HÄNDEL, Georg Friedrich: SUSANNA


  • Georg Friedrich Händel (1685-1759):


    SUSANNA
    Oratorium in drei Teilen für Soli, Chor und Orchester, HWV 66
    Libretto eines unbekannten Dichters nach dem Buch Daniel (13, 26-63)


    Uraufführung am 10. Februar 1749 in Covent Garden



    DRAMATIS PERSONAE


    Susanna, Sopran
    Joakim, ihr Gemahl, Alt (auch Mezzosopran)
    Daniel, Prophet, Sopran (auch Knabensopran)
    Erster Richter, Tenor
    Zweiter Richter, Bass
    Dritter Richter, Bass
    Chelsias, Susannas Vater, Bass
    Eine Dienerin, Sopran
    Chor


    Die Handlung spielt im ersten babylonischen Exil, etwa 597 v. Chr.



    KURZFASSUNG DER BIBLISCHEN GESCHICHTE


    Das jüdische Volk ist nach einer Niederlage gegen die Babylonier mitsamt König Jojakim in die Gefangenschaft nach Babylon verschleppt worden. König Nebukadnezar erlaubte schließlich, dass Jojakim als sein Vasall sein Volk regierte. Jojakims Frau war die schöne und gottesfürchtige Susanna, Tochter des Helkias. In der Metropole Babylon wurde der schöne Garten Jojakims vielfach gerühmt; hier kamen die Juden stets zu Gesprächen zusammen. Eben dieser Garten wurde an einem ganz bestimmten Tag, an dem Jojakim abwesend war, der Schauplatz einer Tragödie:


    In der Mittagszeit ging Susanna im Garten spazieren und wurde dabei von zwei Männern, zwei Richtern, beobachtet, die ihretwegen, vorsichtig ausgedrückt, Liebeskummer hatten. Als nun Susanne ihren Mägden befahl, für ein Bad Salben und Öle zu holen, traten sie zu der Schönen und gestanden ihr, heftige Begierde für sie zu empfinden. Sie verlangten, dass Susanna ihnen zu Willen sei, andernfalls würden sie in der Öffentlichkeit bezeugen, dass sie mit einem Jüngling „zusammen“ war. Daraufhin glaubte Susanna, sich nur mit lautem Schreien wehren zu können, aber auch die beiden Richter „schlugen Lärm gegen sie“. Das Volk lief zusammen und die Richter befahlen, Susanna zu entschleiern, um „sich an ihrer Schönheit zu laben“.


    Die lügnerische Klage der Richter brachte die gewünschte Rache der Öffentlichkeit gegen Susanna, der aber alles Weinen nicht half, denn sie wurde mit breiter Zustimmung zum Tode verurteilt - das Wort der Richter hatte eben mehr Gewicht. Susanna aber wandte sich betend an Jehova, wiederholte ihre Unschuldsbeteuerung, und barmte, dass sie unschuldig sterben müsse. Und der Herr erhörte sie: Als sie zur Hinrichtung geführt wurde, schickte er den jungen Daniel, der in das Geschehen eingriff, das Volk „töricht“ schalt und die Richter als „falsche Zeugen“ beschimpfte. Die öffentliche Meinung schlug um, und Daniel verhörte nun die beiden Richter einzeln und förderte Widersprüche zu Tage, die letztlich den Richtern das Leben kosten sollte. Über Susanna heißt es jetzt: „Also ward desselbigen Tages das unschuldige Blut errettet.“



    Erster Teil


    Nach der allgemein gehaltenen Ouvertüre klagt der Chor der Juden ebenso allgemein über die Drangsal der babylonischen Gefangenschaft, musikalisch von Händel in die Form einer Passacaglia gebracht:


    Wie lang, o Herr, droht uns dein Zorn/Mit Drangsal und Not?
    Jehova! Gott, der Gnade Born/Rett' uns aus Schmach und Tod!



    Dann wird der Zuhörer nicht nur Zeuge einer wunderbaren Liebe zwischen Joakim und Susanna, sondern hört auch von Joakims Befürchtung, dass der Zorn Gottes über das Volk kommen wird, weil es in Babylon nicht gottesfürchtig lebt:


    Der Zeiten Laster reizen Gottes Zorn,/Nun straft er geißelnd sein entartet Volk.



    Doch Susanna bringt ihren Gatten von diesen düsteren Gedanken wieder auf ihre gute Beziehung zurück und in einem Duett äußern sie sich beglückt über ihre Zweisamkeit.


    Susannas Vater Chelsias hat das traute Liebesgeplänkel mitbekommen und er unterbricht Tochter und Schwiegersohn mit der eingehenden Mahnung, nicht das Vertrauen in Jehova zu verlieren. Händel gestaltet Chelsias Einwurf zu einem breit angelegten Terzett, das jedem Solisten eine bestimmte Rolle zuweist: Joakim rekapituliert den Ablauf seiner Liebe zu Susanna, diese wiederum gedenkt mit Tochterliebe der allzeit erwiesenen Pflege durch ihren Vater, der sich dann für diese freundlichen Worte herzlich bedankt. Aber Joakim weist Gattin und Schwiegervater auch auf seine anstehende Dienstreise hin, und nimmt Abschied mit dem Versprechen, nach einer Woche wieder zurück zu sein.


    Nach dem Abgang der beiden Männer ist es an der alleine gebliebenen Susanna, sich in einem kraftvollen Accompagnato trübe Gedanken über Joakims Abwesenheit zu machen, dann aber in einer Ergebenheit ausdrückenden h-Moll-Arie ganz versunken ein Gebet an Jehova zu richten:


    Betend vor dem Thron der Gnade,/Fleh' ich, Herr, um diese Huld:
    Lass mich auf dem letzten Pfade/vor dich treten ohne Schuld.
    Wär' es dann dein heil'ger Wille,/Dass ich sterbe vor der Zeit,
    Halte ich in Demut stille,/Dir ergeben und bereit.



    Es ist eine jener Würde und Seelentiefe ausstrahlenden Arien, die Händel immer dann einfallen, wenn er sich einer „edlen Frauengestalt“ zuwendet. Dass sich daran ein kurzer Chorsatz anschließt, der sich mit einer Betrachtung über das Thema Unschuld beschäftigt, ist vom Ablauf der Handlung her nicht zu begründen, eher als betrachtendes Moment zu bewerten.


    Jetzt erscheinen, von Susanna nicht bemerkt, zwei Männer, Älteste oder Richter (beide Titulierungen kommen vor), und äußern ihre auf die Schöne gerichtete Liebessehnsucht. Händel findet für das Rezitativ, ein Zwiegespräch über körperliche Liebe, aufwühlende Modulationen, um die Sinnlichkeit der Alten mit durchaus psychologischem Scharfblick zu zeichnen (Händel war übrigens zum Zeitpunkt der Komposition vierundsechzig Jahre alt). Die beiden Herrschaften spüren „Rumor“ in ihren Körpern, aber auch beschwingte Lust und beklagenswerten Liebesschmerz. Ihr Entschluss, Susanna im Bade aufzulauern, ist schnell gefasst. So singt der zweite Richter/Älteste:


    Sieh dort, wo dicht die Zitterpappel rankt/gewahr' sich sie, Lass uns in Eile hin,
    Dort auf sie harr'n, dann stürzen zu ihr vor,/Zwingen zur Lieb' sie und stillen unsre Lust.
    Der erste Richter ist ebenso schnell mit seiner Zustimmung dabei:
    Wenn die Nymphe lockt so sanft,/ach, wer kann dann widersteh'n?



    Der den ersten Teil des Oratoriums beschließende Chorsatz, dreiteilig angelegt, ist eine Prophezeiung hinsichtlich des weiteren Geschehens:


    Gott der Herr kennt ihre List/und gewährt nur kurze Frist.
    Doch dann, und mit Blitzeseil',/Kommt herab sein Rachepfeil.
    Gott der Herr kennt ihre List/und gewährt nur kurze Frist.
    Zittre, Schuld, denn du erfährst,/Wie der Zorn des Herrn zerstört.



    Händel wählt für den Beginn der Prophetie ein d-Moll-Grave, für die Rache-Ankündigung ein F-Dur-Andante, und komponiert für den Zorn Gottes eine wilde Moll-Fuge über ein chromatisch abwärts führendes Thema, das rollende Streicherpassagen begleiten.


    Zweiter Teil


    Joakim weilt in der Ferne und sinniert in einem kurzen Intermezzo über die Trennung von seiner geliebten Gemahlin mit einem bildhaften Vergleich aus der Natur: So wie der Frost die Blumen niederdrückt, so ist er durch die Trennung belastet.


    Dann geht der Blick wieder nach Babylon zurück: Susanna, mit einer Dienerin im Bade, ist in der gleichen Situation, denn auch sie denkt an den abwesenden Gemahl mit Wehmut, was beweist: Nichts ist so dauerhaft anwesend wie der abwesende Partner. Susannas Magd singt auf Bitten der Herrin an dieser Stelle ein Lied, das Joakim vor einiger Zeit gedichtet hatte, das aber hier bei Susanna nicht die erhoffte Wirkung erzielt, es tröstet sie nicht:

    (1) Frag', ob die Rose süß von Duft,/Die ringsum würzt die Luft;
    Dann frag' die Schäfer auf den Höh'n,/Ob nicht mein Mädchen schön.

    (2) Frag', ob von ihrem Morgenlied/Die muntre Lerche schied,
    Frag', ob vom Raube lässt der Leu,/Dann frag', ob ich ihr treu.

    (3) Der Kriegsruhm sei des Helden Heil,/Die Pracht des Mächt'gen Teil;
    Des Sängers soll der Lorbeer sein,/Ist nur mein Mädchen mein!


    Nachdem Susanna ihre Dienerin weggeschickt hat, kommt die Stunde der lüsternen Alten: Durch lärmende g-Moll-Takte werden sie angekündigt; der eine gibt sich erst einmal als harmlos erscheinender Voyeur, der nur ein „reizend Bild“ erhaschen möchte. Der andere ist dagegen mit seinen erpresserischen Worten zudringlicher: Wenn seine Bitten nicht helfen sollten, seine Brunst bei Susanna stillen zu können, dann muss Gewalt „siegen“! Susanna reagiert ebenso empört („Sind das die würdigen Wächter unseres Rechts?“) wie verletzt („Fort, ihr Männer, eh ein feindlich Aug' euch hier entdeckt auf falschem Pfad“) und es folgt ein hochdramatisches Terzett, dass den milderen der beiden Männer dem wollüstigen gegenüberstellt, und Susanna verzweifelt ahnen lässt, was auf sie zukommt: Ohne Umschweife drohen die beiden Männer der Badenden nämlich mit dem öffentlich ausgesprochenen Vorwurf der Untreue - mit einem erfundenen Jüngling -, zu einer Vergewaltigung kommt es jedoch nicht.


    Von der Ankündigung geht es zur Tat: Das von den Männern herein gerufene Volk (wurde es schon mal vorab bestellt?) wird mit der Behauptung von Susannas Ehebruch konfrontiert und es glaubt selbstverständlich den mit Richterwürde ausgestatteten Herren. Ihre Einwände, ihr Flehen, finden dagegen kein Gehör und sie ergibt sich schließlich in das zu diesem Zeitpunkt unvermeidliche Geschick. Die chorische Äußerung des erzürnten Volkes ist ein unerwartet ruhiges Stück Musik, in dem aber trotzdem auf Strafe nach dem unerbittlichen mosaischen Gesetz bestanden wird:


    Das Recht nur walt' und schall' in diesem Land,
    Nicht Reiz, nicht Gunst lähm' seine Eisenhand.



    Der Wunsch der Volksmenge, dass Susannas Schmach sich durch das Land verbreiten soll, ist, wie aus der nächsten (imaginären) Szene deutlich wird, bis zu Joakim gelangt, wieder einen imaginären Szenenwechsel andeutend: Der liebende Gatte weiß, dass seine Susanna nicht untreu ist, da kann irgendetwas nicht stimmen und er beschließt, umgehend aufzubrechen und ihr zu Hilfe zu kommen. Die von ihm angestimmte Arie, von raschen Streicherläufen auffällig begleitet, die seine Unruhe klar ausweisen, führt zum Ende des zweiten Teiles:


    Wie der rasche Wind beschwingt,/Such mein teures Weib ich auf,
    Wie der rasche Wind beschwingt,/Flieg' ich hin in schnellem Lauf.
    Halt ich fest/Sie im Arm,/Wer bedroht sie noch mit Harm?



    Der abschließende Chor, vorstellbar als unsichtbarer, aber vielstimmiger Freundesgesang, findet tröstende Worte zu schlichten Klängen, Larghetto überschrieben, steigert sich dann jedoch zu einem zunächst kräftigen, dann wieder sanften polyphonen Gewebe:


    O Joakim, dein treues Weib/Beschirmt des Himmels Hand,
    Und dem Vertrau'n, das du bewährt,/Wird edler Lohn erkannt.



    Dritter Teil


    Wie in vielen Opern, aber auch in Oratorien üblich, gibt es für Leidende immer wieder Grund, Ungerechtigkeiten zu beklagen; aber es wird von den Betroffenen auch immer nach Rettungsankern oder Strohhalmen gesucht, die das Schicksal abwenden sollen. Manchmal kann der Tod aber auch als Befreiung empfunden werden, doch ebenso häufig kommt es nicht zum tragischen Ausgang. Auf Susanna bezogen verhindert der „Deus ex machina“ (hier natürlich nur in übertragenem Sinne zu verstehen) das tragische Ende. Zwar ist das Urteil, wie inzwischen bekannt, gegen sie gefällt worden, und der Beginn des dritten Teiles unterstreicht nochmals in einem Chor der Israeliten die einhellige Meinung der Menge:


    Der Spruch ist gefallen,/Sie brach das Gebot,
    Susanna ist schuldig,/Der Tod ist ihr Los.



    Susanna hat sich offensichtlich in ihr Schicksal ergeben, denn aus ihrer f-Moll-Arie, Largo überschrieben, die, bis auf einen auffällig geschriebenen Streichersatz schmucklos vertont wurde, ist ihre Weltüberwindung erkennbar. Heuchlerisch kommt der erste Richter und bittet um Susannas Erlaubnis, mit ihr „des Mitleids Träne“ vergießen zu dürfen. Radikaler ist der zweite Richter, der befiehlt, die „Dirne zum Tod“ zu führen. Und genau hier wird Susannas Gebet erhört, hier greift Jehova ein und lässt den jungen Daniel vor die vom Tode bedrohte treten. Er ist nicht, wie Lohengrin, ein Ritter mit Rüstung, der von einem Schwan gezogen kommt, es ist ein einfacher, junger Mensch, der aus der Menge hervortritt und sich mit energischer Stimme Gehör verschafft:


    Der Unschuld Opferblut, es reißt alsbald/Den Schoß der Erde auf und schreit zu Gott!



    Die beiden Richter empören sich über den unscheinbaren Kerl,der es frech wagt, in das Geschehen einzugreifen: „Wes ist das Wort? Verwegener Knabe!“ Daniels ariose Antwort (Händel legt sie einem Knabensopran in die Stimme) könnte an so manchen Betonkopf unserer Zeit gerichtet sein:


    Nicht des Alters Ehrenrang/Faltenstirn und ernster Gang
    Legt den wahren Weisen dar./Oft umstrahlt der Weisheit Glanz
    Auch des Jünglings Lockenkranz,/und er flieht das Silberhaar.



    Der Chor erhält hier ein Gebet an Gott, in dem die Bitte geäußert wird, der Himmel möge durch den Jüngling das Recht hervorbringen - feierlich, und von den Violinen mit Pathos umrahmt.


    Ein weiterer Richter, der bisher nicht in Erscheinung trat, zeigt dynamische Einsicht; er fordert Daniel auf, nun ersatzweise das Recht zu sprechen. Und der junge Mann zeigt eine Weisheit, die von Salomo abgeguckt scheint: Er befragt die beiden lüsternen Richter streng getrennt, wann und wo sie Susanna mit dem (angeblichen) jungen Mann beobachtet haben wollen und hört völlig unterschiedliche Antworten. Der eine erinnert sich an den Platz X, der andere nennt eine Eiche bei Y. Für Daniel steht fest, dass die beiden gelogen haben, und Susannas Unschuld als erwiesen angesehen werden muss. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen lassen keinen Spielraum für Daniel zu; einerseits urteilt er:


    Susanna, lege deine Ketten ab,/Dein Nam' ist reiner als der reinste Schnee.



    andererseits haben die verlogenen Richter nach der alttestamentarischen Devise „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ keine Nachsicht verdient:


    Schleunig geleitet sie zum Tod,/Denn mir verhasst ist ihre Gegenwart.



    Mit einer sehr einfach komponierten Arie spricht Daniel der schuldlos angeklagten Susanna seine persönliche Huldigung aus und beendet so diese Gerichtsszene.


    Der Auftritt von Susannas Ehemann Joakim ist dann als eine neue Szene vorstellbar. Seine ariose Freude, die geliebte Gattin gesund wiederzusehen, hat musikalisch schon fast buffoneske Züge; Susannas Vater Chelsias stimmt einen Freudengesang an und das Volk folgt seiner Aufforderung zu einem Jubelchor umgehend:


    Heil diesem Tag, Heil sei dem edlen Paar,
    Dem reinsten Bunde, der Zierde der Welt.



    Susannas Dank fasst Händel in fröhlich-bewegte Violinkantilenen und das Duett der Eheleute ist mit seinen innig-vertraut wirkenden Klängen ein Kommentar auf die Fortsetzung des gemeinsamen Ehelebens. Es bleibt nun dem Chor des Volkes vorbehalten, eine Art Schlussmoral beizusteuern:


    Ein ehrsam Weib trägt aller Ehren Kron',
    Gott schaut auf sie von seinem hohen Thron.



    Händel verpackt den Zweizeiler in ein fröhliches, von Oboen und Trompeten begleitetes Tanzlied, das in seiner fast „banalen Kunstlosigkeit“ den „Ton des bürgerlichen Singspiels“ erahnen lässt (Winton Dean). Dass eben jene Menge noch „Schuldig“ gerufen hat, wird durch die Musik gnadenlos unterdrückt.



    INFORMATIONEN ZUM WERK


    Händel begann die Komposition von SUSANNA am 11. Juli 1748 und beendete den ersten Teil am 21. Juli, den zweiten am 21. und den dritten am 24. August. Das bedeutet, dass der Komponist bereits gut einen Monat nach der Vollendung von „Solomon“ begann, ein neues Werk in die Welt zu setzen. Merkwürdigerweise (und bis heute nicht geklärt) kam zunächst SUSANNA zur Uraufführung (nämlich am 10. Februar 1749), „Solomon“ dagegen erst am 17 Mai 1749. Eine durchaus beachtenswerte Leistung, zwei Oratorien innerhalb eines so kurzen Zeitraums einzustudieren und aufzuführen, doch Händel-Kenner wissen um sein intensiv-arbeitsreiches Leben.


    Ein oft zu lesender Hinweis, beide Werke ähnelten sich durch die Kriminalgeschichte, sei an dieser Stelle zumindest einmal hinterfragt. In „Solomon“ breitet Händel vor dem Hörer geradezu episch breit ein Bild des berühmten Königs aus: in den drei Teilen wird jeweils ein allgemein bekanntes Ereignis aus dem Leben des Herrschers dargestellt. Im ersten der Tempelbau von Jerusalem (962-955 v. Chr.), wobei so nebenbei auch das Bild eines gut verwalteten Staatswesens entsteht; im zweiten dann jene Kriminalgeschichte mit der berühmten Gerichtsszene; im dritten Teil wird schließlich mit dem Besuch der Königin von Saba eine politisch-ökonomische Völkerverbindung ausgebreitet. Musikalisch betrachtet ist „Solomon“ mit einer Überzahl an monumentalen Chören durchsetzt.


    Ganz anders SUSANNA: Hier wird keine politische Zeitgeschichte präsentiert, sondern eine Sex- and Crime-Story, die keine gewaltigen Chöre braucht, weshalb die Musik auch wesentlich intimeren Charakter hat. Dass aber, wie Händels Zeitgenossen urteilten, in SUSANNA unter einer „dünnen Tünche die Frivolität zum Unterhaltungsstoff“ degradiert wurde (Scheibler/Evdokimova ohne Quellenangabe), darf man getrost dem Zeitgeschmack zugute halten oder auch mit „Biedermann lässt grüßen“ abtun. Realistischer ist wohl der Gedanke an eine immer noch aktuelle Geschichte, die Händel musikalisch allerdings in ein lyrisch-idyllisches Gewand kleidet. Insofern sind auch die insgesamt acht Chorsätze von überwiegend intimer Lyrik gekennzeichnet.


    Wie schon erklärt, ist der Textdichter unbekannt geblieben. Percy M. Young und Winton Dean denken angesichts der im englischen Original erkennbaren Übereinstimmungen in den Ausformulierungen an den gleichen, ebenfalls unbekannten Autor des „Solomon“-Textes. Scheibler/Evdokimova halten sogar Händel für einen möglichen Kandidaten, da sich der Text streng an die englische Bibel anlehnt, die der Komponist sehr gut gekannt haben soll. Dann wäre der Komponist allerdings auch als Texter des "Solomon" anzunehmen. Solange nicht vielleicht doch noch Beweise aus dem Dunkel auftauchen, muss alles Spekulation bleiben.


    Es sei noch erwähnt, das P. H. Lang SUSANNA zwar den Oratorien zurechnet, die mit einer ähnlichen Struktur versehene „Semele“ aber zu den Pastoralen, Oden und Musikdramen, während das HWV beide Werke unter die Oratorien einreiht.


    © Manfred Rückert für Tamino-Oratorienführer 2013
    unter Hinzuziehung folgender Quellen:
    Partitur mit Libretto der Chrysander-Ausgabe von 1858 (Leipzig)
    Albert Scheibler/Julia Evdokimova: Georg Friedrich Händel, Oratorien-Führer

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