Die größten Klaviersonaten

  • Hallo,


    auch Julius Reubke hat für mich eine der größten Klaviersonaten geschrieben. Reubke lebte von 1834 bis 1858 und gehört für mich zu den größten Komponisten überhaupt. Leider wurde er nur 24 Jahre alt. Es ist unfaßbar, was der etwa 22 jährige Reubke für eine Klaviersonate komponiert hat. Das Werk ist für seine Zeit hoch avantgardistisch, hört man es, ohne es zu kennen, würde man es um das Jahr 1900 einordnen. Seine Harmonik ist kühn, seine Rhythmik originell und die Themen sind schön. Die Musik strahlt sehr viel Majestät aus. Die Klaviersonte in h-moll von seinem Lehrer Franz Liszt steht für mich weit dahinter. Reubke kenne ich aus einer Fernsehproduktion, die ich vor über 20 Jahren gesehen habe und die nachfolgende CD war eine der ersten CD´s in meiner CD-Sammlung. Sie enthält auch eine Orgelsonate, die ich gesondert besprechen möchte. Leider ist der Klavierklang dieser Aufnahme von Dabringhaus & Grimm verfärbt und wolkig-diffus, jedoch dynamisch. Allerdings spielt Claudius Tanski inspiriert, er phrasiert und artikuliert sinnvoll und hat einen Sinn für den großen Bogen in dieser Sonate. Ich hörte Claudius Tanski wohl im Jahr 2008 zum 150. Todestag von Julius Reubke mit dieser Sonate im neuen Gewandhaus in Leipzig. Ich habe gelesen, daß Alfred Brendel seinen Schülern diese Sonate zum Studium empfohlen hat, man solle sie jedoch nicht öffentlich aufführen. Wenn das wahr ist, ist es ein Verbrechen. Hier kann man bei jpc in die Sonate hineinhören:



    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Hallo,


    hier habe ich die zweite und die dritte Klaviersonate mit Johannes Brahms empfohlen, gespielt von Hélène Grimaud. Das herausragende Klangbild der Denon-Aufnahmen habe ich gelobt, die derzeit leider gestrichen sind.
    Die größten Klaviersonaten
    Natürlich habe ich diese Aufnahmen bei jpc gesucht und auch auf einem anderen Label (Regis) gefunden. Auch wenn ich nur ein Toshiba-Laptop benutze, war der Klavierklang in diesen Aufnahmen so verfremdet (Equalizer oder Exciter wurden wohl benutzt), daß ich das niemandem zumuten wollte. Ob man sich bei dieser entstellten Aufnahme überhaupt einen Eindruck über die Qualität des Spiels von Hélène Grimaud machen kann, ist fraglich für mich. Man müßte die Aufnahme dazu unter guten Hörbedingungen hören (mindestens Klein + Hummel O198 bei ca. 1,5m Hörabstand in einem möglichst gut bedämpften Raum) und mit dem Original von Denon vergleichen.



    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Hallo,


    zu den große Klaviersonten gehört auch für mich Schuberts letzte Klaviersonate D960. Ein Werk, in dem es um den Abschied vom Leben geht, in dem man jedoch auch tröstendes findet. Eine meiner Lieblingsaufnahmen ist die mit Evgeni Koroliov. Koroliov phrasiert ganz ausgezeichnet und artikuliert auch so. Das Grundtempo ist langsam und seine Deutung sehr romantisch. Seine freie Rhythmik ist besonders bemerkenswert. Das Werk wir überaus tiefsinnig wiedergegeben. Koroliov verwendet einen dunkel klingenden, oberwellenarmen Steinway, der eher an einen Bösendorfer Imperial erinnert. Das ausgezeichnet Klangbild der Aufnahme muß gelobt werden, obwohl historische Röhrenmikrofone Neumann M49 (entwickelt 1949) verwendet wurden, ist der Klavierklang sehr gut. Allerdings steigt das Bündelungsmaß dieser Großmembran-Mikrofone zu hohen Frequenzen hin an, was jedoch nicht als Klangverfärbung hörbar wird. Allerdings ist der Klang des Diffusfeldes abgedunkelt, was gut zur Musik paßt. Die Mikrofone rauschen etwas stärker als moderne Mikrofone nach jedem Klavieranschlag, was jedoch nicht stört und eher eine Klang-Bereicherung sein kann. Das tun aber auch die modernen Bruel&Kjaer-Typen, die z.B. für die Brahms-Aufnahme von Hélène Grimaud verwendet werden. Hier kann man bei jpc hineinhören, es sind die Titel 1-4:



    Eine andere Aufnahme dieser Sonate, die mir auch sehr gefällt, ist die mit Paul-Badura Skoda an einem historischen Instrument. Auch Badura-Skoda phrasiert und artikuliert musikalisch vollkommen organisch und sinnvoll. Es ist eine andere, vor mir ebenso gültige Lösung. Der unvollkommene Klavierklang des alten Instrumentes trägt sehr zur emotionalen Wirkung des Stückes bei. Obwohl die Aufnahmen sehr verschieden sind, sind es keine Gegenbilder. Ich mag beide sehr gerne. Hier kann man bei jpc hineinhören (CD 9 Titel 4-7)



    Es handelt sich vor mir hier um eine herausragende Gesamtaufnahme aller Klaviersonaten von Franz Schubert. Darunter sind viele sehr gute, wenn nicht große, wie D 959, D958, die drei a-moll-Sonaten D 845, D 537, D 784, sowie D 894 und D 840 ("Reliquie"). Ich höre diese Aufnahmen oft und gerne.


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

  • Hallo,


    auf drei "größte" Klaviersonaten konnte ich mich leider nicht beschränken, aber ich nähere mich hier nun dem Abschluß, wenn mir nicht noch andere große Sonaten einfallen. Heute abend hörte ich die letzten drei Klaviersonaten von Ludwig van Beethoven mit Valery Afanassiev und alle drei gehören für mich ohne Frage zu den "größten" Klaviersonaten. Sie wirken auf mich aber nicht so emotional, wie die von mir genannten Brahms-, Reubke-, oder Schubert-Sonaten. Beethoven ist generell ein schwieriger Komponist vor mir. Alle Streichquartette ab op. 74 finde ich durchweg inspiriert, die letzten drei Klaviersonaten und vielleicht noch die Pastorale und das Geistertrio. Ansonsten findet man immer wieder schöne Sätze neben uninspirierten. Auch leere Motorik findet man oft (ähnlich wie bei Mozart), bisweilen auch Zorn, den ich nicht habe.
    Beethovens drei letzte Sonaten haben ein abstraktes Element, das ich bisher nie deuten konnte. Dennoch sind sie durchweg inspiriert und wirken durchweg emotional. Valery Afanassiev spielt im großen Bogen, er phrasiert und artikuliert sehr organisch, so daß das abstrakte Element dieser Sonaten gut zum Ausdruck kommt. Keineswegs ist seine Interpretation deswegen arm an Emotion. Er hat vor mir eine der besten Aufnahmen dieser Sonaten vorgelegt, ein Freund schenkte mir diese Japan-CD (2003), leider weiß ich nicht, wo man sie in Deutschland beziehen kann.
    Als Interpret dieser Sonaten sollte auch Michael Steinberg erwähnt werden, der ebenfalls einen großen Bogen zu schlagen versteht und das abstrakte Element dieser Sonaten zum Vorschein bringt, ohne deswegen emotionsarm zu spielen. Er hat eine weitere Dynamik als Afanassiev und macht auch längere Pausen. Diese Aufnahmen sind nach meiner Kenntnis derzeit leider nicht erhältlich.


    Einen anderen Ansatz verfolgt nach meiner Ansicht - mit Erfolg - Paul Badura-Skoda. Das abstrakte Moment in diesen Sonaten bringt er weniger zum Vorschein, sondern er singt und spricht am Klavier so gut es geht, was diesen Sonaten eine "menschliche" Prägung verleiht. Auch dies ist ein gültiger Interpretationsansatz, allerdings ein Gegenbild zu den anderen beiden genannten. Von Paul Badura-Skodas interpretatorischer Leistung kann man sich bei jpc überzeugen, es sind alle Titel der CD 9:



    Paul Badura-Skoda spielt in dieser Gesamtaufnahme einen schön klingenden Bösendorfer Imperial.


    Liebe Grüße


    Andreas

    De gustibus non est disputandum (über Geschmäcker kann man nicht streiten)

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  • Immer wieder trifft man auch nach einiger Zeit auf threads, die einem in den Weiten des Forums bisher entgangen sind.
    Drei große Klaviersonaten: wie um Himmels Willen soll ich mich denn da festlegen? Egal, ein Versuch muß gestartet werden, aber es ist eine Momentaufnahme. Nicht nur momentan zählt für mich auf jeden Fall Franz Liszt, h-Moll Sonate dazu. Nicht weil sie technisch so anspruchsvoll ist, sondern weil Liszt in ihr die "Mehrsätzigkeit in der Einsätzigkeit" grandios umgesetzt hat, nicht nur weil mir die Sonate einfach besonders gut gefällt, sondern weil sie m. E. einen bedeutenden musikgeschichtlichen Beitrag darstellt. Daher wird sie sich auch unabhängig von meinen Musiklaunen immer unter meinen Top 3 halten.



    Wenn ich eine Aufnahme nennen sollte, dann wäre Brendel eine gute Wahl. Ja, schon wieder Brendel, den ich doch immer schon bei Beethoven anführe. Ja, schon wieder Brendel, dessen technische Fähigkeiten im Gegensatz zu anderen Pianisten endlich scheinen. Aber er hat sich diese Sonate mit seiner musikalischen Intelligenz so zurechtgelegt, dass ihm eine durch und durch überzeugende Interpretation gelingt: er belegt daß ein Liszt jenseits aller Brillanz und Virtuosität denkbar ist.
    Als Alternativen würde ich Jorge Bolet nennen wollen für die Liebhaber des "großen, kultivierten Tons" und als wilderen Zugang voller sinnstiftender Virtuosität George Cziffra. Andere Namen wären zu nennen, doch ist dieser thread nicht der Ort.
    Mit herzlichem Gruß
    JLang

    Gute Opern zu hören, versäume nie
    (R. Schumann, Musikalische Haus- und Lebensregeln)

  • Ich habe seit mehreren Jahren in Punkto Musik hier keine Beiträge mehr verfasst, ohne dass es mir langweilig geworden wäre. ,


    Nun habe ich von Alfred kürzlich eine Oster- email empfangen, die mich nicht nur emotional deutlich berührt, sondern auch wegen ihrer Mehrdeutigkeit zum Überlegen gebracht hat. Meine Reaktion war, mich hier wieder bemerkbar zu machen. Why not ?


    Ehrlicherweise war der Anlass auch die wiederholte Rezeption eines ganz merkwürdigen Klavierwerkes, mit einem sehr mutigen, aber auch gefeierten und trotzdem/ deshalb ziemlich unabhängigen Pianisten, nämlich MARC HAMELIN. Sowas habe ich vorher nie gehört. O my God.


    Es ist die einzige Klaviersonate von Leopold Godowski, der aus einer Kleinstadt nahe Vilnius (Wilna) stammt und Autodidakt war, von dem bereits ab den 1920er Jahren kaum jemand mehr gesprochen hat. Die Geschichte hat dieses unglaubliche Talent einfach und ohne Erbarmen überrollt. Der Kanadier (nur er ?) hat diese gewaltige, super- effektvolle Sonate wiederentdeckt und bravourös aufgenommen. Bei wiederholtem Hören wird sie ersteinmal immer hörenswerter !


    Sollte Interesse bestehen, könnten wir einige Gedanken darüber austauschen. Jetzt habe ich die Daten der CD nicht parat.


    LG Damiro,

    welcher sich viele Beiträge wünscht





  • Ich habe seit mehreren Jahren in Punkto Musik hier keine Beiträge mehr verfasst, ohne dass es mir langweilig geworden wäre. ,

    Hoffen wir das Beste! :) Einfach kurz die Hand heben, bevor die Langeweile übermächtig wird! ;)

    Der Kanadier (nur er ?) hat diese gewaltige, super- effektvolle Sonate wiederentdeckt und bravourös aufgenommen


    Die erste Aufnahme der Sonate, die mir bekannt ist, stammt aus dem Ende der 80-er und ist von Geoffrey Douglas Madge eingespielt noch für das Label Dante entstanden, für das er damals etliche Werke von Godowsky eingespielt hatte.


    MjUtOTQ5MC5qcGVn.jpeg


    Sie hatte mich damals schon beeindruckt. Als die Einspielung von Hamelin kam, war ich trotzdem begeistert. Ich denke, dass Hamelin und Godowsky eine wunderbare Kombination sind.


    Mittlerweile gibt es für das Gesamtwerk von Godowsky Einspielungen von Konstantin Scherbakow und Carlo Grante. Ich weiß aber nicht ob die bisher fertig geworden sind ... :)


    Diese Sonate ist ein gewaltiges Ding, passt aber schon ein wenig in die Zeit. Man denke an die Sonaten von Dukas und Rachmaninoff und nicht zuletzt das Sonatenwerk von Medtner (;)). Atmosphärisch überrascht trotz der Dimensionen die Intimität. Man hat selten das Gefühl, dass das Werk für die Konzerthalle gedacht ist, was vielleicht auch ein wenig die Unbeliebtheit beim spielenden Volk erklären könnte ;)


    Vielleicht noch ein wenig Fotografisches zu Leopold Godowsky


    Leopold Godowsky im Fotoalbum



    Sollte Interesse bestehen, könnten wir einige Gedanken darüber austauschen. Jetzt habe ich die Daten der CD nicht para

    Wenn Du mit meinen bescheidenen Theoriekenntnissen zufrieden bist, bin ich gerne bereit für einen Austausch, würde aber für die Sonate einen eigen Thread aufmachen.


    Auf jeden Fall viel Spaß hier! :hello:

  • Na, dann will ich auch mal drei Sonaten nennen, allein, damit nicht dauernd alles wiederholt wird ... :)


    1. L.v. Beethoven Op. 106 "Hammerklavier" . Die musste sein trotz Wiederholung


    2. N. Medtner Op. 25 Nr. 2 "Nachtwind" Ein unglaubliches Werk sowohl vom Aufbau wie auch von der Langzeitwirkung. Sie ist Rachmaninoff gewidmet, den Medtner für den größten Komponisten der Zeit hielt


    3. J. Barraqué Sonate pour piano. Ein serielles Werk von immensen Dimensionen. Der Aufbau erinnert ein wenig an Beethoven op. 111.


    Es ist selbstverständlich klar, dass viele bedeutende Sonaten jetzt nicht erwähnt wurden, insbesondere Beethovens Werkkomplex, Schuberts D. 960, Liszts h-Moll Sonate, Boulez' zweite Klaviersonate und natürlich auch Godowskys Sonate .. ;)