William Shakespeare — "Die ganze Welt ist eine Bühne"

  • Der Zufall wollte es, dass ich heute am Shakespeareplatz in Berlin gegenüber der Deutschen Oper vorbeigekommen bin.



    Ein großer Wurf ist das nicht. Die Anlage wirkt doch sehr kleinkariert und ist an sich eine Verleugnung dieses Dichters. Nun ja. Berlin. Bis 1987 hieß das Areal Opernplatz. Zur 750-Jahr-Feier der Stadt schenkte London Berlin die Shakespeare-Büste von Pam Taylor. Ich muss einräumen, dass ich nicht weiß, wer das ist. Für die Büste musste ein Platz gefunden werden. Shakespeare und die Oper, das passt. Genug Vorlagen für Musikdramen hat er ja geliefert. Denkmale sind für mich immer ein willkommener Ort, der auf solche Weise Geehrten zu gedenken, mich im besten Falll wieder in ihre Werke zu vertiefen. Anregungen dazu habe ich ja auch hier in diesem Thread erfahren - einige Übersetzungen von Frank Günther sind bereits auf dem Postweg zu mir. :)



    Oft habe ich auch in Weimar im Park an der Ilm am Shakespeare-Denkmal von Otto Lessing gestanden. Es gefällt mir gut, weil es zu leben scheint. Seine Haltung ist lässig, dynamisch, nicht ehrfurchtsvoll. Er wird selbst zum Akteur seines Werkes. Den erhöhten Hintergrund bildet eine künstliche Ruine. Zu Shakespeares Füßen liegt ein Totenschädel mit Narrenhut. Und wohin blickt er? Natürlich nach rechts, zum Gartenhaus Goethes. In der Hand eine Schriftrolle und eine Rose. Ist es wirklich das einzige Denkmal Shakespeares auf dem europäischen Festland, wie in Weimar gern betont wird? Aufgestellt wurde es am 23. April 1904, Shakespeares 340. Geburtstag - an dem Tag also, an dem sein Geburtstag begangen wird. Genau bewiesen ist es ja nicht, wie bereits Joseph II. in seinem Eröffnungsbeitrag vermerkte. Auftraggeber war die Deutschen Shakespeare-Gesellschaft.


    Gruß Rheingold

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Ich habe mich anlässlich des Jubiläums ein wenig umgesehen, was denn so im Wiener Burgtheater an Shakespeare geboten wird. Um es kurz zu machen: ernüchternd. Nominell hat man immerhin drei Werke im derzeitigen Repertoire ("Was ihr wollt", "Hamlet" und "König Lear"), aber wirklich gespielt wird das derzeit scheinbar nicht. Dabei hätte ich mich aufgrund des Genies von Klaus Maria Brandauer durchaus überwinden können, die auf ihn zugeschnittene relativ neue Inszenierung des "König Lear" anzuschauen. Die Bilder auf der Homepage wirken dezent, fast traditionell. Leider keinerlei Informationen, ob und wann das nochmal gespielt wird.


    Was fällt sonst auf? Von den Königsdramen einzig "Richard II." im Archiv verzeichnet. Und den inszenierte Claus Peymann. Da läuten freilich bei mir alle Alarmglocken. Die Bilder dieser Inszenierung erspare ich uns aus landläufig bekannten Gründen.


    Hat Shakespeare in der österreichischen Theaterlandschaft wirklich so eine sekundäre Rolle? Zumindest im Wien steht er offenkundig völlig im Schatten anderer. Wie ist das an den führenden deutschen Theatern? Und werden dann auch nur die populären "Reisser" gespielt?

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Was fällt sonst auf? Von den Königsdramen einzig "Richard II." im Archiv verzeichnet. Und den inszenierte Claus Peymann. Da läuten freilich bei mir alle Alarmglocken. Die Bilder dieser Inszenierung erspare ich uns aus landläufig bekannten Gründen.


    Vielleicht solltest Du Claus Peymann eine Chance geben. Ich kenne seine Wiener Inszenierungen nicht, aber in meiner Heimatstadt Bochum, wo er vor seiner Berufung an das Burgtheater das Schauspielhaus geleitet hat, habe ich sehr viele Inszenierungen von ihm gesehen, darunter ganz exzellente Klassiker-Deutungen. Shakespeare spielte in dieser Zeit in Bochum nicht mehr die große Rolle wie unter Peymanns Vorgängern Zadek und natürlich besonders Saladin Schmitt, aber ich erinnere mich noch gut an eine ganz wunderbare, poetische Aufführung des "Wintermärchens", bei der Peymann Regie geführt hat - weitab von Regietheater-Exzessen, Dekonstruktionen etc.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Albert Fürst war ja kein so richtiger Lehrer, er war Künstler. Er malte (meine Eltern hatten ein Bild von ihm, das aber verschollen ist). Außerdem war er Sänger, ein sehr guter Bass. Sein Sohn Raimund ist sogar, wie ich mich erinnere, Berufssänger geworden. Ich habe ihn einmal in einer tollen Marienvesper von Monteverdi in der Andreaskirche in Düsseldorf erlebt, und er war Solist 2013 hier in unserer Gemeinde, als wir den Messias aufgeführt haben. Man kann man sich gut vorstellen, was es da für tolle Hausmusiken gegeben hat. Unser Theaterleiter war auch Englischlehrer; er hatte eine Zeitlang in Japan gelebt, daher nannten wir ihn liebevoll "Japs", was er sichtlich genoss. Durch seine Könnerschaft und einfühlsame Art, mit uns umzugehen, war er sehr angesehen. Viele der anderen Lehrer waren leider Kommissköppe und alte Nazis.

    Lieber Dr. Pingel,


    zum Glück war die Zeit der "Kommissköppe" und alten Nazis vor meiner Schulzeit. Heute glaubt man ja kaum jemand noch, dass es damals tatsächlich so war - zum Glück gibt es noch Zeitzeugen wie Dich! :D


    Raimund Fürst habe ich auch noch erlebt - die Fürst-Tochter sang auch (Name habe ich vergessen), er selbst hatte einen wirklich volltönenden Bass, seine Frau Annemarie Francken-Schwann spielte am Cembalo. Noch während meiner Schulzeit gab es das tragische Ereignis, dass einer der Fürst-Söhne bei einer Paddeltour auf der Ardeche in Südfrankreich ertrank.


    Fürst unterrichtete neben Kunst noch Französisch - er war wirklich ein ungemein geistvoller, anregender und sehr liberaler Lehrer mit natürlicher Autorität und allgemein sehr beliebt. Seine Bilder kannte ich natürlich, durch ihn habe ich auch damals eine Kaltnadel-Radierung gemacht. Grafik war einer seiner Schwerpunkte. Zuletzt traf ich ihn vor sehr langer Zeit zufällig am Düsseldorfer Hauptbahnhof, als er von einer Ausstellung in der Schweiz kam. Im Düsseldorfer Malkasten war ich damals auch mehrmals - meinen Vater (Architekt und Maler) wollte Fürst unbedingt als Mitglied für den Malkasten werben. Was da im Wikipedia-Artikel über den traditionsreichen Malkasten-Verein steht, ist ein Witz:


    https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_F%C3%BCrst


    Sehr informativ - mit schönem Foto - ist auch diese Seite über ihn:


    http://galerie-villa-huehn.de/Seiten/lightbox/g_fuerst.html


    :hello:


    Schöne Grüße
    Holger