Louis Spohr - Kassels berühmter Musiker

  • Louis Spohr war mir zwar vom Namen her ein Begriff doch bis vor Kurzem habe ich nicht eine einzige Note von ihm gehört.
    Doch stets begegnete mir sein Name, sei es wenn ich durch die Stadt (Kassel) schlenderte und immer an seiner Statue vorbei gehe, oder als ich in der Murhardschen Bibliothek die Kataloge mit den Handschriftlichen Partituren durchsah.
    Immer wieder: Louis Spohr.


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    Die Statue von Louis Spohr auf dem Friedrichs Platz in Kassel (mal ohne Tauben) im Hintergrund das geschmackvolle C&A Kaufhaus...



    Ich konnte es nicht fassen, da hat man einen Komponisten von Weltrang stets vor der Nase und kommt einfach nicht dazu sich mal seine Musik anzuhören. Zumal einige Taminos meinten es lohne sich auch nicht...ist das wirklich so ?




    Biographisches:


    Louis Spohr wurde 1784 in Braunschweig geboren und starb 1859 in Kassel, wo er Hofkomponist gewesen war.
    Spohr galt neben Paganini als der größte Violinvirtuose seiner Zeit.
    Zu Lebzeiten war er berühmt, vielleicht der berühmteste Komponist und Musiker Deutschlands.
    Neben seiner Tätigkeit als ausübender Musiker war er auch ein geschätzter und erfolgreicher Organisator von Musikfesten und ein fähiger Pädagoge.


    Da Louis Spohr als Sohn eines Arztes zur Welt kam und dieser sein musikalisches Talent früh erkannte konnte er entsprechend gefördert werden, er besuchte in Braunschweig das Gymnasium mit gleichzeitiger musikalischer Ausbildung.


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    Schon mit 15 Jahren wurde er zum Kammermusikus des Herzogs von Braunschweig ernannt.
    Dieser ist vielleicht Heute nur noch als Verlierer der Schlacht von Valmy bekannt, als er die verbündeten Armeen von Preußen und Österreich gegen die frz. Revolutionstruppen anführte.
    Der Herzog gab ihn bei dem Münchner Komponisten Franz Eck in die „Lehre“ dieser war gerade im Begriff eine Bildungsreise nach Russland zu unternehmen – Louis Spohr begleitet ihn und kehrte erst 1803 wieder zurück.
    Durch das Studium bei Pierre Rode, perfektionierte er sein Violinspiel und innerhalb der nächsten Jahre verbreitete sich sein Ruf als Violinvirtuose weit über die Grenzen Braunschweigs. Er wurde Konzertmeister in Gotha. Es folgten weitere Kunstreisen, die Ehe mit der Harfenvirtuosin Dorette Scheidler und schließlich wurde er Kapellmeister am Theater an der Wien. (1813)


    Doch dort blieb er nicht lange da er sich mit der Direktion zerstritt. Schon 1815 kehrte er Wien den Rücken und wurde Kapellmeister am Theater in Frankfurt am Main und übernahm die Leitung des Orchesters der Frankfurter Museumsgesellschaft.
    Dort führte er auch seine Opern „Faust“ ( 1818 ) und „Zemire et Azor“ ( 1819 ) auf, die beide äußerst erfolgreich vom Publikum aufgenommen wurden.
    Doch schon 1820 setzte er seine Kunstreisen durch Europa fort, jetzt ging es nach Paris und London.


    Spätestens jetzt war er eine Berühmtheit, er traf in Dresden Carl Maria von Weber und verblieb dort einige Zeit.
    Weber verschaffte ihm die Anstellung als Hofcompositeur in Kassel.


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    Kassel zu Spohrs Zeiten, mit dem alten Opernhaus


    Spohr nahm die Stelle 1822 an und behielt sie bis zu seinem Tod.
    Er machte sich sehr um das Musikleben Kassel verdient, führte das Niveau des Orchesters zu nie gekannter Qualität und gründete einen Singverein für Oratorien.
    Von überall her strömten nun Schüler zu ihm.


    In dieser Zeit war er überaus produktiv, er organisierte weitere Musikfeste in Deutschland und England. Auch Schicksalsschläge wie der Tod seiner Frau, konnten ihn nicht bremsen, er tröstete sich in zweiter Ehe mit der Klavierspielerin Marianne Pfeiffer.
    1847 wurde er zum Generalmusikdirektor ernannt – schien aber 1648 mit den neuen Ideen zu sympathisieren und hatte ab da diversen Ärger mit seinem Fürsten.


    1859 starb er hochangesehen und allgemein verehrt in Kassel.




    Tja ich hab erst eine einzige CD von ihm (dafür aber eine Doppel CD), einfach mal so gekauft:



    Quintett Op. 52 für Klavier und Blasinstrumente in c-moll
    Sextett für 2 Violinen, 2 Violas und 2 Violoncellos Op. 140 in C-Dur
    Septett für Flöte, Klarinette, Horn, Fagott, Violine, Violoncello und Klavier Op.147
    Quintett für 2 Violinen, Viola, Violoncello und Klavier Op. 130


    Ensemble Villa Musica



    Das Ensemble spielt auf modernen Instrumenten



    Den Werken steh ich etwas zwiespältig gegenüber, es gibt bezaubernd schöne Sätze, aber auch richtig hässliche Musik.
    Wie z.B. der erste Satz des Septetts, indem das Horn wie ein Besoffener rumlallt, besser kann ich es nicht beschreiben - vielleicht liegt es auch nur an den modernen Instrumenten....
    Das Menuetto aus dem Quintett Op.52 ist wiederrum wunderschön, etwas melancholisch.


    Das wird bestimmt nicht meine letzte Spohr CD sein, ich bin gespannt auf weitere Entdeckungen.


    Welche Werke kennt ihr
    und könnt etwas zu den jeweiligen Aufnahmen beitragen ?

  • Hallo Matthias!


    Von Spohr kenne ich bis jetzt auch (fast) ausschließlich Kammermusikwerke, und meine Meinung zum musikalischen Rang des Komponisten ist ebenfalls zwiespältig.
    Aber eine CD mag ich wirklich oft und gerne hören:



    Nonett F-dur op.31
    Oktett E-dur op.32
    The Nash Ensemble


    Besonders das Nonett finde ich wirklich sehr gut! :yes::yes:
    Siehe auch hier.


    Zusatzfrage: Stimmt es, daß Spohr den Dirigierstab (so wie er heutzutage benutzt wird) erfunden hat bzw. als erster verwendet hat? Das ist mir schon zweimal irgendwo untergekommen.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Hallo Pius,


    keine Ahnung, angeblich gab es den kleinen Dirigierstab auch schon im 18. Jahrhundert.
    Ansonsten ist es belegt, dass man die Länger der Takstöcke, nach Lullys Unfall, von fast 2m Länge kontinuierliche verkürzte :pfeif:
    Aber möglich ist es, dass der moderne Taktstock Spohr zu verdanken ist - vielleicht weiß da jemand mehr.



    Was mir jedenfalls an Spohrs Kammermusikwerken aufgefallen ist, dass er anscheinend eine Vorliebe für eher ungewöhnliche Besetzungen hatte.

  • Zitat

    Original von der Lullist
    Was mir jedenfalls an Spohrs Kammermusikwerken aufgefallen ist, dass er anscheinend eine Vorliebe für eher ungewöhnliche Besetzungen hatte.


    Nicht unbedingt.
    Er komponierte u.a. 36 ganz vulgäre Streichquartette, dazu etliche Klaviertrios, Streichquintette...
    Da hier die Konkurrenz sehr groß ist, wurden wahrscheinlich eher die ausgefalleneren Werke eingespielt.


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Für mich als Liebhaber der romantischen Oper ist der Früh-Romantiker Ludwig Spohr als Opernkomponist äusserst interessant! Ich habe seine Faust-Oper in beiden Fassungen und auch seine „Jessonda“ – den „Tristan und Isolde“-Vorläufer.


    Schade, dass von seinen 10 Bühnenwerken nur diese überlebt haben und eigentlich viel zu selten gegeben werden. In ihrer Entstehungszeit waren sie großartig – fast prophetisch – durch die Verwendung der Chromatik und die Ausdruckskraft der Rezitative. Wäre da nicht Wagner – Spohr hätte einen bedeutenderen Platz im Opernrepertoire.


    „Jessonda“ spielt im 16. Jahrhundert während der Kämpfe zwischen Indien und den portugiesischen Eroberern. Jessonda ist eine indische Witwe, die zusammen mit ihrem toten Gatten verbrannt werden soll. Tristan, der Befehlshaber der portugiesischen Truppen, erkennt in ihr seine einstige Geliebte und rettet sie in letzter Minute vor dem Scheiterhaufen. (UA: Kassel 28.7.1823)


    Spohr war einer der prominenten und schöpferischen Komponisten seiner Zeit. Mit seinem kompositorischen Schaffen ausserhalb der Oper habe ich mich allerdings bisher noch nicht näher befasst.

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Hallo,


    mir ist Spohr vor allem als Komponist diverser Violinkonzerte bekannt. 18 sind es mindestens, aber - so glaube ich, gibt es noch mehr, womöglich ohne Opuszahl. Das weiß hier bestimmt jemand... Das bekannteste ist wahrscheinlich Nr. 8 a-moll, op.47 "In Form einer Gesangsszene".


    Darüber hinaus ist er mir immer wieder als scharfzüngiger, aber nicht immer unbedingt weitsichtiger Kritiker seines Berufsstandes untergekommen. So schrieb er unter anderem über Beethovens Neunte: "Ich finde darin einen Beleg zu dem, was ich schon in Wien bemerkte: Dass es Beethoven an ästhetischer Bildung und an Schönheitssinn fehlte." Nun ja...


    LG
    B.

  • Oh, ein sehr schönes Thema!!!


    Ich kenne einige Symphonien des Herrn Spohr (Nrn. 1, 3, 4, 5, 7, 8 ), einige Violinkonzerte (2, 7, 8, 9, 12), die Klarinettenkonzerte 1-4, die Streichtrios sowei die Opern »Faust« (beide Fassungen) und »Jessonda«.


    Unter den mir bekannten Symphonien stechen die beiden c-moll-Werke (die Nummern 3 und 5) hervor, die a) überhaupt nicht an Beethovens 5. gemahnen und b) in ihrer eher leichten Dramatik sehr betörend sind. Unter den Violinkonzerten (die allesamt für meinen Geschmack sehr ansprechend sind) ist das 8. – das ist das berühmte Konzert »In Form einer Gesangsszene« – hervorzuheben: es ist hinreissend schön und will einem gar nicht mehr aus dem Ohr gehen.


    Die Klarinetten-Konzerte gefallen mir alle vier nicht so besonders, was aber eher mein Problem ist: ich mag die Klarinette als Solo-Instrument eben nicht so besonders.


    Unter den beiden mir bekannten Opern gewinnt eindeutig die »Jessonda« die Oberhand. Sehr schöne, dramatische und dennoch leichte Musik. Da habe ich diese Aufnahme:




    Im Falle des »Faust« sagen mir beide Fassungen nicht recht zu – ich tendiere aber eher zur zweiaktigen Erstfassung mit gesprochenen Dialogen. Das ist leider nicht die bei cpo erschienene, sondern die ist bei Capriccio gelabelt:



    Ganz herzlich,
    Medard

  • Meine bevorzugte Aufnahme des Faust ist ebenfalls die Fassung von 1816:


    Aufnahme: Feb. 1984, Studio
    Dirigent: Roland Bader
    RSO Berlin
    Chor der St. Hedwigs-Kathedrale
    Chorleitung: Roland Bader
    Kommentar: Originalfassung 1816, ohne Dialoge
    Rollen und Sänger
    Faust: Dietrich Fischer-Dieskau
    Franz: Horst R. Laubenthal
    Graf Hugo: Rüdiger Wohlers
    Gulf: Josef Becker
    Hexe: Annette Robert
    Kaylinger: Josef Becker
    Kunigunde: Beatrice Haldas
    Mephistopheles: Harald Stamm
    Moor: Klaus Thiem
    Röschen: Gabriele Schreckenbach
    Sykorax: Marga Schiml


    Man sollte aber auch die anderen Vokalwerke von Spohr nicht vergessen:


    Des Heilands letzte Stunden
    (Uraufführung: 1835 in Kassel)


    Die letzten Dinge
    (Uraufführung: 1826 in Düsseldorf)


    Zemire und Azor
    (Uraufführung: 4.4.1819 in Frankfurt)
    Libretto: Johann Jakob Ihlee nach Jean-Francois Marmontel


    Müßten - bei etwas Suche - auch auf Tonträgern zu bekommen sein!

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Original von Barbirolli
    Darüber hinaus ist er mir immer wieder als scharfzüngiger, aber nicht immer unbedingt weitsichtiger Kritiker seines Berufsstandes untergekommen. So schrieb er unter anderem über Beethovens Neunte: "Ich finde darin einen Beleg zu dem, was ich schon in Wien bemerkte: Dass es Beethoven an ästhetischer Bildung und an Schönheitssinn fehlte."


    Spohr ist mein Mann, ich spüre das :D



    Ich sollte meine Beitragszahl mal ne Weile einfrieren

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  • Bei Spohr seien allen voran seine Violinkonzerte zu erwähnen, bei cpo ist eine Box mit den Violinkonzerte 1-15 + den Violinkonzert in A erschienen:




    Weiterhin sind seine vier Klarinettenkonzerte recht interessant:




    Sehr zu empfehlen ist diese Aufnahme der Klarinettenkonzerte 2 und 4 mit Sabine Meyer (Nr. 4), Julian Bliss (Nr. 2) und der Academy St. Martin unter Kenneth Sillito. Dazu gibt es noch das herrliche Konzert Es-Dur op. 91 für 2 Klarinetten & Orchester von Franz Krommer!



    Sehr interessant auch zwei Contertanten:
    Concertante Nr. 1 G-Dur für Hrafe und Violine mit Orchester WoO 13
    Konzert op. 131 a-moll für Streichquartett und Orchester


  • Zitat

    Original von der Lullist
    Hallo Pius,


    keine Ahnung, angeblich gab es den kleinen Dirigierstab auch schon im 18. Jahrhundert.
    Ansonsten ist es belegt, dass man die Länger der Takstöcke, nach Lullys Unfall, von fast 2m Länge kontinuierliche verkürzte :pfeif:
    Aber möglich ist es, dass der moderne Taktstock Spohr zu verdanken ist - vielleicht weiß da jemand mehr.


    Louis Spohr hat den Dirigierstab sicherlich nicht erfunden - er hat ihn 1818/19 in Frankfurt eingeführt. Es muß ihn demnach bereits vorher gegeben haben. Berichten zufolge sollen auch Carl Maria von Weber und zuvor Joseph Martin Kraus die Notenrolle gegen einen dünnen Stab ausgetauscht haben, um so von der kürzeren Flugzeit und der Zielgenauigkeit zu profitieren.


    :hello:


    Ulli

    Die Kunst ist [...] vielleicht das Denken des Herzens.
    (Blaise Pascal, 1623-1662)

  • Hallo,


    Habe langsam angefangen eine Spohr-Sammlung aufzubauen...
    CPO will meines WIssens nach enzyklopädisch sämtliche Symphonien auf CD rausbringen, was mich sehr freut!


    Ich erhielt gestern diese CD mit (u.A.) der Messe Op.54



    :jubel: :jubel: :jubel:


    Ich bin eigentlich kein grroßer Fan von a-capella Musik, aber ähnlich wie z.B. die Es-Dur Messe von Joseph Rheinberger hat mich dieses graßartig gesetzte, 10 Stimmige Chor-Werk mit Soli absolut gefesselt!
    Jeder Satz ist für sich ein ganz originelles Stück Musik und insbesondere das Kyrie und das Agnus Dei habe ich sicher zehn mal nacheinander gehört...!
    Unbedingt kaufen für den Preis! - Solange die CD noch zu haben ist...


    LG
    Raphael

  • Ich glaube mich erinnern zu können, daß Spohr mal von einem Mitglied eines anderen Forums als "Langweiler" bezeichnet wurde - nicht wörtlich - aber doch sinngemäß.


    Ich war damals innerlich empört. "Wie kann man so etwas schreiben ? "dachte ich bei mir.


    Nun da ich immerhin 4 Sinfonien und etliche Violinkonzerte von Spohr kenne stelle ich mir immer mehr die Frage ob die damalige Aussage nicht doch einen gewissen Wahrheitsgehalt hat..........


    mfg aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Hallo,


    Ich möchte euch einen sehr interessanten Artikel der Zeitschrift "Partituren" (Ausgabe 15) über Spohr nicht vorenthalten, welcher euphorisch die Wiederentdeckung des Komponisten rühmt:



    „Irdisches und Göttliches
    Eine Ehrenrettung für Louis Spohr


    In Braunschweig und Kassel werden die Sektkorken knallen. Und auch außerhalb dieser zwei alten Kulturhochburgen haben Liebhaber deutscher Romantik allen Grund für ein kleines Tischfeuerwerk. Denn Louis Spohr ist wieder da!
    Gleich zwei renommierte Labels beginnen derzeit mit der Gesamteinspielung seiner Symphonien. Das war überfällig, ist doch der 1784 in Braunschweig geborene und 1859 in Kassel gestorbene Spohr mit symphonischen Werken im Katalog überhaupt nicht mehr präsent. Dabei reicht er als Komponist von Orchestermusik an seine großen Zeitgenossen durchaus heran, an Beethoven, Schubert, Weber, Mendelssohn und Schumann.
    [Was ich mit Verlaub etwas übertrieben finde...!]
    Wenn einer in den Olymp zurückkehren darf, so er. Noch lange nach seinem Tod wurde er im Musikleben wie ein echter Louis d'or gehandelt. Zumindest seine vierte Symphonie, genannt „Die Weihe der Töne“, fehlte in keinem Saisonprogramm. Doch je großmäuliger sich die Komponisten nach Wagner gebärdeten, desto stiller wurde es um die feine, subtile Kunst dieses zwischen Klassik, Romantik und Moderne beheimateten Künstlers. Es ging ihm wie Jean Paul oder Ludwig Tieck: Jeder kannte ihre Namen, aber in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wollte niemand mehr etwas mit ihnen zu tun haben. Und ein Adalbert Stifter der Musik konnte Spohr nicht werden; die kontrollierte Emotionalität, die klassizistische Ausrichtung seiner Kunst standen der Popularisierung im Wege. Das Land der neuen Titanen huldigte 1871 dem Feingeist Spohr immer Seltener; die Diadochenkämpfe zwischen Wagnerianern und Brahmsianern, bei denen um Beethovens Erbe gestritten wurde, machten den Zwei-Meter-Hünen Spohr zum komponierenden Gartenzwerg, zur Personifikation des schlechthin Überwundenen, ideologisch Unbrauchbaren – ein Gevatter von Vorgestern, nett und irrelevant.
    Die definitive Beerdigung kam dann mit den Riesenorchestern der Strauss- und Mahler-Zeit.
    Deren lautstarke Praxis prägt unsere Musikkultur leider bis zum heutigen Tage. Folglich ist in Konzerten für Spohr kein Platz. Auch die Plattenindustrie ging an ihm vorbei. Einzige rühmliche Aufnahme: Jascha Heifetz, der 1954 das Violinkonzert a-moll „In Form einer Gesangszene“ einspielte. Die von Apologeten gelegentlich ins Feld geführten Argumente für Spohrs Modernität bewirkten nichts. Erst im Zuge des 200. Geburtstages 1984 und der neuen CD-Technik kam es zur erfolgreichen Wiederbelebung, es erscheinen Bücher und zahlreicher Silberlinge.
    Wer heute noch an Spohrs Progressivität zweifelt, macht sich lächerlich. Er schrieb das erste, folgenreiche Streichsextett des 19. Jahrhunderts und erfand die Gattung des Doppelstreichquartetts; mit „Jessonda“ sorgte er 1832 knapp vor Webers „Euryanthe“ für die erste durchkomponierte deutsche Oper, und in „Der Alchemyst“ erklingt bereits der Tristan-Akkord. Die „Weihe der Töne“
    diente Tschaikowsky formal und thematisch als Vorbild seiner „Pathétique“. Satztechnisch sind Spohrs Werke von souveräner Meisterschaft. Und das allerschönste, allerseltenste: Sie verraten eine eigene Stimme, einen unverwechselbaren Personalstil. Auch wer nicht weiß, wie extreme Chromatik und eine endlos durch alle Tonarten modulierte Technik eigentlich klingen, erkennt diesen Stil sofort.
    Spohrs Musik ist von singulärer, authentischer Gestalt. Ihr auffälligstes Merkmal sind reich figurierte Neben- und Mittelstimmen, die – inspiriert vom Geigenspiel des Jahrhundertsolisten Spohr – ab der vierten Symphonie jede Partitur mit einer zweiten, gleichsam naturhaften Dimension durchsetzen.
    Nichts köstlicher als diese zwitschernden und jubelnden Gesänge der Streicher und Holzbläser, dieses klingende Erdenparadies , das er in seinem hübschen Landhaus vor den Toren Kassels wiedergefunden haben mag. Es musste schon vor hundert Jahren hässlichen Mietskasernen weichen. Sein 1883 errichtetes Denkmal auf dem Opernplatz steht heute vor C & A und graust sich mächtig angesichts dieser architektonischen Steinwüste. Aber die von Krieg und Wiederaufbau schwer getroffene Stadt, in der Spohr 36 Jahre als Hofkapellmeister diente, betreibt eine Gedenk- und Forschungsstätte. Man findet sie, untergebracht im Gebrüder-Grimm-Museum, auf der Schönen Aussicht, wo Spohr anfangs wohnte, wie er komponierte: klassizistisches Ambiente mit schwärmerischen Ausblicken über das Fuldataal.
    Es sind viele Legenden und Irrtümer im Umlauf. Er sei ein philiströser Biedermann gewesen, heißt es, einer, der „unbeschwingtes Resignieren“ als Lebenselixier genoss. Sicher, Spohr hat resigniert, aber aus politischen Gründen, er war leidenschaftlicher Republikaner und beteiligte sich 1848 an den Debatten der Nationalversammlung in der Paulskirche, führte sogar einen Prozess gegen seinen Landesherren, den Kurfürsten von Hessen-Kassel. Man erklärte ihn zu einem Realisten, einem nüchternen Handwerksmeister ohne Genie.
    Alfred Einstein behauptete noch 1950, Spohr habe „niemals das geheimnisvolle Reich echter Romantik betreten.“ Selbst wer ihm wohl gesinnt ist, lässt in der Regel nur den Frühromantiker gelten; ab 1840 sei es mit seiner Schöpferkraft rapide bergab gegangen. Alles Nonsens, mit Verlaub!
    Wenige Takte genügen zur Widerlegung, beispielsweise die zutiefst melancholische Eröffnung des Streichquartett-Konzerts op.131 oder das Klavierseptett op.147 von 1853, eines der originellsten , klangschönsten Stücke des ganzen Jahrhunderts.
    Aber nun der Symphoniker Spohr. Ist er tatsächlich zu sehr auf Mozart eingeschworen, zu beschaulich und bequem im Vergleich zu Beethoven? Man müsste sie erst einmal erleben oder wenigstens auf CD hören können, diese Symphonien, um sich ein Urteil zu erlauben. Aber da sah es bislang mau aus. Gerd Albrecht hat 1984 eine spannende Aufnahme der dritten Symphonie c-moll op.78 vorgelegt; das sehr spohrige Label Orfeo überraschte im Jubiläumsjahr mit der Kombination zweier eher schwacher Symphonien, Nr.6 G-Dur op.116 („Historsche“) und Nr.9 h-moll op.143 („Die Jahreszeiten“). Landläufige Vorurteile über den Altmeister scheinen bestätigt. Glücklicherweise brach wenige Jahre Marco Polo zu einer epochalen Spohr-Expedition auf: Alle neun gedruckten Symphonien erscheinen mit ausgezeichneten ungarischen und slowakischen Orchestern, dirigiert von Alfred Walter.
    Diese Machtvollen, erzromantisch raunenden Interpretationen Walters sind nun die Messlatte für Howard Shelley (Hyperion) und Howard Griffith (cpo). Beide ziehen sich glänzend aus der Affäre.
    Für den traditionellen oder angehenden Spohr-Liebhaber stehen sie nicht in Konkurrenz – man muss beide Zyklen haben! Schon die Cover mit den Landschaften von Caspar David Freidrich respektive Carl Gustav Carus ergänzen einander sinnreich. Shelley und das Orchestra della Svizzera Italiana aus Lugano benutzen die herkömmliche Spohr-Ausgabe, die sie freilich überhaupt nicht zu verzopftem Spiel veranlasst; Griffith und die NDR-Radiophilharmonie Hannover folgen der neuen Kritischen Ausgabe von Ries & Erler, ohne sich auf schmallippige Bekenntnisse der historischen Aufführungspraxis einzulassen. Der Romantiker und der Klassizist Spohr kommen in beiden Einspielungen gleichermaßen zur Geltung.
    Der cpo-Zyklus beginnt gleich mit einer editorischen Sensation: der posthumen zehnten Symphonie in Es-Dur, bisher noch nie erklungen. Spohr hatte sie nicht veröffentlicht, aber auch nicht vernichtet.
    Eine Altherrengrille, ein kauziges Spätwerk, schon war. Den vermeintlichen Verlust der Inspiration belegt sie nicht, doch ist ihr Profil weniger scharf und anspruchsvoll als das der Neunten, die im ersten Satz „Der Winter“ ein Klangbild eisig erstarrter Gesellschaftsverhältnisse zeichnet.
    Spohrs späte Symphonik – man unterstellt gemeinhin einen Bruch nach der Fünften – wird hoffentlich von Hyperion und cpo rehabilitiert werden. Die poetischen Schönheiten der achten Symphonie G-Dur zu entfalten, betitelt „Irdisches und Göttliches im Menschenleben“, endet leicht in allzumenschlichen Niederungen. Mögen sich die beiden englischen Dirigenten der Herausforderung als würdig erweisen, die Tore zu diesem romantischen Zauberreich weit aufzustoßen.


    Volker Tarnow“




    Bei meinem heutigen Besuch im Berliner Konzerthaus, fällt mir übrigens auf, dass zwischen den vielen, vielen Büsten der bedeutendsten Komponisten auch eine Louis Spohrs steht...


    Ich werde mir auf jeden Fall die Symphonien bei Komplettheit anschaffen -
    Einiges an schöner Kammermusik kenne ich schon!


    LG
    Raphael

  • Zitat

    Original von Klawirr
    Ich kenne einige Symphonien des Herrn Spohr (Nrn. 1, 3, 4, 5, 7, 8 ) (...)
    Die Klarinetten-Konzerte gefallen mir alle vier nicht so besonders, was aber eher mein Problem ist: ich mag die Klarinette als Solo-Instrument eben nicht so besonders.
    Medard


    Hallo, Medard!


    Ich kenne (bisher) nur die Sechste, die mit dem merkwürdigen Programm und einem "futuristischen" Finalsatz, dessen Spitzfindigkeiten dann doch von der Realität im positiven Sinne übertroffen wurden. Es ist recht eingängige Musik ohne allzu viel Tiefgang.


    Da ich die Klarinette als Solo-Instrument sehr schätze, kann ich den vier Konzerten von Spohr - es gibt auch noch einzelne Sätze für diese Besetzung - schon Qualitäten abgewinnen, elegante Virtuosität, bisweilen Melancholie.


    Besten Gruß, Wolfgang

    Lieber Fahrrad verpfänden denn als Landrat enden!

  • es hat sich eine weitere Spohr CD in meine Sammlung verirrt:




    Spohr: Concertante 1 & 2 / +Grande Polonaise op. 40 /Potpourri op. 59
    über irische Volksweisen
    Ulf Hoelscher, Gunhild Hoelscher, RSO Berlin, Christian Fröhlich





    aber ganz ehrlich, diesem Statement von Alfred mag ich mich langsam anschließen:


    Zitat

    Ich glaube mich erinnern zu können, daß Spohr mal von einem Mitglied eines anderen Forums als "Langweiler" bezeichnet wurde - nicht wörtlich - aber doch sinngemäß.


    Ich war damals innerlich empört. "Wie kann man so etwas schreiben ? "dachte ich bei mir.


    Nun da ich immerhin 4 Sinfonien und etliche Violinkonzerte von Spohr kenne stelle ich mir immer mehr die Frage ob die damalige Aussage nicht doch einen gewissen Wahrheitsgehalt hat..........




    Weder die CD mit den Kammermusikwerken (Septette / Oktette) hat mich irgendwie wirklich angesprochen, noch diese Aufnahme.
    Eher das Gegenteil, die Musik wirkt stellenweise regelrecht hässlich auf mich.


    Liegt es an den Interpretationen ?
    Ich glaube das nicht so recht ... vielleicht hab ich mir auch einfach nur die falschen Werke gegriffen.


    Mein Interesse an seiner Musik verschwindet langsam und ich tendiere mitlerweile dazu, ihn wirklich als "Kleinstmeister" zu bezeichnen....
    Sein musikalisches Engagement in allen Ehren, aber vielleicht hätte er es dabei belassen sollen.



    Dagegen steht das Urteil der Zeitgenossen:
    "Nachfolger Beethovens" "größter Virtuose neben Paganini"


    aber was soll man von so einem Urteilsvermögen halten, das "Komponisten" wie Paganaini und Spohr als Genies in den Himmel hebt und echte Genies wie Schubert ignoriert ?



    sehr seltsam das alles....

  • Hallo!


    Das Nonett von Spohr ist wirklich gut, aber je mehr weitere Kammermusik ich von ihm kennengelernt habe, desto langweiliger wurde mir dabei. Ja, ich war soweit, Spohr an sich als langweiligen Komponisten zu bezeichnen (ein Eindruck seiner Orchestermusik tat das übrige dazu).
    Von sehr kompetenter Seite, nämlich von BigBerlinBaer, wurde mir aber versichert, daß seine Messe op. 54 sowie das Oratorium "Die letzten Dinge" sehr lohnenswerte und hervorragende Werke sind.
    Raphaell lobt ja ebenfalls die Messe, und bei Low-Price kann man da ja nicht viel falsch machen.
    Wer hat denn noch Hörerfahrungen mit den "letzten Dingen" und kann darüber berichten?


    Viele Grüße,
    Pius.

  • Heute vor 225 Jahren wurde der Komponist Louis Spohr geboren! Der Deutschlandfunk Köln erinnerte heute morgen in seinem täglichen "Kalenderblatt" an den Künstler.


    Er galt als einer der besten Geiger der Welt, auch als Komponist war er international angesehen und er war einer der ersten Dirigenten der Musikgeschichte, die mit Taktstock vor das Orchester traten. Der vor 225 Jahren geborene Musiker Louis Spohr war ein musikalisches Multitalent. Heute sind von seinen über 200 Kompositionen die meisten in Vergessenheit geraten.


    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)

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  • Zum 150. Todestag von Ludwig Spohr, der uns am 22. Oktober ins Haus steht, hat die Oper in Braunschweig seine (vergessene) Oper "Der Alchymist" ausgegraben.



    Zitat

    Braunschweig öffnet das Ohr für Spohr
    Louis Spohrs Oper "Der Alchymist"
    Von Frieder Reininghaus


    Louis Spohr hinterließ nicht nur Violinkonzerte, Symphonien und Oratorien, sondern auch etwa ein Dutzend Opern, die das deutsche Musikleben im ersten Drittel des 19. Jahrhundert mit prägten. Heute kommt nur wenig von ihm auf die Bühne. In seiner Heimatstadt Braunschweig wird zu Ehren seines 150. Todestages seine Oper "Der Alchymist" wiederaufgeführt. Sie entstand im deutschen Vormärz und der Komponist selbst hielt sie für seine gelungenste.


    Uraufgeführt wurde "Der Alchymist" von Louis Spohr im Jahr 1830, in dem es - im Gefolge der französischen Juli-Revolution - auch in Deutschland zum ersten Mal seit den Bauernkriegen wieder zu veritablen Aufständen kam. Gerade auch in Braunschweig und in der kurhessischen Residenzstadt Kassel, in der Spohr seit 1822 wirkte. Vom Hofkapellmeister erwartete der Fürst ein repräsentatives feudales Theater-, Musik- und Unterhaltungsprogramm, das selbstbewusster werdende Bürgertum etwas Volkstümlicheres und Realistischeres mit einem guten Schuss Zukunftsmusik.
    (aus: Deutschlandfunk-Kultur heute)


    Den kompletten Bericht zur Aufführung gibt es hier.
    LG


    :hello:

    Harald


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    (Vinícius de Moraes)

  • Zitat

    Von sehr kompetenter Seite, nämlich von BigBerlinBaer, wurde mir aber versichert, daß seine Messe op. 54 sowie das Oratorium "Die letzten Dinge" sehr lohnenswerte und hervorragende Werke sind.



    von dem Oratorium habe ich einige Auszüge (Alte Musik aus Herne) mit dem Chorwerk Ruhr, der Capella Coloniensis unter der Leitung von Bruno Weill.


    Die Interpretation ist hervorragend, aber das Werk... genauso langweilig wie den Kram den ich bisher von Spohr gehört habe.
    Dazu kommt noch, dass ich Oratorien ohnehin nicht viel Freundschaft entgegen bringe.



    ich habe jetzt noch folgende Aufnahme:




    Spohr: Faust



    Dieses "Singspiel" bzw. romantische Oper entstand um 1818 und war damals recht erfolgreich.
    Diese Aufnahme jedoch beruft sich auf eine um 1852 revidierte Fassung, die sich vor allem dadurch auszeichnet, dass die gesprochenen Dialoge in Gesang umgewandelt wurden. Rezitative im Wagner Style :D.


    Das ganze Teil erinnert überhaupt stark an Wagner - ohne freilich ihn je zu erreichen.


    Das Booklett ist vorbildlich, neben einem umfangreichen Einführungstext ist natürlich auch das Libretto abgedruckt.
    Die Interpretation des Ensembles ist ganz gut.




    Das Werk ist als "große romantische Oper" untertitelt und so kommt auch die Ouvertüre daher.
    Einige Wendungen kennt man bereits aus seinen Kammerwerken, vor allem wenn die Hörner einsetzen.


    Aber wie bei Spohr leider anscheinend üblich wartet man auf den wirklichen Effekt, das Packende vergeblich.
    Und so dudelt die Ouvertüre auch recht ziellos vor sich hin, man ist dankbar, dass sie nur knapp über 6 Minuten dauerte.


    Sehr seltsam ist der Übergang von Ouvertüre zur ersten Szene, in Gluck Manier soll die Ouvertüre nahtlos in die erste Szene übergehen.
    Aber der erste Gedanke der mir kam war: Fett und Wasser....


    Nun beginnt der Gesang.


    nach eingängigen Arien sucht man vergebens, das was Salieri fälschlicher Weise immer vorgeworfen wird, scheint hier bittere Wahrheit zu sein. Oder ich habe schlicht kein Ohr für diese Musik.


    Spohrs Musik macht nur einen kurzen Effekt, diese Musik verträgt aber keine Wiederholung (mal abgesehen, dass man sich eine solche wohl auch nicht wünschen würde)
    Und wenige Minuten später hat man auch schon wieder alles vergessen.


    Schlimm wenn eine Oper schon in den ersten 10 Minuten stink langweilig wird.
    Aber ich ertrug es weiter. Trotzdem wird die Sehnsucht nach Webers Freischütz oder Beethovens Fidelio immer stärker - oder doch lieber Rossini....


    etwas einzunehmen vermag die dramatische Szene am Schluss des ersten Aktes.
    Aber wirklich berührt werde ich nicht - vielleicht muss man das live erleben.
    Das ganze tönt sehr nach einer Nachahmung des "Holländers" mit einem Schuss Don Giovanni :wacky:



    der Schlusschor ist ganz gut, erinnert etwas an Gluck, vor allem aber auch weil er einfach das Ende dieses Werkes einläutet :pfeif:


    aber wie auch bei allen anderen Werken Spohrs vermag keinerlei Funken überzuspringen.


    Langsam frage ich mich woran es lag, dass er zu Lebzeiten so geschätzt wurde, bei allen anderen Komponisten konnte ich das bisher nachvollziehen und meist von ganzem Herzen zustimmen.


    Aber hier... ich bin relativ ratlos. ?(


    Ich hab mir vorgenommen, demnächst ins neu eröffnete Spohr Museum in Kassel zu gehen - das wird dann der letzte Versuch sein, wenn es dann nicht knallt, dann wird dieser Komponist aus meiner Sammlung entfernt und ich vergesse den Namen Spohr.
    Dann kann man mir auch nicht vorwerfen, dass ich es nicht versucht hätte :rolleyes:



    Zitat

    ... die "Jessonda" gibts nächste Spielzeit konzertant am Staatstheater Kassel.


    Termine: SO, 25.10. / SO, 01.11. / SA, 07.11.


    ich denke das werde ich mir aber schenken - so ein Masoschist bin ich nun auch wieder nicht :rolleyes:

  • ...na ich werde mal hingehen ;)
    Oper konzertant gibts ja immer seltener
    (Ex-Rheinopern-Intendant Tobias Richter hatte sie sogleich mit Amtsantritt abgeschafft und auch Soltesz in Essen mags offenbar nicht...)
    Dabei hab ich da durchaus - so alle 2, 3 Jahre mal - Lust drauf :yes: :yes:


    ...und wenn ich grademal 19 Eurönchens fürs 2.Parkett zahlen müß, darfs ruhig mal was (evtl.) seichteres sein...


    Die eben erwähnte Herner "letzte Dinge" - Aufführung gabs seinerzeit - erinnere ich mich recht - auch live im WDR:
    Sie mag mich nicht über Maßen begeistert haben - daß sie mich direkt galangweilt hätte, wüßt ich jetzt nicht....


    :hello:
    micha

  • Zu den berühmteren Werken Spohr gehören vier Exemplare einer Gattung, die er anscheinend selbst erfunden hat: Das "Doppelquartett", in dem zwei Streichquartette gegenübergestellt werden, was ganz nette Effekte ermöglicht. Ich habe jetzt zwar eine einzelne CD (Marco Polo) mit normalen Streichquartetten Spohrs, die ich immer eher langweilig gefunden hatte, nicht mehr zum Vergleich herangezogen, aber diese Stücke hier sind wirklich recht gut. Oft ziemlich brillant (in einigen Variationenfolgen leider nicht viel mehr). Insgesamt gut hörbare, melodische, klassizistische (Früh)romantik, keine "Abgründe", m.E. charmanter als Ries oder Onslow. Am ehesten vielleicht mit den leichteren Werken Mendelssohns zu vergleichen:


    Musiker der Academy of St. Martin-in-the-fields, Doppelquartette opp. 65 d-moll (1823), 77 Es-Dur (1827), 87 e-moll (1833), 136 g-moll (1847)



    :hello:


    JR

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

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  • Gerade höre ich Spohrs zwölftes Violinkonzert.



    Ich stimme dem zu, was WolfgangZ weiter oben zu den Klarinettenkonzerten schreibt: elegante Virtuosität und Melancholie, die hört man auch bei den Violinkonzerten heraus. Aber manchmal wird mir Spohrs Stil zu opernhaft-kitschig, gerade wie in diesem 12. Konzert, 3. Satz.

  • Spohr, Louis (Ludewig) * 5.4.1784 in Braunschweig, † 22.10.1859 in Kassel. 1799 wurde er Kammermusiker in Braunschweig, 1812 Kapellmeister in Wien, 1817 in Frankfurt/Main, 1822 Hofkapellmeister in Kassel.


    300px-Nahl_spohr.jpg


    Louis Spohr, der bedeutendste deutsche Geiger seiner Zeit und Rivale Paganinis, schrieb Kammermusik, Konzerte, Sinfonien, Männerchöre und 10 Opern, darunter »Faust« (1816), »Zemire und Azor« (1819), »Jessonda« (1823), »Der Berggeist« (1825) und »Die Kreuzfahrer« (1845).



    LG

    Harald


    Freundschaft schließt man nicht, einen Freund erkennt man.
    (Vinícius de Moraes)


  • Spohr ein Langweiler?
    Seine 6. Sinfonie "Die Historische" finde ich eher kurzweilig.
    In einer halben Stunde hört man sich durch 120 Jahre Musik.
    Spohr komponierte seine 6. Sinfonie 1839, zu einer Zeit, wo man sich auf Musik zurück liegender Zeiten besann und Spohr zusammen mit Mendelssohn J.S. Bach "ausgrub". Fast wäre Spohr Mendelssohn mit der öffentlichen Aufführung der Matthäuspassion von J.S. Bach zuvor gekommen. Bis dahin (im Gegensatz zu heute) war man von zeitgenössischer Musik sehr angetan.
    Spohr überraschte seine Zuhörer mit seiner 6. Sinfonie, deren 4 Sätze in verschiedenen Zeitabschnitten komponiert waren.
    Satz 1 im Stile von Bach und Händel um 1720.
    Satz 2 im Stile von Haydn und Mozart um 1780.
    Satz 3 im Stile von Beethoven um 1810.
    Satz 4 im allerneusten Stil um 1840,
    jedoch nicht typisch Spohr sondern in dem ihm verhassten Stil der Pariser Oper/Ballet.
    Der sachkundige Zuhörer wird erkennen, welche Werke der genannten Komponisten Spohr zu seiner 6. Sinfonie inspiriert haben.
    Von Langeweile keine Spur.

    mfG
    Michael

  • Zu LOUIS SPOHR habe ich schon bei verschiedenen Gelegenheiten und zu unterschiedlichen Threads Beiträge verfaßt. Ich möchte diese unter diesem eigentlichen LOUIS SPOHR Thread nochmals etws zusammenfassen und ergänzen.


    LOUIS SPOHR ist für mich, ungeachtet vieler Vorurteile gegen ihn, durchaus ein sehr interessanter Komponist, aber es scheint, daß er häufig einfach zu viele - dabei häufig sehr gute, interessante und neuartige - Ideen gleichzeitig, hatte, die er offenbar nicht immer scharf genug trennen, ordnen und und schnell genug zu Papier bringen konnte. So schrieb er denn auch bezeichnenderweise über seine Jahre in Wien von 1813 - 1815: "Ja, mein Kopf gärte und arbeitete damals so unaufhörlich in musikalischen Ideen, dass ich selbst auf den Wegen zu meinen Schülern sowie auf Spaziergängen fortwährend komponierte und dadurch bald die Fertigkeit gewann, lange Perioden, ja ganze Musikstücke im Kopfe vollständig auszuarbeiten, die dann ohne weitere Nachhilfe niedergeschrieben werden konnten."


    Seine Kompositionen dachte und gestaltete er immer von der Violine her, schließlich galt er neben PAGANINI als einer der größten Violinvirtuosen seiner Zeit. Und auch als Komponist wurde er in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einem Atemzug mit BEETHOVEN genannt. Sehr unterschiedliche Vorbilder übten starken Einfluß auf ihn aus. Zum einen war er ein großer Verehrrer von MOZART, dann aber war er ebenso beeindruckt von französischen Opernkomponisten, wie vor allem SPONTINI, CHERUBINI und MÉHUL. Trotz größter handwerklicher Meisterschaft und vieler eigener geradezu sprudelnder Ideen, war es für ihn wohl
    schwierig, dies alles im Verein mit dem großen Einfluß, den seine Vorbilder auf ihn ausübten, immer auf einen Nenner zu bringen und zu seinem eigenen Stil zu finden. Er wollte wohl einfach in jede Komposition zuviel hineinlegen. Beschäftigt man sich mit SPOHR's Werk etwas näher, so stößt man immer wieder auf hochinteressante neue musikalische Elemente, Ideen und überraschende Entwicklungen, deren Realsierung allerdings oft etwas zusammenhanglos und überladen erscheint.


    Abgesehen von seiner viel beachteten Oper "Faust op. 60", die vor allem großen Einfluß auf die Leitmotivgestaltung RICHARD WAGNERS ausgeübt haben soll, war er auf diesem Gebiet ebensowenig erfolgreich wie mit seinen Oratorien. Auch mit keiner seiner 10 Sinfonien konnte er einen durchschlagenden Erfolg erzielen. Von seinen 28 Konzerten erreichten vor allem die 18 Konzerte für sein Lieblingsinstrument, die Violine, den höchsten Beliebtheits- und Bekanntheitsgrad. Mit Abstand am populärsten wurde dabei sein "Konzert für Violine und Orchester Nr. 8 a-moll op. 47 in Form einer Gesangszene", das auch noch heute gespielt wird, und in dessen lyrischen Abschnitten SPOHR tatsächlich die Geige singen läßt, während das Orchester, ähnlich wie bei PAGANINI, eine eher untergeordnete Rolle spielt. Singen läßt auch in meiner bevorzugten LP-Aufnahme der bekannte kanadische Geiger HYMAN BRESS (1930 - 1995) seine Geige, der unter dem Dirigat von RICHARD BECK dieses schwierige Werk nicht nur technisch brilliant, sondern auch mit großer Intensität und markanter Akzentuierung erklingen läßt, ebenso wie SPOHR's Violinkonzert Nr. 9 d-moll, op. 55.
    H
    YMAN BRESS wurde nicht zuletzt auch durch seine Einspielung der Violinkonzerte von JOSEPH JOACHIM und ERNEST BLOCH bekannt. Ein großartiger Geiger, den man auch auf youtube mit verschiedenen Einspielungen hören und bewundern kann, u. a. auch mit seiner herausragenden Interpretation des TSCHAIKOWSKY Violinkonzertes mit dem NEW PHILHARMONIA ORCHESTRA unter SIR ADRIAN BOULT. Großes Lob erntete er auch mit seinen Interpretationen von BACH's Partiten für Solo Violine sowieYSAYE's Sonaten für Violine solo, und er führte auch GLENN GOULD's Kammermusik mit Violine als erster auf. Er spielte übrigens auf einer der schönsten Guaneris von 1737.


    Auch SPOHR's Kammermusik ist von hohem Ideenreichtum geprägt, wobei deren Ausführung von den Interpreten große technische Fertigkeiten voraussetzt. Besondere Erwähnung verdienen hierbei seine 5 Klaviertrios, sein Klavierquintett op. 130, wie auch sein Doppelquartett Nr. 1 d-moll op. 65.


    wok

  • Auch SPOHR's Kammermusik ist von hohem Ideenreichtum geprägt, wobei deren Ausführung von den Interpreten große technische Fertigkeiten voraussetzt. Besondere Erwähnung verdienen hierbei seine 5 Klaviertrios, sein Klavierquintett op. 130, wie auch sein Doppelquartett Nr. 1 d-moll op. 65.


    Was ist denn von den Streichquartetten zu halten, um die habe ich bisher einen Bogen gemacht, weil es so viele davon gibt und ich nicht wusste, wo anfangen?

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