Historisches Pianoforte oder moderner Konzertflügel bei Klaviersonaten der Wiener Klassik?


  • Als "historischer Extremist" könnte man fordern, dass Brautigam für das obige Beethovenprogramm drei unterschiedliche Instrumente verwendet. Für op.13 eins von ca. 1797, für die Waldsteinsonate eines von 1805, für op.111 eines von 1820...


    Wie sieht das aus mit den Saiten? Müßten die für Extremisten nicht auch mindestens 200 Jahre alt sein?


    Und die von Alfred oben angesprochene gute Wartung der Instrumente? Wenn nun zur Geschmeidigmachung der Tastatur Öle, Harze oder sonstiges verwendet werden, die es damals nicht gab?

  • Zitat

    Johannes Roehl: Ich frage mich, ob Staier ein Programm wie in # 25 genannt, auf zwei unterschiedlichen Instrumenten spielt.

    Leider kann ich dir die Frage niicht beantworten, lieber Johannes, weil ich den Konzertbesuch vom 29. Oktober wegen einer Erkrankung ausfallen lassen musste, aber ich hoffe, am 14. Januar 2015 gesund am Start zu sein, um zu erleben und anschließend darüber zu berichten, was Brautigam veranstaltet haben wird.


    Liebe Grüße


    Willi :)

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).

  • Zitat

    Als "historischer Extremist" könnte man fordern, dass Brautigam für das obige Beethovenprogramm drei unterschiedliche Instrumente verwendet. Für op.13 eins von ca. 1797, für die Waldsteinsonate eines von 1805, für op.111 eines von 1820...


    Ganz so ist das aber auch wieder nicht. Prinzipiell könnte man für alle Stücke ein Instrument von 1820 nehmen, da Beethoven zu dieser Zeit noch lebte. Aber generell gesagt sollte man das nicht allzu streng nehmen, weil ein Klavier damals wie heute ein Vermögen kostete und man sicher dchon damals das benutzte was eben da war. Es ist sicher ein gravierender Unterschied, zwischen einem modernen Konzertflügel und einem alten Instrument, aber den einzelnen Varianten wurden schon zu Lebzeiten der Komponisten keine allzu große Bedeutung beigemessen. Der "historische Extremismsus" ist eine Erfindung der Tonträgerindustrie, weil er es ermöglichte, längst eingespielte Werke erneut aufzunehmen (ähnlich der Mode der "Urtext-Ausgabe")


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Wie sieht das aus mit den Saiten? Müßten die für Extremisten nicht auch mindestens 200 Jahre alt sein?


    Und die von Alfred oben angesprochene gute Wartung der Instrumente? Wenn nun zur Geschmeidigmachung der Tastatur Öle, Harze oder sonstiges verwendet werden, die es damals nicht gab?

    Ich nehme an, das ist eigentlich nicht ernst gemeint. Man braucht nicht bis ins Letzte perfektionistisch zu sein. Die Unterschiede zwischen einem modernen Konzertflügel und alten Hammerklavieren bzw. ihren Nachbauten sind auch so schon groß genug, um besondere Qualitäten ausreichend hörbar zu machen. Manche Sachen kann man, so habe ich mir sagen lassen, auf einem modernen Flügel nicht spielen, ohne zu tricksen, weil die Tasten schwerer gehen und mehr Hub haben. Die unterschiedliche Charakteristik der tiefen und hohen Register beim Hammerklavier geht beim modernen Flügel natürlich verloren. Und da, wo das An-die-Grenze-Gehen bei einem Stück von Mozart oder Beethoven einkomponiert ist, wird’s beim modernen Flügel natürlich unmöglich, das wiederzugeben. Dann kommt ja auch noch der Aspekt der Dynamik dazu. Wo man beim Hammerklavier auch mal so richtig in die Vollen gehen kann, würde der moderne Flügel alles viel zu sehr vergrößern, und statt der Bassgewitter höre ich lieber die differenzierten Klänge des Hammerklaviers. Beim Klaviertrio ist es mit dem Hammerklavier ja auch viel leichter, die Balance zu halten, weil das Instrument die Streicher im Forte nicht so zudeckt (es sei denn, man hält sich auf dem Flügel so weit zurück, dass wiederum die Dynamik des Klaviers auf der Strecke bleibt).


    Aber eigentlich sollte es doch überhaupt keiner Diskussionen bedürfen, denn schließlich ist ein Hammerklavier ein anderes Instrument als der moderne Flügel, und die alten Stücke wurde nun mal für die Instrumente ihrer Zeit geschrieben.

    Ob einem nun der Klang des modernen Konzertflügels besser gefällt als der vom Hammerklavier, ist eine ganz andere Frage als die, welches Instrument nun das angemessenere ist. Natürlich ist es legitim, Mozart auf einem heutigen Konzertflügel zu spielen, wenn man das schöner findet. Man sollte schöner nur nicht verwechseln mit richtiger oder besser.

  • (...) Prinzipiell könnte man für alle Stücke ein Instrument von 1820 nehmen, da Beethoven zu dieser Zeit noch lebte. Aber generell gesagt sollte man das nicht allzu streng nehmen, weil ein Klavier damals wie heute ein Vermögen kostete und man sicher dchon damals das benutzte was eben da war. Es ist sicher ein gravierender Unterschied, zwischen einem modernen Konzertflügel und einem alten Instrument, aber den einzelnen Varianten wurden schon zu Lebzeiten der Komponisten keine allzu große Bedeutung beigemessen. Der "historische Extremismsus" ist eine Erfindung der Tonträgerindustrie, weil er es ermöglichte, längst eingespielte Werke erneut aufzunehmen (ähnlich der Mode der "Urtext-Ausgabe")

    Ich gehöre zu den Musikliebhabern, die beispielsweise dem Klang eines Hammerklaviers überhaupt keine Freude abgewinnen können. Insofern sind die Aufnahmen mit modernen Instrumenten für mich nicht nur kein Problem, sondern quasi unabdingbar. Bei der Musik für Tasteninstrumente des Barockzeitalters allerdings gefällt mir ein modernes Klavier überhaupt nicht, da muss es schon ein Cembalo sein...


    :hello:

    .


    MUSIKWANDERER

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  • Zitat

    Wie sieht das aus mit den Saiten? Müßten die für Extremisten nicht auch mindestens 200 Jahre alt sein?


    Nein - das müssten sie nicht, im Gegenteil, das dürften sie gar nicht.
    Denn die Saiten waren damals brandneu.
    Genau genommen müssten wir uns stets Musik auf NACHBAUTEN historischer Instrumente abhören, denn die Klaviere von damals waren ja neu - und nicht 250 Jahre alt. Trotz aller Restaurierung bleiben die Alterserscheinungen - Und wenn TOTAL Restauriert wurde - dann entspricht das schon so gut weinem neuen Klavier. Ich erinnere mich, einst den Satz gehört zu haben : "Eine Violine blüht im Laufe der Zeit auf - ein Klavier altert und stirbt"
    Ich habe mich oft mit der Frage befasst, inwieweit ein nachgebautes historisches Instrument "authentisch" klingt.
    Ich bin zu dem Schluß gekommen, daß das gut möglich ist - und zudem haben ja auch zu Mozarts Zeiten die Instrumente eines Herstellers nicht alle "gleich" geklungen . sie haben ein Eigenleben, dies gilt übrigens auch heute noch....



    quote]Ich gehöre zu den Musikliebhabern, die beispielsweise dem Klang eines Hammerklaviers überhaupt keine Freude abgewinnen können.[/quote]
    Das ist jedem überlassen. Aber wer Schubert noch nie auf einem Flügel aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehört hat, der kennt Schuberts Klaviersonaten und -Stücke nicht wirklich. Sie klingen völlig anders......


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ganz sicher: über den Klang ändert sich die Wahrnehmung des Werkes.
    Nicht nur bei Schubert.
    Ich habe nach dem Lesen des Threads vorhin meine Aufnahmen rausgekramt mit Mozart-Klavierkonzerten mit Siegbert Rampe.
    Er spielt das KV449 auf einem Cembalo- für mich weitaus überzeugendere große Kammermusik als mittels Steinway.
    Der besonderen Rhethorik des KV271 kommt das Sprechende des Cembalo ohnehin entgegen.


    Oft ist hier von Dynamik die Rede- was ich etwas differenzieren möchte.
    Es gibt ja die Grobdynamik und daneben die Feindynamik.
    Im Groben ist der moderne Flügel im Vorteil-meist.
    Im Feinen das Fortepiano aber ganz sicher.


    Es geht um das grundsätzliche Laustärkeniveau, von dem aus man Dynamik definiert.
    Hörte soeben Mozarts c-moll-Sonate mit Rampe, die alte Interchord-Platte.
    Auf einem Stein- Clavier gespielt, nicht auf dem Walter, der als "DAS" Mozart-Instrument gilt.


    Wie gesagt, das Lautstärkeniveau ist niedriger, die Feindynamik aber gleich groß.
    Überraschend aber der Schlusssatz, in dem Rampe gegen Ende ein Fortissimo aus dem Instrument "zaubert", das in seiner Wucht die Möglichkeiten des Steinway in den Schatten stellt.
    Seitdem ich auf solche Art Mozart hörte, scheint mir der Steinway ungeeignet- er zwingt zum Nivellieren. In der Differenzierung; sowohl seitens der Klangfarbe wie auch der Dynamik.


    Was mich nicht davon abhält, Mozart auf dem Steinway gespielt, durchaus genießen zu können- und auch nicht davon, Brautigam fade zu finden.
    Es ist nie allein die Wahl des Instruments, es ist immer auch das Handwerk, dem Instrument zu entlocken, was es wirklich zu bieten hat.


    Verallgemeinernd: insbesondere klangfarblich verarmen die Instrumente, je jünger sie werden.
    Dazu scheint zu kommen, dass unser heutiges Leben vor allem eins ist: LAUT. (Und hell, dank der Elektrik.)
    Grete Wehmayer hätte sich nicht allein mit Tempi befassen sollen, sondern vor allem mit dem Lauststärkepegel, der heute so sehr angehoben scheint gegenüber damaligen Verhältnissen. Wir sollten bei der Betrachtung der Instrumentenwahl das jeweilige Umfeld eben nicht vergessen.


    Herzliche Grüße,
    Mike