Historisches Pianoforte oder moderner Konzertflügel bei Klaviersonaten der Wiener Klassik?

  • Wahrscheinlich wurde vor Jahren dieses Thema im Forum schon erörtert, aber zum einen bin ich zum Suchen zu faul, zum anderen werden heute etliche Antworten anders ausfallen, als vor einigen Jahren.
    Kommen wir auf den Punkt: Es geht vorzugsweise um Klaviersonaten von Haydn - Mozart - Beethoven und Schubert.
    Welches Instrument kann diese Sonaten wirkungsvoller ins Publikum tragen ?
    Ist es der authentische Klang des historischen Instruments oder der Dynamikumfang eines modernen Steinway oder Bösendorfer, der diese Werke erblühen lässt, daß die den Hörer beeindrucken oder begeistern ?
    Vermutlich wird jeder zu anderen Resultaten kommen - vielleicht sogar individuell für jeden Komponisten.
    Ich werde meine Statements erst dann hier abliefern, wenn entweder der Thread schon läuft - oder wenn er mangels Beteiligung zu erliegen droht...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich persönlich ziehe den Steinway und ähnliche Flügel wie Bösendorfer oder Blüthner eindeutig vor, ich habe bisher auch nur ein Konzert (Mozart, Klavierkonzerte) auf historischen Instrument miterlebt, das klang schön, wenn man es hörte, aber im Tutti sah man nur die Finger des Pianisten. Man hörte nichts, weil das HIP-Orchester im Gegensatz zum HIP-Soloinstrument eine veritable Dynamik entfaltete.
    Beim diesjährigen Klavierfestival Ruhr habe ich 5 Konzerte gebucht, Radu Lupu, Arcadi Volodos, Grigory Sokolov, Steven Kovacevic und Andras Schiff, und nur von letzterem darf man annehmen, dass er auf einem historischen Instrument spielt, weil das Programm, Schuberts Sonaten G-dur D.894 und B-dur D.960 unter der Überschrift "Hammerflügel 1820" steht.
    Ich werde meine Statements über diese Konzerte im entspsrechenden Thread auch unter diesem Aspekt verfassen. Deswegen Dank für diesen Thread, lieber Alfred.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ganz subjektiv ist für mich die Sache längst entschieden: der moderne Konzertflügel klingt in meinen Ohren überzeugender. In der Kombination Orchester mit Klavier sowieso - das Beispiel von William in seinem obigen Posting ist aussagekräftig genug. Selbst gegenüber dem 'HIP'en Orchester bleibt das historische Pianoforte oft blass. Beispiele dafür habe ich im Regal stehen; insgesamt mögen das durchaus gute, sogar sehr gute Interpretationen sein, doch mein persönliches Empfinden sagt mir, dass die Konzerte Mozarts oder Beethovens wie gemacht sind für den modernen Flügel.


    Aber hier soll ja eigentlich die Musik für Solopiano im Zentrum stehen. Da möchte ich nur ein Beispiel anführen: Die Aufnahmen von Schuberts Klaviermusik, die der Pianist Andreas Staier am Fortepiano gemacht hat. Wenn man sich auf den 'andersartigen' Klang des historischen Fortepianos eingelassen hat, naja, dann 'geht' das schon. Aber letztlich klingt mir das zu perkussiv, zu 'gehackt', es fehlt der große melancholische Fluss, den Schuberts Musik auf dem modernen Konzertflügel entfaltet - und bitte: ich reduziere Schubert nicht auf die Melancholie, sie spielt aber in meiner Wahrnehmung seiner Musik eine große Rolle. Ich empfinde es immer so, dass das historische Instrument der Musik (gleich ob Schubert, Beethoven, Haydn oder Mozart) einen Gutteil seiner Kraft raubt.


    Vielleicht muss man aber noch einmal unterscheiden zwischen den gerade genannten vier Komponisten. Für Mozart und Haydn funktioniert das 'alte' Instrument in meinen Ohren besser als für Beethoven und Schubert. Bei Mozart beschäftige ich mich gerade mit Kristian Bezuidenhouts Aufnahmen mit einem Fortepiano von 1795 - das ist schon akzeptabel, doch letztlich möchte ich auch hier die Varianten mit dem modernen Gerät nicht missen.


    Grüße,


    Garaguly

  • Kristian Bezuidenhout spielt in meinem neuen Esserner Abo am 9. 12. 2012 mit dem Royal Concertgebouw Orkest unter Sir Sohn Eliot Gardiner Beethovens 2. Klavierkonzert B-dur op. 19. Mal schaun, ob er da auch auf einem historischen Instrument speilt.


    Liebe Grüße


    Willi :)?(

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • In meinen Augen ist das eine ziemlich schwierige Problematik


    Beethovens Klaviersonaten beispielsweise sind eindeutig mit einem modernen Flügel besser bedient, und man begeht hier sicher kein Sakrileg, wenn man sich für diese Version einsetzt. Die unvergleichliche Dynamik, der Baßdonner und die Präzision moderner Konzertflügel kommen diesen Werken eindeutig entgegen. Es ist überliefert, daß Beethoven mit den Instrumenten seiner Zeit nicht zufrieden war und in ständigem Kontakt mit den Klavierbauern seiner Zeit stand - immer gierig nach Neuerungen und Verbesserungen.


    Ronald Brautigams Aufnahmen auf "historischem Instrument" sind in der Tat eindrucksvoll, aber der Klavierklang ist nicht besonders "historisch". Ob das daran liegt, daß hier keine alten Instrumente sondern Nachbauten eingesetzt wurden - das muß wohl Spekulation bleiben.
    Selbst Aufnahmen mit "echten" Veteranen unter den Flügeln (z.B. von Broadwood oder Graf etc) haben ihren Reiz - aber an den eindrucksvollen Klang eines Fazioli, Bösendorfer oder Steinway kommen sie nicht heran - ich beziehe mich mit meinen Aussagen in diesem Beitrag immer auf Beethovens Klaviersonaten - Die anderen drei Kandidaten (Haydn - Mozart -Schubert) folgen voraussichtlich in den nächsten Tagen.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien


    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Ist es nicht auch so, dass Heinrich Engelhard Steinweg (Henry. E. Steinway), geb. 1797, durch Beethovens Klaviermusik animiert wurde, Flügel zu bauen? In seiner Vita heißt es ja "aus musikalischem Interesse". Schon 1836 stellte er seinen ersten Flügel fertig, nicht in der Garage, sondern in der Küche.


    Liebe Grüße


    Willi :)

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    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Ich war gestern Abend in Mülheim in einem Konzert mit Radu Lupu, der vor der Pause die Impromptus D.935 von Schubert, Prélude, Choral e Fugue FWV 21 von César Franck und nach der Pause die A-dur-Sonate D.959 von Schubert gab, "natürlich" auf Steinway D.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Lange, vielleicht viel zu lange Zeit war ich der Ansicht, außer historischem Instrumentarium kommt mir nichts auf den Tisch, und zwar möglichst mit Originalinstrumenten, Nachbauten nur notfalls. Dem lag die Auffassung zugrunde, dass eine historisch informierte Aufführung nur auf historischen Instrumenten möglich sei und dass eine historisch informierte Aufführung die einzig "richtige" Herangehensweise sei, um dem in dieser oder jener Form dokumentierten Willen des Komponisten gerecht zu werden. Die immer wieder gerne geäußerte Rechtfertigung, Beethoven habe sich stets um eine Weiterentwicklung der Klaviermechanik bemüht, der historisch vorhandene Zustand der Klaviere habe ihm zu keiner Zeit genügt, hat mich nie überzeugt und tut dies bis heute nicht. Denn tatsächlich hatte er eben nur die Instrumente zur Verfügung, die es mit dem damaligen Entwicklungstand nun einmal gab. Das Leben ist kein Wunschkonzert, und ich sehe es als Augenwischerei an, wenn wir aus heutiger Sicht meinen, Beethoven habe sich immer bessere Klaviere gewünscht, also müsse er sich den heutigen Flügel gewünscht haben - wer bitte will das denn wissen?


    Inzwischen sehe ich die Wahl des Instruments aber pragmatischer. Anders als zum Beispiel Alfred bin ich nicht (mehr) der Auffassung, dass bestimmte Instrumententypen besser zu bestimmten Komponisten oder zu einzelnen Zeitabschnitten innerhalb der Kompositionskarriere bestimmter Komponisten passen. Wie atemberaubend die späten Beethovensonaten auf dem Nachbau eines historischen Instruments klingen können, hat zum Beispiel Brautigam unter Beweis gestellt. Viele andere haben dasselbe bewiesen auf modernem Konzertflügel. Mir würden so viele Aspekte dieser Musik entgehen, wenn ich nicht beide Klangwelten für mich zuließe.


    Was für ein Verlust wäre es für mich gewesen, auf der Ausführung von Mozarts Klaviersonaten auf dem historischen Instrument zu beharren, und deswegen Gulda auf dem Bösendorfer zu verpassen oder die Schlichtheit der Interpretation bei Uchida.


    Badura-Skoda hat es vorgemacht, wie schön beide Klangwelten zum Beispiel bei Schubert zusammen gehen, und ich möchte weder seinen Schubert auf seinen diversen Hammerflügeln missen, noch jenen auf seinen Bösendorfern.


    Die Wahl des Instruments durch den Musiker - hoffentlich durfte er eine Wahl treffen - ist teil der uns zur Verfügung stehenden klanglichen Vielfalt und der Klang ist Bestandteil der Interpretation. Wenn ich Richters Schubert hören möchte oder, wie Willi, Radu Lupus, bekomme ich das nun mal nur auf Steinway. Das bedauere ich noch nicht einmal, denn ich will ja Richters oder Lupus Interpretation hören.


    Statt uns hier künstlich fest zu legen, dürfen wir die uns heute gebotene Auswahl doch schätzen und genießen.


    Und am wirkungsvollsten kann diese Sonaten dasjenige Instrument ins Publikum tragen, das der Musiker für seinen Vortrag ausgewählt hat. Denn mit diesem Instrument wird er sich am wohlsten fühlen und am ehesten das zum Ausdruck bringen, was ihm bei dieser Musik am Herzen liegt.


    ps.: Dass das mit der Wahl für die Ausführenden heute oft eher theoretisch ist und genommen werden muss, was auf der Bühne steht, ist mir bei diesen eher idealtypischen Überlegungen natürlich schon bewusst.

  • Das Leben ist kein Wunschkonzert, und ich sehe es als Augenwischerei an, wenn wir aus heutiger Sicht meinen, Beethoven habe sich immer bessere Klaviere gewünscht, also müsse er sich den heutigen Flügel gewünscht haben - wer bitte will das denn wissen?

    Sehr richtig! Wer sagt denn, dass ausgerechnet ein Steinway der 1980er, 1990er oder 2000er Jahre Beethovens Idealinstrument gewesen sei? Mit dem schwerfälligen Tastengang sind die Glissandi der Waldsteinsonate nur annäherungsweise zu spielen.


    Vielleicht wäre Beethovens Idealinstrument ganz anders gelagert.



    Statt uns hier künstlich fest zu legen, dürfen wir die uns heute gebotene Auswahl doch schätzen und genießen.

    Ja! Und das gilt (mindestens) von Bach bis Débussy.

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  • Es gibt nun mal so viel, dass man's in einem Leben nicht konsumieren kann, und wenn Wolfram meint, Kozeluch zu hören sei Zeitverschwendung, so meine ich eben, dass mir die Einspielungen auf "Originalinstrumenten" genügen. Ein Aufruf, alles zu mögen, weil einem sonst etwas entgeht, hat für mich keine Relevanz weil ich weiß, dass von dem, was mich interessieren würde, ich ohnehin nur einen kleinen Ausschnitt kennenlernen kann.

  • und wenn Wolfram meint, Kozeluch zu hören sei Zeitverschwendung, so meine ich eben, dass mir die Einspielungen auf "Originalinstrumenten" genügen.

    Die - beispielsweise - Klarinettenkonzerte von Kozeluch habe ich jetzt aber auch nur auf unoriginalen Instrumenten mit Klöcker und dem Prager Kammerorchester gefunden. Schlägst Du solches Repertoire dann dem großen Ausschnitt zu, den Du ohnehin nicht hören wirst, oder dem Teil, der Dich ohnehin nicht interessieren würde? Oder hörst Du dann gegebenenfalls doch "unoriginal"?


    Überhaupt mal "Originalinstrumente" zu hören, ist ja als solches schon eine klangliche Bereicherung ohnegleichen, die sehr viele mit dem Spruch: "... das klingt alles so dünn ..." von sich abwehren. Diese "Einschätzung" "alles so dünn" ist eine ähnlich der Objektivierbarkeit entbehrende Fluchthaltung wie die lebenslange Diskreditierung der gesamten Schönberg'schen Musik nach zwei gehörten Takten eines beliebigen seiner Werke.


    Ob die Ausklammerung aller Musik, die nicht auf Originalinstrumenten gespielt ist, mit dem Hinweis, "... es ist so viel, ich kann sowieso nicht alles hören ...", eine stärkere Sachgrundlage hat, lasse ich mal dahinstehen. :angel: Einen "Aufruf alles zu mögen, weil einem sonst etwas entgeht" fände ich in seiner Flachheit allerdings mit Dir auch ganz schlimm. So einen Aufruf kann ich bei Wolfram aber auch beim bösesten Willen nirgends herauslesen. :D

  • Auch wenn es sich - der Kürze von Forenbeiträgen geschuldet - manchmal so liest - habe ich aus der Frage des gewählten Instruments nie wirklich eine Glaubensfrage gemacht. Allerdings haben sich bei mir im Laufe der Zeit stets gewisse Vorlieben und Abneigungen herauskristllisiert. Bei Beethoven haben mich - bis dato - moderne Instrumente stets mehr überzeugt, als historische, wobei bei den historischen der Erhaltungszustand - und natürlich der Pianist - eine entscheidende Rolle spielen.
    Die ersten Aufnahmen von Klaviersonaten mit Brautigam haben bereits Eingang in meine Sammlung gefunden - weitere werden folgen.
    Auch hier hat sich meine Ansicht im Laufe der Jahre ein wenig geändert, was natürlich kein endgültiges Urteil darstellt: War ich lange Zeit der Auffassung, ein Nachbau wäre gegenüber dem historischen Original als minderwertig zu betrachten (ähnlich wie das bei Geigen mehrheitlich gesehen wird) so hat sich meine Meinung - nachdem ich zahlreiche Aufnahmen mit alten winselnden und klappernden historischen Flügeln gehört habe - doch ein wenig zugunsten der Nachbauten geändert.
    Warum bitte solle, wenn die technischen Daten eines Instruments bekannt sind, der Nachbau schlechter klingen als das Original ? Daß Unterschiede vorhanden sind ist völlig natürlich, auch zwei fabriksneue Klaviere heutiger Bauart sind nicht völlig identisch - das bemerken aber vor allen die Pianisten, die solch ein Instrument besitzen.



    Zitat

    Das Leben ist kein Wunschkonzert, und ich sehe es als Augenwischerei an, wenn wir aus heutiger Sicht meinen, Beethoven habe sich immer bessere Klaviere gewünscht, also müsse er sich den heutigen Flügel gewünscht haben - wer bitte will das denn wissen?

    Natürlich können wir nicht wissen, wie heutige Klaviere auf Beethoven gewirkt hätten.
    Was wir aber wissen ist, DASS er sich "bessere Klaviere" gewünscht hat - Hier ist aber auch wieder zu bedenken, daß sein Gehörleiden sicher eine nicht unerhebliche Rolle gespielt hat.


    Wie schon angekündigt, werde ich in nächster Zeit auch über meine persönliche Einschätzung der Klavierwahl bei der Interpretation von Klaviersonaten von Haydn, Mozart und Schubert äussern....


    Es handelt sich hier um ein Momentaufnahme meines Geschmacks - der aber begründbar ist - keinesfalls um eine Aussage von "Ewigkeitswert" oder "unanfechtbarem Wahrheitsgehalt" !


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ob die Ausklammerung aller Musik, die nicht auf Originalinstrumenten gespielt ist, mit dem Hinweis, "... es ist so viel, ich kann sowieso nicht alles hören ...", eine stärkere Sachgrundlage hat, lasse ich mal dahinstehen.


    Die Grundlage ist, dass die Menge an Aufnahmen auf Originalinstrumenten ziemlich groß ist ... was natürlich nicht heißt, dass ich alles weglasse, wovon es keine "HIP"-Aufnahme gibt. Mangels eines Nachbaus in meiner Wohnung spiele ich sogar Mozart auf modernem Instrument, würde aber keine Aufnahme auf modernem Instrument kaufen, da es genug gute auf historischen gibt. Dass mir dadurch "etwas entgeht" ist mir egal, da mir ohnehin viel entgeht, weil mich mehr interessieren würde, als ich konsummieren könnte. Im Gegensatz etwa zu Wolfram interessiere ich mich ja auch für Kozeluch etc. Dass unser Leben nicht unendlich währt ist die zweite Sachgrundlage.

  • Wie atemberaubend die späten Beethovensonaten auf dem Nachbau eines historischen Instruments klingen können, hat zum Beispiel Brautigam unter Beweis gestellt.


    Na ja - du solltest dir aber schon bewusst sein, dass dies nur für die künstliche Atmosphäre deines Hörraumes gilt, wo du die Lautstärke willkürlich nach deinem Geschmack einstellen kannst. Ich wette darauf, dass dieses "atemberaubende" in einem großen Konzertsaal völlig verpuffte und nur in einem kleinen Kammermusiksaal einigermaßen reproduziert werden könnte.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • nur für die künstliche Atmosphäre deines Hörraumes

    :yes::pfeif: jawoll, ist bewusst! Brautigam in der Bonner Beethovenhalle vor zwei Jahren oder so - das war erwartungsgemäß nahe an einer Lachnummer (lag aber nicht an Brautigam!).

  • Ich nehme an, dass eine Mahlersinfonie dargeboten auf einem Gletscher auch einigermaßen verpuffen würde.
    ;)


    Sicherlich! Aber es besteht wenig Gefahr, dass wir dies jemals verifizieren müssen (oder können).


    Auf der anderen Seite scheinen die eifrigen Befürworter von Beethoven auf Originalinstrumenten zu vergessen, welch artifizielle Kunstausübung sie da vertreten. Es ist fast ausschließlich ein Fall für den Tonträger zum Hören zu Hause. Gelegentlich wird man das in kleinen Sälen auch in Natura hören können, aber für den allgemeinen Konzertbetrieb ist das nichts.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Es ist fast ausschließlich ein Fall für den Tonträger zum Hören zu Hause. Gelegentlich wird man das in kleinen Sälen auch in Natura hören können, aber für den allgemeinen Konzertbetrieb ist das nichts.


    Dasselbe gilt für Lautenmusik, ist m. E. aber kein Argument gegen dieselbe. Wenn der Tonträger die Möglichkeit eröffnet, Lautenmusik ebenso wie Klavierwerke der Wiener Klassik in authentischer Wiedergabe hören zu können, dann ist dies doch eine wunderbare Sache!


    Wenn ein Instrument 20, 30, bestenfalls 50 Zuhörer "live" sinnvoll erreichen kann (womit kein Musiker von Rang bezahlt werden kann), dann bleiben wenige Alternativen. Es sei denn, man würde in Konzerten anders arbeiten, elektronische Verstärkung, Übertragung an jeden Platz usw. usw.


    Ich habe bereits meine Probleme, wenn ein Streichquartett in einem großen Konzertsaal spielt, in dem man ebensogut eine Mahler-Sinfonie geben könnte. Das Alban-Berg-Quartett in der Alten Oper Frankfurt - das war kein ungebrochenes Vergnügen ... da lobe ich mir den Tonträger.

  • Dasselbe gilt für Lautenmusik, ist m. E. aber kein Argument gegen dieselbe. Wenn der Tonträger die Möglichkeit eröffnet, Lautenmusik ebenso wie Klavierwerke der Wiener Klassik in authentischer Wiedergabe hören zu können, dann ist dies doch eine wunderbare Sache!

    Ja, aber die Lautenisten und ihr Publikum sind es seit jeher gewohnt, die kleinen Säle zu frequentieren. Man wird aber schwerlich das Beethoven-Publikum dorthin umdirigieren können - und wollen.



    Zitat

    Ich habe bereits meine Probleme, wenn ein Streichquartett in einem großen Konzertsaal spielt, in dem man ebensogut eine Mahler-Sinfonie geben könnte. Das Alban-Berg-Quartett in der Alten Oper Frankfurt - das war kein ungebrochenes Vergnügen ... da lobe ich mir den Tonträger.

    Und dabei übertrifft ein Streichquartett mit "modernen" Instrumenten dynamisch ein Fortepiano deutlich. Streichquartette mit "historischen" Instrumenten (z.B. Quatuor Mosaiques) gehören für mein Empfinden unbedingt in kleinere Säle bis etwa 500-600 Plätzen.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


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  • Sagitt meint:


    Eben höre ich Immerseel mit der Kreutzersonate auf einem alten Flügel (Kopie eines Walter-Flügels (Wien um 1780).
    Wie ich es finde?


    Grauenhaft


    Frau Midiro Seiler hätte keinen anderen Pianisten verdient, aber ein anderes Instrument



  • Hier als Diskussionsgrundlage 4 anerkannte Spezialisten der Wiener Klassik auf "Historischen Instrumenten.
    Ich hätte gerne als Basis für Vergleiche die Sonate 331 empfohlen (nicht nur wegen des bekannten Finales "alla Turca" sondern auch wegen des einprägsamen ersten Satzes, aber leider hat Christian Bezuidenhout diese Sonate noch nicht eingespielt.....


    Schoonderwoerd: Diverse historische Instrumente, näheres sobald ich die Aufnahme besitze (Lt Bestellplan in 1-2 Monaten)
    Badura -Skoda: Anton Walter (Original)
    Staier: Nachbau nach Anton Walter
    Bezuidenhout: Derek Adlam nach Anton Walter


    Man kann sich hier vor allem ein Bild darüber machen inwieweit die Nachbauten den historischen Vorbildern klanglich gleichen - und ebenso welche Eigenarten des Klanges dem Instrument, welche dem Pianisten zuzuschreiben sind..
    Bis jetzt waren ja vorzugsweise ablehnende Statements in Bezug auf historische Instrumente und deren Nachbauten hier zu lesen - mal sehen, ob sich das ändert. Schliesslich ist die heutige Tamino-Mannschaft eine mehrheitlich andere...


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich würde hier gern noch auf eine Aufnahme verweisen, die mir mittlerweile mustergültig für den Bereich historischer Instrumente scheint. Paul Badura-Skoda spielt auf fünf verschiedenen Instrumenten der Schubert Zeit. ich habe die Aufnahme nach einer Empfehlung Alfreds gekauft und ich bin sehr begeistert: insbesondere wenn man diverse Schubert Interpretationen sein eigen nennt, kann man es wagen, die Sammlung zu erweitern: es sind ganz andere Sonaten, die man hört. Sie erklingen vielleicht zunächst dünner im Klangbild, aber durch das Nachklingen der Seiten verschieben sich klangliche Nuancen, durch die man Bekanntes neu hört. Nun gehört Badura-Skoda sicherlich auch zu denjenigen, die ihr profundes Wissen um die historischen Instrumente auch in ihrem Spiel großartig umsetzen können.


    Mit bestem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Lieber JLang


    Ich kann dein Urteil nur bestätigen. Höchst empfehlenswert für alle diejenigen, die Einspielungen mit historischen Instrumenten und ihren Nachbauten lieben.
    Kommt dazu, dass die Interpretationen Paul Badura Skodas keine Wünsche offen lassen.


    NB
    Übrigens hatte ich das Coverbild mit Schuberts Portrait ausgewählt, um den Thread "Das knifflige Coverbildratespiel" im Juni 2013 wieder zu beleben.
    .

    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928




  • In meinem neuen Klavierabo, das mir die Kölner Philharmonie dieser Tage zuschickte, werden zwei Pianisten mit dem Hammerklavier auftreten:


    Andreas Staier wird am 29. Oktober mit folgendem Programm zu hören sein:


    - Bach WT I: .Präludium und Fuge C-dur BWV 846
    ..................:. Präludium und Fuge c-moll BWV 847
    - Bach WT II: Präludium und Fuge C-dur BWV 870
    ...................:.Präludium und Fuge c-moll BWV 871
    - Schumann: Abegg-Variationen F-dur op. 1
    ..................: Fantasiestücke op. 12
    ..................: Drei Fantasiestücke op. 111
    ..................: Thema mit Variationen Es-dur "Geister-Variationen";


    Ronald Brautigam wird am 14. Januar 2015 folgendes Programm vortragen:


    - Beethoven: Sonate für Klavier Nr. 8 c-moll op. 13 "Pathétique",
    - Beethoven: Sonate für Klavier Nr. 21 C-dur op. 53 "Waldstein",
    - Beethoven: 6 Bagatellen op. 126,
    - Beethoven: Sonate für Klavier Nr. 32 c-moll op. 111;


    Ich werde, wie gewohnt, über meine Konzertbesuche im Thread "Konzertbesuche und ihre Bewertung" berichten. Interessant wird dabei zum einen sein, dass im ersten Konzert dieses Abos am 11. September Pierre-Laurent Aimard das gesamte Wohltemperierte Klavier I (BWV 846 bis 869), wahrscheinlich auf einem Steinway, vortragen wird. Ich werde dann spästens nach dem Staier-Recital auch Vergleiche ziehen zumindest für BWV 846 und 847.


    Weiter wird interessant sein zu hören, wie die drei veritablen Schwergewichte aus Beethovens Sonatenoeuvre in dem Brautigam-Konzert heute auf dem Hammerklavier klingen, zumal im Pathétiquethread die Frage aufkam, aus welcher Sichtweise heute verschiedenen Interpreten, z. B. Rudolf Buchbinder, oder andere die Pathétique interpretieren, aus der Sichtweise des 18. Jahrhunderts oder des 19. Jahrhunderts. Auch diesen Gesichtspunkt werde ich bei meinem Bericht berücksichtigen.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

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  • Hallo,


    ich höre wenig Mozart, da er mir im Regelfall zu wenig Emotion vermittelt. In Gesellschaft oder zu einem Tee höre ich seine Sonaten aber sehr gerne. Es gibt auch tiefsinnige Phantasien in Moll, die ich sehr gerne höre. Mich überzeugte sofort das Spiel von Paul Badura Skoda auf einem Schanz-Flügel von 1790. Der historische Flügel wird aus dem Handgelenk gespielt, so daß Triller und Läufe wirklich überzeugend wiedergegeben werden können. Moderne Konzertflügel brauchen mehr Fingergewicht, werden aus dem Ellenbogen gespielt und klingen daher immer schwerfälliger. Gerade Mozart überzeugt mich daher ausschließlich am historischen Klavier - auch in der Kammermusik!
    Badura-Skodas Mozart-Interpretationen sind m.W. inzwischen bei Gramola erschienen (ich habe sie auf dem Label Astree), einfach mal bei jpc suchen, ich empfehle sie sehr (leider nicht als Box erhältlich).


    Ich habe auch alle Klaviersonaten von Franz Schubert mit Paul Badura-Skoda an verschiedenen historischen Klavieren. Daran mußte ich mich (etwas) gewöhnen. Ich finde den unvollkommenen Klang dieser Klaviere aber jetzt sehr passend zu Schubert. Badura-Skoda artikuliert und phrasiert sinnvoll. Allerdings kann Schubert auch an einem modernen Instrument für mich sehr gut wiedergegeben werden - im Gegensatz zu Mozart. Beispiele hierfür ist das Geburtstagskonzert von Paul Badura-Skoda, wo er die Sonate D845 an seinem historischen Bösendorfer Imerial spielt (das schönste Klavierinstrument, das ich kenne), aber auch Evgeni Koroliov spielt die Sonate D960 an einem sehr oberwellenarmen und wenig percussiven Steinway sehr überzeugend.



    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Moderne Konzertflügel brauchen mehr Fingergewicht, werden aus dem Ellenbogen gespielt und klingen daher immer schwerfälliger.


    Es gibt so wunderbar leichte und schwebende Klangbeispiele für Flügel, daß ich das so nicht glaube - was ich aber sicher weiß, ist, daß mir der Flügelklang (z.B. eines großen Fazioli) besser gefällt als das meiste, was ich bisher aus der historischen Ecke gehört habe.

  • Es hängt - wie so oft - davon ab - WER ertwas macht. Badura Skoda vermag es, sowohl einem historischen Instrument (das gut gewartet sein muß) als auch einem modernen Instrument einen unvergleichlichen Klang zu entlocken. Badura Skoda ist übrigens einer der wenigen mir bekannten Pianisten, der die Vorzüge eines Bösendorfer Konzertflügels gegenüber der mächtigen Konkurrenz auch auf Tonträger hörbar machen kann.
    Ich bin einigermaßen überrascht daß die Badura-Skoda-Box mit den Mozart Klaviersonaten, die ich vor einigen Jahren erworben habe, bei jpc nicht mehr erhältlich ist. Sie stammt übrigens von NAIVE* - und nicht von Astree. Bei den bei Gramola erschienen Sonaten-CDs handelt es sich um einen Mix älterer und neuer (2010/2014 !!!) Aufnahmen, wobei die älteren mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mit jenen von NAIVE identisch sind.


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred




    *Korrektur - Vermutlich sind die beiden Label identisch

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich frage mich, ob Staier ein Programm wie in #25 genannt, auf zwei unterschiedlichen Instrumenten spielt. Ein Hammerklavier für Bachs WTK ist erstmal unhistorisch. Es sei denn man stellt sich vor, dass Beethoven aus dem WTK spielt. Oder (Clara?) Schumann. Für Schumann wäre freilich ein wesentlich neueres Instrument aus den 1840er/50er Jahren angemessen, oder?


    Als "historischer Extremist" könnte man fordern, dass Brautigam für das obige Beethovenprogramm drei unterschiedliche Instrumente verwendet. Für op.13 eins von ca. 1797, für die Waldsteinsonate eines von 1805, für op.111 eines von 1820...

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Badura Skoda ist übrigens einer der wenigen mir bekannten Pianisten, der die Vorzüge eines Bösendorfer Konzertflügels gegenüber der mächtigen Konkurrenz auch auf Tonträger hörbar machen kann.


    Dann würde ich aber auch András Schiff nennen … :pfeif:

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

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