Wagners Dramen visuell

  • Evchen -- Übernahme von Hans Sachs


    Ich bin für rollendeckende Besetzungen -- Botha, um nur ein Beispiel zu nennen, ist für mich... - ach, schweigen wir lieber ... :stumm:


    :hello: LT

  • Da haben Du und ich offensichtlich unterschiedliche Ansichten darüber, wie Wagner m. E. Eva und Stolzing als Personen angelegt hat, bei Sachs gibt es darüber kein Problem.


    :hello:
    zweiterbass

    Wer die Musik sich erkiest, hat ein himmlisch Gut bekommen (gewonnen)... Eduard Mörike/Hugo Distler

  • Lieber Liebestraum,


    mag sein, dass die von dir vorgestellten Aufnahmen der Meistersinger besser sind. Ich kann das natürlich schlecht beurteilen, weil ich nur wenig zu vergleichende Aufnahmen besitze. Ich bin im Bereich der Oper wenig spezialisiert, weil mein Interesse weit gefächert ist, ich also eine große Menge von Opernaufnahmen vom Monteverdi bis in die Moderne besitze. Auch bin ich nicht in der Lage, die musikalische Qualität im Einzelnen so zu beurteilen, wie es die Experten können. Weiterhin kommt natürlich noch hinzu, dass der eine die Aufnahme besser findet, der andere eine andere, wie wir es hier im Forum ja in vielen Themen finden.
    Von den Meistersingern habe ich nur diese Aufnahme, und als vielseitig interessierter Opern und Musikfreund kann man sich auch aus Platz- und finanziellen Gründen häufig nur eine Aufnahme leisten. Und da diese Aufnahme der Meistersinger mir gefällt, bin ich damit zufrieden und habe sie als Ergänzung zu deinen Aufnahmen vorgestellt.
    In den von dir vorgestellten Aufnahmen des Holländers, Tannhäusers und Lohengrins habe ich immer eine der von dir vorgestellten Aufnahmen. Ich bin nur auch auf deine Vorstellungen - vor allem des "Rings" - gespannt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • 1. Bayreuth 1983




    Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
    Inszenierung: Jean-Pierre Ponnelle


    König Marke: Matti Salminen
    Tristan: René Kollo
    Kurwenal: Hermann Becht
    Isolde: Johanna Meier
    Brangäne: Hanna Schwarz
    Melot: Robert Schunk


    Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele


    Diese legendäre Inszenierung von Jean-Pierre Ponnelle zeigt eindrucksvoll, dass der "Tristan" nicht nur düster auf leergeräumter Bühne spielen muss. Wer den großen Baum samt üppiger Blütenpracht im 2. Aufzug gesehen hat, wird diese Bilder nicht mehr vergessen. Mit dieser Inszenierung debütierte Daniel Barenboim am Pult des Grünen Hügels: Er leitete das Orchester kraftvoll zupackend, nie schleppend. Auch von den Gesangssolisten gibt es keinen Ausfall zu vermelden, außer vielleicht der Kurwenal Hermann Bechts, der hier nicht seinen besten Tag hatte. Kollos Leistung als Tristan und Johanna Meiers Isolde kann man nur als grandios bezeichnen.


    Fazit: Der "Tristan" muss es auf jeden Fall sein!



    2. Dessau 2007



    Musikalische Leitung: Golo Berg
    Inszenierung: Johannes Felsenstein


    König Marke: Marek Wojciechowski
    Tristan: Richard Decker
    Kurwenal: Ulf Paulsen
    Isolde: Iordanka Derilova
    Brangäne: Alexandra Petersamer
    Melot: Kostadin Arguirov


    Chor des Anhaltinischen Theaters Dessau
    Anhaltinische Philharmonie Dessau


    Ja, eine Produktion aus der Provinz gelangt auch hier zu großen Ehren. Der Sohn Walter Felsensteins, Johannes Felsenstein, steht als Regisseur in der Verantwortung. Er sorgt weitesgehend für eine werkgetreue Umsetzung des Werks. Sehr gut gelungen sind auch die Bühnenbilder, die auf der größten deutschen Drehbühne hervorragend zur Geltung kamen. Eindrucksvoll war die Arbeit des Dirigenten Golo Berg, der mit seinem Orchester einen Klang schuf, der mehr als aufhorchen ließ: das Orchester wurde hinter die Bühne postiert, so dass der Klang etwas gedämpft war, sehr zum Vorteil für eine hohe Textverständlichkeit der Sänger. Allem voran Iordanka Derilova: ihre leidenschaftliche Isolde war sängerisch absolute Weltklasse. Aber auch Richard Deckers Tristan stand ihr kaum nach. Die übrigen Sänger boten ebenfalls erstklassige Leistungen - kein Ausfall! -- Bravo! -- Grandios! --


    Fazit: Dieser "Tristan" darf in keiner "Tristan"-Sammlung fehlen!



    3. Glyndebourne 2007




    Musikalische Leitung: Jiri Belohlavek
    Inszenierung: Nikolaus Lehnhoff


    König Marke: René Pape
    Tristan: Robert Gambill
    Kurwenal: Bo Skovhus
    Isolde: Nina Stemma
    Brangäne: Katarina Karnéus
    Melot: Stephen Gadd


    The Glyndebourne Chorus
    London Philharmonic Orchestra


    Von den kommerziell zu erwerbenden "Tristan"-Veröffentlichungen auf DVD/Blu-ray ist dies dann noch eine der besseren, wenn man die beiden anderen Barenboim-Produktionen (Müller/Chereau), die noch davor rangieren würden, außer acht lässt. Aber hier nur Barenboim-"Tristan" zu präsentieren, halte ich nicht für richtig. Auch Nikolaus Lehnhoff bietet eine nahezu werkgetreue Umsetzung des Werkes, das in einem spiralförmigen Einheitsbühnenbild in Szene gesetzt wird. Sehr gute die Leistung von Jiri Belohlavek mit dem London Philharmonic Orchestra. Allerdings waren besonders die Tempi im 3. Aufzug für mich zu breit. Nina Stemmes Isolde war über jeden Zweifel erhaben: einfach wunderbar ihr Gesang. Aber auch Robert Gambill sang einen mehr als beachtlichen Tristan. Auch die anderen Solisten: Pape, Skovhus und Karnéus leferten sehr gute Leistungen ab.


    Fazit: Für "Tristan"-Freunde von Interesse! - Ansonsten dann doch eher die beiden anderen "Tristan" unter Barenboim!



    :hello: LT

  • Zitat

    Zitat von Liebestraum: Von den kommerziell zu erwerbenden "Tristan"-Veröffentlichungen auf DVD/Blu-ray ist dies dann noch eine der besseren, wenn man die beiden anderen Barenboim-Produktionen (Müller/Chereau), die noch davor rangieren würden, außer acht lässt.

    Hallo Liebestraum,


    unter der Glyndebourne-Inszenierung erwähnst du u.a. auch die Chereau-Inszenierung aus der Mailänder Scala mit Barenboim. Ich kann die Inszenierung von Lehnhoff nicht beurteilen, weil ich diese nicht kenne. Die Chereau- Inszenierung fand ich sehr gelungen und werksgetreu, und es freut mich, dass du diese - weil du nicht nur Barenboim anführen wolltest - diese hier noch auf einen höheren Rang stellst als die von dir vorgestellte. So liege ich mit meiner Beurteilung der Chereau- Inszenierung, die ich schon an anderen Stellen im Forum lobend erwähnt habe, wohl doch nicht so ganz falsch. Auf die weiteren Vorstellungen bin ich sehr gespannt.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Vorbemerkungen


    In keinem anderen Bühnenwerk Wagners wird so viel Spielaktivität gefordert wie gerade im "Ring". Darüber muss man sich im Klaren sein, wenn man an die Auswahl herangeht. Man wird dem "Ring" nicht gerecht, wenn man die Akteure in passende Kostüme steckt, tolle Bühnenbilder entwirft aber keine richtige zielgerichtete Aktion anzubieten hat. Wie groß auch die Anzahl der Fürsprecher für den MET-Schenk-"Ring" (der durchaus auch seine Meriten hat) sein mag, wer aber genauer hinsieht, merkt sehr wohl, dass Schenk uns einiges schuldig bleibt. Kritisch gesehen werden müssen auch die Leistungen der Sänger, die zum teil schon über ihren Zenit hinaus sind, oder nicht wissen, was sie singen (Morris!). Auch die oft zu langsamen Tempi, sind nicht jedermanns Geschmack. Der neue "MET"-Ring krankt auch an der Aktion der Sänger. Ganz zu schweigen der Show-"Ring" aus Valencia, der natürlich etwas fürs Auge ist, aber den Wagnerschen Intentionen nicht entspricht. Der andernorts hoch gelobte Frankfurter Weigle-"Ring" bietet nur mittelmäßiges aus dem Orchestergraben (dann greife ich doch lieber zum Weigle-Lehrer Barenboim), auch szenisch ermüdet der "Ring": goldstaubstreuende Rheintöchter und ein nur sich versteckender Alberich; der Speer, der gefürchtet werden soll, ist nicht zu sehen usw.



    1. Bayreuth 1980




    Musikalische Leitung: Pierre Boulez
    Inszenierung: Patrice Chereau


    Wotan: Donald McIntyre
    Fricka: Hanna Schwarz
    Alberich: Hermann Becht
    Erda: Ortrun Wenkel
    Siegmund: Peter Hofmann
    Sieglinde: Jeannine Altmeyer
    Hunding: Matti Salminen
    Brünnhilde: Gwyneth Jones
    Siegfried: Manfred Jung
    Gunther: Franz Mazura
    Hagen: Fritz Hübner


    Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele


    Der Jahrhundert-"Ring" wurde 1976 sehr kontrovers aufgenommen, war aber zum Ende in Bayreuth legendär. Patrice Chereau hat sich monatelang eingeschlossen und hat sich in den Wagner-Kosmos hinein gelesen - mit einen Ergebnis, dass einen nur erstaunen lässt: eine bis ins kleinste Detail hervorragend geführte Personenregie, die uns den "Ring" in der Zeit der Entstehungszeit erleben lässt. Auch wenn die Gesangsleistungen nicht immer auf höchstem Niveau sind (McIntyre, Jung ...), macht die szenische Umsetzung das auf jeden Fall wieder wett. Hervorragend dagegen Hanna Schwarz (Fricka), Peter Hofmann (Siegmund), Heinz Zednik (Siegfried-Mime!), Hagen (Fritz Hübner). Der Chor und das Orchester der Bayreuther Festspiele hielt wieder das hohe Niveau. Pierre Boulez bot ein zügig-expressives Dirigat.


    Fazit: Der erste "Ring", der wieder Leben auf die Bühne brachte nach den Jahren statuarischen Göttergehabes!



    2. Bayreuth 1991/92




    Musikalische Leitung: Daniel Barenboim
    Inszenierung: Harry Kupfer


    Wotan: John Tomlinson
    Fricka: Linda Finnie
    Alberich: Günter von Kannen
    Erda: Birgitta Svendén
    Siegmund: Poul Elming
    Sieglinde: Nadine Secunde
    Hunding: Matthias Hölle
    Brünnhilde: Anne Evans
    Siegfried: Siegfried Jerusalem
    Gunther: Bodo Brinkmann
    Hagen: Philip Kang


    Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele


    Harry Kupfers "Ring" spielt auf der "Straße des Lebens", auch er bietet eine mustergültige Personenführung in einer insgesamt doch sehr werkgetreuen spannenden Inszenierung. Ein weiteres Plus ist der grandiose Klangzauber, den Barenboim mit dem Orchester verbreitet. Seitdem war in Bayreuth kein klangbesserer "Ring" mehr zu erleben. Auch die gesanglichen Leistungen konnten überzeugen und boten ausgezeichnete Rollenporträts: John Tomlinson (Wotan), Poul Elming (Siegmund), Nadine Secunde (Sieglinde), Anne Evans (Brünnhilde), Siegfried Jerusalem (Siegfried), Waltraud Meier (Waltraute!).


    Fazit: Ein "Ring" der Extra-Klasse - noch besser zu erleben in der überarbeiteten Blu-ray-Ausgabe!



    3. Amsterdam 1999




    Musikalische Leitung: Hartmut Haenchen
    Inszenierung: Pierre Audi


    Wotan: John Bröcheler
    Fricka: Reinhild Runkel
    Alberich: Henk Smit
    Erda: Anne Gjevang
    Siegmund: John Keyes
    Sieglinde: Nadine Secunde
    Hunding: Kurt Rydl
    Brünnhilde: Jeannine Altmeyer
    Siegfried: Heinz Kruse
    Gunther: Wolfgang Schöne
    Hagen: Kurt Rydl


    Chor der Niederländischen Oper
    Residentie Orchestra
    Netherlands Philharmonic Orchestra
    Rotterdam Philharmonic


    Pierre Audis "Ring" aus Amsterdam führt noch immer ein Schattendasein - viele kennen ihn gar nicht bei dem szenischen Überangebot an verfügbaren Veröffentlichungen auf DVD bzw. Blu-ray. Seine "Ring"-Deutung fesselt szenisch und ist auch sehr etwas für das Auge: auf 4-5 ineinander verzahnten Ebenen lässt Audi das mythische Geschehen mit sehr guter Personenführung spielen. Mittig postiert das Orchester, das unter dem immer noch unterschätzten (nicht nur Wagner-) Dirigenten Hartmut Haenchen nach der neuen Richard-Wagner-Gesamtausgabe hervorragend spielt: zügig-kraftvoll. Wie bei allen anderen Empfehlungen sind die gesanglichen Leistungen auch hier durchwachsen. Bröcheler singt einen soliden baritonal-gefärbten Wotan, sehr beeindruckend Reinhild Runkels Fricka, sehr überzeugend auch der Siegmund von John Keyes und der Siegfried von Heinz Kruse.


    Fazit: Dieser "Ring" ist mehr als nur eine Alternative!



    :hello: LT

  • Zitat

    Liebestraum: Ich bin für rollendeckende Besetzungen -- Botha, um nur ein Beispiel zu nennen, ist für mich... - ach, schweigen wir lieber ..


    Der zieht aber garantiert als SIEGMUND das Schwert aus der Eiche! :thumbsup:

    W.S.

  • Liebe Forianer,


    ich bin euch in diesem Thread noch den "Parsifal" schuldig. Mit diesem Wagner-Bühnenweihfestspiel habe ich bis heute so mein Probleme. Dennoch habe ich so meine Favoriten ...


    1. Der Opernfilm



    Regie: Hans Jürgen Syberberg
    Künstler: Armin Jordan, Martin Sperr, Robert Lloyd, Michael Kutter, Karin Krick, Aage Haugland, Reiner Goldberg, Edith Clever, Yvonne Minton, Philharmonische Chor Prag, Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo, Armin Jordan


    Ein eindrucksvolles Dokument, das Wagners Bühnenweihfestspiel mit eindrucksvollen Bildern umsetzt! Ich bin immer wieder gefesselt von dem, was ich dort sehe. Daher bleibt diese Verfilmung für mich die erste Wahl. Hier agieren teilweise Schauspieler, denen Stimmen von Sängern geliehen werden. Alle Partien sind rollendeckend besetzt. Besonders hervorzuheben sind hier Robert Lloyd (Gurnemanz), Yvonne Minton (Kundry) und Reiner Goldberg (Parsifal). Armin Jordan, der selbst den Amfortas spielt, breitet mit dem Orchestre Philharmonique de Monte-Carlo einen Klangteppich aus, der einen ins Schwärmen kommen lässt! - Grandios! -


    2. Bayreuth



    Regie: Wolfgang Wagner
    Künstler: Falk Struckmann, Matthias Hölle, Hans Sotin, Poul Elming, Linda Watson, Chor und Orchester der Bayreuther Festspiele, Giuseppe Sinopoli
    Label: CMajor, 1998


    Dass ich gerade diese Aufzeichnung aus Bayreuth ausgewählt habe, liegt am Dirigat von Giuseppe Sinopoli. Die Tempi sind zügig und nicht zu "weihevoll", das Orchester der Bayreuther Festspiele spielt sehr transparent. Interessant auch Wolfgang Wagners Inszenierung, die recht statisch ist, aber durch den Einsatz von Licht und Farbe besticht. Die Sänger wurden rollendeckend besetzt. Sie erfüllten ihre Aufgaben bravourös.


    3. Baden-Baden



    Regie: Nikolaus Lehnhoff
    Künstler: Christopher Ventris, Waltraud Meier, Matti Salminen, Thomas Hampson, Tom Fox, Bjarni Thor Kristinsson, Deutsches Symphonie-Orchester Berlin, Kent Nagano
    Label: OpusArte, 2004


    Mit dieser Veröffentlichung kann ich mich dann noch am ehesten erwärmen, wenn ich noch einen dritten filmischen Mitschnitt ins Rennen schicken soll. Kent Nagano bietet mit dem Deutschen Symphonie-Orchester ein stets durchhörbares Spiel, fernab von Mischklang-Tönen eines Christian Thielemann. Die Inszenierung von Nikolaus Lehnhoff bietet viel Sehenswertes in nicht zu modernistischen Kostümen. Ausgezeichnet auch hier die Gesangssolisten, die insgesamt keine Wünsche offen lassen.



    :hello: LT

  • Liebe Forianer,


    nachdem die "Rienzi"-Verstümmelung (Deutsche Oper Berlin) auf, verständlicherweise, große Ablehnung stieß, war wohl nicht zu erwarten, dass in absehbarer Zeit noch eine Alternative auf dem Markt erscheinen würde. Um so erfreulicher, dass die Inszenierung aus Toulouse aufgezeichnet und veröffentlicht wurde.



    Musikalische Leitung: Pinchas Steinberg
    Inszenierung: Jorge Lavelli


    Rienzi: Torsten Kerl
    Irene: Marika Schönberg
    Stefano Colonna: Richard Wiegold
    Adriano: Daniela Sindram
    Paolo Orsini: Stefan Heidemann


    Chor und Orchester National du Capitole Tolouse
    Chor der Mailänder Scala


    Diese Aufzeichnung einer als konservativ zu bezeichnenden Inszenierung von Jorge Lavelli aus Toulouse ist ein wahrer Glücksfall. Auch wenn diese Produktion den "Rienzi" auch gekürzt hat, so ist das hier viel sorgfältiger geschehen und nicht so stümperhaft, ideologisch hingebogen und dadurch entstellende Deutung aus Berlin. Auch hier ist Torsten Kerl als Rienzi zu erleben, deren Leistung zu Recht mit Beifallstürmen bedacht wurde. Aber auch die anderen Gesangssolisten machen ihre Sache wirklich gut. Beeindruckend sind die Chorszenen gelungen! Der Dirigent Pinchas Steinberg hob mit dem Orchester aus Toulouse die damalige Nähe Wagners bzur Grand Opera Meyerbeers hervor.


    Fazit: Endlich eine sehenswerte und gut besetzte "Rienzi"-Aufführung, die jeder Wagner-Freund besitzen sollte!



    :hello: LT

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  • An meinen Vorredner Liebestraum, zu dessen Pseudonym nach logischem Maßstab das Konterfei Liszts an sich obligatorisch wäre , ergeht die Frage, ob es eine gelungene "Rienzi"-Verfilmung gibt.
    Seitdem ich die "Don Giovanni"-Verfilmung von Ponnelle (mit Edda Moser) kenne, fasziniert es mich, als Zuschauer den eng umgrenzten Rahmen der Opernbühne zugunsten des freien Raums verlassen zu können. Und wieviele Opern mit Menschenmassen oder visuellen Effekten lassen sich filmisch wesentlich besser umsetzen als mit den beschränkten Möglichkeiten der Theaterbühne.


    Meine Hypothese zum wahren Grund des Festpielhaus-Aufführungsverbots, verhängt durch Cosima geb. Liszt, allenfalls mündlich (ihr gegenüber) - wie ich jetzt erst voll begreife - vom Komponistengatten selbst, der übrigens heute vor 132 Jahren fern der Heimat verstarb [62 Jahre vor den Bomben auf Dresden], lautet, dass es nicht die nachträgliche Erkenntnis von heterogenen Schwächen und Längen der Original-Partitur (1945 mit ihrem Besitzer Hitler untergegangen) gewesen ist, sondern das frühe Eingeständnis Cosimas, dass die angesichts der Originaldauer von ca. 6 h für die unhalbierte Aufführung notwendige Kürzung, realisiert um 1888 mithilfe von Julius Kniese, gedruckt aber erst 1899, dem Willen Wagners nicht in ausreichendem Maß entsprochen haben dürfte.
    Dass der von Cosima geschätzte Karl Klindworth an ihrer gekürzten Fassung viel zu kritisieren fand, muss der ergebenen Witwe Entschluss eines Aufführungsverbots dann quasi zementiert haben.


    NB: Es hat NIE, zu keinem Zeitpunkt, eine vollständige Druck-Ausgabe der "Rienzi"-Partitur gegeben! (siehe WWV-Werkverzeichnis 1986, S. 192).
    Was seit 1982 (ebenfalls beim Mainzer Schott-Verlag) in vollem Umfang existiert, ist lediglich die im Wege der Rekonstruktion ergänzte Neuauflage des Klavierauszugs.

  • Meine Hypothese zum wahren Grund des Festpielhaus-Aufführungsverbots, verhängt durch Cosima geb. Liszt, allenfalls mündlich (ihr gegenüber) - wie ich jetzt erst voll begreife - vom Komponistengatten selbst, der übrigens heute vor 132 Jahren fern der Heimat verstarb [62 Jahre vor den Bomben auf Dresden], lautet, dass es nicht die nachträgliche Erkenntnis von heterogenen Schwächen und Längen der Original-Partitur (1945 mit ihrem Besitzer Hitler untergegangen) gewesen ist, sondern das frühe Eingeständnis Cosimas, dass die angesichts der Originaldauer von ca. 6 h für die unhalbierte Aufführung notwendige Kürzung, realisiert um 1888 mithilfe von Julius Kniese, gedruckt aber erst 1899, dem Willen Wagners nicht in ausreichendem Maß entsprochen haben dürfte.


    Cosima hielt nicht so viel von RIENZI, das ist wahr. Er gehörte aus ihrer Sicht nicht zum Kanon der Meisterwerke, bildete mehr die Vorstufe. Deshalb sollte er von Bayreuth ausgeschlossen bleiben. Die Festspiele gehörten der Meisterschaft. Die Aufführungsdauer dürfte also das geringste Problem gewesen sein. Entsprechende Kürzungen waren mehr für andere Bühnen und für das Ausland gedacht, wo RIENZI regelmäßig gegeben wurde. Noch zu Wagners Zeiten gab es eine Übertragung ins Italienische. Wagner verdiente bis an sein Lebensende ganz gut daran. Cosimas Tagebücher mit ihren gut 2500 Seiten (Dünndruckausgabe bei Piper), die mit dem Tod Wagners enden, sind bis heute eine aufschlussreiche Quelle auch für ihre Positionen. RIENZI spielt darin eine ehr untergeordnete Rolle. Die entsprechenden Einträge werden mit der Zeit spärlicher. Wagner sang und spielte bis zum Schluss am Klavier gern und oft etwas daraus, was mehr lakonisch vermerkt wird. Er träumte nach Cosimas Angaben eines Nachts auch von einer großen Festaufführung in Dresden gelegentlich des 40jährigen Jubiläums der Wiederkehr der Uraufführung. Das wäre 1882 gewesen. Am 26. April 1879 schreibt sie: "Plauder-Abend, etwas aus Rienzi; Freude an dem Adel der Melodie, der durch keine Italianismen verhüllt zu verkennen ist. Mir ist es eine liebe Beschäftigung, in dieser noch so umwickelten Knospe die göttliche Blume zu erkennen, welche daraus sich entfalten sollte." Das also ist des Pudels Kern.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Lieber Liebestraum,


    danke, dass du jetzt eine gescheite Aufnahme von "Rienzi" vorgestellt hast. Sie scheint neueren Datums und - wie ich aus den Rezensionen dazu entnehmen kann - werkgetreu inszeniert zu sein. Bisher fand ich immer nur die Berliner Inszenierung, auf die ich liebend gern verzichte. Für diese Aufnahme aber werde ich mich interessieren.
    Wie gesagt, hat meine Sammlung an Opernaufnahmen einen sehr weiten Umfang, so dass ich von vielem nur je eine Aufnahme besitze, die mir gefällt. Ich könnte sie auch platzmäßig kaum alle unterbringen, abgesehen davon, dass ich mir die Aufnahmen nicht zuleg, um sie nur einmal zu sehen. Und da ist die Zeit doch recht knapp, wenn ich noch alles das ein zweites Mal oder drittes Mal bewältigen will.
    Von Wagner habe ich jedoch von vielen werke eine zweite Inszenierung, die meistens mit den von dir hier vorgestellten Aufnahmen übereinstimmen: Fliegender Holländer (Nr. 1 und 3)Tannhäuser (Nr. 1 und 3), Lohengrin (Nr.1 und 3), Parsifal (Nr.2). Nur den "Ring" habe ich in der Otto-Schenk-Inszenierung, die wiederum mir am meisten zusagt, und es würde mich interessieren - falls du den auch hast - was du davon hältst. Den Chereau-Ring mag ich nicht in allen Teilen, obwohl er sängerisch und auch schauspielerisch ansprechende Szenen enthält, wobei mir die Darstellungsweise von Heinz Zednik als Loge und Mime besonders gefällt. Auch dem Harry-Kupfer-Ring könnte ich Einiges abgewinnen.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)

  • Ich bin ganz Deiner Meinung. Nachdem aber die Diskussion eröffnet worden ist mit den Worten: »Wo Wagner drauf steht, soll auch Wagner drin sein. Das bedeutet, dass in meinen Empfehlungen kein Platz für Wagner auf der Schulbank oder Lohengrin in Zimmermanns-Outfit ist«, wundere ich mich etwas darüber, dass hier noch keine Beanstandung gekommen ist. Die ganze Oper spielt ja auf einer überdimensionalen Wagner-Büste, also nicht unbedingt eine Inszenierung, in der »Ort und Zeit des Librettos« erkennbar ist.

  • Götz Friedrichs "Ring" spielt in einem Tunnel, Kupfers "Ring" gar auf der Straße. Und Syberberg ist ein Mann, der den "Parsifal" mit symbolhaften Bildern deutet. Ja, und das ganze auf der Wagner-Todesmaske, die hier und da mal hineinprojiziert wird. Ansonsten ist es ein Film - kein Abfilmen einer Opernhaus-Inszenierung.




    :hello: LT