Von der Bühne betrachtet: Der "Tannhäuser" bei den Bayreuther Festspielen am 28.8.2014

  • Vor einigen Tagen hatte ich Gelegenheit, der letzten Aufführung der diesjährigen Bayreuther Festspiele beizuwohnen, die ebenso schlossen wie sie begonnen hatten: mit dem „Tannhäuser“, der in dieser Inszenierung zum letzten Mal überhaupt gezeigt wurde. In diesem Jahr hatte Axel Kober, der GMD der Deutschen Oper am Rhein, zum zweiten Mal die musikalische Leitung, und er hat mir sehr gut gefallen, wenngleich ich aufgrund meines besonderen Platzes (dazu unten mehr) das Orchester nicht immer gut und balanciert gehört habe und ich mein Urteil daher mit Einschränkung versehe. Die Besetzung zeigte Licht und Schatten. Torsten Kerl war als Tannhäuser sicher nicht die Bestbesetzung, besonders schwach war er im ersten Aufzug, um sich im weiteren Verlauf zu steigern und die Rom-Erzählung dann doch durchaus solide und mit der nötigen emotionalen Aufladung vorzutragen. Michelle Breedt konnte als Venus keine besonderen Akzente setzen. Zu den Stärken gehörte sicherlich Camilla Nylund, gegen deren Elisabeth ich allenfalls einwenden könnte, dass ich ihren Sopran als zu metallisch-hart empfunden habe, was aber eher eine Frage des persönlichen Geschmacks ist. Wunderbar hingegen Markus Eiche als Wolfram, der nicht nur das Lied an den Abendstern sehr schön sang. Und auch Kwangchul Youn konnte als Landgraf Hermann überzeugen. Musikalisch war die Aufführung also zumindest ordentlich, auch wenn man sich für Bayreuth vielleicht ein noch höheres Niveau wünschen würde.


    Die Inszenierung von Sebastian Baumgarten war beim Publikum so unbeliebt wie lange keine andere Produktion mehr (nachdem sie nun aus dem Programm genommen wurde, hat Castorfs Öl-Ring aber sicherlich gute Chancen, den „Tannhäuser“ auf Platz 1 der Unbeliebtheitsskala abzulösen). Ich fand diese Inszenierung gar nicht mal so schlecht, auch wenn sie in mehrerer Hinsicht eine Zumutung darstellt und radikal mit hergebrachten Sehgewohnheiten bricht. Das Bühnenbild - Joup van Lieshouts Installation „Technokrat“ - und die Darstellung der Wartburg als technologische Kreislauf-Produktionsstätte, die aus Exkrementen Biogas und Alkohol erzeugt, ist sicherlich eine diese Oper verfremdende Deutung. Wenn man bereit ist dies zu akzeptieren, wird man viel Bedenkenswertes daran entdecken, und es lohnt sich durchaus, sich mit den Texten im Programmheft und auf der Website der Festspiele auseinanderzusetzen. Lehnt man Umdeutungen aus Prinzip ab, wird man sich natürlich nicht dafür erwärmen können. Sehr gut gefallen hat mir die Idee, Wartburg und Venusberg als einander bedingende Teile eines Systems darzustellen und den Venusberg folgerichtig im Keller der Wartburg anzusiedeln. Das hat wenig mit Biogasanlage und Alkoholator zu tun, aber viel mit der Synthese aus dem Apollinischen und dem Dionysischen, die Nietzsche im Wagnerschen Musikdrama verwirklicht sah. Da wird es dann auf einmal nachvollziehbar, dass Venus - ein „oben“ wenig geliebter, aber als notwendig anerkannter Teil des Systems - als Zuschauerin am Sängerwettstreit teilnimmt. Und auch vieles andere auf den ersten Blick Abstruse erweist sich als schlüssig, wenn man sich auf diese Deutung einzulassen bereit ist. Sehr gut hat mir Baumgartens Personenregie gefallen, so war der Sängerkrieg ebenso hervorragend inszeniert wie die Interaktion Tannhäusers mit den Rittern am Ende des 1. Aufzugs. Auf die Nerven gegangen sind mir hingegen Dinge wie die ständig laufenden Videos und die zum Teil schrecklich didaktischen Botschaften der Art „Wieviel Droge braucht der Mensch“. Leider hat Baumgarten die Neigung, am liebsten zehn Bedeutungsebenen gleichzeitig auf die Bühne zu bringen, was dem Verständnis und der Akzeptanz dieser Inszenierung sicherlich abträglich war.


    Ich hatte bei dieser Aufführung einen besonderen Blick auf das Bühnengeschehen, denn ich war Teil davon: eine Besonderheit bei dieser Produktion waren die auf der Bühne angesiedelte Plätze, mit denen Baumgarten wahrscheinlich andeuten wollte, dass das Stück auf einer seiner Bedeutungsebenen auch in Bayreuth spielt: eine Aufführung des „Tannhäuser“ im Technokrat, die wiederum in Bayreuth aufgeführt wird. Wie dem auch sei: auf jeden Fall war es ein einmaliges Erlebnis, auf der Bühne zu sitzen und hautnah an allen Akteuren dran zu sein: ich konnte Inspizient und Bühnenarbeiter beobachten, den normalerweise im Graben verborgenen Dirigenten und das Orchester sehen und natürlich einen ganz besonderen Blick auf Sänger und Statisten auf der Bühne genießen. Die damit verbundenen akustischen Einbußen habe ich gerne in Kauf genommen. Es ist unwahrscheinlich, dass es so etwas jemals wieder geben wird, und daher habe ich es als großes Privileg empfunden, einen dieser gar nicht in den Verkauf gegangenen Plätze zu bekommen.


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Sorry, dieser neue Beitrag von 13.54 Uhr war jetzt ein Versehen. Ich wollte ein Paßow-Foto in einem Beitrag zur Lieblings-Sänger-Kette einstellen und bin versehentlich (wieder) hier gelandet.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat Bertarido

    Zitat

    Leider hat Baumgarten die Neigung, am liebsten zehn Bedeutungsebenen gleichzeitig auf die Bühne zu bringen, was dem Verständnis und der Akzeptanz dieser Inszenierung sicherlich abträglich war.


    Erst einmal herzlichen Dank für diesen schönen Bericht, in dem Du angedeutet hast, warum Dir die Inszenierung gefallen hat.
    Auch wenn ich die Inszenierung nicht gesehen habe (ich habe momentan einfach viel zu wenig Zeit für Musik), darf man sich aber natürlich auch fragen, warum die gleichzeitige Akzeptanz von vielen Bedeutungsebenen scheinbar nicht gegeben ist. Man könnte ja fragen: sind die zahlreichen, gleichzeitigen Bedeutungsebenen nur der Akzeptanz abträglich, oder nicht möglicherweise der Inszenierung selbst? Ich will hier keinesfalls für eindimensionale Inszenierungen plädieren (die es ohnehin nicht wirklich gibt), aber würdest Du nicht auch denken, daß das Werk durch die beschriebene Überlagerung nicht die Gefahr einer gewissen Beliebigkeit ereilt?


    Und eine kleine Nachfrage hätte ich noch
    Zitat Bertarido

    Zitat

    Sehr gut gefallen hat mir die Idee, Wartburg und Venusberg als einander bedingende Teile eines Systems darzustellen und den Venusberg folgerichtig im Keller der Wartburg anzusiedeln. Das hat wenig mit Biogasanlage und Alkoholator zu tun, aber viel mit der Synthese aus dem Apollinischen und dem Dionysischen, die Nietzsche im Wagnerschen Musikdrama verwirklicht sah. Da wird es dann auf einmal nachvollziehbar, dass Venus - ein „oben“ wenig geliebter, aber als notwendig anerkannter Teil des Systems - als Zuschauerin am Sängerwettstreit teilnimmt.


    Hier habe ich nicht wirklich verstanden, wie Du die Synthese aus Apollinischen und Dionysischem in diesem Konzept umgesetzt siehst. Könntest Du das noch einmal erläutern? Denn wenn ich es nicht ganz falsch im Kopf habe unterscheidet Nietzsche doch wesentlich und zwischen der Kunst des Bildners (der apollinischen) und der unbildlichen Kunst der Musik (der des Dionysus). Weil Nietzsche aber das Dionysische insgesamt höher bewertet, hebt er den urgewaltigen künstlerischen Ausdruck von Wagners Musik empor. Aber vielleicht habe ich es auch etwas falsch abgespeichert. Da wäre ich für eine Aktualisierung sehr dankbar.
    Herzlichen Dank


    Nochmals vielen Dank und herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Erst einmal herzlichen Dank für diesen schönen Bericht, in dem Du angedeutet hast, warum Dir die Inszenierung gefallen hat.
    Auch wenn ich die Inszenierung nicht gesehen habe (ich habe momentan einfach viel zu wenig Zeit für Musik), darf man sich aber natürlich auch fragen, warum die gleichzeitige Akzeptanz von vielen Bedeutungsebenen scheinbar nicht gegeben ist. Man könnte ja fragen: sind die zahlreichen, gleichzeitigen Bedeutungsebenen nur der Akzeptanz abträglich, oder nicht möglicherweise der Inszenierung selbst? Ich will hier keinesfalls für eindimensionale Inszenierungen plädieren (die es ohnehin nicht wirklich gibt), aber würdest Du nicht auch denken, daß das Werk durch die beschriebene Überlagerung nicht die Gefahr einer gewissen Beliebigkeit ereilt?

    Dass mir die Inszenierung gefallen hat, würde ich nicht einmal sagen, aber ich fand sie zumindest interessant und ich finde es wert, sich mit ihr auseinanderzusetzen, statt sie wegen vermeintlicher "Verunstaltung" des Werks von vornherein abzulehnen.


    Ich habe nichts gegen intellektuelle Zugänge und das Spiel mit Bedeutungsebenen, aber wenn jede Ebene dann wieder noch einmal gebrochen, in Frage gestellt oder mit weiteren Bedeutungsgehalten überformt wird, dann wird es mir irgendwann zu viel. Nicht weil ich zu faul zum Denken wäre, sondern weil dann irgendwann tatsächlich das eigentliche Stück kaum noch erkennbar ist. Bei aller Offenheit für zeitgenössische Regie-Konzepte bin ich am Ende doch ein Traditionalist in dem Sinne, dass ich gerne eine Geschichte auf der Bühne sehe, auch wenn es nicht unbedingt diejenige sein muss, die an der Oberfläche des Librettos liegt. Mit dem postdramatischen Theater habe ich daher so meine Schwierigkeiten.


    Hier habe ich nicht wirklich verstanden, wie Du die Synthese aus Apollinischen und Dionysischem in diesem Konzept umgesetzt siehst. Könntest Du das noch einmal erläutern? Denn wenn ich es nicht ganz falsch im Kopf habe unterscheidet Nietzsche doch wesentlich und zwischen der Kunst des Bildners (der apollinischen) und der unbildlichen Kunst der Musik (der des Dionysus). Weil Nietzsche aber das Dionysische insgesamt höher bewertet, hebt er den urgewaltigen künstlerischen Ausdruck von Wagners Musik empor. Aber vielleicht habe ich es auch etwas falsch abgespeichert. Da wäre ich für eine Aktualisierung sehr dankbar.

    Du hast völlig Recht, dass für Nietzsche in der Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik die bildende Kunst die apollinische ist, wärend die dionysische Kunst die Musik ist. In der ursprüglichen attischen Tragödie kommt beides zusammen, während dann bereits bei Sokrates die Verabsolutierung des apollinischen Prinzips beginnt, die für Nietzsche ein Merkmal des Kulturverfalls ist. Erst im Wagnerschen Musikdrama kommt das dionysische Element dann wieder zu seinem Recht. Und es stimmt nach meiner Erinnerung auch, dass Nietzsche dem Dionysischen letzlich eine Vorrangstellung einräumt.


    Was hat das nun mit der Baumgarten-Inszenierung zu tun? Wohl weniger mit den Begriffen des Apollinischen und Dionysischen, wie sie Nietzsche für seine Theorie der Kunst verwendet, sondern mehr mit der Bezeichnung zweier Prinzipien, Weltanschauungen oder Lebensformen, die den Menschen schlechthin ausmachen: einmal Form, Ordnung, Rationalität, die man der Welt der Wartburg mit ihren Gesetzen, Konventionen und christlichen Moralvorstellungen zuordnen kann, das andere Mal das rauschhafte, sinnliche und auch irrationale Element, das im heidnischen Venusberg mit seinen sexuellen und sonstigen Ausschweifungen verortet wird. Gerade der Rausch, ein Element des Dionysischen, spielt ja in dieser Inszenierung eine wichtige Rolle, der im Alkoholator produzierte Alkohol wird in den Venusberg gepumpt und dort fleißig konsumiert. Aber die Ebenen durchdringen sich: es gibt Durchgänge, Figuren wechseln von unten nach oben und umgekehrt, und auch die Sänger/Ritter nehmen einen Becher Alkohol zu sich, um sich in Stimmung für den Wettstreit zu bringen. Das ganze heißt dann auf einer Tafel im Bühnenbild: "Wartburg integriert Möglichkeiten zur Triebabfuhr" - für mich wieder einer dieser dümmlichen, oberlehrerhaften und völlig überflüssigen Kommentare - als ob es nicht jedem Zuseher klar wäre, worum es hier geht.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Zitat Bertarido

    Zitat

    Was hat das nun mit der Baumgarten-Inszenierung zu tun? Wohl weniger mit den Begriffen des Apollinischen und Dionysischen, wie sie Nietzsche für seine Theorie der Kunst verwendet, sondern mehr mit der Bezeichnung zweier Prinzipien, Weltanschauungen oder Lebensformen, die den Menschen schlechthin ausmachen: einmal Form, Ordnung, Rationalität, die man der Welt der Wartburg mit ihren Gesetzen, Konventionen und christlichen Moralvorstellungen zuordnen kann, das andere Mal das rauschhafte, sinnliche und auch
    irrationale Element, das im heidnischen Venusberg mit seinen sexuellen und sonstigen Ausschweifungen verortet wird.


    Hab vielen Dank für Deine ausführliche Auseinandersetzung mit meiner Bemerkung und meiner kleinen Nachfrage. Ich stimme Dir vollkommen zu, daß es jede Inszenierung prinzipiell wert ist, angesehen zu werden und sei es, um festzustellen warum es nicht gefallen hat/ man es nicht schlüssig fand. Insofern verstehe ich Deine Kritik an der Inszenierung absolut.


    Die Gegenüberstellung der beiden Prinzipien, ist los in diesem Zugang auf die Gegensätze des Triebhaften und Geordneten reduziert, die sich gegenseitig durchdringen. Auch das ist etwas, das erst einmal schlüssig ist, aber irgendwie auf so viele Opern zutrifft, daß mir das Spezifische für diese Oper etwas fehlt.


    Zitat

    Das ganze heißt dann auf einem Text im Bühnenbild: "Wartburg integriert Möglichkeiten zur Triebabfuhr" - für mich wieder einer dieser dümmlichen, oberlehrerhaften und völlig überflüssigen Kommentare - als ob es nicht jedem Zuseher klar wäre, worum es hier geht.


    Da bin ich absolut einer Meinung: der Versuch zu belehren geht doch irgendwie fast immer schief. Das zu Plakative, das mitunter anzutreffen ist, überfordert das Publikum nicht, sondern unterfordert es: ein Vorgang, der häufig zu Ablehnung fühlt. Ich persönlich mag es etwas subtiler, aber Subtilität ist aktuell ohnehin kaum hoch im Kurs. Wenn ich in der Oper nicht jedes Detail der Inszenierung verstehe, ist das OK, aber mir jedes Detail erklären zu lassen, das muß einfach nicht sein.


    Nochmals vielen Dank und herzliche Grüße
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Das ist wirklich eine sehr schöne, geistvolle Besprechung, lieber Bertarido. Deine Kritik finde ich gut nachvollziehbar und anregend zum Nachdenken. :) Ich verstehe auch nicht, dass man der Kraft der Bilder, die man verwendet, nicht vertraut und diese mit Spruchbändern "erklären" muß. Elegant (um in der Fechtersprache zu reden) ist das jedenfalls nicht. :hello:


    Schöne Grüße
    Holger

  • Eigentlich, lieber Holger, beteilige ich mich ja grundsätzlich nicht an diesen Diskussionen, die sich im Dunstkreis Pro und Kontra Regietheater abspielen. Aber was du über die Kraft der Bilder (einer, der selbst so kräftige Bilder malen kann,) gesagt hast, hat mich doch interessiert. Es scheint doch grundätzlich unter den "Regietheater-Jünglingen" (manchmal auch schon älterren Baujahres) ein Missverständnis zu herrschen, nämlich, dass sie glauben, von der Materie, sprich Wagner-Oper, mehr zu verstehen als das Publikum. :D


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Eigentlich, lieber Holger, beteilige ich mich ja grundsätzlich nicht an diesen Diskussionen, die sich im Dunstkreis Pro und Kontra Regietheater abspielen. Aber was du über die Kraft der Bilder (einer, der selbst so kräftige Bilder malen kann,) gesagt hast, hat mich doch interessiert. Es scheint doch grundätzlich unter den "Regietheater-Jünglingen" (manchmal auch schon älterren Baujahres) ein Missverständnis zu herrschen, nämlich, dass sie glauben, von der Materie, sprich Wagner-Oper, mehr zu verstehen als das Publikum. :D


    Lieber Willi,


    eigentlich ist es doch so, dass die Interpreten, die sich in das Werk wirklich vertieft haben über eine lange Zeit, natürlich immer mehr verstehen als wir oft sporadischen Zuhörer/Zuschauer. Wenn Brendel eine Schubert-Sonate erläutert, dann staunen wir ja alle, was er da alles heraushört! Was nur peinlich wird, finde ich, ist, wenn die Inteprreten/Regisseure das Publikum für begriffsstutzig halten. :hello:


    Herzlich grüßend
    Holger

  • Es scheint doch grundätzlich unter den "Regietheater-Jünglingen" (manchmal auch schon älterren Baujahres) ein Missverständnis zu herrschen, nämlich, dass sie glauben, von der Materie, sprich Wagner-Oper, mehr zu verstehen als das Publikum.


    Mal provokant zurückgefragt: Gilt das nicht auch für den größten Teil des Publikums? Dass die meisten Opernbesucher das Wissens- und Reflexionsniveau erreichen, das hier im Forum vorherrscht, scheint mir doch fraglich. Dabei will ich nicht leugnen, dass es auch Regisseure gibt, die von der Oper - nicht nur bei Wagner - wenig bis nichts verstehen und manchmal auch gar nichts verstehen wollen.


    Zitat

    Was nur peinlich wird, finde ich, ist, wenn die Inteprreten/Regisseure das Publikum für begriffsstutzig halten. :hello:

    Ja, da sind die schlimmsten Fälle.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

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  • Mal provokant zurückgefragt: Gilt das nicht auch für den größten Teil des Publikums? Dass die meisten Opernbesucher das Wissens- und Reflexionsniveau erreichen, das hier im Forum vorherrscht, scheint mir doch fraglich.

    Das bringt mich wieder zu der Frage. für wen eigentlich gespielt wird? Für eine kleine Elite, die sich auch als solche begreift, oder für möglichst viele Menschen, die man für Opern begeistern will?


    Dabei will ich nicht leugnen, dass es auch Regisseure gibt, die von der Oper - nicht nur bei Wagner - wenig bis nichts verstehen und manchmal auch gar nichts verstehen wollen.

    Letzteres ist auch das, was mich am meisten ärgert. Manche Regisseure begreifen sich überhaut nicht mehr als Mittler zwischen Werk und Publikum, betrachten das Werk als von ihnen beliebig auffüllbares Gefäß und interessieren sich nicht die Bohne dafür, was denn ursprünglich gemeint gewesen sein könnte.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Das bringt mich wieder zu der Frage. für wen eigentlich gespielt wird? Für eine kleine Elite, die sich auch als solche begreift, oder für möglichst viele Menschen, die man für Opern begeistern will?


    Das ist eine sehr grundsätzliche Frage, die weit über Oper hinausweist, da sie sich für Kunst schlechthin stellen ließe. Sie wäre einen eigenen Thread wert (wenn es den nicht schon gibt). Ich habe hier an verschiedenen Stellen schon Meinungen dazu gelesen, darunter recht radikale, die am liebsten die Aufführungspraxis ganz an den Vorlieben der Zuschauer ausrichten würden. Dabei graust es mich allerdings ordentlich, das wäre dann das Pendant eines nur an Einschaltquoten orientierten Fernsehens.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Das bringt mich wieder zu der Frage. für wen eigentlich gespielt wird? Für eine kleine Elite, die sich auch als solche begreift, oder für möglichst viele Menschen, die man für Opern begeistern will?


    Edwin Fischer - also ein Instrumentalsolist (Pianist) - sagte mal provokant: "Ich spiele nur für den lieben Gott und den Komponisten!" Damit meinte er: Für das Publikum spiele ich eigentlich nicht - ich renne nicht dem Publikumsgeschmack nach und den Bedürfnissen der Konzerbesucher. Meine Meinung: Nicht der Interpret (egal, ob es ein Regisseur ist oder ein Musiker), der sich beim Publikum und seinen Interessen anbiedert, also "intentional" und absichtlich Kompromisse macht, sondern gerade derjenige, der seiner Idee verpflichtet diese überzeugend umsetzt, wird letztlich auch das Publikum überzeugen - mag es auch manchmal ein bisschen dauern. ;)


    P.S.: Das Problem behandelt ja explizit eine ganze Oper: Moses und Aron von Arnold Schönberg. :)


    Schöne Grüße
    Holger

  • Es geht nicht darum, an sich an das Publikum anzubiedern, sondern darum, es ernst zu nehmen, auch seine Wünsche und Ansprüche!


    Mozart konnte nur für den lieben Gott komponieren, aber wenn ein Regisseur eine von Mozarts Opern inszeniert, dann hat er eben auch eine Verantwortung, ja auch gegenüber seinem Publikum!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • sondern gerade derjenige, der seiner Idee verpflichtet diese überzeugend umsetzt, wird letztlich auch das Publikum überzeugen - mag es auch manchmal ein bisschen dauern.

    Zu behaupten, dass jede möglichst radikale Inszenierungsidee das Publikum früher oder später überzeugen wird, wenn sie nur konsequent umgesetzt ist, ist ein großer Schmarrn, und das weißt du auch (daher ja wohl der Zwinkerer). Manche Inszenierungen sind heute so "genial", dass sie wohl erst gefeiert werden, wenn der letzte, der sie gesehen hat, wohl schon 30 Jahre unter der Erde liegt...


    Nein, nein, mit deiner Formulierung von der "eindeutig misslungenen Inszenierungsidee" warst du da viel mehr an der Realität dran, das jetzt ist doch mehr Wunschdenken von dir.


    Leider kam - auch auf mehrfache Nachfrage meinerseits - von deinerSeite nie wieder etwas dazu, wie eine "eindeutig misslungene Inszenieurngsidee" denn definiert sei - oder zumindest ein oder mehrere Beispiele, was man sich darunter vorzustellen habe...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zitat

    Zitat von MSchenk: Ich will die Diskussion nicht wieder aufwärmen

    Die Diskussion über den Biogashäuser braucht man auch nicht wieder aufzuwärmen. Diese Inszenierung ist jetzt endgültig abgesetzt und ich glaube nicht, dass irgendeine Bühne diesen Schwachsinn noch einmal übernehmen wird. Das kann aber nicht bedeuten, dass die Diskussion über künftigen Schwachsinn einschläft.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)