Haydn: Streichquartette op. 20, 1-6 "Sonnenquartette"

  • Das englische Doric Quartet legt eine Doppel-CD (zum Preis von einer) mit den 6 Sonnenquartetten von Joseph Haydn vor. Nun könnte man sagen: so what, davon gibt es schon genug Einspielungen, wäre da nicht der Beitrag von Markus Staebler im FF, der der Aufnahme fünf Sterne verpasst und sinngemäß schreibt: so schön hat man diese Quartette schon lange nicht mehr gehört, vielleicht sogar noch nie. Das ist natülich ein starkes Statement, das eigentlich einer Überprüfung bedarf. Zumal Chandos nicht zu den Labeln gehört, die im FF Werbeanzeigen schalten. Die Hörschnipsel beim Werbepartner zeigen, dass das Doric Quartet weitgehend der HIP folgt.


  • »So lebendig und aufregend wie hier hat man Haydns Zyklus op. 20 schon lange nicht gehört. Vielleicht sogar noch nie. (...) Wo man auch hinhört: Überall fesselt Haydn seinen Hörer mit genialen Ideen und Pointen, die das Doric String Quartett meisterhaft auf den Punkt bringt.« (Fono Forum, Februar 2015)


    Inzwischen kann ich sagen: Stimmt.


    Wenn dies wirklich eine neue GA wird (es steht ja Volume 1 auf der CD) und die anderen auch auf dem Niveau sind (Volume 2 mit Opus 76 ist es schon mal), kann ich alle anderen Einspielungen wieder verkaufen.


  • Ich habe mir kürzlich diese CD zugelegt und vorgestern abend zum ersten Mal hineingehört. Das war ein wirklich wunderbares Erlebnis. Der Klang dieses Quartetts ist einfach schön.
    Die Chiaroscuros spielen mit Darmsaiten. Das klingt erstmal nicht so "schroff". Die leisen Stellen werden wirklich sehr leise. Aber dieser Klang hat mich wirklich angesprochen. Dazu kommt noch, dass die Aufnahme tontechnisch ausgesprochen gut ist. Ich kam mir wie im Konzertsaal vor.
    Zum Vergleich habe ich gestern dann die Aufnahme des Doric Quartets angehört. Auch sehr, sehr gut, aber mir hat die CD der Chiaroscuros besser gefallen. Es fällt mir allerdings sehr schwer, herauszufinden, was genau mir besser gefällt, wahrscheinlich muss ich sie noch einige Male hören.

    "Lassen Sie sich ruhig fallen, bei Bruckner fallen Sie immer nach oben"
    Günter Wand

  • Ich bin bei der Aufarbeitung der Threads über Haydns Streichquartette bei op 20 "Sonnenquartette! angekommen.

    Das meiste wurde ja schon geschrieben. Dennoch wundert es mich, daß hier eine Pause von 4 Jahren eingetreten ist.

    Sieht man von meinen Beiträgen der letzten 2 oder 3 Wochen ab, so ist es noch viel länger her, daß ich ein Haydn Streichquartett hineingehört habe . Vermutlich sind es sogar 10 Jahre.....


    Ich höre fürs erste in dasStreichquartett Op 20 Nr 1 mit dem Buchberger Quartett , welches von Prof. Buchberger als " das entspannteste" des Zyklus beschrireben wird. In der Tat ist es leicht, locker, luftig und gefällig. Genau für mich geschrieben. Der klang der Aufnahme ist vorbildlich. Die Abbildung der Einzelveröffentlichung soll nur der Orientierung dienen, es gibt nur mehr die daneben abgebildete Gesamtaufnahme -und auch hier stellt sich die Frage: Wie lange noch ? Der niedrige Preis von 34.99 könnte ein Warnsignal sein.

    Die Aufnahme ist klanglich sehr gut, die Intrumente klingen "harzig", die interpretation "bodenständig"

    Gespielt wird die Urfassung (Haydn hat die Fassung später bearbeitet)


    Die Sätze von op 20/Nr 1 Hob.III:31


    1) Allegro moderato

    2) Menuet Un poco allegretto

    3) Affettuoso e sostenuto

    4) Finale presto


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Seit gefühlten Ewigkeiten habe ich diese Aufnahme nicht gehört - möglicherweise auch überhaupt noch nicht (?)

    Dabei ist es eine wunderbare Aufnahme. Ich habe wirklich große Probleme mit der Frage, ob ich den Buchbergers oder dieser Aufnahme mit dem Pellegrini Quartett den Vorzug geben soll. Glücklicherweise muß ich das auch gar nicht. In der ersten Begeisterung habe ich gesucht, ob es auch andere Haydn Quartette mit dem Pellegrini Quartett gibt. - Gibt es nicht. Dabei hab ich auch herausgefunden, warum ich dieses Quartett nicht kannte: Es ist eigentlich eher auf modernes bis zeitgenössisches Repertoire spezialisiert - oder muß ich sagen: WAR ?

    Bei Wikipedia (nur deutsch und Englisch) wird es noch als existent gefüht, mit dem Hinweis eines Personalwechsels bei der Viola

    Charlotte Geselbrecht -> Fabio Marano (1993)

    Über hundert Umwege ist es mir gelungen, herauszufinden, daß dieses Quartett 2014 aufgelöst wurde. Weiterer Haydn war vermutlich sowieso nicht zu erwarten... Seien wir zufrieden mit dem was wir haben.....


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Dabei ist es eine wunderbare Aufnahme. Ich habe wirklich große Probleme, ob ich den Buchbergers oder dieser Aufnahme mit dem Pellegrini Quartett den Vorzug geben soll.

    Ich bald auch nicht. Ich habe die Aufnahme gerade bestellt. Tatsächlich kenne ich die Pellegrinis eher durch Aufnahmen von Morton Feldman. Hochinteressant , dass Du herausgefunden hast, dass das Ensemble leider 2014 aufgelöst wurde. Hast Du weiteres zu den Mitgliedern gefunden?


    Streichquartett -Ensembles : Vol 1 - Die Verblichenen

    MOD 001 Alfred

  • Inzwischen habe ich eine weitere Box mit Haydn Streichquartetten.Es handelt sich um historische monaurale Schellack- Aufnahmen mit dem Pro Arte Quartett, welche für EMI zwischen 1931 und 1938 im Nr 3 Studio Abbey Road gemacht wurden.

    Aus op 20 sind hier die Quartette Nr 1,2,4 und 5 enthalten. Ich habe hier als Klangbeispiel heute Nr 2 abgehört, welche vo Ddeember 1931 stammt)

    Das Quartet Nr 2 dieser Serie ist IMO eigenwillig und markant, insbesondere die Harmonien im 3. Satz haben mich begeistert.

    Zu zur speziellen Aufnahmen. Sie ist am ehesten mit temperamentvoll und rhytmisch geprägt zu umschreiben.Mir kommt sie - wie übrigens der gesamte Zyklus, ein wenig rasanter im Tempo vor als ich das gewöhnt bin. Dabei sind die absoluten Spielzeiten nur geringfügig kürzer als bei der herangezogenen Vergleichsaufnahme mit den Pelegrinis (Der erste Satz zählt nicht - wegen der Wiederholungen ), die ja auch vorzugsweise Zeitgenössisches spielten...

    Mir ist erst momentan bewusst geworden, daß diese Aufnahmen, zwar bereits "elektrische" waren (seit ca 1924/25) aber daß es damals (1931) noch kein Tonbandgerät (Magnetophon) gab, das kam erst um ca 1935. Es wurde auf Wachsplatten aufgezeichnet.........



    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Es ist natürlich unmöglich auch nur die wichtigsten Einspielungen der Haydn Streichquartette zu hören, geschweige denn zu besitzen.

    Dennoch habe ich mich im Frühjahr 2021 entschlossen in nächster Zeit einerseits bislang ungehörte und nicht eingeordenete Aufnahmen zu hören und einzuordnen und zusätzlich moderat die eine oder andere Lück durch Zukauf zu schliessen, bzw die Sammlung zu ergänzen. Mit dem Kauf der historischen Aufnahmen des Pro Arte Quartett habe ich im Mai begonnen, mit op. 20, den "Sonnenquartetteten" mit dem Quatuor Festetics setze ich fort.

    Heute habe ich die Quartette 1-3 der Serie gehört. Eher füllig und erdig, als filigran ziselisierend, mit leichter Schärfe in den Höhen und "eigenwilligem" oder "charakteristischem" Klang, stellenweise dadurch sehr anspringed, aber nicht künstlich aggressiv. Eine Interessante Aufnahme. Hervorzuheben wäre noch das ausserordenlich interessante und relativ ausführliche Booklet. Darin enthalten eine bösartige Kritik über Haydns "Unkenntnis des Kontrapunkt", welche ihn geärgert hat und die ihn bis ins Alter verfolgt hat...


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Das recht junge niederländische Dudok Kwartet (Dudok Quartet) berichtet im Booklet, dass es sein erstes Livekonzert 2009 mit Haydns Op. 20 Nr. 2 begonnen hätte, weil ihm Haydns Musik so natürlich vorgekommen sei. Bis zur Aufnahme sind dann noch 10 Jahre vergangen. Die Mitglieder schreiben, dass sie die Bedeutung dieser Musik erst mit den Jahren erfahren haben. Die meisterhafte Perfektion und der sparsame Einsatz der Mittel mit der doch der ganze Reichtum des Lebens abgebildet wird. Eine Erkenntnis, die bei mir auch ziemlich lange gedauert hat.


    Umso interessanter diese Aufnahme, die ihrem eigenen Einführungstext vollständig gerecht wird. Dem Hörer wird ein breites Panorama subtilster Emotionen geboten, was normalerweise bei den Sonnenquartetten schon mal untergehen kann. In Booklet wird eine Äußerung E.T.A. Hoffmanns zitiert, der Haydns Kompositionen eine kindliche Persönlichkeit unterstellt. Hier beim Hören wird noch einmal klar, was für großartige Meisterwerke hier vorliegen.


    Das Dudok Kwartet hat sich bisher mit einigen recht modernen Komponisten beschäftigt, umso erstaunlicher die Affinität zu Haydn. Der Klang ist sehr fein akzentuiert und lässt etwas wienerischen Charme vermissen (Op. 20 Nr. 2 2. Satz Adagio, die Schönheit des Satzes kommt trotzdem deutlch heraus). Diie kompositorische Meisterschaft Haydns kommt IMHO voll zur Geltung.


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    Hier eine Rezension, die vielleicht einen anderen Aspekt betont.


    From the first notes of the first volume (The G minor Quartet), the Dudok’s sound sets them apart. Richer than the London Haydn Quartet but more elegant than the Doric Quartet, who are more akin to the Lindsays. The first and last movements are bold and are two of the most spirited movements of the set. The C major String Quartet brings sunshine sandwiched between the two contrasting minor Quartets, though not without its darker moments. The Dudok find a yielding warmth throughout, whilst the Doric are brighter in tone and bring a more angular approach. Concluding the first volume with the F minor Quartet, this performance delicately highlights both the lighter and darker moments, often starkly and abruptly juxtaposed. The fugue, which forms the final movement, has a reserved character, ending quite enigmatically. By contrast, Quatuor Hanson are more certain overall, with stronger dynamics and rhythmic drive.


    Am Schluss noch die Schlussfuge von Op. 20 Nr. 2 live vorgetragen vom Dudok Kwartet, Musiekgebouw Februar 2021. Haydn und die Kontrapunktik ... Bilde sich jeder ein eigenes Urteil


  • Nach dem Abhören der ersten dre Quartette des op 20 "Sonnenquartette" mit den Festetics Quartett wollte ich hier ein Klangbeispiel einstellen, weil ich wissen wollte, ob Ihe auch den Klang so gewöhnuungsbedürftig findet, ein wenig kompakt, ein wenig "quäkig", von der Interpretation her eher brav oder akademisch.

    Inzwischen habe ich hier weiter oben einige Statements gefunden, die in etwa das Gleiche aussagen.

    Aber Haydns Musik ist unzerstörbar - sie gefällt immer - wir "mäkeln hier auf hohem Niveau - noch dazu sehr subjektiv und anfechtbar.

    Bei dieser Gelegenheit bin ich auf einen Clip meines Lieblingquartetts dieses Zyklus gestoßen,



    Besonders beeindruckend finde ich den 3. Satz, das Menuett (hier ab 14:20)


    Und BESONDERS interessant in dieser Einspielung.

    Die ideale Ergänzung zum von Astewes eingestelltem Clip.

    Auch hier haben wir es mit einer "radikalen" Einspielung zu tun, fernab von wienerischer Gemütlichkeit,

    bzw einem Kontrast zwischen inniger Süße und aggressivem Zugriff

    was IMO dem Werk einen revolutionären Touch verleiht.

    Leider gibt es keine Aufnahme von diesem Mitschnitt eines Konzertes des

    Festival Wissembourg aus dem Jahre 2016(?)

    mit dem Quatuar Ebène


    Man merkt den jugendlichen Zugang und die gelegentliche Befassung mit Jazz

    Trotz der Interpretation mit "Biss" wirkt hier nichts aufgesetzt uder gekünstelt.

    Das ist das kollektive Temperament dieses Ensembles


    IMO Perfektion pur


    mfg aus Wien

    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



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  • Das Label Hyperion veröffentlicht die Aufnahmen von The London Haydn Quartet, einem Ensemble, das der historisch informierten Aufführungsparaxis verpflichtet ist. In meinem Beitrag 24 hatte ich sie bereits vorgestellt.

    Im Zitat in Beitrag 39 aus Classic Review wird die Aufnahme ebenfalls kurz erwähnt. The London Haydn Quartet werden 2022 die Gesamtaufnahme der Streichquartette ihres Namensgebers abgeschlossen haben. Die vier Musiker spielen auf Darmsaiten wie das Chiaroscuros Quartett aus Beitrag 33, wie es sich für ein HIP Ensembles gehört. Der Klang ist obertonreich, aber auch warm. In die besondere Klanglichkeit muss man sich einhören, wenn man die anderer Ensembles kennt.


    2010 kam die Aufnahme von Op. 20 heraus. In dieser Besprechung von Harriet Smith und Andrew McGregor auf BBC Radio 3 hört man mehr.


    https://londonhaydnquartet.co.uk/recordings/review.mp3



    Übrigens: Die Cover der CDs dieser Gesamtaufnahme zeigen Londoner Stadtansichten, insbesondere solche der Themse. Dies ist passend, denn Haydn war zwei Mal Gast in London. 2018 gab es in Wien eine Ausstellung zu den Reisen des Komponisten.


    „Ich bin Salomon aus London und komme, Sie abzuholen, morgen werden wir einen Akkord schließen.“ ... Haydn musste nicht lange überredet werden. Sein Dienstvertrag wurde von seinem Dienstherrn Anton Fürst Esterházy beendet. Er hatte nun endlich die langersehnte Freiheit, endlich diese große Reise anzutreten. Am 15. Dezember 1790 brach Haydn in Begleitung von Johann Peter Salomon mit der Postkutsche von Wien aus nach London auf. Am Neujahrestag 1791 übersetzten sie per Schiff von Calais nach Dover und erreichten am 2. Jänner 1791 London.


    1794 reiste Haydn ein zweites Mal nach England. Diesmal reiste er komfortabler und wohl auch schneller. Baron van Swieten stellte ihm einen leichten Reisewagen, eine sog. Berline, aus seinem privaten Fuhrpark zur Verfügung. Diese Art von Kutschen war bequemer, da sie besser gefedert und wendiger waren. Haydn übernachtete auch nicht in den Poststationen, sondern in Privatunterkünften bzw. Gasthäusern.

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    Vor Schuberts Musik stürzt die Träne aus dem Auge, ohne erst die Seele zu befragen:
    so unbildlich und real fällt sie in uns ein. Wir weinen, ohne zu wissen warum; Theodor W. Adorno - 1928