Sind die Medien schuld am "Klassikdesaster?"

  • Die Berliner Philharmoniker haben einen "Digitalen Konzertsaal", der es Menschen ermöglicht, über ihr Tablet oder ihren PC an Konzerten live teilzunehmen.

    Das ist zwar eine schöne Einrichtung, aber bevor Deine Zielgruppe für ein Jahresabo € 149 hinblättert, muss sie ja auch erst einmal mächtig "angefüttert" worden sein.

  • Das ist zwar eine schöne Einrichtung, aber bevor Deine Zielgruppe für ein Jahresabo € 149 hinblättert, muss sie ja auch erst einmal mächtig "angefüttert" worden sein.


    Das ist wohl doch eher eine Ausrede ;): denn es ist ja nun mal nicht so, dass die "Zielgruppe" - die ja nicht nur Jugendliche umfasst - kein Geld hätte: sie blättert gerne ein Vielfaches von dieser Summe für Tablet, Smartphone und Digitalkamera hin, vom "kleinen" Wägelchen mal ganz zu schweigen.
    Allein was Digicams betrifft, kostet schon eine kleine "Edelkompakte" das Dreifache!

  • Man kann sehr viele Werke der klassischen Musik auf youtube oder in online (oder normalen) Radioprogrammen anhören, ohne extra zu zahlen.


    Ich bin nie so regelmäßig und häufig ins Konzert/Oper gegangen, um das im Längsschnitt beurteilen zu können. Aber meiner Erinnerung nach waren vor knapp 25 Jahren, als ich als Teenager die ersten klassischen Konzerte besuchte, junge Leute auch eine kleine Minderheit. Mag sein, dass damals mehr Konzertbesucher in dem Alter (30-50) waren, in dem ich heute bin; ich habe da natürlich nicht so drauf geachtet.


    Es gibt seit Jahrzehnten Kinder- und Jugendkonzerte, Gesprächskonzerte etc. Ich weiß nicht genau wie man eventuelle Hemmschwellen noch weiter senken soll. Ich glaube zwar, dass es nach wie vor ein kleines, aber stabiles Publikum für Klassik gibt, und auch was nachwachsen wird bzw. Leute dann in etwas fortgeschrittenem Alter (30-40) beginnen, sich für diese Musik zu interessieren.
    Anderseits halte ich Faktoren, die kein Konzertveranstalter oder Kulturpolitiker einfach so beeinflussen kann, für entscheidend dafür, dass es Klassik eher schwer hat. Es gab noch nie so viele andere Angebote an Musik u.a. Unterhaltungsmöglichkeiten. Und die von SMS/Smartphone/Facebook dominierte Kommunikation scheint noch den letzten Rest der Fähigkeit, sich länger als 5 min auf etwas zu konzentrieren, was keine offensichtliche und drastische "action" irgendeiner Form bringt, auszumerzen.
    Ich merke manches an mir selbst. Vorletztes Weihnachten habe ich die "Seewolf"-Fernsehserie aus den 60er/70er Jahren auf DVD bekommen. Ich habe die nicht als Kind, sondern erst mit Anfang 20 oder so im TV gesehen und sehr gemocht. Ich habe nicht einmal die erste Folge vom Seewolf durchgehalten; obwohl ich sicher kein Fan von Action-Filmen bin, kam mir das derartig betulich vor (woran der Off-Erzähler mit Schuld sein mag), dass sich die Faszination von damals nicht einstellen wollte...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Die Preise muss man sicher nicht senken, denn dass es daran scheitert kann ja wirklich niemand ernsthaft glauben. Lutgra hat völlig Recht, wenn er das als Ausrede brandmarkt (wer möchte in einer Umfrage schon allzu kulturlos wirken). Was sicherlich sehr viele junge Leute fernhält, ist das steife Ambiente des Konzertlebens: gute Kleidung, enge Sitzreihen, geschmückte Säle (natürlich nicht überall, aber in Wien definitiv), etc... Das muss man gar nicht alles über den Haufen werfen, schließlich haben unsere älteren Mitbürger auch ein Recht auf einen prächtigen, rauschenden Abend. Aber es sollte Alternativen geben. Warum nicht Klavierabende oder Kammermusikabende wie im Jazzkeller, wo man in legerer Kleidung dabei gemütlich was trinken kann und nicht mit den Beinen am Vordermann anstößt?

  • Was sicherlich sehr viele junge Leute fernhält, ist das steife Ambiente des Konzertlebens: gute Kleidung, enge Sitzreihen, geschmückte Säle (natürlich nicht überall, aber in Wien definitiv), etc... Das muss man gar nicht alles über den Haufen werfen, schließlich haben unsere älteren Mitbürger auch ein Recht auf einen prächtigen, rauschenden Abend. Aber es sollte Alternativen geben. Warum nicht Klavierabende oder Kammermusikabende wie im Jazzkeller, wo man in legerer Kleidung dabei gemütlich was trinken kann und nicht mit den Beinen am Vordermann anstößt?


    So ist es hier in Bielefeld schon längst, lieber Felix. Da gibt es Leute im Anzug, dazwischen im Rollkragenpuli und mit Jeans. Jeder kommt wie er will. Und die Bielefelder Philharmoniker spielen eine Reihe von Konzerten - etwa den Mahler - parallel zum offiziellen Konzert zum Nulltarif in der Aula der Universität, wo jeder hingehen kann. Was will man mehr!


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Hallo,


    ich gehe oft - im Alltagsdress - in Konzerte, sie werden hier Hochschulpodium genannt, der Musikhochschule Nürnberg, meist in kleinen, aber akustisch gut bis annehmbaren Aufführungsorten, Null-Preis, aber leider oft wenig besucht. Die "Jungen" sind nur Musikstudenten, Mittelalter ganz wenig und 60+.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • In Deutschland gibt es abgesehen vielleicht von einigen Premieren oder Galas im Konzert so gut wie keinen Dresscode mehr und man muss sich vermutlich etwas einfallen lassen um aufzufallen. Obendrein gibt es ja nicht nur Konzerte in großen Konzertsälen, sondern auch Kirchen, Musikhochschulen usw. und da ist es eher noch lockerer.


    Natürlich muss man dennoch halbwegs still sitzen und die Klappe halten, das mag manchmal schon zu viel verlangt sein...

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  • Hallo,


    ich gehe oft - im Alltagsdress - in Konzerte, sie werden hier Hochschulpodium genannt, der Musikhochschule Nürnberg, meist in kleinen, aber akustisch gut bis annehmbaren Aufführungsorten, Null-Preis, aber leider oft wenig besucht. Die "Jungen" sind nur Musikstudenten, Mittelalter ganz wenig und 60+.


    Viele Grüße
    zweiterbass



    Als ich noch in Köln studiert habe, hab ich das auch gemacht - fand ich meist gut, war damals auch schon umsonst, und ist zum Einstieg sehr zu empfehlen. Sollte mehr beworben werden.

  • Was mich an solchen Studien und der im Wesentlichen stets gleichen, nachfolgenden Diskussion stört, ist die immer währende Forderung, die Kultur müsse mehr tun, um zu den Menschen zu gelangen. Es wird dabei offenbar vorausgesetzt, dass es sich hier um eine Bringschuld der Kultur handele, was ich persönlich für einen vollkommen überzogenen und unbegründeten Anspruch halte. Vielmehr denke ich, ist Kultur eine Holschuld, zu der es zudem keinen Königsweg gibt. - Zugegeben ist dies für die Kultur, als auch für die Kulturschaffenden eine sehr unkomfortable Situation; bedeutet es doch, dass die Möglichkeiten, andere Menschen "von außen" für Kultur einzunehmen und zu begeistern sehr beschränkt sind. Andererseits muss man sich dann eben Gedanken darüber machen, welche anderen, indirekten "Hebel" eventuell angesetzt werden können.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Andererseits muss man sich dann eben Gedanken darüber machen, welche anderen, indirekten "Hebel" eventuell angesetzt werden können.


    Hallo MSchenk,


    es gibt m. E. diese indirekten Hebel schon (und werden fleißig und erfolgreich eingesetzt von...) - aber nicht für die Kultur sondern gegen die Kultur.


    Viele Grüße
    zweiterbass

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  • Was mich an solchen Studien und der im Wesentlichen stets gleichen, nachfolgenden Diskussion stört, ist die immer währende Forderung, die Kultur müsse mehr tun, um zu den Menschen zu gelangen. Es wird dabei offenbar vorausgesetzt, dass es sich hier um eine Bringschuld der Kultur handele, was ich persönlich für einen vollkommen überzogenen und unbegründeten Anspruch halte. Vielmehr denke ich, ist Kultur eine Holschuld, zu der es zudem keinen Königsweg gibt.


    Sehr richtig -- das große Credo der heutigen Zeit lautet doch immer: Den Menschen da abholen, wo er steht. Das hat schon beinahe dogmatischen Status und wird auf den unterschiedlichsten Gebieten angewandt. Für den Kulturbereich haben wir es hier schon mehrfach andiskutiert. Immer muss 'die Kultur' etwas tun, nie 'der Mensch'. Kultur ist also etwas, das zu dienen und das Wohlbefinden des Menschen zu steigern hat. Dass die Aneignung von Kultur auch Mühe und Anstrengung bedeuten kann, das genau darin und schließlich in dem Erlebnis, ein Kunstwerk (vorläufig :D ) verstanden zu haben, es sich 'erarbeitet' zu haben, ein unglaublicher Eigenwert enthalten ist - davon ist doch schon lange keine Rede mehr.


    Grüße
    Garaguly

  • Zur Diskussion:


    1. Schön, dass Lutgra und ich doch nicht weit auseinander liegen.


    2. Die Forderung, dass sich Kultur auf den potenziellen Rezipienten zubewegen muss, ergibt sich vermutlich dadurch, dass in unserem gegenwärtigen gesellschaftlichen System Kultur in hohem Maße steuerfinanziert ist und sich zumindest ansatzweise kostenbezogen legitimieren muss. Dahingehend verstehe ich auch die Studie - ist es den Menschen, ist es der Gesellschaft etwas wert, Klassik zu subventionieren, obwohl sie nur von einer Minderheit gehört wird? Die politische Alternative des Mäzenatentums in den USA funktioniert auch nur so lange, so lange es Vermögen gibt, das in Klassik fließt, und nicht in Malariabekämpfung oder elektrische Autos, was gleichfalls legitime Betätigungen für angehäuftes Kapital wären.


    3. auf einer idealistischen Ebene sehe ich natürlich musikalische Meisterwerke als Wert an sich, zu der sich musikalische Jünger hochentwickeln müssen bzw. die selbst genügend Verführungskraft besitzt. Aber der eine oder andere Mittelsmann a la Rattle kann nicht schaden, denke ich. Auch das Gute braucht bisweilen Vermittlung.


    4. Wird Klassik heute von mehr Menschen gehört oder von weniger als früher? Zu Mozarts/Coloredos Zeiten, zu Beethoven/Rasumowskys Zeiten - waren es prozentual wirklich mehr Menschen, die Zugang zu Klassik hatten respektive sie hören wollten als heute oder weniger? Waren es zu Furtwänglers Zeiten mehr junge Leute, die Beethovens Neunte hören wollten, auch wenn sie Swing hätten hören können?


    Herzliche Grüße


    Christian

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."



  • Den Menschen da abholen, wo er steht.


    Worauf ich stets mit Wonne Antworte: Mag sein, aber ich kann auch nicht hinter jede Ecke schauen! :untertauch:

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.


  • Worauf ich stets mit Wonne Antworte: Mag sein, aber ich kann auch nicht hinter jede Ecke schauen! :untertauch:


    Da brauchst du dich gar nicht symbolisch unter dem Stuhl zu verstecken. Ich halte deine mit Wonne vorgebrachte Entgegnung für den einzig richtigen Umgang mit der 'Den-Depp-da-abholen-wo-er-gerade-rumlümmelt'-Ideologie. Derlei Dinge kippen immer ins Negative, wenn sie dogmatisiert werden.


    Grüße
    Garaguly

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  • Gratulation Lutgra zu Deinem Beitrag Nr 80 - Besser kann man es nicht formulieren


    Nein die junge Generation besteht nicht aus lauter Idioten. Aber man hat sie manipuliert.
    Schon die Abscheu gegen Eliten ist einfach lächerlich. Eliten prägen jede Gesellschaft - ob das den Leuten passt oder nicht.l
    In meiner Generation war man halt darauf konditioniert zu Elite zu gehören, zur Elite aufzusteigen oder wenigstens vorzutäuschen man gehöre dazu....
    Heute wird die Jugend so erzogen, daß nur mehr die Regeln der Marktwirtschaft und der kommerziellen Verwertung von Kenntnissen als gültig betrachtet werden. Beispielsweise will man eine "bessere Ausbildung" bei der Jugend - und gaukelt eine ganzen Generation vor, daß dadurch hochwertige Arbeitsplätze geschaffen würden. In Wahrheit wünscht man sich einen Überschuss an gut ausgebildeten Fachkräften und Akademikern, damit der Einkaufspreis (sprich die Bezahlung) für diese Leute sinkt....
    Für "schöne Künste " ist da wenig Platz.
    Wozu dann solch eine Studie? Ist sie wirklich sinnlos? Ich sage NEIN!
    Denn das Ergebnis ist ja eigentlich schon im voraus bekannt. Die Jugend hat andere Prioritäten als "klassische Musik"
    Klassische Musik ist also nach dieser Studie nicht nur nicht profitabel, sondern kostet sogar Geld in Form von Subventionen. Was liegt also näher als diese Subventionen in Frage zu stelle, zu kürzen oder gar zu streichen ? Das so eingesparte Geld könnte Großkonzernen in Form von Steuernachlässen zugute kommen und deren Profite erhöhen.
    Ein arger Fehler könnte sein - und ich bin dankbar, dass Lutra das ebenso sieht wie ich - daß man die Gesellschaft an die Kulturverweigerer anpasst. Ich bin darüber hinaus dar Ansicht, dass jegliches Entgegenkommen die derzeitige Situation verschlimmert. Im kommunistischen Russland musste man sich lange Anstellen um eine Eintrittskarte zu einer Kulturveranstaltung
    zu bekommen - und die Leute HABEN sich angestellt !!!
    In der Tat werden aber auch Fehler gemacht- wenn es um die Anwerbung von Neo-Klassikhörern geht. Wenn man den Leuten eintrichtert "gefällige" Musik sei minderwertig - man müsse sich klassische Musik - vorzugsweise zeitgenössische - "erarbeiten", dann hat man schon verloren. Denn was heute zähl ist der "Genuss" - und den gibt es auch in der Klassik.


    Kommen wir zum Titel dieses Threads. Gemeint war, daß VORBILDER wie Lokomotiven wirken. Nehmen wir beispielsweise aus der Vergangenheit "Sherlock Holmes", der als Übergenie dargestellt wurde - und als Hobby zudem Geige spielte. Romanfiguren oder Charaktäre aus Fernsehserien, welche Klassik hören, wie beispielsweise Inspekor Lewis und sein junger Assistent. - das sind Leitfiguren welche der Klassischen Musik mehr nützen als jede "schulische Hinzuführung" zur Klassik.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Und da glaube ich auch nicht, daß man dem Publikum entgegenkommen will, sondern Ansprüche stellt. Kunst darf und muß den (erwachsenen) Rezipienten fordern, das ist ihr "moralischer" Sinn. Bei Kindern dagegen wäre das unangebracht.


    Warum? - Ich glaube, das Kinder - auch kulturell - sehr viel kompetenter sind, als wir Erwachsene es ihnen zutrauen! Klar würde ich meine Tochter (achteinhalb) nicht in eine Bieto-Inszenierung "schleppen", aber z.B. war sie letztes Jahr mit ihrer Schulklasse in einer Giacometti-Austellung (bedenklich fand ich da nur die Aussage eines Vaters gegenüber der Lehrerin, wozu soetwas wohl gut sei?), alle waren begeistert und haben anschließend selber "Giacomettis" produziert. Weiter habe ich ihr inzwischen in der Oper nicht nur Hänsel und Gretel, sondern auch Flavius Bertaridus zugemutet; auch das hat gut funktioniert. Ich denke, Kinder werden sehr schnell und sehr deutlich artikulieren, wenn sie etwas nicht wollen, worauf man dann natürlich adäquat reagieren muss. Falsch jedoch ist die m.E. oftmals überzogene Angst, man könnte das Kind überfordern, solange man mit gesundem Menschenverstand und ohne eigenen, überzogenen Ehrgeiz an die Sache herangeht. Mein Ziel ist ganz klar, meinen Kindern zu zeigen, was es für tolle Dinge auf der Welt gibt und welche Dinge mich selber begeistern; was sie dann später daraus machen, entzieht sich ohnehin meinem Einfluß.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Wer wirklich Interesse an der klassischen Musik hat, hört sie sowieso, heute vermutlich einfacher denn je. Ich glaube auch nicht, dass dazu unbedingt ein musisches Elternhaus und/oder das Erlernen eines Instruments vonnöten ist (streite aber nicht ab, dass es dies womöglich erleichtert, indes sicher nicht immer, wenn etwa erzwungen). In meiner Familie hält sich das Interesse an Klassik gelinde gesagt in Grenzen; lediglich meine Mutter hat ein wenig was dafür übrig, wenn auch sehr begrenzt und meist auf tschechische Komponisten bezogen. Ich spielte als Kind Blockflöte und Keyboard, das ist mindestens fünfzehn Jahre her. Dazwischen und dem Beginn meines wirklich bewussten Klassikhörens lagen sicher einige Jahre, ein direkter Zusammenhang bestand insofern nicht. Da ist einfach teilweise viel Eigeninitiative nötig, dann kann man trotz widrigster Umstände doch noch zum Klassikfreund werden. Wer wirklich will, schafft es auch. Wenn ich bedenke, was ich in meinen Klassikanfangszeiten so hörte: Gesang war mir ein Graus, Wagner pfui, ja selbst ganze Symphonien "zu lang". Mit Beharrlichkeit und der Lust, sich auf Neues einzulassen, lässt sich auch das meistern. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Z.B. war sie letztes Jahr mit ihrer Schulklasse in einer Giacometti-Austellung (bedenklich fand ich da nur die Aussage eines Vaters gegenüber der Lehrerin, wozu soetwas wohl gut sei?)


    Was ist daran bedenklich? Weder erschließt sich Giacometti jedem noch ist er unumstritten... Aber leicht zu reproduzieren ist er zumindest...

    "...man darf also gespannt sein, ob eines Tages das Selbstmordattentat eines fanatischen Bruckner-Hörers seinem Wirken ein Ende setzen wird."




  • Was ist daran bedenklich? Weder erschließt sich Giacometti jedem noch ist er unumstritten... Aber leicht zu reproduzieren ist er zumindest...


    Bedenklich war der (in Tonfall und Ausdruck deutlich vorgetragene) Tenor dieser Aussage: Es ging dem Vater nicht darum, ob der Besuch einer Giacometti-Austellung für sein Kind sinnvoll ist, sondern ob so etwas, wie der Gang ins Museum (insbesondere für Grundschüler) überhaupt einen Wert hat. Schließlich könne die Zeit jawohl besser dafür genutzt werden, die eigenen Eleven fit für die spätere Kariere zu machen und Kultur gehörte bei diesem Menschen ganz offenbar nicht zum notwendigen Rüstzeug.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Ich glaube, ein gewisser Kulturpessimismus ist so alt wie die Kultur. Ab einem gewissen Alter neigt man wohl dazu, die Jugend zu verklären und zu glauben, dass damals vieles besser war. Ich ertappe mich da auch schon dabei, aber dann erinnere ich mich, dass ich - Baujahr 1960 - in der Schule auch eine Außenseiterin war, weil ich Bach und Mozart toller fand als Alice Cooper und was damals eben in war. Und mit 12, 13 fan dich das so schrecklich, dass ich mir eines Tages tatsächlich eine Platte von diesem Alice Cooper gekauft und nach dem Prinzip "Manches muss man sich mehrfach anhören, bis man es rafft!" vier, fünf Tage abgedudelt habe. Dummerweise fand ich es dann immer noch schrecklich und so habe ich damals meinen Versuch, endlich mainstream-kompatibel zu werden, eingestellt und bis - erleichtert - zu meinem Bach zurück gekehrt.


    Allerdings: In meiner gewiss nicht "kulturfernen" Familie gab es immer wieder Debatten darüber, ob es wirklich sein muss, dass ich gleich zwei Instrumente lerne und ich bin bombensicher: Wenn meine Eltern für beide hätten bezahlen müssen (mein Orgellehrer war ein Idealist, der mich kostenlos unterrichtet hat, aber die Musikschule wollte Geld für meine Fagottstunden), wäre ein Instrument gestrichen worden. Für meinen Bruder, der mit Klassik überhaupt nichts am Hut hat und seine Frau, die generell kein großes Interesse an Musik hat, war es aber nie eine Frage, dass zur von ihnen zu finanzierenden Ausbildung beider Söhne Musikunterricht gehört. Beide wurden schon als Vierjährige in die Bambino-Gruppe in der örtlichen Musikschule geschickt und haben später Gitarre (klassisch, wobei dann am Ende doch E-Gitarre draus wurde. Aber immerhin spielt der junge Herr heute in einer Band und auch wenn mir die Richtung nicht liegt - er macht aktiv Musik) beziehungsweise Trompete gelernt.


    Den Trend sehe ich aber nicht nur in meiner Familie. Als ich reiten gelernt habe, waren die Mädels im Stall halt Ponymädels und hatten außer ihren Rössern nicht viel anderes im Kopf. Heute hat eine Freundin von mir, die als Reitlehrerin in Deutschland arbeitet, Probleme, wenn sie mal wegen Ausfall eines Pferdes Stunden schieben muss, weil ihre Ponymädels außerdem auch noch zur Musikschule gehen.


    Wenn ich mich bei den Kindern meiner Freunde umgucke: Die Mädchen haben alle mindestens ein Instrument gelernt, bei den Jungs haben eigentlich alle irgendwelche musikalische Früherziehung abgekriegt.


    Ansonsten denke ich an meine DVD- und CD Sammlung daheim und dass ich inzwischen eine nicht zu kleine externe Festplatte mit Musik auf Reisen dabei habe. Ich war einst sehr stolz darauf, bei der ersten LP-Einspielung von "Thamos" beteiligt gewesen zu sein - heute gibt's den, wenn ich recht gesehen habe, vier- oder fünfmal. Bach-Kantaten? Früher nahm man Richter oder ließ es - und selbst da gab's einige Kantaten, die nicht zu haben waren. Heute gibt es drei oder vier vollständige Editionen.


    Und so viel ich weiß, haben Knabenchöre wie der Hymnus in Stuttgart keine Nachwuchssorgen. Sie haben nur das Problem, dass die Jungs heute früher in den Stimmbruch kommen (andererseits: Mein Anhang, Baujahr 1944, erinnert sich sehr gut daran, am Sonntag nach seinem 12.Geburtstag sein letztes Sopran Solo gesungen zu haben. Dienstag war dann die Stimme weg. Am Donnerstag trat er bei der Chorprobe wieder an - als kleinster Bass).


    Wahr ist allerdings, dass auch in Stuttgart, einst ja "Hauptstadt der Chöre", weniger Amateur-Chöre zugange sind als früher. Aber über Mitgliederschwund klagen andere Sparten, die eine gewisse "Regelmäßigkeit" verlangen, ebenso. Die Reitvereine jammern seit Jahren - obwohl es immer mehr Reiter gibt, sind immer weniger bereit, sich im Verein zu organisieren. Sportvereine jammern aller Orten, die freiwillige Feuerwehr sucht Nachwuchs - ich denke, das Problem der Chöre ist, dass die Leute heute sich ungern in feste Engagements einbinden lassen, sondern ihre Freizeit lieber "spontan" gestalten (dass das in vielen Fällen vor der Glotze endet, ist ein anderes Thema).


    Aber wenn ich das Gejammere darüber höre, dass die klassische Musik zu wenig Nachwuchs hat - hmm ... ich sitze des öfteren als stiller, aber durchaus interessierter Gast in Gesangsmeisterklassen und staune, wie hoch die Qualität der Youngsters ist, die da aufsteppen. Und mehr noch: Mein Lebensgefährte saß letztes Jahr sage und schreibe drei Tage lang in den Aufnahmeprüfungen für Sänger in einem Konservatorium (das m.E. rund 40 Plätze hat). Am dritten Tag sagte ich dann in meiner Naivität: "Hast du jetzt jedes Nachwuchstalent in dem Jahrgang gehört?" Nix dergleichen - die Aufnahmeprüfung lief noch mal drei Tage, da hat dann nur ein Kollege übernommen, weil der Meine andere Verpflichtungen hatte und weil er zudem sagt, dass er nach drei Tagen Aufnahmeprüfung schlichtweg nicht mehr die Konzentration aufbringe, wirklich hinzuhören. Es sei so schon schwer genug, wobei er auch meint, in seiner Generation seien die Youngsters teilweise schon weiter gewesen, weil sie einfach schon mehr gesungen hätten. Andererseits sei er manchmal platt, was der Nachwuchs heute schon alles gehört habe. Dagegen sei er damals , als er 17jährig vor der Prüfungskommission stand, echt eine dumme Landpomeranze gewesen. Er hat seine Aufnahmeprüfung mit Händel, Bach und einem Volkslied gemacht - Oper gab's bei ihm nicht, weil er darauf keinen Zugriff gehabt hatte. Er hatte gerade mal eine Oper gesehen und eine im Radio gehört. Ansonsten war Oper bei ihm wirklich terra incognita. Damals war das aber kein Hindernis zur Aufnahme. Er meint, wenn da heute einer angestiefelt käme und erzählen würde, dass er von Oper null Schimmer hat, gäbe das einen ganz, ganz dicken Minuspunkt.


    Also insofern sehe ich nicht unbedingt Grund zum Pessimismus. Ich sehe eine Opernkrise, weil m.E. das Regietheater die ganz falsche Richtung ist und weil man damit jungen Leuten abgewöhnt, in die Oper zu gehen, aber Optimistin, die ich bin, setze ich darauf, dass die Oper diesen Irrweg irgendwann erkennen wird und dann wie der Phönix aus der Asche steigt - und dass dann die, die wie zum Beispiel mein Neffe Oper nur noch auf DVD kennen (er war zweimal in Stuttgart in der Oper. Das erste Mal war noch eine von unseren alten Produktionen, das zweite Mal hat ihn sein Lehrer in eine "moderne" geschleppt. Danach wollte er nicht mehr in die Oper), wieder hingehen werden.


    Sycorax
    "Ansonsten war Klassik doch noch nie eine Massenveranstaltung ,,,"

  • Man kann sehr viele Werke der klassischen Musik auf youtube oder in online (oder normalen) Radioprogrammen anhören, ohne extra zu zahlen.

    Der "Digitale Konzertsaal" ist etwas ganz anderes als youtube - es handelt sich um Live-Konzerte ... einfach mal auf die Seite gehen.



    Zitat

    Es gibt seit Jahrzehnten Kinder- und Jugendkonzerte, Gesprächskonzerte etc. Ich weiß nicht genau wie man eventuelle Hemmschwellen noch weiter senken soll.

    Zum Beispiel, indem man das Konzerthaus ins Internet bringt. Es ist eine Idee; vor allem sollte es sein: ein Handeln seitens der Musikveranstalter und Konzerthäuser.
    Interessant, dass das niemanden zu interessieren scheint. 8-)


  • Warum? - Ich glaube, das Kinder - auch kulturell - sehr viel kompetenter sind, als wir Erwachsene es ihnen zutrauen! Klar würde ich meine Tochter (achteinhalb) nicht in eine Bieto-Inszenierung "schleppen", aber z.B. war sie letztes Jahr mit ihrer Schulklasse in einer Giacometti-Austellung (bedenklich fand ich da nur die Aussage eines Vaters gegenüber der Lehrerin, wozu soetwas wohl gut sei?), alle waren begeistert und haben anschließend selber "Giacomettis" produziert. Weiter habe ich ihr inzwischen in der Oper nicht nur Hänsel und Gretel, sondern auch Flavius Bertaridus zugemutet; auch das hat gut funktioniert. Ich denke, Kinder werden sehr schnell und sehr deutlich artikulieren, wenn sie etwas nicht wollen, worauf man dann natürlich adäquat reagieren muss. Falsch jedoch ist die m.E. oftmals überzogene Angst, man könnte das Kind überfordern, solange man mit gesundem Menschenverstand und ohne eigenen, überzogenen Ehrgeiz an die Sache herangeht. Mein Ziel ist ganz klar, meinen Kindern zu zeigen, was es für tolle Dinge auf der Welt gibt und welche Dinge mich selber begeistern; was sie dann später daraus machen, entzieht sich ohnehin meinem Einfluß.


    Lieber Michael,


    da hast Du völlig Recht! Kinder sind im allgemeinen unvoreingenommen und aufgeschlossen für interessante Dinge - weit mehr als viele Erwachsene mit ihren Berührungsängsten durch eingefleischte und gehätschelte Vorurteile. Ich meinte auch eher, daß man sie nicht zwingen sollte zu etwas, was sie definitiv nicht mögen sozusagen mit Gewalt und erhobenem moralischem Zeigefinger.


    ich glaube auch, das Problem liegt nicht nur an der Musik. Wir haben heute eine Freizeitindustrie, die einfach alles auffrißt. Der Computer, die Computerspiele - die Freizeit ist verplant und vor allem die Freizeitgestaltung wird leicht gemacht. Wo ist da noch Zeit, ein Buch zu lesen? Freizeitgestaltung verlangt keine Eigeninitiative mehr. Man wird versorgt. Mit der klassischen Musik ist es dann genauso. Ein Popsong dauert 3 Minuten, eine Symphonie eine halbe Stunde. Das sagt schon viel.


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zum Beispiel, indem man das Konzerthaus ins Internet bringt. Es ist eine Idee; vor allem sollte es sein: ein Handeln seitens der Musikveranstalter und Konzerthäuser.


    Ich glaube nicht, dass das Internet hier - einmal mehr - ein Allheilmittel ist. Wirklich begeistern kann man Kinder und Jugendliche m.E. am eheseten ducrh das Live-Erlebnis.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Hallo Holger,


    Ich meinte auch eher, daß man sie nicht zwingen sollte zu etwas, was sie definitiv nicht mögen sozusagen mit Gewalt und erhobenem moralischem Zeigefinger.

    dann sind wir absolut einer Meinung!

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

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  • Gratulation Lutgra zu Deinem Beitrag Nr 80 - Besser kann man es nicht formulieren

    Was er aus der Körber-Stiftung bringt ist nat. o.k. - seine dazu geäußerten pers. Meinungen sind die seinen, für mich sind sie einseitig tendenziös und z. T. nicht nachvollziehbar.



    Eliten prägen jede Gesellschaft

    Welche Art/Gruppen von Eliten meinst Du?



    Ein arger Fehler könnte sein - und ich bin dankbar, dass Lutra das ebenso sieht wie ich - daß man die Gesellschaft an die Kulturverweigerer anpasst.

    Teile der Gesellschaft (eben gewisse "Eliten") wollen die Zahl der Kulturverweigerer steigern und sind damit "Schritt für Schritt" recht erfolgreich. Von diesen einflussreichen "Eliten" wird viel getan, dass "die Jungen" gar nicht mehr in die Versuchung kommen, sich für Kultur zu interessieren.


    Viele Grüße
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Der "Digitale Konzertsaal" ist etwas ganz anderes als youtube - es handelt sich um Live-Konzerte ... einfach mal auf die Seite gehen.

    Ich habe schon verstanden was das ist. Es ging aber um Niedrigschwelligkeit. Da sind, dank youtube und Internetradio die Möglichkeiten, Musik kostenlos kennenzulernen so gut wie nie. Man muss nichts bezahlen, nirgendwo gut gekleidet hingehen und kann sich weitgehend aussuchen, was man hören möchte.



    Zitat

    Zum Beispiel, indem man das Konzerthaus ins Internet bringt. Es ist eine Idee; vor allem sollte es sein: ein Handeln seitens der Musikveranstalter und Konzerthäuser.
    Interessant, dass das niemanden zu interessieren scheint. 8-)

    Meiner Ansicht nach ist ein Abo für EUR 150 auf digitale Live-Streams eindeutig nichts für Einsteiger, sondern für die, die schon Klassik hören und an aktuellen Konzerten bestimmter Dirigenten/Orchester interessiert sind. Abgesehen davon ist das sicher eine tolle Sache.

    Struck by the sounds before the sun,
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  • 3. auf einer idealistischen Ebene sehe ich natürlich musikalische Meisterwerke als Wert an sich, zu der sich musikalische Jünger hochentwickeln müssen bzw. die selbst genügend Verführungskraft besitzt. Aber der eine oder andere Mittelsmann a la Rattle kann nicht schaden, denke ich. Auch das Gute braucht bisweilen Vermittlung.

    Das dürfte wohl unbestritten sein, auch abgesehen davon, dass trivialerweise jemand die Musik kompetent spielen, singen, dirigieren muss.



    Zitat

    4. Wird Klassik heute von mehr Menschen gehört oder von weniger als früher? Zu Mozarts/Coloredos Zeiten, zu Beethoven/Rasumowskys Zeiten - waren es prozentual wirklich mehr Menschen, die Zugang zu Klassik hatten respektive sie hören wollten als heute oder weniger?

    Vermutlich eher weniger, aber der Vergleichspunkt für einen Kulturpolitiker 2014 ist wohl nicht 1784 oder 1824, sondern 1994 oder vielleicht 1964. Meinem Eindruck nach ist nach wie vor unklar, wie es bei diesen Vergleichen aussieht. "Gefühlt" scheint es aber so zu sein, dass Hörer, die 1964 schon mitbekommen haben, den Eindruck nachlassenden Interesses haben. Wie schon mehrfach im Thread berichtet wurde, gibt es auch eine deutliche Diskrepanz zwischen weiterhin verbreitetem (und oft "klassischem) Instrumentalunterricht in bürgerlichen Kreisen und dem Interesse dieser jungen Musiker am Hören klassischer Musik. (Obwohl es bei mir als Einzelfall umgekehrt war, ich habe, nachdem ich mich für Klassik interessierte, mit 16 begonnen, ein Instrument zu lernen, meine ich, dass das bei nicht wenigen Instrumentalisten im Schulorchester auch Ende der 1980er nicht viel anders war: Das Interesse für Klassik beschränkte sich oft auf die Werke, die man gerade im Unterricht spielte/spielen musste.)
    Ich bin mir auch (wobei das wieder nur anekdotisch ist) ziemlich sicher, dass in meiner Elterngeneration (1940er Jahrgänge) eine gewisse Hochschätzung klassischer Musik entweder schon aufgrund ihrer bürgerlichen Herkunft oder beim Aufwärtststreben aus kleineren Verhältnissen verbreiteter war als bei den in den 1960/70ern geborenen Eltern der heutigen Jugendlichen. Natürlich war das damals auch keineswegs flächendeckend. Aber ich erinnere mich aus meiner absoluten Anfangszeit als Klassikhörer, dass mein Vater zwei MCs geschenkt bekam, die Musik mit Künstlern, die in Kulenkampffs Rateshow aufgetreten waren, enthielt. Davon war eine mehr oder minder der (leichteren) Klassik gewidmet und enthielt u.a. die "Faktotum"-Arie und das "Lied an den Mond"
    Bei nur drei Fernsehprogrammen liefen seinerzeit auch Opernübertragungen mindestens im 3. Programm zu ziemlich guten Sendezeiten. Es dürfte alles andere als sicher sein, ob und wie erfolgreich man junge Leute darüber für die Klassik interessiert hat und Justus Frantz' "Achtung Klassik" war meiner Erinnerung nach eher dröge und spießig. Aber den Eindruck, dass zumindest ein Teil der Klassik im Medienmainstream noch vor 25 Jahren weit stärker präsent gewesen ist, habe ich ebenfalls.


    "Goodbye Kuli" (die Interpreten kann man auf einem der Bilder erkennen) ()

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Ich habe es an anderer Stelle schon vorgebracht: Ich stamme aus einer musikalischen Familie (Vater Geiger, Mutter Sängerin), in der oft abends zusammen musiziert und gesungen wurde. Im Internat sang ich im Schulchor Messen von Palästrina und Joseph Haas. Mein Vater besaß damals schon eine große Schellacksammlung und ich lauschte schon sehr früh Peter Anders, Erna Berger, Wilheln Strienz u. A. Also sehe ich da schon in meiner Familie einen Zusammenhang, was klassische Musik betrifft. Meine kleine Tochter hört mir sehr oft zu und sie liebt "Peter und der Wolf", "Hänsel und Gretel, aber auch Operetten wie "Das weiße Rößl". Jetzt geht sie zum Ballett-Unterricht, wo es klassische Ballett-Musik zu Hören und zu Tanzen gibt. Alles freiwillig, ohne Zwang! :thumbup:

    W.S.

  • Prinzipiell denke ich, dass das ganze in Deutschland und Österreich jammern auf sehr, sehr hohem Niveau ist. Die Dichte an Konzerthäusern und Opernhäusern ist wohl weltweit unübertroffen, ebenso die Qualität der Orchestermusiker, etc...Auf weitere Zeit brauchen wir uns keine ernsten Sorgen zu machen. Außerdem ist klassische Musik im fernen Osten sehr beliebt und wird - so wie von Johannes beschrieben - als Zeichen des Wohlstands und Aufschwungs gesehen. Klassische Musik ist einfach ein so hochwertiges "Produkt", dass sie niemals in der Versenkung verschwinden wird.


    Ich meinte übrigens nicht, dass die "Kultur", also die Musik, auf die Menschen "zugehen" soll, sondern die Veranstalter sollen den Rahmen mehr den jungen Menschen anpassen. Noch immer wird klassische Musik vom Bürgertum oft dazu benutzt, sich selbst zu zelebrieren (ich sehe das - pardon - auch hier im Forum). Ich habe Freunde, die durchaus einen Zugang zu Mozart usw. hätten, aber diesen Aspekt des Konzertlebens nicht ausstehen können.

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