Eine ganz schlimme Aufführung von "La Cenerentola" - Wiener Staatsoper, 10.12.2014

  • Es ist manchmal ein Segen wenn man sich die Karten selbst kauft und dementsprechend bei vorzeitiger Flucht aus der Vorstellung kein schlechtes Gewissen haben muss. Die Vorstellung der „Cenerentola“ war eines der schlimmsten Erlebnisse, die ich in der Staatsoper hatte – vergleichbar in etwa mit einem ziemlich missglücktem Don Giovanni vor einigen Jahren.


    Die Vorstellung stand von Anfang an unter keinem guten Stern, da Ildebrando D’Arcangelo ganz kurzfristig absagen musste (es war nicht einmal mehr Zeit für den Rosa Zettel). Direktor Meyer kündigte stattdessen als den Retter der Vorstellung Sorin Coliban an, der vor etwa 15 Jahren diese Rolle einmal studiert hatte und – wie der Künstler auf seiner Facebook-Seite schrieb – die Arie des Alidoro zuletzt 2012 im Rahmen eines Konzertes gesungen hatte. Man muss Coliban nicht nur dankbar sein, dass er einsprang, er war auch einer der ganz wenigen Highlights des ersten Teils der Vorstellung. Ein profunder Bass, dem man allerdings auch anmerkte, dass seine Stimme nicht mehr ganz so flexibel ist. Seine Abstecher ins Wagnerfach merkte man schon. Nichtsdestotrotz konnte er sich großen Publikumszuspruches erfreuen.


    Weiters auf der Habenseite sind Hila Fahima (Clorinda) und Juliette Mars (Tisbe) zu verbuchen, wobei besonders die junge Israelin wieder eine Talentprobe abgab. Es wird interessant sein, sie dann im Juni als Gilda auf der Bühne zu erleben.


    Einen ganz schlechten Abend verbuchte Tae-Joong Yang. Konnte er mich schon als Figaro niemals vollständig überzeugen, so war sein Dandini schlicht und ergreifend schrecklich gesungen. Nach seiner Auftrittsarie gab es nur spärlichen Applaus, dafür einige Buhrufe. Obwohl das Orchester unter Jesús López-Cobos nicht wirklich laut spielte, war er oft nicht hörbar, hatte Probleme mit der Intonation und war einfach nicht staatsopernreif an diesem Abend.


    Alessandro Corbelli hat seine besten Zeiten schon lange hinter sich und sollte an ein Haus wie der Wiener Staatsoper eigentlich nicht mehr engagiert werden. Leider hat ja Juan Diego Flórez den „Don Ramiro“ schon vor einiger Zeit zurückgelegt – er hätte durch seine Stimme und Präsenz den Gesamteindruck noch halbwegs erträglich gestalten können, aber sein Ersatz Jinxu Xiahou fiel mit seiner Leistung erheblich ab. Vergleiche mit Flórez sind naturgemäß unzulässig, aber auch einem Antonino Siragusa kann der Chinese sowohl technisch als auch interpretatorisch nicht das Wasser reichen.


    Nach dieser sehr ernüchternden Bilanz nun zu Elizabeth DeShong. Sie hat eine wirklich fundierte Tiefe und eine durchaus interessant wirkende Mittellage. Doch je höher es hinaufgeht, desto unsicherer wirkte sie. Vielleicht war sie von der wahrhaft furchtbaren Inszenierung gehemmt? Was das Leading Team Bechtolf/Glittenberg/Glittenberg auf die Bühne gestellt hat ist eine Verhöhnung des Publikums. Ich habe selten eine so sinnentleerte Produktion über mich ergehen lassen müssen – beginnend mit den Kostümen (die großen Leidtragenden waren da der Staatsopernchor, der von Martin Schebesta hervorragend einstudiert war) über ein wirklich dummes Herumwacheln. Einfach lächerlich, was da auf der Bühne abging. Die Cenerentola wuselte nur nervig durch die Gegend und war absolut keine Figur, mit der man Mitleid haben musste, außerdem sah sie in ihrem Ballkleid wie ein blaues Lindt-Schokobonbon aus. Dass es möglich ist, auf die Figur von Sängern etwas Rücksicht zu nehmen hat man ja bei der Ariadne-Serie mit Botha bewiesen.


    Selten habe ich mich derartig über eine Vorstellung geärgert – ein zum Großteil unterdurchschnittlicher Gesang in Kombination mit einer wirklich dummen Regie war mir dann doch zu viel und ich habe das Haus nach dem ersten Akt verlassen und dann den Abend mit einem guten Glas Wein ausklingen lassen – ich denke, dass das die richtige Entscheidung war.

    Hear Me Roar!

  • Lieber Dreamhunter,


    hättest du die Vorstellung durchgestanden, wenn wenigstens die Inszenierung vernünftig gewesen wäre?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ja - wenn die Inszenierung vernünftig ist (und ich diese noch nicht kenne), bleibe ich auch, wenn das Gesangliche nicht so toll ist. Ich hatte allerdings die Inszenierung schon im Jänner 2013 gesehen und wusste, was im 2.Akt auf mich zukommt. Ich wäre auch geblieben, wenn gut gesungen wird und die Inszenierung ein Schmarrn ist oder ich diese noch nicht vollständig gesehen habe (ich bin der Überzeugung, dass man ein endgültiges Urteil nur abgeben soll, wenn man die komplette Produktion gesehen hat).



    Allerdings wenn beides unter aller Sau ist (sorry für den Ausdruck) will ich mir nicht meine Zeit stehlen lassen!

    Hear Me Roar!

  • Lieber Dreamhunter,


    ja so ist es wenn selbst so ein traditionelles Haus wie die Wiener Staatsoper langsam aber sicher mit dem unsäglichen Regieblödsinn infiziert wird. Hoffentlich setzen sich die Wiener Opernfreunde - die für mich zu den kompetendsten weltweit zählen - durch und ein eventueller Publikumsschwund durch Unzufriedenheit wird nicht durch ein gut besuchtes Haus gefüllt mehrheitlich mit Touristen als Alibi überdeckt.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Lieber Operus,


    ich mag eigentlich die Produktionen von Bechtolf (sie gehen vielen Journalisten nicht weit genug), da er vom Schauspiel kommt und immer wirklich gut mit den Sängern arbeitet. Auch die Kostüme und Aufbauten sind zwar etwas modernisiert, aber immer im Sinne des Werks. Diese Cenerentola ist ihm aber wirklich sehr misslungen....


    Beim letzten Publikumsgespräch ist Dir. Meyer auf den Vorwurf der "Touristenoper" eingegangen und hat darauf hingewiesen, dass es sich beim Großteil der Touristen um Stammgäste handelt (besonders aus Deutschland), die regelmäßig nach Wien kommen, um Aufführungen hier mitzuerleben. Daher finde ich auch, dass der Vorwurf der "Touristenoper" ins Leere geht. Ich bin froh, dass die STOP einen so guten Ruf hat, dass es einfach "dazugehört", diese zu besuchen!

    Hear Me Roar!

  • Lieber Dreamhunter, ich fühle mit dir!


    Eine Bestrafung für Jeden, der diese Oper mit ihrem Melodienreichtum kennt und dessen Vorfreude dann in so herbe Enttäuschung umschlägt. Dafür müsste es eine Geld-zurück-Garantie geben!


    Ich hatte bei meiner letzten Cenerentola mehr Glück: In einem hier oft kleingeredeten Stadttheater (Pforzheim) durfte ich eine sehr gelungene Ensembleleistung genießen.

    Freundliche Grüße Siegfried

  • An der Rheinoper hatten wir jahrelang die Ponnelle Inszenierung von La Cenerentola. Ich habe bestimmt alle Aufführungen nur wegen der herrlichenn Inszeierung gesehen und man konnte jede Abend was anderes entdecken. Ich hoffe die aktuelle Wiener Cenerentola ist keine Co Produktion mit der Rheinoper :) . Aber so wie Dreamhunter ging es mir bei der Aida Premiere in Düsseldorf ich war auch kurz davor in der Pause nach Hause zu gehen weil weder Inszeneirung noch Gesang berauschend waren obwohl es davon im Opernfeind zwei unterschiedliche Kritiken gibt. Der Kritiker der die Premiere besucht hat sah das ganze so wie ich und der der am letzten Wochenende die Aida besucht hat war restlos begeistert von Inszenierung und Gesang.

  • Zitat

    Zitat von Siegfried: Ich hatte bei meiner letzten Cenerentola mehr Glück: In einem hier oft kleingeredeten Stadttheater (Pforzheim) durfte ich eine sehr gelungene Ensembleleistung genießen.

    Lieber Siegfried,


    man kann heute wohl sagen, dass manche "Stadttheater" weit besser sind als die großen berühmten (heute eher berüchtigten) Opernhäuser, obwohl sich leider auch in "Stadttheatern" die Pestilenz des Verunstaltungtheaters schon recht breit gemacht hat. Schön, wenn man einmal Glück hat wie du.


    Lieber Rodolfo,


    wie glücklich bist auch du, dass du die Ponelle-Inszenierung der Cenerentola sehen durftest. Ob wir solche Inszenierungen, wie Ponelle sie gemacht hat, wohl je wieder zu sehen bekommen?


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Da Die Cerentola eine meiner Lieblingsopern ist habe ich mir dummerweise den Livestream aus Wien gekauft. Kann man sein Geld auch zurückverlangen ? Die Inszeierung ist eine Frechheit und gesungen wurde grauslig. Einzig positives Highlight die Sängerin der Cenrentola. Der Don Magnifico von Alexandro Corbelli singt er einfach so herunter und man merkt doch das die seine Stimme sehr angeschlagen ist. Herr Colibran scheint selbst mit dem Alidoro überfordert zu sein. Und über den Dirigenten möchte ich gar nicht sprechen. Dreamhunter hat nicht viel verpasst wenn er in der Pause gegangen ist.

  • Hallo!


    Wir überlegen, im September nach Wien zu fahren. Ist die derzeitige Cenerentola an der Staatsoper immer noch dieselbe?


    Gruß WoKa

    "Die Musik drückt das aus, was nicht gesagt werden kann und worüber Schweigen unmöglich ist."


    Victor Hugo

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