Liebe Taminos,
gestern Abend begab ich mich zum zweiten Mal zu Fromental Halévy's Oper La Juive in die Göteborger Oper und wurde wie auch beim ersten Besuch nicht enttäuscht. Die Handlung ist > hier < nachzulesen. Ich besuchte die Vorstellung am 5. sowie 25. April.
Die Details zur Produktion:
Dirigent: Pierre Vallet
Regie und Szene: Günter Krämer
Kostüme: Isabel Ines Glathar
Recha: Mireille Delunsch
Eléazar: Lars Cleveman
Léopold: Tuomas Katajala
Prinzessin Eudoxie: Regina Silinskaite
Kardinal de Brogni: Michael Schmidberger
Ruggiero: Mats Persson
Albert: Jonas Landström
Orchester der Göteborger Oper
Chor, Extrachor und Statisterie der Göteborger Oper
Die Inszenierung stammt vom Litauischen Nationaltheater für Opern und Ballett in Vilna.
Musikalisch: Was die Sänger und das Orchester betrifft wurde an den beiden besuchten Abenden ein wirklich hohes Niveau geboten. Das Highlight war der Finne Tuomas Katajala in der Rolle des Leopold. Sein prächtiger Tenor erreichte mühelos die ganz hohen Stellen und gewann dabei sowohl an Lautstärke aus auch Strahlkraft - er dürfte auch bei Auber und Meyerbeer überragend sein! Auch Lars Cleveman, der den Eléazar sang, verfügte über einen absolut höhensicheren Tenor mit viel Ausdruckskraft, weshalb es keine Überraschung war, dass seine berühmte Arie im 4. Akt mit lauten Bravos gefeiert wurde. Meines Erachtens hackte er jedoch die Phrasenende zu sehr ab - trotzdem sehr zufriedenstellend in der schwierigen Rolle! Am schwächsten war Michael Schmidberger als Kardinal de Brogni, der zwar über ein schönes Timbre verfügt, jedoch durch ein geringes Volumen nur mühsam gegen das - schon sehr sängerfreundlich spielende - Orchester ankam. Auch hatte er Probleme die ganz tiefen Töne zu erreichen. Mats Persson, der den Ruggiero gab, ist bereits zu meinem Liebling an der Oper geworden. Schauspielerisch stark, stimmlich mit einem mehr als soliden Bass ausgestattet hat er keinerlei Probleme zwischen einem kraftvollen Forte und einem zärtlichen Piano zu wechseln. Jonas Landström als Albert war in Ordnung - seine sehr helle Stimmfarbe sagte mir nicht wirklich zu.
Auch die Frauen waren sehr solide. Mireille Delunsch als Recha hatte einen hochdramatischen Sopran und verfügt über ein großes Stimmvolumen, welches auch ihre hohen Töne sicher gelingen ließ. Während sie auch schauspielerisch sehr stark war, war Regina Silinskaite das ziemliche Gegenteil, weshalb ihre Auftritte immer arg gekünstelt wirkten. Auch sie hat einen prächtigen Sopran, zerstörte ihre angenehme Klangfarbe jedoch durch ein fast peinliches Vibrato.
Ganz hervorragend war der Chor der Göteborger Oper veranlagt, der mit großer Stimmgewalt sowohl den nach Rache lechzenden Mob als auch das feierlich veranlagte Volk hervorragend sang. Auch das Orchester unter dem Franzosen Pierre Vallet fühlte sich hörbar wohl in den Klangwelten der Grand Opéra und musizierte mit viel Spielfreude und Geschick die Musik des bisher in Schweden nahezu unbekannten Fromental Halévy.
Die Inszenierung: Die Bühne der Produktion bestand aus einem nach hinten ansteigenden Glasboden unter dem Lampen verschiedene Abschnitte des Bodens beleuchten konnten und so Personen aus dem Geschehen ein- bzw. ausblenden konnten. Eine Wand aus Jalousien trennte zeitweise die Bühne ohne das Licht in zwei Teile. Im letzten Akt zur Hinrichtung hingen sämtliche Scheinwerfer und Lichter die das Haus anscheinend zu bieten hatte von der Decke und sorgen neben den elektrischen Stühlen für fast Science-Fiction artige Atmosphäre.
Die Kostüme waren bis auf den letzten Akt passend ( keine Ahnung was da in die gefahren ist ). Der Kardinal trägt eine rote Robe, Eleazar einen typischen Anzug etwa aus der Zeit um 1880, Recha ein schwarzes, schlichtes Kleid. Der König, Ruggiero als auch Albert tragen Militäruniformen (etwa Kaiserreich), Leopold wechselt zwischen Uniform und Anzug, Eudoxie trägt ein weißes, langes Kleid.
Bis zum letzten Akt wird das Libretto eingehalten und die Handlung bis auf die Zeit nicht verändert. Dem Regisseur gelingt es die Oper mit einer gelungenen Personenführung spannend zu machen, die religiösen Unterschiede aufzuzeigen und interpretiert nicht mehr hinein als er soll. Allerdings lässt er die Oper ohne Musik beginnen: Eléazar und Brogni treten auf die Bühne und beten - E. in Hebräisch, B. in Latein. Sie versuchen sich zu übertönen, doch Brogni fällt bald über ihn her. In diesem Moment dröhnen die ersten Orgelklänge auf den Zuschauer ein.
Lediglich der letzte Akt unterscheidet sich vom Libretto und passt auch sonst nicht wirklich in die zwar moderne, jedoch stimmige Inszenierung hinein. Während der Chor vorher zeitlich angepasst war, tritt dieser nun in Alltagsklamotten auf. Auch stirbt Eleazar und "die Jüdin" nicht in einem siedenden Wassertopf, sondern auf dem elektrischen Stuhl.die
Quelle: Göteborgs Operan Homepage
Insgesamt betrachtet war es eine gelungene Aufführung, die besonders musikalisch sehr überzeugen konnte. Die Inszenierung war modern jedoch größtenteils stimmig. Das Publikum dankte mit stehender Ovation ( in der Oper hier nicht so häufig ) und feierte den Dirigenten sowie die Sänger mit vielen Bravos. Auch die Regie erhielt bei der Premiere warmen Applaus! Ich war offengestanden jedoch von dem durchweg bösartigen Libretto, welches jedoch leider noch immer aktuell ist, etwas überrascht
Liebe Grüße aus Göteborg
Christian