Oper für Dirnen und Diebe - 280 Jahre "Beggar's Opera"

  • Vor 280 Jahren, am 29. Januar 1728, wurde im Londoner Theatre Royal "The Beggar's Opera", die "Bettleroper", von John Gay uraufgeführt. Das von Johann Christoph Pepusch mit Musik versehene parodistische Stück mit satirischen Attacken auf die Londoner Upper Class war sofort ein überwältigender Erfolg.
    Die Beggar's Opera war zugleich eine Travestie von Georg Friedrich Händels Opern. Der Erfolg der englischsprachigen Ballad Operas gegenüber der italienischen Opera seria trug maßgeblich zu dem wirtschaftlichen Niedergang von Händel als Opernkomponist bei. Der große Londoner Erfolg des Stücks hängt mit den Bestrebungen jener Zeit zusammen, sich von den italienischen Importen zu lösen und eine englischsprachige Oper zu schaffen.


    200 Jahre später knüpfte Bert Brecht mit seiner "Dreigroschenoper" an diesen Hit der Theatergeschichte an.


    "The Beggar's Opera" wurde ein durchschlagender Erfolg: Noch während sie in London mit insgesamt 62 Aufführungen Triumphe feierte, wurde sie auswärts nachgespielt - auch in Irland und Wales, schließlich sogar in den nordamerikanischen Kolonien. Der Erfolg hielt im 19. Jahrhundert an. Bis heute hält der Erfolg an, es gibt immer wieder erfolgreiche Aufführungen und auch eine ganze Auswahl an CDs und DVDs.


    Hier meine DVD-Empfehlung:



    The Beggar's Opera
    DVD

    Regie:Jonathan Miller
    Daltrey, Hoskins, Crowden, Johns, Tibbs, Grainger,


    English Baroque Soloists, Gardiner (135 Min.)


    Sound: stereo
    Bild: 4:3
    Untertitel: Deutsch, Englisch, Französisch, Spanisch
    Label: Arthaus , FSKoAB, 1983


    (Über die "Dreigroschenoper" von Brecht/Weill gibt es einen eigenen Thread)


    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Einen preiswerten Einstieg zum Kennenlernen der Musik zur "Bettleroper" bietet diese CD:



    The Beggar's Opera


    Originallieder

    Die Entwicklung von 9 Melodien der Bettleroper von der Volksweise zur Fassung Gay's.
    Mit deutschsprachigen Erläuterungen incl.
    allen Liedtexten.
    Kwella, Elliot, Broadside Band, Barlow
    Label: HMF , ADD, 81


    Gay schrieb ein Stück, das das Großbürgertum, die Bourgeoisie in England parodieren sollte. Mit der Figur des Peachum, die sich an den bekanntesten englischen Verbrecher des 18. Jahrhunderts Jonathan Wild anlehnt, wurde gleichzeitig der britische Premier Robert Walpole karikiert. Der Komponist Johann Christoph Pepusch entnahm die Themen der 69 Musiknummern populären Arien und Gesängen und komponierte selbst nur die Ouvertüre und ein Lied (die Ouvertüre stellte noch keine Themen vor) Lediglich Pepuschs Harmonisierungen als Generalbasslinie der Melodien sind erhalten, Partitur und Einzelstimmen verschollen.


    Die weiter oben vorgestellte DVD ist auch preiswerter in der deAgostini-Opernsammlung erhältlich:



    Die Bettler-Oper von John Gay und Johann Christoph Pepusch


    am 17. Januar 2007 erschienen

    Zitat

    Die 1728 in London auf die Bühne gebrachte Beggar’s Opera, eine Kampfansage an die große Oper italienischen Stils, war eine Sensation. Das Werk stellt nicht Könige, Helden und Götter in den Mittelpunkt, sondern Diebe, Hehler und Huren. Deren verquere Gaunermoral spiegelt – so das Ziel des Librettisten John Gay und des Komponisten Johann Christoph Pepusch – die sittliche Verrohung der gesamten Gesellschaft wider. Erleben Sie saft- und kraftvoll singende Schauspieler in einer TV-Produktion der BBC.


    LG
    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Hallo Harald,


    vor Jahren habe ich die "Beggar's Opera" mit Roger Daltrey im Fernsehen gesehen und war wirklich angenehm überrascht. Hat mir sehr gut gefallen und ich muss gestehen ich hatte mir von Daltrey eigentlich nicht viel erwartet. Ich kannte ihn bis dahin nur als Rocksänger! Aber er hat seine Sache wirklich gut gemacht, auch schauspielerisch!
    Danke, daß Du mich an diese Produktion erinnert hast, kommt gleich auf meine Wunschliste! :)


    Gruß
    Regina

  • Hallo Regina,


    freut mich, dass Du an Roger Daltrey erinnerst. Ich kenne ihn persönlich, er ist nicht nur Rocksänger ("The Who", "Tommy") und Schauspieler, auch Vater von 5 Kindern und ein netter, unkomplizierter und ehrlicher Mensch. Ausserdem setzt er sich sehr für krebskranke Jugendliche ein. („Teenage Cancer Trust“)
    Auf der vorliegenden DVD der "Beggars Opera" ist er als Macheath zu erleben.


    LG


    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ehrlich, Harald, Du kennst Daltrey? Heute beeindruckt mich das zwar nur noch so halb, aber als ich sechzehn war, habe ich ihn immer vor dem Mikro imitiert, weil er einer der wenigen weißen Rocksänger war, die eine richtig angerauhte Stimme vorzuweisen hatten (den Ausdruck "sich erarbeitet" möchte ich in diesem Zusammenhang vermeiden, obschon er ganz gut passen würde).


    Wir haben in der Band zwar nie die "Who" gecovert, aber mein akribisches "Studium" seiner Platten hatte (freilich neben dem der alten Meister des Blues) zur Folge, daß ich zwei Jahre später selbst eine halb-"schwarze" Stimme mein Eigen nennen durfte. Daß dies mit gesundem, "ordentlichem" Gesang nichts zu tun hat und extrem kontraproduktiv für die eigenen stimmlichen Möglichkeiten sein kann, habe ich erst kurz darauf begriffen und gelernt.


    Die "Bettleroper" beitze ich in einer Einspielung des deutschen Labels "Schwann" (musica mundi), das übrigens, lieber Harald, in Deinem Wohnort Düsseldorf beheimatet war (oder noch immer ist?). Dies hat es sich, soweit ich informiert bin, zur Aufgabe gemacht, weniger bekannte Werke in einer jeweils ersten Aufnahme vorzulegen, wovon tatsächlich ich einige besitze.


    Hier übernimmt die "alte Röhre" Nigel Rogers Daltreys Part, das Ensemble ist ein komplett englisches, der Dirigent heißt Denis Stevens. Die Besonderheit dieser Aufnahme aber ist die, daß der große und von mir sehr geschätzte Hanns Dieter Hüsch launige deutsche Zwischentexte spricht in bewährter "Väter der Klamotte"-Manier mit einer Prise Hölderlin für nachdenklichere Momente. Hüsch war ja auch als Stummfilmkommentator sehr erfolgreich tätig.


    Die Platten sind von 1979. Im Booklet gibt Mr. Stevens auch Rechenschaft von seiner Einrichtung des Werkes, indem er zu bedenken gibt, daß eine "Urgestalt" oder "Autor(en)intention" (zumindest ihm) hier hoffnungslos vergeblich scheinen. Stattdessen habe er sich um klare Zuordnung der Stimmlagen zu den auftretenden Personen sowie eine einigermaßen "plausible" Tonartenfolge bemüht.


    Mir gefällt dieses für britische Karikaturverhältnisse ungemein typische Werkchen gut, ich fühle mich oft an die ebenso decouvrierende wie warmherzig teilnehmende Darstellungskunst eines Henry Fielding erinnert.


    Mit lieben Grüßen,


    Alex.


    Falls Du bald wieder mit Daltrey in Düsseldorf zum Tee sitzen solltest, lieber Harald, sag´ ihm bitte, daß da draußen ein kleiner weißer deutscher Junge viel Zeit auf das Hören seiner Aufnahmen verwandt hat und daß er nie vergessen sein wird, solange Minderjährige noch "My Generation" stottern werden oder zu "Won´t get fooled again" den Urschrei praktizieren. Yeaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaahhhhhhhhh!

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  • Zitat

    Original von Graf Wetter vom Strahl
    ...daß der große und von mir sehr geschätzte Hanns Dieter Hüsch launige deutsche Zwischentexte spricht...


    Ist das nicht die berühmte Aufnahme aus der Anstalt Bless-Hohenstein, wohin er, H., diesmal wie damals seinen Hund, jene merkwürdige Mischung aus Reh und Polarfuchs, nicht, so das Ärzteteam Löchelpietsch und Zehetbauer, habe mitbringen dürfen?

  • Lieber Alex,
    die Bettleropern-Aufnahme mit den Zwischentexten von HansDieter Hüsch kenne ich auch (auf Vinyl), besitze sie leider nicht selbst. Die Plattenfirma scheint nicht mehr zu existieren, hoffentlich taucht die Aufnahme irgendwann bei einem anderen Label als CD wieder auf.


    Inzwischen gibt es jedoch eine ganze Reihe hörenswerter Alternativ-Aufnahmen.


    Was Roger Daltrey betrifft, so ist kaum anzunehmen, dass er mich zur Teestunde besuchen wird, meine Bekanntschaft mit ihm stammt aus einem früheren Leben, als ich bei einem britischen Staatskonzern beschäftigt war. Allerdings ist es nicht sehr schwierig, mit ihm (oder seinem einzigen noch lebenden Kollegen der "Who", Pete Townsend), Kontakt zu bekommen. Stichwort: Krebshilfe. Es gibt da jedes Jahr Benefizkonzerte, bei denen diese Stars auftreten und in deren Umfeld sich die Künstler sehr leutselig zeigen, es ist ja für einen guten Zweck!


    LG


    Harald

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Ja, lieber audiamus, das war Hüschens Kunstfigur Hagenbuch, die in dieser von Dir sehr genau getroffnen Syntax parliert hat, welche ja auch in der Tat zum Ostereiersuchen ist. Dies allerdings nicht in der „Beggar´s Opera“. Dafür hat Hagenbuch andere Erfahrungen mit der Musik gesammelt…



    Hagenbuch und die ererbte Wirklichkeit der Symphonie


    „Er, Hagenbuch, habe, dies müsse er untertänigst gestehen, erst jüngsthin noch der Schwester der verstorbenen Contessa della Vita gegenüber huldreich der Erwähnung für würdig befunden, daß er, Hagenbuch, bei Aufführung einer Beethoven-Symphonie zum Werke keinen, keinen…äh…Zugang gefunden habe! Keinen! Die Contessa, die ihn höchstselbst, höchstselbst dorthin an jenem schicksalschweren Abend begleitete, habe ihn darauf noch im Konzertsaal aufrichtig mit Liebkosungen umsorgt, auf daß er, Hagenbuch, über jenes unerwartete Erlebnis zumindest privatim hinweghören könne. Dies habe ihn, Hagenbuch, bei der Gelegenheit so erregt, daß er noch im Konzertsaal aufgesprungen sei, aufgesprungen sei, und laut ausgerufen habe: „Al dente, Monsieur le Compositeur, al dente! Man kann es nicht verdauen!“


    Nach einer Viertelpause bereits sei das ganze Konzerthaus unisono über ihn hergefallen, habe sich kasteit und zur Ader gelassen vor Zorn und ohnmächtiger Bildungsbürgerbeflissenheit, daß man seiner, Hagebuchs, nicht polizeilich dafür werde habhaft werden können! Er habe, gestand Hagenbuch, noch im Hinausgetragenwerden begonnen, die Matthäuspassion vom Blatt zu pfeifen und, so gut es gehen wollte, ihren Takt publikumswirksam auf den Rücken der Ordnungshüter zu klopfen…


    Dies alles sei, so habe er, Hagenbuch, am späten Abend selbigen Tages glücklich im seidendekorierten Refugium der Contessa della Vita angekommen, geröchelt, dies alles sei in seinen Ohren das Ende der Welt! "Nein!", habe die Contessa in entzückender Unartigkeit ausgerufen, "nicht das Ende der Welt!" "Sie haben recht, meine Kostspielige", habe er, Hagenbuch, daraufhin daseinsvernichtend kondoliert, "nicht das Ende der Welt – viel schlimmer – es ist ja erst der Anfang….!" Da sei ihm die Contessa für tot auf dem Piano niedergesunken, woraufhin er, Hagenbuch, heldisch über ihren kalten Leib gebeugt, Themen von Debussy einer atonalen Lösung zuzuführen sich bestrebt habe.


    Und von Zeit zu Zeit, wann immer einer der Insassen von Bless-Hohenstein, jener Anstalt für ganz besondre geistige Kadenzen, das Wort „Beethovensymphonien“ ausspreche, gleite er, Hagenbuch, so leid es ihm tue, so leid es ihm tue, unverzüglich in die Mollparallele, um schmerzenden Erinnerungen an den Abend im Konzerthaus aus dem Weg zu gehen, als ihm die Contessa della Vita das Geheimnis symphonischen Sterbens in sein angefochtnes Ohr geflötet habe…“



    Lieber Harald, ich finde es gut und richtig, daß Du den link gesetzt hast – auch wenn er mit Klassischer Musik nicht einmal mehr am Rande noch zu tun hat. Informiere uns doch über weitere Aufnahmen, so Du welche kennen solltest. Für mich, Du weißt es, sind besonders Platten interessant :rolleyes:



    Alex.

  • Hallo lieber Harald und lieber Graf,


    der Schwann-Verlag war tatsächlich in Düsseldorf beheimatet, wurde dann allerdings von der Firma Koch übernommen, die jetzt meines Wissens zur Universal Group gehört.


    Liebe Grüße


    Uwe

  • Ja Hans, darf ich doch sagen,


    der Händel muss zersprungen sein, denn diese "Oper" ist der erste Opernparodie der Welt und


    die Wiener lieben diese Parodien und glauben sie erfunden zu haben, dabei ist es in London entstanden, und Händel wäre beinahe pleite gegangen, weil es war ja auch seine Musik in dieser Oper, es gab ja keinen Urheberschutz.


    Wir Wiener lieben es und pflegen es bis zum heutigen Tag, bei Nestroy auf alle Fälle, da muss eine Opern-Parodie drin sein.


    Und ganz ehrlich ich vermisse es, bei Inszenierungen, wenn die das nicht drin haben.


    Und Meister Nestroy hat ja auch Opern seiner zeit parodiert z. B. Lohengrin, aus dem wurde Lohengelb,


    Musik nach Richard Wagner von Franz von Suppé.


    Habe ich auf DVD - wer es haben will den lassse ich es brennen, ein köstlicher Spass.

    2 Mal editiert, zuletzt von oper337 ()

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  • Zitat

    denn diese "Oper" ist der erste Opernparodie der Welt



    diese Opernparodien gab es schon vorher, da muss man nur nach Frankreich blicken und die ganzen Parodien auf Lully im 17. Jahrhundert und später dann auch auf Rameau im 18. jahrhundert zu sehen.


    Vor allem Lully wurde böse verulkt - da gibt es über fast jede Oper eine regelrechte "Ver*****"


    ein Beispiel ist "Les Amours de Ragonde" von 1714,



    Mouret hat hier gleich mehrere berühmte Opern aufs Korn genommen.


    Der Inhalt:


    Die alte hässliche Ragonde (wird von einem Bariton verkörpert) ist hinter dem Jünglin Colin her.
    Der ist jedoch von ihrem Liebesgeständnis wenig angetan.
    Ragone ist natürlich stinksauer, vor allem weil Colin es auf ihre hübsche Tochter abgesehen hat.
    Colin jedoch reizt sie noch mehr und macht sich noch über sie lustig.


    Es gibt weitere Ränke, so das Colin sich um Mitternacht mit der Tochter Ragondes treffen will. Statt der hübschen Frau, erwarten ihn jedoch ein paar Kobolde. Andere Dorfjünglinge die von Ragonde angeheuert wurden.
    Diese erschrecken ihn fast zu Tode und der Feige Colin schwört alles, nur um in Ruhe gelassen zu werden.
    Ragonde kommt hinzu und "rettet" ihn, dafür muss er sie aber heiraten.


    Die Szene endet mit einem Monolog Ragondes, der dem berühmten Monolog aus Lullys Armide nachempfunden ist "Enfin il est a ma puissance" (Endlich ist er in meiner Gewalt)
    - was eben der ganzen Szene noch mehr Witz verleiht.


    Schließlich findet die Hochzeit statt.
    Colin streubt sich zwar, aber als Ragonde mit den Höllengeistern droht, schwört er ihr ewige Treue.




    Diese Opernparodie ist sicher auch so unterhaltsam, aber den wirklichen Spaß hat man erst daran wenn man die Werke Lullys kennt und die hintergründigen Botschaften verstehen kann.


    Von Mouret gibt es noch eine ganze Palette solcher Opernparodien.
    Und vor allem gibt es zahlreiche Anonyme Werke.


    z.B. war Lullys "Persée" (1682) ein besonders beliebtes Ziel.



    :hello:

  • Wo wäre aber die Oper ohne Parodie, denn viele die diese Parodien hören, werden Opernfreunde,
    weiß ich aus Erfahrung.
    Und ich liebe Opernparodien von Purcell (und früher) bis Kreisler (jüd. Entertainer und Komponist für Kabarett und seine geschieden Frau Topsy Küpers).

  • Um keine Verwechslungen aufkommen zu lassen, Oper337 meint natürlich Georg Kreisler!

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Ja natürlich gemeint ist Georg Kreisler, der mit den "Tauben vergiften", und den "Zwei alten Tanten tanzen Tango",


    hat zwar nichts mit Opernparodie zu tun, doch er hat in "Höllenangst" seinerzeit, mit Hans Moser (gibt es bei Donauland aus der Sammlung aus dem Theater i.d. Josefstadt)
    und mit Elfriede Ott, die ein "e" hatte, und herrlich Opernparodie sang.


    Ein großer Schatz ist und bleibt die Ott.

    Einmal editiert, zuletzt von oper337 ()

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  • Nachdem der Thread um dieses heuer immerhin schon 280 Jahre alt werdende Werk schon eine Weile schlummert, erlaube ich mir, ihn mit einer Zusammenfassung n Erinnerung zu rufen, die ich wieder einmal aus einer Rätselantwort dieses Threads destilliere, da sie eher in diesem Zusammenhang erwartet werden dürfte, in den sie eigentlich auch gehört:


    Ursprünglich hatte die Oper gar keinen eigenen Komponisten. Vielmehr entstand sie vermutlich aus einer Diskussion heraus, an der neben Gay auch Jonathan Swift teilnahm, der von einem musikalischen Theaterstück schwärmte, das die „Laster entlarven und die Leute zum Lachen bringen“ sollte. Dieser Vorstellung entsprach John Gay, der zu den bedeutenden Literaten seiner Zeit zählte und u. a. das Libretto für Händels ACIS AND GALATEA mitverfasst hatte, mit seinem Stück, das ursprünglich nur eine satirische Einrahmung und Betextung populärer Schlager und Volksgesänge sein wollte. Erst als die Herzogin von Queensbury eine Probe besuchte, drängte sie Gay, die Besetzung um ein kleines Orchester zu erweitern und eine "richtige Oper" daraus zu machen.


    Gay fehlte jedoch das Geld um mit den großen Opern Händels und anderer mitzuhalten, und so griff er zu dem Kniff, der später auch D’Oyly-Carte, dem Leiter der Savoy Oper, in der die Opern von Gilbert und Sullivan aufgeführt wurden, ebenso zustatten kam wie Jacques Offenbach bei seinen Bouffes Parisiennes. Er machte aus der ökonomischen Not eine Tugend und parodierte die großen Opern seiner Zeit, denen er durchaus respektvoll gegenüber stand, zumal sie ihm auch einiges Einkommen verschafft hatten. So beauftragte er den ansonsten nicht besonders hervorgetretenen oder für Anderes erinnerten Komponisten John Christopher Pepusch mit der Komposition einer Ouvertüre, die ganz hübsch geriet, mit dem Nachfolgenden aber kaum etwas zu tun hat, und dem Abfassen eines Generalbasses, der die nachfolgenden, von Gay ausgewählten Volkslieder und Bänkelsänge untermalte, aus denen die „Oper“ bis dahin ausschließlich bestand.


    Wäre Gay (oder Pepusch) damals der Begriff „Operetta“ für eine kleine Oper eingefallen, würden wir wohl heute in diesem Werk und nicht erst in Offenbach den Urvater aller Operetten sehen. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass ich hier Pepuschs Anspruch und Qualität gegenüber sehr ungerecht bin, denn ähnlich wie bei den Opern Monteverdis sind von seiner Partitur neben der Ouvertüre nur der Generalbass und eine Arie, nicht aber mehr die Einzelstimmen erhalten.


    Die kaum zu überbietende Bodenständigkeit und der Witz des Buches sorgten für einen derartigen Erfolg, dass die Oper die damals schier unglaubliche Zahl von 60 Aufführungen in einer einzigen Saison erreichte und sehr bald auch im Ausland aufgeführt wurde (in Deutschland u. a. unter dem Titel „Die Straßenräuber“ ) und zwei Jahrzehnte später sogar ihren Weg nach Amerika fand, wo sie 1750 in New York debütierte. Nebenbei sorgte sie auch für den finanziellen Bankrott Händels und seiner italienischen Opern, denn alle Welt wollte nur noch die erstaunliche Novität einer Oper für und über Bettler und das gemeine Volk sehen. So gesehen, kann man in der BEGGAR'S OPERA also auch die Initialzündung für Händels große Oratorien sehen, auf deren Komposition er sich danach verlegte.


    Genau 200 Jahre später machte Elisabeth Hauptmann ihren Freund Bertolt Brecht auf dieses Stück aufmerksam, das sie gerade übersetzte, und der Rest ist – eine sehr andere – Geschichte mit der hier schon mehrfach angesprochenen Überschrift DIE DREIGROSCHENOPER. Was ich erst in der Recherche zu diesem Text erfuhr, war die Information, dass sich nach Kurt Weill auch Darius Milhaud und Benjamin Britten um eine Aktualisierung dieses Stoffes bemühten.


    Musikalisch ist das Werk eher als Zeugnis für die zeitgenössische Volksmusik denn als kühner Entwurf für ein Stück Musiktheater von Interesse. Die Musik besteht nämlich, wie schon gesagt, fast ausschließlich aus populären Gesängen der Zeit oder deren Nachahmungen, war dem Publikum also schon weitgehend vertraut, was erheblich zu ihrem spontanen Erfolg beigetragen haben dürfte. Nur in wenigen Nummern, etwa in dem Duett bzw. Duell zwischen Polly und Lucy werden den Sänger(inne)n Fähigkeiten abverlangt, die über die Talent ungeschulter Singschauspieler hinaus gehen. Zwar können wir die damalige Popularität der Nummern heute nur noch in musikhistorischen Recherchen und insofern hörend nachvollziehen, als alle Musiknummern hörbar den einfachen Strukturen und melodischen Einfällen genuiner Volksmusik entsprangen. Als solche sind sie aber auch bis zum heutigen Tag nicht nur mit Interesse zu hören, sondern durchaus auch von einem beachtlichen Unterhaltungswert.


    Jedenfalls ist dies in der einzigen mir bekannten Aufnahme der Fall, die ich gerne weiter empfehle:



    Bob Hoskins, Ian Caddy, Sarah Walker und andere große Namen des englischen Theaters werden darin – wie ich mit meinem sehr begrenzten Wissen von der Musik der Zeit empfinde – sehr authentisch von Jeremy Barlow und seiner „Broadside Band“ begleitet. Zu einem vollen Genuss der Aufnahme ist allerdings eine gute Beherrschung und Würdigung der englischen Sprache mehr als hilfreich. Leider kenne ich die DVD mit Roger Daltrey nicht, die Harald Kral weiter oben schon empfohlen hat:



    Ich kann mir aber sehr gut vorstellen, dass sie mit eingeschalteten Untertiteln noch mehr Vergnügen an diesem außerordentlichen Werk bereitet.


    :hello: Jacques Riddleamus

  • Wußtet ihr, dass es von der Bettleroper (bzw. Dreigroschenoper) auch noch eine Fortsetzung gibt. Die damaligen Komponisten konnten sie nicht fertigstellen wegen der herrschenden Zensur, aber irgendwann - nach über 50 Jahren - wurde sie dann doch noch aufgeführt; und jetzt gibt es davon sogar eine CD:



    SAMUEL ARNOLD (1740-1802)
    Polly (1777)


    Polly - Laura Albino, Soprano
    Mrs. Ducat - Eve Rachel McLeod, Soprano
    Damaris, Indian Scout - Gillian Grossman, Soprano
    Jenny Diver - Marion Newman, Mezzo-soprano
    Trapes - Loralie Kirkpatrick, Mezzo-soprano
    Cawwawkee - Bud Roach, Tenor
    Culverin - Lawrence J. Wiliford, Tenor
    Vanderbluff - Andrew Mahon, Baritone
    Morano - Matthew Grosfeld, Bass
    Ducat - Jason Nedecky, Baritone


    ARADIA ENSEMBLE
    Kevin Mallon, Music Director and Conductor


    Zitat

    Im Jahre 1728 feierte der wie Händel in London lebende deutsche Komponist Johann Christoph Pepusch mit seinem Bühnenwerk The Beggar’s Opera (Eine Oper FÜR und NICHT eine Oper ÜBER Bettler!) in der britischen Hauptstadt einen grandiosen Erfolg und war wohl auch nicht gänzlich unschuldig am sinkenden Publikumsinteresse für Händels Opern. Für das Libretto zeichnete John Gay verantwortlich, der mit seiner Hauptfigur Peachum sowohl dem legendären Kriminellen Jonathan Wild, der 1724 am Galgen endete, als auch dem ersten britischen Premierminister Robert Walpole ein Denkmal setzte. Aufgrund der vielen kritischen Anspielungen war es kein Wunder, dass der Nachfolger von The Beggar’s Opera, Polly, den Pepusch und Gay im Folgejahr verfassten, nie auf die Bühne kam. Die Zensur schlug quasi prophylaktisch zu. Fast 50 Jahre später tauchte Polly mit einem überarbeiteten Libretto und einer neuen Partitur wieder auf und verhalf Samuel Arnold dazu, seine Reputation als Theater-Komponist anzukurbeln. Die Geschichte von Pepusch/Gay wird fortgesetzt, Peachums Tochter Polly und Macheath werden auf den Westindischen Inseln wieder ein Paar, was Polly jedoch nicht davon abhält, schließlich den „Indianischen Prinzen“ Cawwawkee zu heiraten. Auch heute ist diese „Inselparadies-Oper“, die seinerzeit ein großer Hit war, noch immer höchst amüsant.

    Harald


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    (Vinícius de Moraes)

  • Johann Christoph Pepusch (* 1667 in Berlin; † 20. Juli 1752 in London) war ein international tätiger Komponist, Musiker, Lehrer und Musikwissenschaftler.



    In London wirkte Pepusch ab 1704 als Bratschist, schon bald auch als Komponist, Theaterdirektor, Musiktheoretiker und Organist. 1710 war er Mitbegründer der „Academy of Ancient Music“. Die "Bettleroper" ist sein bekanntestes Werk; es kommt mit einfachen musikalischen Mitteln aus. Die Ouvertüre ist lediglich ein vierstimmiger Satz. An Stelle der Arien finden sich meist bekannte Volkslieder.


    Es wird kolportiert, „The Beggar's Opera“ (Musik von Pepusch, Text von John Gay) habe im Jahre 1728 dem Opernbetrieb Händels den Todesstoß versetzt.
    Die letzten beiden Jahrzehnte seines Lebens widmete er sich seinen Studien der Alten Musik.


    LG

    Harald


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  • Ich kann mich gut an eine Aufführung der Bettleroper in der Bearbeitung von Benjamin Britten erinnern, die vor etwa 20 oder 25 Jahren in Düsseldorf gespielt wurde - ein großer Spaß. Ist das die Bearbeitung, die Gardiner eingespielt hat?

    Schönheit lässt sich gerne lieben...

    (Andreas Hammerschmidt,1611-1675)

  • Ich kann mich gut an eine Aufführung der Bettleroper in der Bearbeitung von Benjamin Britten erinnern, die vor etwa 20 oder 25 Jahren in Düsseldorf gespielt wurde - ein großer Spaß. Ist das die Bearbeitung, die Gardiner eingespielt hat?


    Nein, lieber Dr. pingel, Gardiner hat seine eigenen Bearbeitung der Bettleroper erstellt.


    Die Fassung von Benjamin Britten gibt es allerdings auch auf CD:




    LG


    :hello:

    Harald


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    (Vinícius de Moraes)

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  • Vor fünf Jahren habe ich diesen Thread eröffnet......wie die Zeit vergeht!

    29. Januar 1728:
    Im Lincoln's Inn Fields Theatre in London erfolgt die Uraufführung des komischen Singspiels
    The Beggar's Opera
    von John Gay und von John Christoph Pepusch
    (mit Übernahme zahlreicher von anderen Komponisten stammender Nummern; als Satire einmal gegen die politische Herrschaft von Premierminister Walpole, dann vor allem gegen die heroische italienische Opera seria und ihren Primadonnenkult gerichtet),
    mit Lavinia Fenton • M. Walker.


    LG


    :hello:

    Harald


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    (Vinícius de Moraes)