Wenn ich die Beiträge richtig überblicke, muß ich diesmal mit keiner Dopplung aufwarten, da diese CD der Serie hier noch nicht näher vorgestellt wurde. Auch diese CD ist für mich eine Entdeckung. Es ist schon beeindruckend, was alles noch so existiert oder vielleicht eher erschreckend, wie wenig ich abseits der "Großen Alten" kenne. Obwohl heute vergessen wurden beide ob ihrer Verdienste um die Musik zu Lebzeiten in den Ritterstand erhoben
Sir Arthur Somervell (1863–1937): Normandy (Sinfonische Variationen) & Klavierkonzert a-moll
BBC Scottish Symphony Orchestra, Marty Brabbins
Klavier: Martin Roscoe
Cowen hat, wie ich bemerkt habe, eine Verbindung zu meinem aktuellen Wohnort. Er nahm in Leipzig Unterricht, u.a. bei Ignaz Moscheles. Sein Concertstück (1900 uraufgeführt), das er für den polnischen Pianisten Paderewski schrieb, ist imO eine wirkliche Entdeckung, ein durch und durch (spät)romantisches Werk, bei dem der Pianist richtig glänzen kann (m. E. mit deutlichen Anklängen an Liszt): an zahlreichen Stellen spielt der Pianist gänzlich ohne Orchesterbegleitung. Das ist nicht verwunderlich, war doch Cowen selbst ein guter Pianist. Auch wenn es sehr effektvoll angelegt ist, hat das Stück einen großen Reiz.
Somervell ist vermutlich eher für sein Liedschaffen bekannt, doch sind seine sinfonischen Werke sehr hörenswert. Normandy sind sinfonische Variationen für Orchester und Klavier auf Grundlage einer Volksweise Nordfrankreichs. Auch hier gibt es eine Verbindung zu meinem aktuellen Wohnort. Denn uraufgeführt wurde das Stück 1913 in London unter keinem geringeren als Arthur Nikisch, dem Gewandhauskapellmeister. Es etablierte sich in der ersten Hälfte des 20. Jhs. durchaus im Konzertsaal, verschwand dann aber vollständig. Das Werk beginnt dramatisch, dann setzt das Klavier ein und Orchester und Klavier entwickeln das Thema weiter. Zum Ende hin (Allegro ma non troppo) steigert es sich bis zum triumphalen Höhepunkt.
Das "Highland" Klavierkonzert wurde 1921 uraufgeführt. Die Komposition greift geradezu versatzstückartig auf volkstümliche schottische Elemente zurück (z. B. Tanzrhythmen), die Somervell zu einem gelungenen Konzert verwebt. Dem bewegten, stellenweise dramatischen ersten Satz steht der zweite entgegen, dessen Lyrik ganz wunderbar ist (mit traumhaften Soli von Horn und Violine): ein wirklich romantisches Hochland mit Tönen gemalt. Das abschließende Rondo entfaltet stellenweise eine große musikalische Kraft, doch lassen langsamere Passagen auch Zeit zum atmen.
Da es m. E. drei Ersteinspielungen sind, habe ich keinen Vergleich, aber für sich genommen gefällt mir das Angebotene sehr gut. Bei Cowen ist das Orchester sehr zurückhaltend, aber das liegt vielleicht auch an der zurückhaltenden Orchestrierung. Roscoe meistert die Bravourstückchen ohne hörbare Mühe, kann aber im 2. Satz des Klavierkonzerts in a-Moll auch mit einem sanft-verträumten Anschlag aufwarten. Ein ausbalancierter Klang rundet dieses Erlebnis der Neuentdeckung ab. Mir gefällt die Einspielung so gut, daß ich die CD nicht nur Liebhabern von Liszt’scher Klaviermusik durchaus empfehlen möchte.
Mit bestem Gruß
JLang