Jacques Offenbach (1819-1880):
MONSIEUR CHOUFLEURI RESTERA CHEZ LUI LE...
(Herr Blumenkohl gibt sich die Ehre, am...)
Deutscher Titel: SALON PITZELBERGER
Opérette-bouffe in einem Akt
Libretto von Saint-Remy (recte: Auguste Duc de Morny), Ernest Lépine, Hector Crémieux und Ludovic Halévy
Uraufführung: 31. Mai 1861 im Palais Bourbon (Presidence du Corps Legislatif) in Paris
DIE PERSONEN DER HANDLUNG
Monsieur Choufleuri, Rentier, Bariton
Ernestine, seine Tochter, Sopran
Babylas, Musiker und Freund Ernestines
Petermann, Diener bei Monsieur Choufleury, Tenor
Monsieur Balandard, ein Gast bei Choufleury, Tenor
Madame Balandard, Sopran
Chor: Gäste darstellend
Die Handlung geht in der Villa von Monsieur Choufleury in Paris um 1850 vor sich.
INHALTSANGABE DES EINZIGEN AKTES
Das Bühnenbild zeigt einen protzigen Salon.
Der ehemalige Fabrikant und jetzige Rentier Monsieur Choufleuri möchte sich auch nach außen hin als kultivierter Mensch beweisen und hat die Spitzen der Pariser Gesellschaft zu einer Soiree eingeladen. Als Höhepunkt des Abends sollen den Gästen die berühmtesten Interpreten der Opéra, die Koloratursopranistin Henriette Sontag, der Tenor Giovanni Battista Rubini und der Bassist Antonio Tamburini, einen Kunstgenuss bieten. Kosten und Mühen wurden nicht gescheut, der Pariser High Society einen unvergesslichen Abend zu bereiten.
Es versteht sich von selbst, dass der Hausherr aufgeregt ist, zumal er weder die Solisten noch die Eingeladenen persönlich kennt - alles ist eben nur Camouflage. Die Aufregung Choufleuris steigert sich jedoch fast zu einem Wutanfall, als er erfährt, dass sich seine siebzehnjährige Tochter Ernestine, frisch aus dem Internat unter die elterlichen Fittiche zurückgekehrt, in den den Nichtsnutz und Habenichts Babylas, einen Musiker, verliebt hat - und das geht überhaupt nicht! Sich vorzustellen, so einen Menschen als Schwiegersohn zu haben - da muss sich Choufleuri ja schämen.
Dieser familiäre Ärger tritt aber völlig in den Hintergrund, als er von Petermann, seinem wuseligen Diener, die richtigen Hiobsbotschaften erhält: Es kommt nämlich eine Absage nach der anderen von den feinen Leuten, noch dazu mit höhnischen Floskeln gespickt, als hätten die Absender sich abgesprochen - was Choufleuri in seiner Erregung jedoch nicht wahrnimmt. Und, als wäre das noch nicht genug der Enttäuschungen, bringt Petermann in letzter Minute auch noch die Absagen der Gesangssolisten - während die ersten Gäste bereits eintreffen, wegen der angekündigten berühmten Stimmwunder in äußerst froher Erwartung. Allmählich beginnt Choufleuri zu begreifen, dass nur der gemeine Snob seiner Einladung gefolgt ist. Denen schlägt sein Herz nun wahrlich nicht voller Freude entgegen - dass er selber zu dieser Kategorie gehört, blendet er aus. Wichtiger ist Choufleury jetzt, wie man den Abend für die erschienenen Gäste retten kann. Der Gedanke, dass er in den Klatschspalten der Postillen zerrissen wird, macht Choufleuri wahnsinnig.
Nun kommt der Augenblick für Babylas, jetzt kann er zeigen, was in ihm steckt - natürlich immer mit Blick auf seine Ambitionen bei Ernestine. Seine Idee ist schlicht und einfach: Die Absage der Gesangssolisten wird geheimgehalten, man wird einfach mit „hauseigenen Kräften“ simulieren! Er selber übernimmt Rubinis Rolle, Ernestine, die wegen ihres Internataufenthaltes keiner kennt, wird Henriette Sontag sein und Monsieur Choufleuri muss Antonio Tamburini imitieren. Wichtig ist nur eine gute Maskerade - und die wird umgehend praktiziert.
Allen Widrigkeiten, italienischem Kauderwelsch beispielsweise, zum Trotz gelingt das Stegreifspiel - der große Beifall der Gäste beweist es. Es unterstreicht allerdings auch die künstlerische Unbedarftheit der Gäste. Und Babylas' leidenschaftliche Operntheatralik versetzt das Publikum in einen wahren Begeisterungstaumel, den er ganz bewusst für eine private Volte einsetzt, nämlich der Ankündigung, seinen Vortrag sofort abbrechen zu wollen, wenn ihm nicht die geliebte Ernestine hier und jetzt fest versprochen wird. Das Verlangen wird vom Publikum als Handlungselement aufgefasst, es durchschaut nicht den wahren Hintergrund. Aber Monsieur Choufleury läuft, völlig überrumpelt, zu einer aus Wut und Angst gesteuerten Hochform auf: Mit feuriger Italianità gibt er Babylas seine Zustimmung zur Verbindung mit seiner Tochter. Das wiederum spornt die Akteure zu einer Höchstleistung an, die sich auf die begeisterten Gäste überträgt. Und Choufleury ist letztendlich zufrieden und seine Familie um eine Person gewachsen...
INFORMATIONEN ZUM WERK
„Monsieur Choufleuri restera chez lui le…“ gehört wohl nicht zu den bekanntesten, aber musikalisch sicher zu den besten Stücken aus Offenbachs Feder. Es ist einerseits eine gesellschaftspolitische Satire, andererseits aber auch eine Parodie auf die italienische Oper - und es gibt sogar ein autobiographischen Bezug zum Komponisten: Wie der Babylas im Stück wurde auch er von seinem späteren Schwiegervater zunächst abgewiesen, bevor er dann doch der Heirat zustimmte.
Das Sujet ist allerdings auch ein dankbares: Schon in „ LeBourgeois gentilhomme“ greift Molière das Thema auf, lässt Monsieur Jourdain aber gehörig schwitzen, damit er die edle Kunst begreifen lernt. Solcherlei Selbstqualen kämen Monsieur Choufleuri nie in den Sinn, er hat genug Geld, um die „exsequi“ zu bezahlen. Haben ihm die Arbeiter seiner früheren Firma materiellen Reichtum verschafft, den er auch wie selbstverständlich zur Schau stellt, müssen eben die für fürstlichen Lohn engagierten Künstler Choufleuris Kulturbeflissenheit unter Beweis stellen. Dass die ihm „was husten“ ist für ihn eine völlig neue Erfahrung.
© Manfred Rückert für den Tamino-Operettenführer 2013
unter Hinzuziehung der ETERNA-Aufnahme