ZitatOriginal von operus
Allerdings neigte er zu einem etwas derbem, vordergründig, gefühlig wirkungsvollen Vortrag. Die feinen stimmlichen Nuancen und Schattierungen über die z. B. ein Kurt Moll oder auch Gottlob Frick verfügten standen diesem immer sympathisch-gewinnend wirkenden Bassisten weniger zu Verfügung.
Ich will da gar nicht unbedingt widersprechen, nur möchte ich versuchen, die Akzente etwas anders zu setzen und es ein wenig schmeichelhafter zu formulieren. Ich bin sicher, dass du es nicht so gemeint hast, lieber Operus, aber zwischen den Zeilen klingt es ein wenig bei dir, als hieltest du Hann zwar für einen Sänger mit einer beeindruckenden Stimme, aber differenzierter Ausdruck und feinfühliges Singen seien weniger seine Sache gewesen. Kurz: Ein grober Klotz der tiefen Töne.
Zunächst mal sehe ich das so, dass Hann mit einer einmaligen Stimme schon von Natur aus gesegnet war, quasi eine Naturbegabung, die schon ohne jegliches Training und Anstrengung zu großen Leistungen fähig ist. Wo andere mit ihren Kräften haushalten mussten, konnte er halt aus dem Vollen schöpfen und musste eher darauf bedacht sein, sich zurückzuhalten, um nicht seine Kollegen von der Bühne zu blasen - etwas überspitzt formuliert.
So jemand fühlt natürlich wesentlich weniger den Drang bzw. die Notwendigkeit, fehlende stimmliche Möglichkeiten durch besonders ausgetüftelte Gestaltung auszugleichen, er ließ es halt einfach strömen, wobei er wie schon erwähnt seine Rollen, wie etwa den Philipp, durchaus schauspielerisch gestaltete, aber eben auf der Basis gesanglichen Wohlklangs.
Das andere Extrem dürften Dietrich Fischer-Dieskau - oder auch Hans Hotter als direkter Konkurrent in angestammten Rollen - darstellen. Hätten die es einfach strömen lassen und auf den Wohllaut ihrer Stimmen vertraut, so richtig beeindruckt hätten sie damit wohl wenige, zumindest in späteren Jahren.
Das bedeutet aber nicht, dass Hann dieses gestalterische Potential grundsätzlich nicht gehabt hätte, ich sehe ihn als Vollblutkomödianten mit sehr großem Schauspieltalent. Und dass er da nicht immer bis an seine Grenzen gefordert war, dürfte sowohl an seinen Rollen, wie auch an den damaligen Regisseuren und nicht zuletzt an seinem Naturell gelegen haben, den Operus ja treffend als sympathisch/gewinnend beschreibt. "Gutmütig", "umgänglich" und "humorvoll" möchte ich gerne noch hinzufügen.
Nun ist es aber so, dass sehr viele von einem Heldenbariton gerade alles andere als die eben erwähnten Eigenschaften erwarten. Denken wir nur mal an Wotan, der ist ja schließlich ein Gott, wenn auch nur eine Karikatur eines solchen, und hat ergo alles zu vermeiden, was ihm als Leutseligkeit oder mangelnder künstlerischer Ernst ausgelegt werden könnte. Hotter und FIDI haben es da deulich besser verstanden, auf Abstand zu gehen und sich diesen künstlerischen Ernst heraushängen zu lassen.
Ich bitte meine Zeilen nicht allzu ernst zu nehmen, aber bei Georg Hann hätte ich mir gut vorstellen können, ihm nach der Vorstellung auf die Schulter zu klopfen und zu sagen: "Guad host g'sunga, Schorsch!". Bei anderen, mehr abgehobenen Sängern wäre mir dagegen diese Vorstellung eher fremd. Ich denke aber nicht, dass dies in erster Linie an der Art ihres Singens und ihrer künstlerischen Gestaltungskraft liegt, sondern eher an der Art wie sie auftreten und sich geben.
Fazit also für mich: Georg Hann hatte deutlich mehr auf dem (Brust-)Kasten als viele von denen ihm zugetraut haben, die ihn gerne in die Ecke des biederen und einfältigen Bierbasses abgeschoben hätten, der zwar beeindruckend und lautstark röhren kann, ansonsten aber nicht mit seinen künstlerisch "anspruchsvolleren" Kollegen mithalten kann.
Ich bin sicher, dass er heute mit seinen stimmlichen Mitteln und seiner Schauspielbegabung ein absoluter Weltstar wäre - entsprechende umfassende, auch sprachliche Ausbildung natürlich vorausgesetzt - denke aber auch, dass es vielleicht doch besser ist, dass es nicht so gekommen ist, denn ich kann ihn mir nur sehr schwer als durch die Welt jettenden Starsänger vorstellen, der heimatlos und ohne Stamm-Ensemble von Auftritt zu Auftritt hetzt. Ich kann mich natürlich täuschen, aber ich bezweifle stark, dass er in dieser Rolle glücklich geworden wäre.
Aber was soll's, derlei Erwägungen sind ja eh müßig, da nicht realistisch. Seien wir wie gesagt froh über das was wir haben und freuen wir uns an einem Sänger dem das Singen und Spielen buchstäblich im Blut steckte.