist das auch wieder nicht gedacht. Franui ist doch ein höchst amüsanter, schräger und subversiver Diskurs über Hörerwartungen" ...
    ...so möchte ich ihm gar nicht widersprechen. Ich wehre mich nur gegen die Verbindung meiner Einlassungen mit dem Wort "Anbiederungsgeschwätz". Derlei flotte sprachliche Journalismen verwende ich grundsätzlich nicht.


    Aber natürlich! Das ist eine hochintelligente Angelegenheit, was da musikalisch präsentiert wird. Ja, ja, - flott, amüsant und ein wenig schräg! Ganz bewusst wird die Konfrontation mit den gängigen Hörerwartungen zu einem Schubertlied gesucht. Es wird bewusst klanglich verfremdet, - und das ziemlich raffiniert und gekonnt.


    Aber warum denn? Und das ist die für mich wesentliche Frage.


    Und meine Antwort:
    Das ist reine Effekthascherei, - mit dem Ziel, über einen vordergründigen Verfremdungseffekt Aufmerksamkeit zu erzielen. Dies aber nicht mit dem Ziel, zu einem tieferen Verständnis des jeweiligen Werkes zu führen. Das Ganze hat mit einer interpretatorischen Auseinandersetzung mit dem kompositorischen Werk nichts zu tun. Ich habe zwei Beispiele genannt, an denen erkennbar ist, dass die künstlerische Aussage verfehlt, ja sogar verdreht wird. "Über allen Gipfeln" mit choralhafter Blasmusik, - was trägt das zum Verständnis der Aussage dieses Liedes bei, die Schubert ihm verliehen hat?


    In meinen Augen ist das Missbrauch aus Eigennutz.

  • Es stellt sich die Frage, weshalb Komponisten und Interpreten über die Dauer von 185 Jahre seit Schuberts Tod von seinen Liedern angezogen werden? Angefangen bei Franz Liszt bis zu Mischa Maisky. Die Leser dieses Threads erhalten in den Beiträgen vielfältige Informationen dazu. Eigennutz möchte ich nicht allen diesen Musikern unterstellen. In einem oder anderen Fall mag ein gewisser Geschäftssinn der Herausgeber von Notenmaterial der Beweggrund gewesen sein, wenn Bearbeitungen erstellt wurden. Ich nehme an, weil das Publikum danach verlangte. Für Franz Liszt war es die Bewunderung für den Komponistenkollegen und die hohe musikalische Qualität der Lieder, die ihn bewog Klavierbearbeitungen der Lieder zu verfassen. Für andere Musiker sind es die Melodien, die sie veranlassen, Schubert Lieder mit ihrem Instrument zu spielen. Ich habe auch einige Schubert-Lieder-Bearbeitungen im Notenschrank. (Übrigens: Ich finde sie äusserst schwierig zu interpretieren, weil ich mir der engen Verbindung von Text und Musik bewusst bin.)


    Es wäre für Musiksoziologen und Musikhistoriker ein möglicher Forschungsgegenstand, weshalb die Lieder Schuberts Gegenstand von Bearbeitungen sind.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




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  • Meine Formulierung "Anbiederungsgeschwätz" bezog sich nicht auf die Interpretation, die ich nicht kenne, sondern auf den zuvor zitierten Klappentext. Und den dürfte auch Farinelli nicht anders bewerten, wenn ich seine niveauvollen und subtil-anspielungsreichen Texte lese.


    :hello: Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • Mir war nicht bewusst, dass das Wort "Anbiederungsgeschwätz" von WolfgangZ stammt. Es stammte nicht von mir, wurde aber im Zusammenhang mit einem Zitat von mir verwendet, und deshalb habe ich dazu Stellung genommen. Wäre mir seine Urheberschaft bekannt gewesen, ich hätte es nicht in der Weise qualifiziert, in der ich das getan habe.


    Ich bedauere!

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    Hier werden Schuberts Liedermelodien mit Klavier und Flöte dargeboten. Der Flötist Prof. Benoît Fromanger ist ein weltweit gefragter Musiker, der zunächst Flöte studierte und unter fast allen prominenten Dirigenten als Orchestermusiker arbeitete und daran eine zweite Kariere als Dirigent anschloss.
    Prof. Gilead Mishory kam 1984 nach Deutschland und erhielt auf Empfehlung von Alfred Brendel verschiedene Stipendien, studierte bei Gerhard Oppitz in München und bei Hans Leygraf am Mozarteum in Salzburg Klavier sowie Musikwissenschaft an der Münchener Maximilian Universität.
    Das zweisprachige Booklet enthält keine Liedtexte, ist aber sehr informativ, indem anhand von Zitaten aus verschiedenen alten Musik-Nachschlagewerken der Stellenwert des Liedes in der Vergangenheit dargestellt wird.
    Weiter erfährt man, dass im 19. Jahrhundert Theobald Böhm (1794-1881), ein gelernter Goldschmied und Flötist, als Virtuose in Europa unterwegs war. Böhm gelangen einige bedeutende Erfindungen im Flötenbau.


    Auch aus dem Booklet dieser CD soll ein Originalzitat eingefügt werden:


    »Böhm gelang es, für sein neues Instrument eine so ausgeklügelte und ausgewogene Mechanik zu erfinden, dass unser heutiges Instrument im Wesentlichen noch das gleiche ist. Seine Flöte erlaubte eine bis dahin nicht mögliche gleichmäßige und klangvolle Tongebung. Böhms Gegner kritisierten genau diese Eigenschaften an seinem Instrument, das zudem einen sehr weichen Klang hatte, konnten sich damit aber nicht durchsetzen. Mit seiner Erfindung ist Böhm zu einem Meilenstein in der Geschichte der Flöte geworden, und die hier eingespielten Liedbearbeitungen geben einen Einblick in sein Virtuosentum, aber auch in eine heute noch begeisternde Epoche der Empfindsamkeit«

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    Der Hornist Richard King ist seit 1997 Mitglied und Solist des Cleveland Orchestra, Die CD mit 21 Schubert-Liedern ist 2006 entstanden. Der Klavierpart wird von Susan Teicher gespielt.
    Die eingespielten Lieder werden im dünnen Booklet kurz (in Englisch) erklärt, die Texte zu den Liedern sind nicht abgedruckt. Eine kompetente Rezension dieser Aufnahmen ist mir nicht bekannt, weshalb aus eigener Sicht etwas subjektiv Empfundenes gesagt werden soll.
    Für meinen Geschmack sind die meisten dargebotenen Stücke zu weit vom Schubertlied entfernt, insbesondere die von Natur aus schnellen Stücke – wie zum Beispiel »Rastlose Liebe« – konnten mich nicht recht überzeugen, ich empfand es besser, wenn es etwas ruhiger und getragener zugeht. Wie bei folgenden Stücken:[/align]


    2 Du bist die Ruh D 776 (op. 59, Nr. 3)
    5 Wiegenlied D 498, Nr. 2
    15 Am Meer D 957 (aus Schwanengesang)
    21 Litanei auf das Fest Aller Seelen D 343


  • Heute hat schließlich Franz Schubert Geburtstag, da sollte in diesem Thread zumindest ein Beitrag eingestellt werden.


    Beim Vergleich mit Prégardiens Winterreise von Hans Zender (siehe Beitrag 3) ist augenfällig, dass die Gesangsstimme hier nur von fünf Musikern begleitet wird, die jedoch mehrere Flöten oder Hörner benutzen.
    Der Oboist Normand Forget ist Gründungsmitglied des Bläserquintetts Pentaédre und hat den Klavierpart des Zyklus für fünf Bläser mit wechselnden Instrumenten und Akkordeon bearbeitet.
    Das Booklet ist sehr umfangreich und geht auch auf Orchestrierungen von Berlioz, Brahms, Reger, Webern. Britten und Hans Zender ein. Nur die Liedtexte sind auch (neben Englisch und Französisch) in Deutsch abgedruckt.
    Christoph Prégardien bringt in dieser Aufnahme seine große Erfahrung ein, denn er hat die Winterreise oft gesungen und schließlich auch die bereits erwähnte Zender-Aufnahme gemacht.
    Der Ersthörer dieser Aufnahme wird sich – wenn er die Winterreise in der üblichen Aufführungspraxis kennt – über die Reihenfolge der 24 Lieder wundern, falls es ihm nicht beim Boookletstudium aufgefallen ist. Hier lässt man die Lieder in der von Wilhelm Müller geplanten Reihenfolge erklingen:


    Gute Nacht
    Die Wetterfahne
    Gefror´ne Tränen
    Erstarrung
    Der Lindenbaum
    Die Post (sonst üblich: Wasserflut)
    Wasserflut
    Auf dem Flusse
    Rückblick
    Der greise Kopf
    Die Krähe
    Letzte Hoffnung
    Im Dorfe
    Der stürmische Morgen
    Täuschung
    Der Wegweiser
    Das Wirtshaus
    Irrlicht
    Rast
    Die Nebensonnen
    Frühlingstraum
    Einsamkeit
    Mut!
    Der Leiermann


    Der Hörer muss sich also auf einiges Neue einstellen; es wäre schon interessant zu erfahren, was Schubert dazu zu sagen hätte. Ein Akkordeon erwartet man normalerweise eher an einem anderen Ort, aber Joseph Petric hält sich zeitweise ziemlich zurück und macht sich solistisch nur bemerkbar, wenn er es für erforderlich hält. Gleich zu Beginn überrascht ein ungewöhnlich strammer Wanderrhythmus. Eine weitere Überraschung bietet (neben anderen Dingen) die Interpretation des hier 17. Liedes »Das Wirtshaus«, wo eine Art „Männerchor“ zu hören ist..
    Ich kenne diese Winterreise leider nur von der gezeigten CD, aber erst vor wenigen Tagen (27. Januar 2013) wurde diese Forget-Version in der Berliner Philharmonie mit dem Philharmonischen Bläserquintett Berlin aufgeführt, Tobias Roth (KLASSIK COM) hat heute eine lesenswerte und sehr informative Kritik zu diesem Konzert veröffentlicht, einen kleinen Teil möchte ich hier zitieren:


    »Begonnen hatte das Konzert aber mit der 'Winterreise' in der Forget-Fassung. Der Tenor Christoph Prégardien wurde von Joseph Petric am Akkordeon sowie dem Philharmonischen Bläserquintett Berlin (Michael Hasel, Flöte; Andreas Wittmann, Oboe d’amore; Walter Seyfarth, Klarinette; Marion Reinhard, Fagott; Fergus McWilliam, Horn) begleitet. Die Skepsis, vor der jede radikale Bearbeitung bestehen muss, jener Hauch von Nutzlosigkeit, war vom Stück selbst wie von seiner eindrucksvollen Interpretation bereits widerlegt, da war das erste Lied, 'Gute Nacht', noch nicht vorbei. Prégardien gab das Ich des Zyklus mit einigem Trotz, besonders zu Beginn, da war ein fester Kern aus Identität, deren Liebe misshandelt worden war. Diese Disposition färbte sich von Lied zu Lied vielfältiger, gemischter, und trat so in eine schlüssige Entwicklung ein, die neben der großen musikalischen Fähigkeit auch einen klugen Zugriff auf die intrikate Dramaturgie des Zyklus erkennen ließ«

    Zu erwähnen ist noch, dass im Anschluss zu dieser Forget-Aufführung die Winterreise in konventioneller Form mit Christine Schäfer (Sopran) und Eric Schneider (Klavier) folgte. Zwischen den beiden Konzertteilen fand ein Gespräch zwischen Alfred Brendel und Peter Gülke statt.



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    Schuberts Lied »Auf dem Strom« D943 op. post 119, ein Lied von knapp zehn Minuten Spieldauer, ist das einzige Schubert-Stück auf dieser CD, ein typisches Beispiel, wie das bekannte „Markenzeichen Schubert“ verkaufsstrategisch eingesetzt wird. Im Booklet findet sich folgende Erläuterung: »Doch das Interesse an Schubert – ob er auch gleich zu den größten Meistern des Liedes überhaupt gerechnet wird – muss in diesem Programm hinter den beiden Kollegen zurückstehen, die sein Lied „Auf dem Strom“ umrahmen. Da wäre zunächst Franz Lachner …« Der andere Komponist ist Heinrich Poch.
    Schließlich findet man von Lachners acht Liedern auf dieser CD auch das eine Lied, das er aus Chamissos Zyklus komponiert hat.
    Aber noch eine kurze Erklärung, wie Das Schubertlied hier dargeboten wird: Andrea Weigt, Sopran / Stefan Henke, Horn / Rainer Gepp, Klavier



    Resümee: Wer sich für die Lieder von Franz Lachner (8 Lieder) und Heinrich Proch (4 Lieder) interessiert, kann sich hier einhören, aber der Schubert-Freund hat weitaus bessere Möglichkeiten.


  • Nach Schuberts Tod erwarb Anton Diabelli (1830) die Rechte an diesem Zyklus und brachte die Lieder in exklusiverer Form heraus, so, wie es Schubert ursprünglich in etwa vorschwebte. Johann Michael Vogl (ein mit Schubert befreundeter Sänger) wurde von Diabelli gebeten, die Singstimme möglichst publikumswirksam zu modifizieren, was dann im Folgenden einerseits zur Vereinfachung (der besseren Singbarkeit wegen) andererseits auch zu Verzierungen führte, die mitunter auch als Ornamente bezeichnet werden. Die Sache war so erfolgreich, dass Schuberts Original ins Hintertreffen geriet.


    Christoph Prégardien hat nach seiner preisgekrönten »Müllerin« (1991 mit Andreas Staier), im Jahre 2008 zusammen mit Michael Gees eine zweite Aufnahme „Die schöne Müllerin“ gesungen und in dieser Aufnahme manche Liedfreunde mit gesungenen Verzierungen überrascht. Es wird im beigefügten Booklet ausdrücklich betont, dass solches Beiwerk nicht in die gedruckte Ausgabe gehört, sondern vom Sänger spontan dargeboten wird. In einem Interview sagte Prégardien dazu folgendes:


    „Es ist wichtig, die Verzierungen an der Emotionalität des Liedes und an der musikalischen Struktur auszurichten. Manche Lieder kann man auch nicht verzieren, weil ihre emotionale Tiefe so groß ist, dass dies nur stören würde.“

  • Hallo,


    ich habe zwar nur die Schnipsel angehört, dennoch:

    was dann im Folgenden einerseits zur Vereinfachung (der besseren Singbarkeit wegen) andererseits auch zu Verzierungen führte, die mitunter auch als Ornamente bezeichnet werden. Die Sache war so erfolgreich, dass Schuberts Original ins Hintertreffen geriet.

    Was für mich der Ausdruck sein könnte, Schubert missverstanden zu haben - auch in diesen Tagen?



    Es ist wichtig, die Verzierungen an der Emotionalität des Liedes und an der musikalischen Struktur auszurichten. Manche Lieder kann man auch nicht verzieren, weil ihre emotionale Tiefe so groß ist, dass dies nur stören würde.“

    Achtung: Dies ist kein Zitat von hart, er zitiert den Sänger dieser Aufnahme!
    Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Sänger meint, es gäbe im Zyklus Lieder minderer emotionaler Tiefe?


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Ach Gott, lieber zweiterbass, Missverständnisse gibt und gab es schließlich zu allen Zeiten …


    Unsere Tage haben den Vorteil, dass wir gerade in der Musik ein noch nie da gewesenes Angebot haben (die erste Winterreise mit Hans Hotter umfasste zwölf 30-cm-Platten), wie noch nie zuvor. Sicher, die Masse allein bringt es noch nicht, aber es sind dabei eine ganze Menge hervorragender Ergebnisse entstanden.
    Aus meiner Sicht sollten sich die interpretierenden Künstler Gedanken über das Werk machen, das sie aufzuführen gedenken und es dem Publikum anbieten so wie sie es für richtig halten. Die Entscheidung liegt dann beim Publikum. Mir ist kein Fall bekannt, dass Publikum zum Beifall oder CD-Kauf gezwungen wurde. Also freuen wir uns ob der Vielfalt und wählen das aus, was wir glauben für uns zu benötigen.



    Zitat

    Das bedeutet im Umkehrschluss, dass der Sänger meint, es gäbe im Zyklus Lieder minderer emotionaler Tiefe?

    Wenn Herr Prégardien etwas meint, dann hat er gründlich darüber nachgedacht ... glaub mir´s das ist so!

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