Beethoven: Klaviersonate Nr. 8 in c-moll op. 13: "Pathetique"

  • Inzwischen ist Willi schon bei Richter angekommen und nähert sich damit langsam dem Ende des Alphabets - ich hatte gehofft, dass er auch die unbekannt gebliebene 91er Aufnahme von Zoltan Kocsis der Pathétique bespricht. Kocsis geht bei op. 13 meines Erachtens einen sehr radikalen Weg und allein deshalb muss er hier zumindest kurz erwähnt werden. Leider besitze ich nicht die Noten dieser Sonate, um seine Aufnahme so detailliert würdigen zu können, wie dies Willi hier so wunderbar vorführt.


    Aber schon allein ein Blick auf die Zeiten macht deutlich, in welche Richtung es bei Kocsis geht: I: 8:06 (ohne Wiederholung der Grave-Einleitung), II: 4:41, III: 3:56 (!).


    Ja, schneller spielt das wohl keiner, aber genauer vermutlich auch nicht. Denn trotz dieser irrsinnigen Zeiten sind bei Kocsis Details zu hören, die bei manch anderer pedallastigen Aufnahme untergehen. Doch ein schnelles Tempo muss ja noch nicht sinnhaft sein, hier aber steckt ein Konzept dahinter, das es in sich hat und auch dem Charakater des Werks entspricht: Kocsis legt die Sonate konsequent als stürmische, frühe Sonate an, in der das Subjekt aufbegehrt. Dadurch gewinnt er bspw. dem musikalischen aufsteigenen Kernmotiv des ersten Satzes eine viel stürmischere, ja geradezu aufschreiende Qualität ab. Wenn man das einmal so gehört hat, wirken viele langsamere Aufnahmen geradezu betulich und altbacken. Und im Finale zündet Kocsis regelrecht die eine odere andere Rakete, das ist mitreißend und pianistisch unvergleichlich! Willi, wenn Du die Philips-Aufnahme (mit den Sonaten #1,5,17) nicht mehr bekommst, stelle ich sie Dir gerne für eine Besprechung zur Verfügung.


    Das ist eine hervorragende Beethoven-CD, wenn auch vielleicht für manche Hörer etwas auf der atemlosen Seite (auch das Finale von 31/2 ist sehr zügig). Gould ist allerdings in der Pathetique teils noch zügiger unterwegs, wobei sich Kocsis freilich nicht der oben genannten Einebnung der Dynamik u.a. Freiheiten schuldig macht. Auch Serkins frühe Aufnahme von ca. 1945 und meiner Erinnerung nach auch eine von den Mono-Aufnahmen Rubinsteins weisen sehr zügige Tempi in den Ecksätzen auf.
    Vielleicht kann ich am Wochenende noch etwas mehr zu Kocsis beisteueren, die CD ist gebraucht auch noch zu haben ("Kocsis Beethoven" bei jpc liefert einige Treffer). Ich würde sie aber fast noch mehr für die anderen Werke empfehlen, da man im Falle von op.2/1 und op.10/1 zwar sicher auch keinen Mangel, aber auch nicht solch eine Überfülle an guten Aufnahmen verfügbar hat wie für op.13.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Zitat

    Dr. Holger Kaletha: Ist E. Bashkirova solo unterwegs oder mit ihrem Ehemann Daniel Barenboim?

    Sie ist solo unterwegs, lieber Holger, anders wäre das kaum erschwinglich. Da ich ein ABO habe, kostet mich die Karte als Schwerbehinderter 15 € auf dem teuersten Platz. Beim Ehemann wären das z. Z. 125 €. Die ersten beiden Konzerte habe ich übrigens an meinem Wohnort Coesfeld erlebt, das zweite mit ihrem Sohn Michael Barenboim.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Sie ist solo unterwegs, lieber Holger, anders wäre das kaum erschwinglich. Da ich ein ABO habe, kostet mich die Karte als Schwerbehinderter 15 € auf dem teuersten Platz. Beim Ehemann wären das z. Z. 125 €. Die ersten beiden Konzerte habe ich übrigens an meinem Wohnort Coesfeld erlebt, das zweite mit ihrem Sohn Michael Barenboim.


    Lieber Willi,


    da muß man doch mal den deutschen Sozialstaat loben! :) Ich war auch nie bereit, solche Summen für Konzerte zu bezahlen. Bei Anne Sophie Mutter wollten sie soviel haben - da habe ich gesagt: Nein danke! Ich bin schließlich bei Richter, Gilels, Michelangeli, Arrau auch zu zivilen Preisen reingekommen! :hello:


    So, nun mache ich mich an die Pathetique!


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Die Begeisterung von Willi über Richters Aufnahme (Beitrag 201) kann ich nur teilen! Da ist erst einmal Richters Sinn für Syntax in der Grave-Einleitung. Es gibt wirklich einen liegenden Akkord, als Einsatz, dann kommt ein Neuansatz der Bewegung, der drängend weiter leitet. Schon zu Beginn wird Richters Ansatz klar: Das ist Beethoven mit Subjektivität, mit "Willen", einem stürmisch-aufrührerischen Gestus, der an die Appassionata erinnert. Zugleich ist Richter lyrisch feinsinnig, wenn es sein muß. Der Lauf zum Ende der Grave-Einleitung stürzt wirklich in die Tiefe. Das Hauptthema tritt auf mit stürmischem Vorwärtsdrang und dieser Gestus hält sich auch im Seitenthema durch, so daß der Eindruck großer Geschlossenheit entsteht - eines durchgehenden dramatischen "Zugs". Der Beginn der Durchführung eindrucksvoll, wie sich Richters dramatischer Gestus wandelt in lyrische Versenkung. Die Durchführung steigert den drängenden, fordernden Impuls. Richter interpretiert die"Pathetique" als ein Sturm und Drang-Drama. Sehr gelungen die Reprise des Seitenthemas, die deutlich gelassener vorgetragen zum abschließenden Ruhepol wird. Subjektivität und Sinn für die klassische Form kommen bei Richter in idealer Weise zusammen.


    Das Adagio nachdrücklich, aber ohne übertriebenes Expressivo. Richter setzt hier offensichtlich den Kontrast zum stürmenden und drängenden Kopfsatz mit klassischer Strenge und Schlichtheit - da werden nicht Details ausgefeilt, aber immer eine sehr natürlich selbstverständliche Linie gewahrt. Die repitierenden Triolen des Mittelteils dann stürmisch drängend - hier nimmt er den dramatischen Zug des Allegro wieder auf. Die Bässe Takt 48 sehr fein und hintergründig - nicht ganz so dämonisch perspektivisch wie bei Berman. Beiendruckend auch die sehr rhetorisch - fragend - ausphrasierten Figuren zum Schluß. Das Finale flüssig drängend mit einer zielgerichteten Bewegung auf das Ende hin - das teigt die Schlußbetonung des dreimal wiederholten G Takt 4, 5. Der Vortrag ist hochvirtuos. Bei Richter wird die Verklammerung zur Grave-Einleitung deutlich durch die dramatisch abstürzenden Läufe.


    Eine wahrlich exemplarische Aufnahme! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Ich hatte mir wolh gedacht, lieber Holger, dass du auch von der Richter-Aufnahme so angetan wärest. Da ist es dann zweitrangig, dass sie nur in Mono ist. Danke für deinen aussagekräftigen Bericht. Ich habe mal in meiner Beethoven-Sonaten-Tabelle nachgesehen und festegstellt, dass ich noch siebzehn Mal das Vergnügen haben werde, über eine Aufnahme Richters zu berichten. Und der Wahnsinn geht weiter. Ich werde gleich zur Packstation fahen und die nächste Gesamtaufnahme (Dieter Zechlin) abholen. Die soll sich ja nach einer Rezension bei Amazon durch besondere Werktreue auszeichnen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Der eröffnende massige Akkord - nicht >Grave<-gewichtig und bedächtig sondern brutal hart haut ihn Kocsis in die Tasten - beim zweiten Mal mit Versetzung des Melodietons. Die antwortende Phrase auf diesen Knaller zu Beginn undefiniert in der Phrasierung und eher unbeteiligt langweilig. Kocsis arbeitet mit Dehnungen - die dynamischen Kontraste werden extrem ausgespielt. Bei all dem tritt die komplette Einleitung auf der Stelle - keinerlei Vorwärtsbewegung ist zu verspüren. Nach einer überdehnten Pause hebt die letzte Phrase der Einleitung an - der Lauf stürzt ähnlich wie bei Richter dramatisch in die Tiefe. Damit enden aber auch schon die Parallelen. Das Tempo des Hauptthemas wirkt überhastet und forciert - virtuose Vitalität statt subjektiv beseeltem, dramatischem Drängen. Das Seitenthema in diesem Tempo hat etwas von der Geschwätzigkeit der Marktweiber in Mussorgskys "Bildern einer Ausstellung". Bei der Schlußgruppe zollt er dem übereilten Tempo Tribut - da fehlt die Diffferenzierung und Genauigkeit. Die Wiederholung der Grave-Einleitung zu Beginn der Durchführung wirkt einfach nur langweilig. Die Durchführung wiederum hastig und die anschließende Reprise rauscht in viel zu geschwindem Tempo als eine musikalische Belanglosigkeit vorbei - unterbrochen von einigen ungelenken, brutalistischen Forte-Gesten. Das Seitenthema der Reprise "transitorisch" sich verflüchtigend kann eine formal synthetisierende Funktion des finalen Abschlusses so auch nicht erfüllen. Die überlangen Dehnungen vor der abschließenden Coda wirken dieser Hastigkeit und Flüchtigkeit wegen deshalb auch wie ein Fremdkörper. Das ist einfach nur virtuos durchgespielter Beethoven.


    Im Adagio hat Kocsis eigentlich einen schönen, vollen Ton. Wirklich erheblich störend ist jedoch die hausbacken-altmodische Pianistenmarotte von gestern - das "Nachschlagen" der Melodietöne dem Baß gegenüber. Das wirkt ungeheuer manieriert und kann als aufreizender Effekt die musikalischen Schwächen nicht vergessen machen: eine indifferente Phrasierung und Belanglosigkeit im Ausdruck. Man meint, der Interpret habe die Psyche eines vorreifen Jugendlichen - harmlose Naivität statt gesättigter Lebenserfahrung. Im Mittelteil gefällt der organische, großbogige Aufbau. Kocsis legt hier mehr Wert auf die melodische Linie als rhythmische Akzentuierung. Der Klavierton hat Fülle, die Bässe vor der Wiederholung von Teil A kommen sehr klobig. Gelingt es Richter, die ABA-Form kenntlich zu machen, indem die Wiederholung von Teil A als Synthese des melodischen Motivs von A und des rhythmischen von B auch wirklich eindringlich hörbar wird, verschwindet dies in Kocsis verwaschener Begleitung. Insgesamt muß man hier einfach Glätte bemängeln - die Musik geht bei Kocsis einfach nicht in die Tiefe.


    Der Einsatz des Rondo erzeugt bei mir nur Kopfschütteln. Weiß er überhaupt, was der Sinn eines Kehraus-Finales ist? Das ist forsch und unwirsch und polternd laut, ohne jede Spur von spielerischer Gelassenheit. Beethoven unter den Händen eines Klaviervirtuosen mit wenig prägnant ausphrasierten Motiven. Zwar macht er was Notentexttreue angeht nichts wirklich falsch - die Musik bekommt allerdings auch keinerlei Gewicht. Im Verlauf des Satzes fängt sich Kocsis allerdings um dann aber leider zum Schluß wieder in laute Lärmigkeit zurückzufallen - Virtuosität, die auf Wirkungs zielt.


    Mich überzeugt diese Mischung aus jugendlicher Naivität, die an die geistigen Höhen eines Klassikers eben doch nicht heranreicht, und eine keinesfalls immer "saubere" Virtuosität jedenfalls nicht.


    Schöne Grüße
    Holger


  • Aufnahme EMI Paris, Salle Wagram 17.4.1968 (CD 22)


    1. 9.01 min.
    2. 6.01 min.
    3. 4.34 min.


    Drei Besprechungen habe ich für heute ausgewählt - und ich bin wirklich glücklich, mit Cziffra abgeschlossen zu haben! Cziffras "Pathetique" ist eine Sternstunde! "Klassischer" und schöner kann man diese Sonate Beethovens einfach nicht spielen! Einmal mehr stellt Cziffra unter Beweis, dass man ihn eben nicht als Lisztomanen und hybriden Virtuosen-Egomanen abstempeln darf. Das ist Interpretationskunst allerhöchster Güte und eine wirklich geistige Durchdringung der Musik. Der Vergleich mit Clara Haskils Lauterkeit scheint mir hier nicht zu hoch gegriffen.


    Schon die Grave-Einleitung beglückt durch ihren ungemein organischen Vortrag. Cziffra versteht es, die kontrastierende Phrase zugleich als eine Einheit zu begreifen. Das alles ist ungemein besonnen und druchdacht, selbst die schnellen, figurativen Läufe bekommen nachdenklichen Charakter. Eine Grave-Einleitung "wie aus einem Guß" und trotzdem detailgenau gestaltet. Das Allegro nimmt Cziffra in einem eher gelassenen Tempo. Dafür bekommen aber die rhythmischen Strukturen Eigenleben. Der Gegenentwurf zu Richter: Beethoven nicht mit subjektivem Willen, sondern von nachdenklicher Klassizität. Das Seitenthema mit geradezu ausgelassener Entspanntheit, dabei sehr organisch und prägnant in den dem Hin und Her der motivischen Bälle in der linken und rechten Hand. Der Beginn der Durchführung in seiner eindringlichen Sorgfältigkeit beeindruckt. In der Durchführung erweist sich Cziffras Tempogestaltung des Satzes als ungemein schlüssig: Er versteht es, die rhythmischen Bewegungen der einzelnen Motive, die ansonsten im großen Allegro-Strom untergehen würden, in ihrem Eigenleben zu offenbaren. Wie feinsinnig schön ist die Coda ausgespielt! Ein gelassenes und zugleich nachdenklich-eindringliches Musizieren - Beethoven von beglückender Klassizität.


    Das Adagio ist hinreißend gespielt - man möchte es gleich noch einmal hören, so berührend schön erklingt es unter Cziffras Händen. Zu Gehör kommt ein singender Ton mit einem leisen sostenuto - traurig schöner Getragenheit. Das alles ist bis in die letzte Note mit liebevoller Sorgfalt gespielt, dabei nie manieriert, sondern immer absolut natürlich. Man meint, es nicht mit Beethoven, sondern Mozartscher Empfindsamkeit zu tun zu haben. Der Mittelteil zeigt Cziffras große Sensibilität: Die Bewegung lebt auf mit erwartungsvoller Zurückhaltung, ein andeutungshafter, aber dafür um so spannenderer dynamischer Aufbau. In seiner Zartheit und Schlichtheit zeigt das Züge von Mozartscher Lauterkeit. Wirklich beeindruckend die Wiederholung des melodischen Teils A. Wie die rhythmischen Motive aus dem Mittelteil B die Melodie zu beleben vermögen in einer kaum faßbaren Mischung aus tänzerischer Leichtigkeit und einem leisen Anflug von Schwermut. Da wird "klassische" Musik wirklich von ihrem Element - den Motiven und den in ihnen verborgenen seelischen Regungen her - gestaltet. Der Schluß berührt durch an Mozart gemahnende Zartheit und delikate Schönheit.


    Das abschließende Rondo mit flüssigem aber völlig unaufdringlichem Allegro - dafür mit nahezu schwereloser Leichtigkeit vorgetragen, wie es nur ein großer Meister auf dem Klavier mit überragender Spielkultur kann. Die von aller Beklemmung befreiende Spielfreude eines Kehraus-Finales - bei Cziffra kann man sie spüren. Wiederum beeindruckt die Zartheit und Schönheit in den lyrischen Passagen. Das Rondo-Thema nicht motorisch überdreht entwickelt sich aus der Motivbewegung - entfaltet eine federnde Rhythmik, die geradezu swingt. Das unspektakuläre, entspannte Tempo wertet die lyrischen Passagen auf: die Musik wird nachdenklich, leise, besinnlich. Beethovens Musik wahrlich mit feinem Geist und empfindsamer Seele gespielt - und dazu noch ungemein sachkundig. Ein Gipfel in Sachen Beethoven, der deshalb für mich heute der letzte sein wird! Für mich gehört diese Aufnahme auf den Olymp! :) :) :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Sehr aufschlussreiche bzw. inspirierende Beiträge, lieber Holger. Ich hätte nicht gedacht, nach dem Posting Nr. 202 von Christian und nach meinem sehr positiven Eindruck von Kocsis' Interpretation des op. 111, dass du zu einer so konträren Beurteilung kommst. Ich habe auf Christians Eindrücke hin die CD bestellt und werde dann irgendwann in den nächsten Tagen wohl selbst das Aha-Erlebnis haben.
    Cziffra habe ich ja in der Liszt-Box, und von den Spielzeiten, die du angegeben hast, ließ sich schon eine sehr ausgewogene Interpretation erwarten. Vom Aufnahmedatum und vom Label her lässt sich auch auf Stereo schließen, aber für den Preis der Box fahre ich dann doch lieber im Spätsommer in Urlaub. Vielleicht ergibt sich später ja noch mal eine günstigere Gelegenheit, denn eine wirklich gute Aufnahme hat man ja gerne in der Sammlung.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Lieber Willi,


    das habe ich gar nicht gesehen. 650 Euro für die Cziffra-Box! Wahnsinn! Es gab sie damals für 70 Euro! Vielleicht gibt es die Pathetique ja auch einzeln als Download. Die anderen Kocsis Beethoven-Aufnahmen werde ich mir noch anhören. Ich bin mal gespannt. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Ich habe am Spätnachmittag die GA von Dieter Zechlin abgeholt. Vielleicht komme ich heute, nach dem Fußball, noch dazu, die Pathétique zu hören.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
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  • Beethoven, Sonate Nr. 8 c-moll op. 13 “Pathétique”
    Dieter Zechlin, Klavier
    AD: 11/1966-5/1968
    Spielzeiten: 8:42-5:19-4:07 – 18:08 min.;


    Dieter Zechlin gehört im Grave mit 1:28 min. auch zu den Schnellen, verleiht aber dem Grave-Auftakt in Takt 1 bis 3 gehörig Gewicht, wobei der den fp-Akkord in Takt 1 noch zusätzlich absetzt. Das p nimmt er jeweils schön zurück und die ff-Akkorde in Takt 5 und 6 sind noch einmal ordentlich gesteigert, sodass Gravität und Pathos in dieser Einleitung nicht zu kurz kommen, zumal Zechlin auch alle anderen dynamischen Anweisungen sehr genau befolgt. So geht das Crescendo ab Takt 8 wirklich bis zum Forte. Und der wunderbar gespielte Legatobogen in Takt 10 und 11 gleicht wirklich, wie Holger es so schön verglich, einem Absturz.
    Das Allegro di molto e con brio folgt dem schnelleren Grundpuls dieser Interpretation, und wohltuend ist festzustellen, dass er in der Aufwärtsbewegung nicht wie mancher andere schon crescendiert sondern erst, wie vorgeschrieben, in der Abwärtsbewegung, und die Rinforzandi und die Sforzandi in den Takten 27, 28, 31, 32, 38, 42, und 45 bis 48 kommen wirklich prägnant.
    Das im Tempo etwas reduzierte Seitenthema kommt zwar flüssig, aber nicht hastig, sondern entspannt und durch die vielen Triller noch zusätzlich wiegen mit einem schönen Schluss-Decrescendo. Der tremolierende Abschnitt kommt sehr elegant daher, und die beiden langen Crescendi sind wirklich vom Piano bis zum Forte ausgeführt, auch in der Begleitung, was sofort ins Auge fällt, wenn es bei etlichen anderen zwar auch vernehmbar ist, aber vielleicht nur bis mf langt. Auch die beiden Bögen kommen schön, der zweite ab Takt 117 mit einem ebenfalls veritablen Crescendo. Die Wiederholung der Exposition ist ebenfalls ohne Fehl und Tadel.
    Der erste Grave-Einschub ist wie auch das Original, ganz großartig musiziert, das abschließende Decrescendo ist atemberaubend, steigt tief in den dynamischen Keller, bis nach ppp.
    Die Durchführung gewinnt durch die starke dynamische Akzentuierung noch an Vorwärtsdrang, und auch die leise grummelnden Achtelbewegungen , die in sich noch Akzente tragen, lassen durch die wiederum starken Crescendi und die stark akzentuierte Begleitung keinen Moment die Spannung abfallen. Herrlich auch dann die ins Bodenlose abfallenden Achtelkette, die zur Reprise führt. Diese unterscheidet sich doch ein wenig von der Exposition, indem einige Sforzandi höher liegen, was m. E. noch mal eine Ausdruckssteigerung bringt und außerdem in der Trillerphase das abschließende Decrescendo verlängert, das latent am Ende ein kaum merkliches Ritartando enthält, das ich aber schon von etlichen Pianisten gehört habe. Wieder spielt Zechlin die deutlichen Crescendi in den entgegengesetzten Achtelbewegungen ab Takt 253, und nach den Bögen ab Takt 277 einen neuerliche große Steigerung zum zweiten Grave-Einschub hin, der ja ohne die auftaktigen Forte-Schläge gespielt wird und dessen Wirkung Zechlin hier durch die Ausweitung der Pausen dazwischen m. E. noch steigert. Die Ausführung selber ist wieder ganz vorzüglich einschließlich des nochmaligen ungestümen Brio-Schlusses.


    Das Adagio, hier im „mittleren“ Tempo, also durchaus Adagio, legt er im ersten Teil einschließlich der ersten Molle-Eintrübung im pp an und spielt es m: E. grandios; weich, warm, ja, ich möchte sagen, sinnlich, dennoch transparent, und auf der Basis seiner niedrig gewählten Grunddynamik spielt er die heiklen Crescendi in Takt 24 und 26 und das Crescendo/Decrescendo in Takt 27/28 in einem Rum von p – pp dennoch sehr deutlich. Die Wiederholung des Hauptthemas hebt er gemäß der Vorschrift etwas , um sie auch vom pp der zweiten Molleintrübung abheben zu können, an die sich auch der schöne „Sonnenaufgang“ anschließt und ab Takt 45 in die Mollabwandlung des Themas führt, wieder sehr schön im pp und auch das Crescendo in Takt 50 beachtend, an das sich das Hauptthema wieder in As-dur anschließt, zuerst im Piano, dann ab Takt 66 wieder pp mit den drei deutlich herausstechenden Rinforzandi in Takt 70 bis 72. – Eines der stärksten Adagios, das ich bisher gehört habe.


    Das Rondo beginnt ebenso stark, wie das Adagio aufgehört hatte. Er spielt es elegant, sehr tänzerische, mit starken dynamischen Akzenten, immer wieder schnell zur Grunddynamik p zurückkehrende, sehr ausdrucksvollem Dolce, und auch nach den abwechselnden Achtel-Figuren mit sehr deutlich ausgeführten Staccato-Anstiegen, die wieder von den Wechsel-Achteln abgelöst werden und über die große Steigerung ab Takt 56 zur Wiederholung des Hauptthemas führen, das wiederum variiert und durch die kurz aufeinander folgenden Aufwärtsbewegungen und den von Zechlin stets kräftig ausgeführten Crescendi noch intensiviert . Auch die Überleitung zu den rollenden Sechzehnteln ist sehr dynamisch wird und führt in eine neuerlich, leicht veränderte Wiederholung des Hauptthema führt, in dem, und darauf möchte ich auch noch mal hinweisen, wieder auffällt, wie ausdrucksvoll Zechlin auch die Legatobögen spielt. Wenn ich überhaupt ein kleines Wermutströpfchen finden sollte, dann vielleicht, dass er das Calando noch etwas mehr hätte retardieren können. Aber das kann ich vernachlässigen, zumal er den codaähnlichen Teil ab Takt 182 dann absolut mitreißend spielt.
    Das ist m. E. eine „Pathétique“ erster Güte.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Beethoven: Sonate Nr. 8 c-moll op. 13 “Pathétique”
    Zoltan K0csis, Klavier
    AD: 1991
    Spielzeiten: 8:02-4:38-3:54 – 17:34 min.;


    Das Grave spielt Kocsis nach meiner Meinung nicht zu heftig an, wohl nutzt er den dynamischen Abstand zwischen Forte und Piano voll aus, was ich aber nicht für einen Fehler halte. Gleichzeitig versteht er m. E. das Grave nicht nur als „schwer“, sondern auch als „langsam“, was es, objektiv gesehen, auch ist, und zwar eine der langsamsten Satzbezeichnungen. Es steht bei den Tempobezeichnungen zwischen Larghissimo und Largo. Und da ist er mit 1:49 durchaus noch im hohen mittleren Tempobereich.
    Und ich finde, dass er sich nach dem fp durchaus im tiefen p einfindet, und in den beiden ff-Passagen darf es ruhig „donnern“.
    Das Allegro di molto e con brio nimmt er in der Tat sehr rasch, was aber auch noch tolerabel ist. Ich habe auch schon einige gehört, die das noch schneller gespielt haben. Allerdings wirken mir die beiden Crescendi ab Takt 15 und Takt 23 zu lasch, dafür kommen die beiden Rinforzandi in Takt 27/28 und die Sforzandi in Takt 31/32 sowie in Takt 38 und 42 schön kräftig, was die schnelle Vorgehensweise auch energischer macht. Allerdings wird dieser Effekt durch ein rätselhaftes Decrescendo in den vier Sforzandi von Takt 45 bis 48 wieder zunichte gemacht, denn dieses Decrescendo wirkt gleichzeitig auch fast wie ein Ritartando, und das kann ja an der Stelle wohl nicht gemeint sein.
    Das Seitenthema halte ich jetzt wirklich für zu schnell. Bei anderen Pianisten hat die moderate Temporücknahme im Seitenthema auf mich überzeugender gewirkt. Für die Wiederholung der Exposition gilt das eben Gesagte.
    Allerdings erlebe ich im ersten Grave-Einschub die Überraschung: Durch das nun wieder plötzlich sehr langsame Tempo, eröffnet durch einen veritablen Forteakkord, wirken dies Grave-Takte gigantisch, und auch der Decrescendotakt 136 ist großartig musiziert.
    Die Durchführung ist zwar auch sehr schnell musiziert, aber hier macht er es durch eine pointiertere Dynamik m. E. besser , da wirken dann auch die Viertel-, Achtel- und Halbe-Oktaven intensiver, eben weil es nicht, wie manche Passagen in der Exposition, verhuscht klingt und weil es besser vorwärts drängt. Auch das Grummeln in der Bassbegleitung gefällt mir hier, sowie die nun veritablen Crescendo-Steigerungen ab Takt 179.
    Im ersten Teil der Reprise ab Takt 195 kommen jetzt auch die Crescendi besser, ebenso das Seitenthema, so, als ob er sich jetzt freigespielt hätte. Gleiches gilt für die tremolierenden Achtel und die langgezogenen Crescendi ab Takt 257 und ab Takt 269, und die Steigerung zum zweiten Graveeinschub geht wirklich bis zum Fortissimo in Takt 294, der für mich auch eine (hier sehr gelungene) Schlüsselstelle darstellt. Auch den zweiten Grave-Einschub mit den langen Generalpausen finde ich sehr gelungen- und als Kurzcoda wirken die letzten zwölf Takte mit dem gleichmäßig hohen Tempo und dem eminenten Crescendo sehr kontrastreich .
    Im Ganzen ein Satz, zu dem in viel zu sagen hatte, auch weil mich manches nicht so überzeugt hat, Anderes jedoch sehr wohl.


    Das Adagio spielt er sehr kantabel, aber für meinen Geschmack auch ein wenig zu rasch. Dynamisch ist das sehr schön abgestuft. Auch er wählt am Anfang ein pp und passt die Crescendi in Takt 24 und 26 sowie das Crescendo/Decrescendo in Takt 27/28 schön an diesen niedrigen Dynamiklevel an. Die „Sonnenaufgangspassage“ ab Takt 41 spielt er m. E., auch durch die Ausnutzung der dynamischen Spannweite mit am schönsten.
    Auch in der Reprise ab Takt 51 bleibt er dem p/pp-Level treu und wird auch in der Oktavierung des Themas nicht lauter. In diesem letzten Abschnitt sind auch wieder alle dynamischen Vorschriften befolgt, selbst die drei Rinforzandi am Schluss.


    Das Allegro kommt wieder sehr rasch. Das ist nicht beschaulich, sondern eher das Tempo aus dem Kopfsatz. Aber die Crescendi, die Bögen und die wechselnden Achtelfiguren sind hier im ersten Abschnitt einschließlich des Crescendos zum Fortissimo bis Takt 60, wie ich finde, sehr schön vorgetragen. Auch in der Wiederholung des Hauptthemas fließt die Musik munter fort, und die Dursequenz fließt m. E. organisch ein, auch in der hohen Lage ist das sehr schön gespielt. In den wogenden Sechzehnteln spielt er die Staccati sehr prägnant und bringt dadurch m. E. gewollt etwas Atemloses, Spannendes mit hinein. Bis hin zur nächsten Fortissimo-Steigerung. Auch die Wiederholung des Hauptthemas mit den sich anschließenden Dolce-Bögen sind vortrefflich gespielt, einschließlich der wiederum wechselnden Achtel. Die beiden Crescendo/Decrescendo-Stellen in den Takten 163/164 und 165/166 hätten etwas deutlicher ausfallen können und das Calando mit etwas mehr Ritartando.
    Den codaähnlichen Schlussabschnitt habe ich nicht oft so dynamisch und rhythmisch mitreißend gehört wie hier.
    Meines Erachtens ist dies mit manchen im Dynamischen und im Temporalen und hier und da Spieltechnischen liegenden Schatten, aber auch mit viel Licht, wiederum dynamisch und temporal bedingt, aber, wie es aus meinen Bemerkungen hervorgeht, durchaus auch im Ausdrucksmäßigen zu finden ist.


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Holger. Ich hätte nicht gedacht, nach dem Posting Nr. 202 von Christian und nach meinem sehr positiven Eindruck von Kocsis' Interpretation des op. 111, dass du zu einer so konträren Beurteilung kommst. Ich habe auf Christians Eindrücke hin die CD bestellt und werde dann irgendwann in den nächsten Tagen wohl selbst das Aha-Erlebnis haben.
    Cziffra habe ich ja in der Liszt-Box, und von den Spielzeiten, die du angegeben hast, ließ sich schon eine sehr ausgewogene Interpretation erwarten. Vom Aufnahmedatum und vom Label her lässt sich auch auf Stereo schließen, aber für den Preis der Box fahre ich

    Ja, das ist doch das Wunderbare hier, man kann die gleiche Musik lieben und dabei völlig verschiedener Meinung sein. Noch ein Wort zu Kocsis, dessen Aufnahme ich nach wie vor für sehr bemerkenswert halte. Sie ist Teil einer reinen Beethoven-CD mit Moll-Werken, darunter auch die sogenannten Sturm-Sonate. Kocsis hat hier den wilden, jungen Beethoven beim Wort genommen und dieses Konzept dann auch auf op 31/2 ausgedehnt, wo es dann doch seine Grenzen findet. Bei der Pathetique finde ich diesen Zugang jedoch zwingend: Schon die ff-Akkorde in der Grave-Einleitung spielt er auch wirklich ff und reizt dabei den Ton bis zur Schmerzgrenze aus. Die meisten Interpreten spielen diese Einbrüche eher klassisch gedämpft - aber wir sind hier eben beim frühen Beethoven. Es wird ein existenzielles Drama erzählt, die ff-Schläge haben vernichtenden Charakater. Dementsprechend geht Kocsis dann das Allegro molto e con brio quasi als Gegenimpul sehr schnell an - hier begehrt das Subjekt auf und es beginnt der typische Beethovensche-Kampf. Soweit ich alle Aufnahme überblicke, gibt es nur zwei Pianisten, die den ersten Satz ähnlich angelegt haben (also mit einer Grave-Einleitung mit brutelan ff-Akkorden und einem halsbrecherisch schnellem Allegro molto als Reaktion darauf): dies sind Sviatoslav Richter, dessen ff noch brutaler ist als bei Kocsis, und der jungen Rudolf Serkin - Willi hat eine spätere Aufnahme von Serkin besprochen, die nicht mehr ganz so ungestüm ist. Und nicht von ungefähr gefallen mir auch diese beiden rückhaltlosen Aufnahmen mit Abstand am besten. Alle jüngeren Pianisten (bspw. Paul Lewis, Jonathan Biss usw.) scheuen sich ansonsten davor, den Ausdrucksgehalt dieser Musik offenzulegen - sie verstecken sich statt dessen hinter einer klassischen Affektdämpfung. Ich bewundere Kocsis dafür, dass er mit seiner überlegenen Technik hier den wilden Weg auf absolut kontrollierte Weise mal wirklich bis ans Ende gegangen ist. Das hat mit dem tradierten, klassischen Beethoven-Bild nichts zu tun und wird dementsprechend bei vielen auf Unverständnis stoßen. Dabei habe ich im Unterschied zu Holger nie den Eindruck, dass es hier um die Ausstellung von Virtuosität geht. Statt dessen registriere ich ein Konzept, das auf die revolutionäre, aufbegehrende Seite des jungen Beethoven zielt. Und faszinierend ist allemal, dass Kocsis seinem hohen Tempo keinen Tribut zollen muss, auch in der Durchführung nicht, da ist alles da, jede Anweisung wird sehr genau beachtet (Willi, ich habe inzwischen Noten). Korstick geht vielleicht auch noch in diese Richtung, aber sein Klavierton ist einfach nicht besonders schön und sein Konzept immer das gleiche und wenig variantenreich. Am großartigsten finde ich die Aufnahme von Richter, weil es ihm unbegreiflicherweise gelingt, trotz aller Wildheit der Musik auch eine sehnsüchtig-elegische Seite abzugewinnen.


    Hier das Cover und die Zeiten der frühen und herrlich ungestümen Serkin-Aufnahme:
    I: 8:49 (Serkin wiederholte die Grave-Einleitung!!!) II: 5:31 III: 4:03


    Aufmerksam machen möchte ich noch auf die hervorragende Aufnahme von Markus Schirmer bei Tacet. Sein Spiel besticht durch ein wunderbar variantenreichen, differenzierten Anschlag, einen herrlichen Ton und der spürbaren Durchdringung der Materie. Schirmer besitzt eine starke Linke, die im ersten Satz den drängenden, wilden Charakter der Musik sehr zwingend herstellt. Einen richtig großen Gänsehautmoment hat die Aufnahme am Ende der Reprise: die vorgeschriebene Pause vor der Schluss-Code verlängert Schirmer, so dass man beim ersten Mal regelrecht erschrickt, ob es denn noch weitergeht oder ob sich die Musik hier nicht gar verloren hat? Das ist wahnsinnig spannend und hat im Innehalten beinahe schon Schubertschen-Charakter. Wenn dann zögernd zum dritten Mal das Grave-Thema einsetzt, klingt es jetzt - durch das bisherige musikalische Geschehen verändert und verwandelt? - fragend und vielmehr suchend, aber keineswegs mehr existenziell wie zu Beginn. Famos, das muss man gehört haben! Auch die beiden anderen frühen Sonaten auf dieser CD sind von allerhöchster Spielkultur und klanglich sehr sehr schön eingefangen. Da es nun schon drei Beethoven-Sonaten-Aufnahmen von Schirmer gibt, darf man hier wohl auf einen neuen Zyklus hoffen.



    Viele Grüße,
    Christian

  • Schon die ff-Akkorde in der Grave-Einleitung spielt er auch wirklich ff und reizt dabei den Ton bis zur Schmerzgrenze aus.


    Lieber Christian,


    weil ich leider selber dieses Instrument traktiert habe und das so auch von der technischen Seite her sehe, stört mich das. ;) Wenn man Druck in den Arm gibt und "von oben" in die Tasten sticht, dann gibt es diesen häßlichen Ton. Das ist aber im Grunde ein technischer Fehler. Das Fortissimo von Horowitz oder Gilels dagegen klingt nie häßlich - weil sie da ihren Arm und Körper richtig "organisch" einsetzen. Die Ausdrucksbezeichnung ist "Grave" - gravitätische Schwere ist nicht einfach Härte. Ich kann das auch Fortissimo spielen ohne so unbedarft in die Tasten zu knallen. Die Kocsis-Aufnahme kann man sich ja durchaus anhören - aber im Vergleich mit Richter fehlt mir da einfach die Ausdrucks-Intensität. Er hat eine gewisse Naivität. Ganz eklatant ist der Mangel an Ausdruckstiefe beim 3. Band von Liszts Annees de Pelerinage - das ist ein Totalausfall! Ich bin mal auf die anderen Sonaten gespannt! Schirmer würde ich auch gerne hören! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Zitat von Christian B.

    Noch ein Wort zu Kocsis, dessen Aufnahme ich nach wie vor für sehr bemerkenswert halte. Sie ist Teil einer reinen Beethoven-CD mit Moll-Werken.

    Diese CD habe ich ja, lieber Christian, ich konnte nur leider das Cover nicht posten, da es derzeit nicht zur Verfügung steht. Es ist natürlich sehr interessant, eine CD in einen thematischen Zusammenhang zu bringen. Brendel machte das oft mit Klavierabenden, die ich besucht habe.
    Wie dem auch sei, ich bin mit gespannten Gefühlen in diese Hörsitzung gegangen, und am meisten haben mich das Grave, die Durchführung und die Reprise des Kopfsatzes, das Adagio und das Finale. Die Exposition des Kopfsatzes hat mir nicht so gefallen, das war nur schnell und m. E. durch weniger genaue Dynamisierung zu wenig strukturiert. Das machte er in der Durchführung und in der Reprise besser. Andererseits gewannen andere Passagen, die in der Mehrzahl waren, durch bessere Dynamisierung und Ausdruck. Auf einem noch anderen Baltt steht op. 111, das ich auf DVD habe (zusammen mit D.960 von Schubert), auch in c-moll und sicherlich der krönende Abschluss von Beethovens Sonatenschaffen. Auch darüber habe ich etwas geschrieben.


    Liebe Grüße


    Willi :)


    P.S. Stehst du in einem verwandschaftlichen Zusammenhang mit Werner Biskup, dem früheren Bundesligaprofi (u.a. Bayer Leverkusen, Fortuna Düsseldorf und 1. FC Köln)?

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Lieber Harald,


    ich kann leider nicht von der praktischen Seite an die Betrachtung herangehen, wie ein Akkord zu Stande kommt und wie er bei anderer Handhaltung klingt, da ich ein blutiger Laie bin. Aber da du Horowitz erwähnst, fällt mir wieder eine Äußerung eines Augen- und Ohrenzeugen ein, der mal über den jungen Horowitz sagte, er habe das Klavier derartig malträtiert, dass es für Zuhörer oftmals unzumutbar gewesen sei, bei Konzerten Horowitz' im gleichen Raum zu sitzen :D .


    Liebe Grüße


    Willi ^^

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Lieber Christian,


    weil ich leider selber dieses Instrument traktiert habe und das so auch von der technischen Seite her sehe, stört mich das. ;) Wenn man Druck in den Arm gibt und "von oben" in die Tasten sticht, dann gibt es diesen häßlichen Ton. Das ist aber im Grunde ein technischer Fehler. Das Fortissimo von Horowitz oder Gilels dagegen klingt nie häßlich - weil sie da ihren Arm und Körper richtig "organisch" einsetzen. Die Ausdrucksbezeichnung ist "Grave" - gravitätische Schwere ist nicht einfach Härte. Ich kann das auch Fortissimo spielen ohne so unbedarft in die Tasten zu knallen. Die Kocsis-Aufnahme kann man sich ja durchaus anhören - aber im Vergleich mit Richter fehlt mir da einfach die Ausdrucks-Intensität. Er hat eine gewisse Naivität. Ganz eklatant ist der Mangel an Ausdruckstiefe beim 3. Band von Liszts Annees de Pelerinage - das ist ein Totalausfall! Ich bin mal auf die anderen Sonaten gespannt! Schirmer würde ich auch gerne hören! :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

    Lieber Holger,


    auf die Aufnahme von Richter können wir uns gerne verständigen - Kocsis ist gewiss auch etwas einseitig, aber ich mag diese wilde und gleichzeitig höchst kontrollierte Herangehensweise. Gilels spielt ja auch ein großartiges ff in der Einleitung, er legt die Sonate im Grunde ähnlich an wie Richter - nur dass er (bei der DG-Aufnahme) ein langsameres Tempo wählt. Dabei wirkt sein Spiel immer noch bewegt, weil er eben sehr intelligent phrasiert.


    @Willi: Das B. in meinem Nachnamen steht nicht für Biskup. Alfred kann falls gewünscht sicher weiterhelfen ;-)


    Beste Grüße,
    Christian

  • Aber da du Horowitz erwähnst, fällt mir wieder eine Äußerung eines Augen- und Ohrenzeugen ein, der mal über den jungen Horowitz sagte, er habe das Klavier derartig malträtiert, dass es für Zuhörer oftmals unzumutbar gewesen sei, bei Konzerten Horowitz' im gleichen Raum zu sitzen :D .


    Da hat er später gelernt, lieber Willi, wie mans richtig macht! Horowitz Linke ist berühmt-berüchtigt, härter gehts nicht, aber der Ton bleibt immer elegant und schlank. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Lieber Holger,


    tut mir leid, dass Ich dich mit "Harald" angesprochen habe. Es war wohl schon ein bisschen spät.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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  • Lieber Willi,


    ich besitze diese Live-Aufnahme von Gilels schon lange und habe sie mir erst jetzt noch einmal angehört. Stimme Dir absolut zu: das ist eine herausragende Aufnahme der Pathetique und trotz klanglicher Abstriche ist sie unbedingt der Studio-Einspielung vorzuziehen. Schon wie sehnsüchtig er das Grave-Thema zelebriert! Die ff-Akkorde sind sodann gewaltig, aber nicht brutal, und wenn dann das Allegro di molto beginnt, schafft er mit seiner Linken einen unvergleichlichen bedrohlichen Untergrund, der das Geschehen fortwährend antreibt. Beim Seitenthema nimmt er das Tempo innerhalb eines Taktes zurück, das ist hinreißend gespielt und sehr sinnhaft, zumal wenn er dann später wieder anzieht! Ich kenne zudem keine Aufnahme, bei der die selten richtig sauber klingenden Triller im Seitenthema so eine klangliche Pracht und Ausdruckskraft entfalten. Und so könnte man weiter über diese Aufnahme schwärmen, aber das meiste hast Du ja schon gesagt.


    Bei meiner Suche nach ausdrucksstarken Aufnahmen bin ich auf eine großartige Einspielung der bei uns offenbar völlig unbekannten Maria Grinberg gestoßen, die ja alle Beethoven-Sonaten aufgenommen hat. Die Aufnahme ist eine Wucht und die Russen sind bei op. 13 also eindeutig wieder mal am spannendsten (Richter, Gilels und jetzt Grinberg)! Grinbergs Lebensgeschichte bei wiki liest sich dramatisch, und ich sage jetzt mal ganz spekulativ, denn ich kenne ihre Biographie ja nicht wirklich, dass das Schicksal in ihrem Spiel offenbar Eingang gefunden hat: Wahrhaftiges, ausdrucksgewaltiges Klavierspiel, wie es sich heute kaum ein junger Pianist mehr erlaubt. Und ich bin ja eigentlich immer ein Vertreter der jungen Garde, aber hier muss man doch deren an Wettbewerben glattgeschliffenen Grenzen benennen.
    Schon die Zeiten lassen erkennen, dass Grinberg viel riskiert: I: 8:16 (ohne Wh der Einleitung), II: 4:50, III: 4:13. Entscheidend aber ist die Ausdrucksdichte ihres Spiels, nichts wirkt abgeschliffen oder geht gar unter, ganz im Gegenteil!. Auch das Finale ist eben nicht nur eine freundliches mezzoforte-Kehraus-Finale, das die dunklen Geister vertreibt (ich erlaube mir hier sinngemäß Holger zu zitieren), sondern die Dämonen werden im ff und am Schluss ja sogar fff regelrecht ausgetrieben.



    Beste Grüße,
    Christian

  • Ich bin mir nicht ganz sicher, lieber Christian, aber ich mine, Holger hätte schon mal von Maria Grinberg gesprochen. Ich habe mir mal die Hörbeispiele der von dir geposteten CD angehört, vor allem die Patétique. Das klingt sehr kraftvoll un es wäre sicher mal interessant, die ganze Sonate zu hören.
    Wenn ich mich nicht irre, hat Maria Grinberg die Vorschlag-Sechzehntel am Ende von Takt 1 schon in Forte gespielt, obwohl sie noch zum p-Bereich von Takt 1 gehört. ist dir das auch aufgefallen?


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Dann wird sich Holger sicher dazu melden, Willi! Da bin ja mal gespannt. ;)
    Und ja, sie spielt auch schon den Vorschlag in Takt 1 f, das macht Gilels live ähnlich.


    Viele Grüße,
    Christian

  • (Cover lässt sich momentan leider nicht posten).


    Beethoven, Sonate Nr. 8 c-moll op. 13 “Pathétique”
    Peter Rösel, Klavier
    AD: 1982
    Spielzeiten: 8:16-4:52-4:35 – 17:43 min.;


    Peter Rösel gehört im Ganzen zu den Schnelleren beim Vortrag der Pathétique. Auch das einleitende Grave nimmt er überdurchschnittlich schnell, wobei er die einleitenden Forte-Akkorde und die Fortissimi kräftig gestaltet, aber die zwischenzeitlichen Sforzandi etwas prägnanter bringen könnte. Auch das Crescendo in Takt 8 zum sfp in Takt 9 klingt mir etwas zu zurückhaltend.
    Auch dem Crescendo ab Takt 15 im Allegro die molto e con brio fehlt etwas, während die Rinforzandi und sie Sforzandi in Takt 27/28 und 31/32 in Ordnung sind. Die Schlusssforzandi in Takt 45 bis 48 sind zu leise.
    Auch im Seitenthema ab Takt 51 fallen die Sforzandi kaum auf. Das Decrescendo ab Takt 85 allerdings gefällt mir. Die wiegenden Achtel mit den beiden langen Crescendi fließen schön dahin und auch die Überleitung zur Wiederholung des Allegro hat die nötige Kraft.
    Auch der erste Grave-Einschub kann überzeugen.
    Im Durchführungsteil sind mir die dynamischen Möglichkeiten im ersten Teil nicht genügend ausgeschöpft, während es nach der grummelnden Basspassage mit den Crescendi ab Takt 170 und 179 besser wird. Die pp-Passagen sind dagegen stets in Ordnung, auch die absteigenden Achtel sind sehr gut musiziert.
    In der Wiederholung des Hauptthemas fällt wiederum der Mangel an dynamischer Bewegung auf. Die Crescendi sind keine, sondern das ist alles eine (mittlere) Lautstärke. Auch im folgenden langen Decrescendo ab Takt 245 ist kein wirklicher dynamischer Abschwung zu erkennen. Das zieht sich mit den folgenden Crescendi weiter so dahin, nicht genügend dynamische Bewegung bis hin zum Übergang ab Takt 289, der wieder zufriedenstellend ist.
    Allerdings ist im zweiten Graveeinschub das Crescendo in Takt 297 nicht wirklich eins, es ist von Anfang an laut, das Decrescendo dagegen diesmal in Ordnung, auch die kurze Brio-Coda.
    Dieser Satz hat mich nicht überzeugt- das ist bei Dieter Zechlin um Klassen besser.


    Im Adagio, das mir vom Tempo her noch wohl einigermaßen zusagt, klingt das alles ganz schön, jedoch vermisse ich die tiefen Basstöne in der linken Hand, die ich bei einigen anderen Pianisten besser höre. Sie sind mir zu leise gespielt. Auch im Folgenden ist von den Crescendi und Decrescendi in den Takten 24, 26, 27 und 28 nichts zu vernehmend. In der Wiederholung ab Takt 29 verhält es sich mit den Bässen in der linken Hand wie vor. Die „Sonnenaufgangspassage reißt mich auch nicht o recht vom Hocker. Auch das Crescendo in Takt 50, eine Schlüsselstelle, kommt nicht. Auch die restlichen Crescendi/Decrescendi in Takt 67 und 69 fehlen, ebenso sind die drei Rinforzandi in Takt 70 bis 73 viel zu schwach.
    Ohne die fast durchgängige Missachtung der dynamischen Vorschriften klingt so ein langsamer Satz wie das Adagio cantabile einfach nur langweilig und auch nicht besonders kantabel.


    Im Rondo wäre doch noch was zu reißen, aber wenn das erste Crescendo erst in Takt 56 zu vernehmen ist und die beiden veritablen Crescendi ab Takt 12 und 31 völlig unter den Tischen fallen und nur der eine Forteakkord und die beiden Fortepiani kommen, dann scheint mir auch das verfehlt.
    Am besten gefällt mir noch der Dur-Einschub, der außer dem p am Anfang auch keine dynamischen Zeichen hat bis zum Crescendo ab Takt 101 und der Fortestelle ab Takt 103, die jedoch auch beide nicht kommen. Da, endlich kommt in der wogenden Sechzehntelpassage das erste Crescendo hin zum Fortissimo. Er kann’s doch (wenn er will). Das Dolce spielt er wirklich dolce, aber selbst da wird das Crescendo ab Takt 140 negiert. Das Calando hat er bemerkt, und auch das Crescendo ab Takt 179, als die Coda beginnt und er nun endlich dynamisch das spielt, was in den Noten steht. Aber das ist mir zu wenig. Ich habe das schon so oft so gut gehört. – Schade!!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbdown:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • (Cover lässt sich momentan leider nicht posten).


    Beethoven, Sonate Nr. 8 c-moll op. 13 “Pathétique”
    Peter Rösel, Klavier
    AD: 1982
    Spielzeiten: 8:16-4:52-4:35 – 17:43 min.;

    Ist das das Schallplattencover dazu?


    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Wenn die Schallplattenaufnahme auch von 1982 ist, lieber Stimmenliebhaber, dann könnte es schon passen, denn ich glaube ja nicht, dass er die drei onaten zweimal aufgenommen hat. Auf der CD steht die Marke "lunar/cd", ein Produkt der MAGNA, was immer das bedeuten mag.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).


  • Markus Schirmers Sinn für Klangsinn trägt auch bei der "Pathetique" Früchte. Das ist eine Grave-Einleitung mit gleichsam sachtem Gewicht ohne jede angestaubte Schwerfälligkeit, ästhetisch schön, mit einem vollen, runden Ton und immer sehr organisch klingend. Der Preis für diese wohlfühlige Rundung ist allerdings eine gewisse Entschärfung und Glättung scharfkantiger Kontraste. Das Widerborstige, Störende wird bei Schirmer dezent besänftigt. So beginnt das Hauptthema wohltuend verhalten in der Erwartung einer anlaufenden Entwicklung. Ebenso dezent unscheinbar wirkt dann das Seitenthema allerdings ein bisschen zu harmlos. Da fehlt etwas der aufreizende Stachel. Die grollenden Bässe in der Durchführung gefallen und zeigen, daß Schirmer sehr wohl Sinn für Dramatik hat. Das Hauptthema in der Reprise ist für meinen Geschmack ein wenig zu sensualistisch weich geraten. Es überwiegt jedoch der Eindruck einer wunderbar klangschönen und geschlossenen Gesamtdarstellung. Allerdings erschließt sich mir der Sinn der bis ins Endlose zerdehnten Pausen zu Beginn der Coda nicht.


    Der langsame Satz vermag wiederum einzunehmen durch seinen schönen Ton und melodischen Schmelz. Schirmers Interpretationsansatz lebt vom Klingen des Melodisch-Schönen, dem er sich voll und ganz hingibt. Dafür werden jedoch auch die untergeordneten Begleitfiguren als genau das betrachtet: eine musikalische Nebensache, die letztlich kein kontrapunktisches oder irgendwie auffallendes Gegengewicht auszubilden vermag. Auch in diesem Satz sucht Schirmer nach der goldenen Mitte - die expressiven Kontraste werden auf ein immer angenehmes Mittelmaß reduziert. Nicht zuletzt deshalb geht in diesem Satz bisweilen etwas die Spannung verloren - der Schluß ist vielleicht ein bischen zu uniform geraten.


    Mit dem finalen Rondo möchte Schirmer einen deutlichen Kontrast zum Vorherigen setzen. Das ist sehr flott gespielt, sehr direkt und forsch im Angang. Ich empfinde dies als einen gewissen Bruch mit der vornehmen Zurückhaltung und Bedachtsamkeit, welche den Zugang der beiden ersten Sätze prägt. Schirmer versteht es jedoch in der Folge, klassische Entspanntheit im vitalen Spielwitz nicht zu vernachlässigen. Der Preis für die sensualistische Rundung und gewisse Glättung scharfer Kanten ist dann allerdings, daß die Forte-Akzente im Kontrast zur Piano-Weichheit ein wenig grob wirken. Insgesamt ist das aber eine runde, wirklich schön zu hörende Aufnahme - auch klangtechnisch hervorragend. Schönes Klavierspiel einfach! :)


    Schöne Grüße
    Holger


  • Die in Odessa geborene Maria Grinberg (1908-1978) war mir bislang kein Begriff. Ihre Eltern fielen dem stalinistischen Terror zum Opfer. Erst nach Stalins Tod waren ihr große Konzerttourneen möglich - auch außerhalb der Sowjetunion u.a. in die Niederlande. Zu ihren Schülern gehörte u.a. Rudolf Kehrer, der in Deutschland als bedeutender Lehrer wirkte.


    Ihre Aufnahme der Pathetique zeichnet sich durch eine kraftvolle Klassizität aus, die jede Art von auftrumpfender Subjektivität meidet. Schon zu Beginn, in der Grave-Einleitung, fällt ein kräftig artikuliertes Forte auf. Dem sprechenden Forte-Gestus gegenüber wirken allerdings die antwortenden Piano-Partien etwas steif und undifferenziert. Insgesamt bleibt aber der Eindruck klassischer Ausgewogenheit. Das Hauptthema kräftig bewegt und nicht überhastet - die Forte-Akzente werden deutlich "herausgeschlagen", eine auffallende Eigenart ihres Spiels. Das bewegt sich manchmal an der Grenze zum Manierierten. Das Seitenthema erscheint doch etwas dröge udn wenig einschmeichelnd. Insgesamt ist das ein eher harter Klavierklang. Das kann man sich alles gut anhören - aber als wirklich überragend empfinde ich es auch nicht. Der langsame Satz verstört etwas in seinem zügigen Tempo und einer fast schon lustlos wirkenden Indifferenz im Ausdruck. Sentimentalität eben nur vermeiden zu wollen, ist dann doch zu wenig. Spannend gestaltet sie dagegen den Mittelteil in seiner Zurückhaltung und der sich daraus entwickelnden dramatischen Spannung mit bedrohlich grollenden Bässen. Leider tritt danach das Liedthema um so mürrischer und reizloser auf. So derb grob und laut habe ich das Rondo-Thema noch nicht gehört! Klaviertechnisch ist das exzellent, aber einfach zu vorlaut! Der Bewegungs-Fluß ist freilich da. Da ich den übrigen Beethoven von ihr nicht kenne, kann ich auch schwer beurteilen, ob dieser doch etwas zwiespältige Eindruck eher die Ausnahme oder die Regel darstellt.


    Schöne Grüße
    Holger

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