Die Bachkantate (005): BWV132: Bereitet die Wege, bereitet die Bahn

  • Hallo,


    da in diesem Jahr der vierte Advent durch seine etwas unglückliche "Personalunion" mit dem 24.12. äußerst unglücklich platziert ist (zumindest, was unser Bachkantatenprojekt anbetrifft) und ab dem 25.12. ja nahezu täglich viele weitere musikalische Highlights auf der Agenda stehen, presche ich jetzt mal vor und ziehe die regulär für den 4. Advent vorgesehene Kantate ein Stückchen nach vorne (salomonisch in der Wochenmitte zwischen 3. und 4. Advent gelegen :] ) - zumindest die "technischen Details".
    Über Musik und Interpretationen können wir ja in aller Ruhe auch im Nachhinein noch diskutieren...



    BWV 132: Bereitet die Wege, bereitet die Bahn
    Kantate zum vierten Adventssonntag (Weimar 1715)


    Lesungen:
    Epistel: Phil. 4,4-7 (Freuet euch in dem Herrn allewege)
    Evangelium: Joh. 1,19-28 (Zeugnis Johannes des Täufers)


    Sechs Sätze, Aufführungsdauer: ca. 22 Minuten


    Textdichter:
    Salomon Franck (1659-1725), aus dessen „Evangelischem Andachtsopffer“
    Choral (Nr. 6): Elisabeth Creutziger (ca. 1504-35)


    Besetzung:
    Soli: Sopran, Alt, Tenor, Bass; Coro: SATB;
    Oboe, Fagott, Violino solo, Violino I/II, Viola, Continuo


    1. Aria Sopran, Oboe, Violino I/II, Viola, Fagott, Continuo
    Bereitet die Wege, bereitet die Bahn!
    Bereitet die Wege
    Und machet die Stege
    Im Glauben und Leben
    Dem Höchsten ganz eben,
    Messias kömmt an!


    2. Recitativo Tenor, Continuo
    Willst du dich Gottes Kind und Christi Bruder nennen,
    So müssen Herz und Mund den Heiland frei bekennen.
    Ja, Mensch, dein ganzes Leben
    Muss von dem Glauben Zeugnis geben!
    Soll Christi Wort und Lehre
    Auch durch dein Blut versiegelt sein,
    So gib dich willig drein!
    Den dieses ist der Christen Kron und Ehre!
    Indes, mein Herz, bereite
    Noch heute
    Dem Herrn die Glaubensbahn
    Und räume weg die Hügel und die Höhen,
    Die ihm entgegen stehen!
    Wälz ab die schweren Sündensteine,
    Nimm deinen Heiland an,
    Dass er mit dir im Glauben sich vereine!


    3. Aria Bass, Violoncello, Continuo
    Wer bist du? Frage dein Gewissen,
    Da wirst du sonder Heuchelei,
    Ob du, o Mensch, falsch oder treu,
    Dein rechtes Urteil hören müssen.
    Wer bist du? Frage das Gesetze,
    Das wird dir sagen, wer du bist:
    Ein Kinde des Zorns in Satans Netze,
    Ein falsch- und heuchlerischer Christ.


    4. Recitativo Alt, Violino I/II, Viola, Continuo
    Ich will, mein Gott, dir frei heraus bekennen,
    Ich habe dich bisher nicht recht bekannt.
    Ob Mund und Lippen gleich dich Herrn und Vater nennen,
    Hat sich mein Herz doch von dir abgewandt.
    Ich habe dich verleugnet mit dem Leben!
    Wie kannst du mir ein gutes Zeugnis geben?
    Als, Jesu, mich dein Geist- und Wasserbad
    Gereiniget von meiner Missetat,
    Hab ich dir zwar stets feste Treu versprochen;
    Ach! Aber ach! Der Taufbund ist gebrochen.
    Die Untreu reuet mich!
    Ach Gott, erbarme dich,
    Ach hilf, dass ich mit unverwandter Treue
    Den Gnadenbund im Glauben stets erneue!


    5. Aria Alt, Violino solo, Continuo
    Christi Glieder, ach bedenket,
    Was der Heiland euch geschenket
    Durch der Taufe reines Bad!
    Bei der Blut- und Wasserquelle
    Werden eure Kleider helle,
    Die befleckt von Missetat.
    Christus gab zum neuen Kleide
    Roten Purpur, weiße Seide,
    Diese sind der Christen Staat.


    Die Kantate enthält keinen Schlusschoral (obwohl Franck in seiner Textvorlage die 5. Strophe des Liedes von Elisabeth Creutziger als Abschluss vorsieht), Dürr empfiehlt die nach A-Dur transponierte Choral-Komposition derselben Textstelle aus der Kantate BWV 164 (dort in B-Dur)


    6. Choral
    Ertöt uns durch dein Güte,
    Erweck uns durch dein Gnad;
    Den alten Menschen kränke,
    Dass der neu leben mag
    Wohl hie auf dieser Erden,
    Den Sinn und all Begehrden
    Und Gdanken haben zu dir.




    Die Kantate besticht durch ihre ausgesprochen kammermusikalische Konzeption (so gesehen könnte der Schlusschoral natürlich wegfallen oder von den Solisten übernommen werden)


    Ich habe eine Aufnahme des Werks von Karl Richter aus dem Jahr 1972, mit Edith Mathis (S), Anna Reynolds (A), Peter Schreier (T) und Theo Adam (B)


    Der Vorweihnachts-Stress lässt grüßen:
    Bevor ich Näheres zu der Einspielung und meinen persönlichen Eindrücken poste, muss ich mir das Stück noch mal ganz in Ruhe anhören (und das kann wohl noch ein paar Tage dauern, bis ich dazu kommen werde :rolleyes: )


    Aber nichtsdestotrotz:
    Ein Anfang ist gemacht - die nächste Runde ist eröffnet! :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • So - jetzt also nach gestrigem intensivem Hören der von mir erwähnten Richter-Einspielung ein paar Anmerkungen zu meinen Eindrücken zur Kantate BWV 132:


    Der erste Satz, also die titelgebende Sopran-Arie mit der konzertanten Solo-Oboe, hat mir von den 6 Sätzen dieser Kantate spontan am besten gefallen.
    Ganz wunderbar, wie die Oboenstimme mit dem Sopran um die Wette musiziert! Die ausgedehnten Koloraturen, die in der Sopranstimme dabei zu bewältigen sind, geben dem ganzen Satz einen sehr konzertanten Charakter - würde man diese Stimme beispielsweise von einer Flöte spielen lassen, wäre das Ganze ein veritabler Konzertsatz für 2 Holzblasinstrumente. :jubel:


    Gerade Oboisten (da haben wir im Forum ja durchaus welche ;) ) dürften an dieser Arie besondere Freude haben.


    Edith Mathis gestaltet diese Arie sehr einfühlsam und unaufdringlich (was die Virtuosität anbetrifft) - es macht Freude, ihr zuzuhören. Ich kann kaum glauben, dass zu Bachs Zeiten dieser Part von einem Chorknaben übernommen worden sein soll.... wie das wohl geklungen hat??
    Oder hatte Bach 1715 in Weimar auch Sängerinnen zur Verfügung?


    Das Rezitativ Nr. 2 ist strenggenommen kein reines Rezitativ, es mischen sich auch einige ausdrucksvolle ariose Passagen mit hinein, z. B. bei den Worten "Denn dieses ist der Christen Kron und Ehre!" - der Tenorsolist will ja schließlich nicht nur für ein "bloßes" Rezitativ an dieser Kantate beteiligt sein :]
    Auch am Ende dieses Satzes wird es nochmal "arios": Die Continuo-Stimmen und der Solist imitieren und ergänzen einander in der melodischen Linienführung und finden letztlich dann zusammen.


    Die Bass-Arie (Nr. 3) ist zunächst "nur" eine vom Continuo begleitete Arie, die Cellostimme wird allerdings mehrfach durch bewegte Figuren quasi solistisch hervorgehoben.
    In der Richter-Einspielung hat man sich beim Continuospiel meiner Meinung nach etwas zu sehr auf die Orgel konzentriert - sie ist als dominierendes Instrument fast ausschließlich hörbar - die für diesen Satz nicht unwichtige Cellostimme geht dabei leider etwas unter und steht zu sehr im Hintergrund, schade :(
    Bei alternativen Einspielungen (neueren Datums) könnte ich mir durchaus vorstellen, dass hier andere instrumentale Gewichtungen gewählt wurden und die Cellostimme mehr zu ihrem Recht kommt.
    Jedenfalls fiel mir beim Anhören der Arie wieder einmal auf, wie gerne ich Theo Adams äußerst angenehme, weiche und flexible Bass-Stimme höre :jubel:


    Das Rezitativ Nr. 4 wird dadurch hervorgehoben, dass es von allen Streicherstimmen und nicht nur vom Continuo begleitet wird. Die dadurch entstehende "Klang-Atmosphäre" erinnert mich immer an die Christus-Worte in der Matthäus-Passion.
    Die besondere Ausdrucksintensität, die dadurch entsteht, unterstreicht die Textaussage dieser Passage besonders und verleiht ihr Nachdruck.


    Die Arie Nr. 5 mit der begleitenden Solo-Violine ist ebenfalls hörenswert, ich habe aber meine "Mag-ich-besonders-Priorität" in dieser Kantate eindeutig der Oboenarie am Anfang zugeschlagen - mit diesem wunderbaren Konzertsatz kann die Violin-Arie meiner Meinung nach nicht ganz mithalten... ;)


    Der abschließende Choral Nr. 6 ist - wie schon erwähnt - für diese Kantate als Komposition Bachs nicht erhalten. Es gibt nur die Textvorlage aus Francks "Evangelischem Andachtsopffer", wo diese Choralstimme zum Abschluss vorgesehen ist.
    Ich könnte mir gut vorstellen, dass Bach in dieser nur von Solisten besetzten Kantate entweder ganz auf den Schluss-Choral verzichtet hat (was allerdings ungewöhnlich wäre) oder dass er die vier Solistenstimmen diesen Choral hat singen lassen. Die Noten dazu könnten verloren gegangen sein, weil sie auf einem separaten Blatt notiert wurden.


    Jedenfalls irritiert es mich ein wenig, wenn für den kurzen Choral ganz am Ende nun noch ein ganzer Chor erst- und einmalig in dieser Kantate erklingt (und unökonomischerweise nur eine knappe Minute etwas zu singen hat).
    Irgendwie zerstört das die zuvor entstandene kammermusikalische Atmosphäre ein wenig. Zumindest kommt es in der Richter-Aufnahme durch den kräftig einstimmenden Chor so rüber - auch hier könnte ich mir vorstellen, dass andere Interpreten tatsächlich den schon beschriebenen Weg wählen und den Schluss-Choral von den Solisten singen lassen (oder ihn ganz wegglassen?)


    Dieses Phänomen ergibt sich aber häufiger bei Bach-Kantaten - etwas überraschend kommt der Schluss-Choral nach zahlreichen Solo-Nummern wie ein kräftiges Ausrufezeichen am Ende.
    Meist wird dies balancemäßig aber etwas aufgewogen durch den die Kantate eröffnenden Chorsatz (der ist ja auch oft sehr ausgedehnt). Nur fehlt der in der Kantate 132 eben.


    Ich bin gespannt zu erfahren, wie es in anderen Einspielungen (meist neueren Datums ?) so zugeht.... wer von Euch hat denn hier welche gehört (und ins Herz geschlossen) und könnte was dazu beitragen? :hello:

    "Es ist mit dem Witz wie mit der Musick, je mehr man hört, desto feinere Verhältnisse verlangt man."
    (Georg Christoph Lichtenberg, 1773)

  • Liebe Tamianer!


    Vormittags feiere ich den 4. Advent-, nachmittags Weihnachten, mal ohne Einkaufsstress. Gerade weil die 2 Wochen des tempus clausum in Leipzig keine Bach-Kantate entstehen lies, freue ich mich auf BWV 132. Der Text vor allem des Rezitativs (2) nimmt eine persönliche Reinigung in mir vor, so daß ich mich auf Weihnachten vorbereite: 'Messias kömmt ja an!' Stammt ja auch wie schon gesagt aus dem 'Evangelischen Andachtsopfer' des Weimarer Theologen.


    Mir lag die Rilling-Aufnahme vor. Herrlich der Kontast der kühnen Bass-Arie (Satz 3) -mit seiner Frage an Johannes d.T., die zur Frage an mein Gewissen ausgedeutet wird-, zum filigranen Arie (S 5). Da mir die Noten von BWV 132 vorliegen, konnte ich wunderbar z.B. die Continuo-Linie in dieser Sopran-Arie verfolgen, die als hartnäckiger Baß in ihren Sprüngen wunderbar sich durchzieht. Für einen Nicht-Noten-Kenner war das sehr ermutigend, Bach zu verstehen. Der Schlußchoral fehlte mir. Ich erwartete ihn instinktiv und fand dann das ergänzte 'Ertöt mich durch dein Güte' unheimlich treffend und das Gehörte unterstreichend. Wie ich bei Dürr nachlas, war wohl bei Bach der Notenbogen voll, so dass er den Choral, der ja sowieso bekannt war, auf einen losen Zettel notierte, der dann verlegt wurde. Die fürstliche Gemeinde in der Weimarer Schloßkapelle hatte also wohl den Choral gehört, vielleicht konnte einer mitsummen.

    Frohe und gesegnete Weihnachten


    Wolfgang

    Magnificat anima mea

  • Liebe Bachfreunde,


    auch ich besitze nur eine einzige Aufnahme dieser Kantate, die von Leusink. Leider, so schicke ich gleich voraus, gefällt mir die Aufnahme nicht. Schade finde ich das besonders deshalb, weil mir die Kantate eigentlich liegen müsste.


    Das „Fehlen“ des Eingangschorals und damit zusammenhängend eines großen Orchestersatzes behagen mir, führen sie doch zu einer Betonung der drei sehr schönen Arien, in denen den Sängern auf reizvolle Weise jeweils ein bestimmtes Soloinstrument zugeordnet ist (Sopran/Oboe, Bass/Cello, Altus/Violine).


    Diese „Idee“ funktioniert aber nur, wenn die hier mehr als üblich im Spotlight stehenden Solisten den Anforderungen gerecht werden. Leider, so muss ich konstatieren, werden sie das nicht bzw. nicht alle.


    Den Beginn der Sopranistin Holton mit der sehr schönen titelgebenden Arie empfand ich beim ersten Hören als wenig schön, ich hatte sogar den Eindruck, als verlöre sie zwischendurch die Linie, reichte ihr Atem nicht. Beim zweiten Hören, als ich mir die entsprechende Stelle notieren wollte, fand ich diese aber nicht wieder. Nein, Holton macht eigentlich nichts falsch. Aber irgendwie springt der Funke nicht über, gefällt mir ihre Stimme hier nicht.


    Der Bassist Ramselaar macht seine Sache abermals gut, aber auch nicht mehr. Für mein Empfinden singt er zu herrisch, als spräche er zu einem Knecht.


    Über die Leistung des Altus Buwalda sollte ich den Mantel des Schweigens legen. Nur ein Wort: schlimm! Wie sagte doch meine Frau, die den Raum betrat, als Buwalda sich gerade bemühte: „Mach doch bitte diesen Kastraten aus!“ Tja, das habe ich dann auch getan.


    Die Tempi von Leusink, das sei nicht unterschlagen, empfinde ich wiederum als sehr stimmig, wie sich auch die Leistungen der Instrumentalisten nicht verstecken müssen.


    Den Abschlusschoral lässt auch Leusink singen. Die Idee, von MarcCologne, ihn solistisch zu besetzen, gefällt mir gut. Hat das jemand getan?


    Thomas

  • Ich habe diese Kantate etwas vorgezogen und mir zwei Einspielungen angehört. Einmal Rilling und einmal Gardiner. Zunächst handelt es sich bei dieser Kantate um eine Kantate, deren Kern drei Arien bilden. Eine Sopranarie, die durch die Begleitung mit Streichinstrumenten und einer Oboe am reichsten Instrumentiert ist. Weiter gibt es noch eine Arie für eine Bassstimme, welche nur durch die Continuo-Gruppe begleitet wird, sowie eine Alt-Arie, welche durch eine herrliche Solo-Violine und die Continuo-Instrumente begleitet wird.



    Beide Aufnahmen sind gut, doch Gardiner gefällt mir etwas besser :P


    Der erste Satz ist bei Gardiner beschwingter, trotz oder gerade weil er im Gegensatz zu Rilling hier kein Tasteninstrument im ersten Satz der Kantate im Continuo zu finden ist. Bei Gardiner hört man im Hintergrund eine schöne Orgel. Die begleitende Oboe wirkt bei Gardiner verspielter und ist auch besser zu hören, als auf der Rilling Aufnahme. Die Violinen sind weniger dick aufgetragen und akzentuieren stärker. Die Sopranistin gefällt mir auf beiden Aufnahmen sehr gut. Punkt an Gardiner.


    Im folgenden Tenorrezitativ gefällt mir die Aufnahme unter Rilling besser, da der ariose Charakter des Rezitativs besser zur Geltung kommt. Das mag zum einen am Tenor selbst liegen zum anderen an der reicheren Continuo-Begleitung.


    Die anschließende Bassarie "Wer bist Du" gefällt mir bei Gardiner besser. Dieses spärlich begleitete Stück wird bei Rilling etwas gar behäbig wiedergegeben, im begleitenden Continuo findet sich wieder ein Tasteninstrument und ein Cello. Gardiner geht flotter, beschwingter und im Continuo auch akzentuierter zu Werke. Die Begleitung des Basses durch Orgel und Cello klingt darüber hinaus viel schöner und gibt dieser kleinen netten Arie einen besonderen Anstrich.


    Im folgenden wird es für mich etwas schwierig. Der Countertenor, den Gardiner für das Alt-Rezitativ und die Alt-Arie "Christie Glieder, ach bedenket" kann nicht wirklich mit der weiblichen Alt-Stimme mithalten, die bei Rilling singt. Das ist für mich bei vielen Aufnahmen der Pilgrimage der Wermutstropfen, da nicht immer zu einhundert Prozent überzeugende Countertenöre zum Einsatz kommen. Allerdings wirkt die Arie bei Gardiner im großen und ganzen etwas zurückgenommener, was ihr besser zu Gesicht steht. Die begleitende Solovioline kommt besser zum Ausdruck und trägt das Stück besser, als bei Rilling, wo sie für mich einfach nur nebenher fiedelt.


    Der Schlusschoral ist bei Rilling wuchtiger und reißt etwas aus der ruhig und solistisch begleiteten Kantate heraus. Gardiner geht auch hier zaghafter zu Werke.


    Insgesamt ist dies eine sehr hübsche Kantate Bachs mit drei wunderschönen Arien, wobei die Sopranarie und die Bassarie für mich die herausragendsten Stücke dieser Kantate sind.


    :hello:

    29.08.1958 - 25.06.2009
    gone too soon

  • Zwar habe ich leider nicht die Zeit, viele Worte zu machen, aber ich möchte das Forum doch einmal auf eine Aufführung aufmerksam machen, die ich selbst erst seit kurzer Zeit kenne. Es musiziert die Netherlands Bach Society . diesmal nicht unter der Leitung von Jos van Veldhoven, sondern von Alfredo Bernadini, der von der Oboe aus leitet.


    Es gibt sehr viele Aspekte an dieser Aufführung, die mir ausserordentlich gut gefallen und zu einer meiner beiden momentanen Lieblingsinterpretation werden lassen.
    Einer davon ist z.B., dass hier eine große Orgel als Continuoinstrument verwendet wurde. Weniger als das durchaus richtige und gewichtige Argument der historischen Richtigkeit (Bach hat es auch so gemacht) überzeugt mich einfach der klangliche Eindruck, der hier hinterlassen wird. Bach liebte ein fülliges und warmes Bassfundament, eine Erkenntnis, die dem musikwissenschaftlichen Forschungsstand entspricht. Vor diesem Hintergrund verstehe ich nicht, weshalb die Kuijken-Aufnahmen nicht nur insgesamt, sondern vor allem auch im Bass- und Grundtonbereich so dünn und kraftlos klingen. Ich kann dem Konzept des "Bach auf Sparflamme" wenig abgewinnen. Das ein entlang der historischen Erkenntnisse schlank besetztes Bachensemble dennoch sehr kraftvoll und glutvoll musikalisch klingen kann, beweist diese Aufführung. Besonders gut hört man den Klang der Orgel beim Anfang des Rezitativs, Satz 2. Wie voll der "Chor" der Solisten plus Instrumente im Tutti klingen kann, kann man gut am Schlusschoral nachvollziehen.


    Bei einer derartigen Ansammlung von Kompetenz, Erfahrung, Musikalität und Geschmack jemanden hervorzuheben, ist eigentlich immer ungerecht und unmöglich.
    Wenn ich dennoch die Cellistin erwähne, dann deshalb, weil ich ihre Art der Tongebung, ihre Musikalität und ihr sprechendes Continuo- und Solospiel sehr schätze und ja als Organist selbst schon mit Cellisten entsprechend gearbeitet habe. Bei Bach sind Continuobässe nicht nur zu schrubbende Achtel- oder Viertel, sondern eben auch Teil eines expressiven und gestisch-sprechenden Gesamtkonzepts. Gut hört man die mir leider nicht bekannte Dame in Satz 3.


    Natürlich muss man auch ein Wort zur Sopranistin und der Eingangsarie verlieren: Sie macht ihre Sache einfach hervorragend, und ich frage mich, wie lange man wohl üben muss, bis man das derart souverän hinbekommt. Allerdings finde ich schon, dass das Tempo dieser Arie als etwas zu flott gewählt wirken kann, jedenfalls wenn man sich die noch transparenter und schwebender klingende Suzuki-Aufnahme vorher angehört hat.


    Aus meiner Sicht ist das Publikum hier als Zeuge einer echten Sternstunde geworden:


    Bitte diesen Link der Seite allofbach anklicken.


    Bisher habe ich es nicht geschafft, im Netz Hinweise dafür zu bekommen, ob man diese Aufnahmen auch offline erhalten kann, also z.B. nur Audio als CD, als hochaufgelöster Download oder auch als Blue-ray inklusive Bild, vielleicht auch sogar in Surround-Qualität. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man, wenn man so ein Projekt anfängt, sich dann nicht auch aufnahmetechnisch diese Optionen offenhält. Sollte es tatsächlich so sein, dass man die Musik nur streamen kann, dann wäre das m.E. sehr schade. Falls jemand da mehr weiss, bitte ich um entsprechende Nachricht. Hier würde ich sofort bestellen.


    Ich will es aber nicht versäumen, auf meine andere Lieblingseinspielung dieser Kantate hinzuweisen. Die Eingangsarie wird hier - ebenfalls hervorragend- von Ingrid Schmidthüsen gesungen, und die musikalische Leitung hat Masaaki Suzuki:



    Man sieht, dass es ab einem gewissen Spitzen-Niveau etwas verschiedene, aber doch ganz wunderbare Wege geben kann, die Voll-Musikalität, Perfektion, Geschmack und historische Informiertheit ( ist das nicht heute schon selbstverständlich?) miteinander verbinden.


    Ich wünsche allen Bachfreunden einen musikalischen Hochgenuss beim Anhören dieser Kantate.


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Aus meiner Sicht ist das Publikum hier als Zeuge einer echten Sternstunde geworden:
    Bitte diesen Link der Seite allofbach anklicken.
    Bisher habe ich es nicht geschafft, im Netz Hinweise dafür zu bekommen, ob man diese Aufnahmen auch offline erhalten kann, also z.B. nur Audio als CD, als hochaufgelöster Download oder auch als Blue-ray inklusive Bild, vielleicht auch sogar in Surround-Qualität. Ich kann mir nicht vorstellen, dass man, wenn man so ein Projekt anfängt, sich dann nicht auch aufnahmetechnisch diese Optionen offenhält. Sollte es tatsächlich so sein, dass man die Musik nur streamen kann, dann wäre das m.E. sehr schade. Falls jemand da mehr weiss, bitte ich um entsprechende Nachricht.


    Lieber Glockenton,
    Ob es diese Aufnahme offline gibt, weiß ich nicht.
    Der Stream läßt sich jedoch auf die Festplatte bannen,
    wenn man in den Mozilla Firefox Browser die App "Download Helper" installiert.

    mfG
    Michael

  • Jetzt musste ich wieder "kaufen"


    habe mich für Suzuki ( die ruhigere Variante wohl ) und die neuere solistisch besetzte Version von Kujken entschieden ( mir gefällt das beim WO überraschenderweise gut ) und werde in meiner laienhaften Art berichten.

  • Lieber Glockenton,
    Ob es diese Aufnahme offline gibt, weiß ich nicht.
    Der Stream läßt sich jedoch auf die Festplatte bannen,
    wenn man in den Mozilla Firefox Browser die App "Download Helper" installiert.


    Herzlichen Dank für den Tip :)
    Bisher sah ich keinen Grund, mir neben dem Chrome und dem unvermeidlichen Microsoft-Browser auch noch den Mozilla herunterzuladen. Jetzt habe ich sogar einen ziemlich guten... ;)


    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)