Beethoven, Sonate Nr. 27 e-moll op. 90
Maria Grinberg, Klavier
AD: 1966
Spielzeiten: 5:38 - 6:27 -- 12:05 min.
Maria Grinberg nimmt den ersten Satz etwas langsamer als Annie Fischer und etwas schneller als Solomon. Sie betont von Anfang an die dynamischen Gegensätze im Frage- und Antwortspiel des Hauptsatzes und spielt eine sehr zartes zweites Drittel des Hauptsatzes (Takt 9 bis 16). Die dynamische Akzente im dritten, dem "in tempo"-Teil, spielt sie ebenfalls zart und verhalten. Die Doppel-Oktaven in der Überleitung steigert sie sehr schön. Allerdings spielt sie auch, wie Artur Schnabel, die beiden jeweiligen Akkorde in Takt 31/32 und 35/36 fortissimo statt piano, für mich genauso unerklärlich. Desgleichen spielt sie im Seitensatz in den Unisono-Akkorden den Takt 53 nicht im Fortissimo, sondern bestenfalls die ersten beiden Akkorde im Mezzoforte und spielt dann schon diminuendo. Den folgenden "in tempo"-Abschnitt ab Takt 55, bis hinein in die Schlussgruppe mit dem Diminuendo-Übergang zur Durchführung spielt sie wieder vorzüglich.
Das gilt auch für den ersten Teil der Durchführung mit der Non-legato und teilweise Staccato-Begleitung, in der sie auch dynamisch zu überzeugen weiß. Auch der zweite, lyrisch und legato beginnende und sich langsam dynamisch aufschwingende Teil mit den perlenden Sechzehnteln in der oberen Oktave und den regelmäßigen Sforzandi in der unteren Oktave speilt sie großartig, einschließlich der kontrastreichen Überleitung zur Reprise.
Auch in der Reprise spielt sie die beiden Doppel-Akkorde in Takt 174/175 und 178/179 wieder im Fortissimo, obwohl der erste, wie ich schon bei Artur Schnabel bemerkte, hier sogar im Pianissimo notiert ist. Seltsamerweise geht Uhde auf diese dynamische Eigenheit weder in der Exposition noch in der Reprise ein. Im weiteren Verlauf spielt sie dynamisch wieder sehr aufmerksam und kontrastreich, auch in den Unisonosexten und -oktaven, die diesmal anders akzentuiert sind, aber das ist alles richtig und der leise und langsame Schluss ist atemberaubend.
Auch im Tempo des zweiten Satzes zeigt Maria Grinberg Parallelen zu Artur Schnabel. Aber bei ihr ist der Eindruck von Eile und Tempo noch wesentlich größer, auch sind mir die kurzen Legatobögen nicht flüssig genug. Zwar macht auch sei dynamisch einen besseren Eindruck. Auch im Dolce-Abschnitt ab Takt 60 will der Eindruck von Eile nicht weichen. Das ist kein entspannter Gesang, sondern bestenfalls das alerte Trällern einer "flotten" Weise. In der bewegten Durchführung wird nur wenig Fahrt aus dem musikalischen Geschehen genommen. Auch im reprisenförmigen Abschnitt bleibt der Eindruck erhalten. Wie anders klang das doch bei Gelber, Gilels und Solomon.
Wie gesagt, dynamisch ist das alles in Ordnung, und in der hohen Oktave ab Takt 181 weht sogar etwas Ruhe durch den Raum. Aber spätestens in der Coda ist der alte Eindruck wieder hergestellt. Im letzten Dolce-Teil kommt dann wieder etwas Ruhe auf.
So seltsam es klingt, aber das hier einzig richtig gespielte Ritartando ab Takt 281 wirkt dann im Vergleich zum ganzen Satz fast ein wenig zu sehr bremsend. Es muss halt alles zusammen passen.
Im zweiten Satz ist wesentlich mehr Schatten als Licht, währen des im ersten Satz umgekehrt ist, und die anderen drei Sonaten (Nr. 1, 2 und 4), die ich bisher von ihr gehört habe, haben mich wesentlich mehr überzeugt.
Liebe Grüße
Willi