UMFRAGE: Oper auf deutsch oder/und in der Originalsprache

  • Gibt's den "Andrea Chenier" auch auf Französisch? Wäre ja eigentlich am idiomatischsten bei dem Hintergrund.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Die Frage nach der Originalsprache ist eine der Prägung und Gewöhnung. Ich erinnere mich, daß im meiner Jugend viele italienische Opern - Mozart mit einbezogen - auf Deutsch gesungen wurde - und es hat mich nicht gestört
    Heute indes wäre ich zumindest einige Zeit irritiert.
    Smetanas "Verkaufte Braut" wird aber vom Publikum (noch heite ??) als "deutschsprachige Oper" erstmals erlebt. Sie wird irgendwo in die Gruppe "Deutsche Spieloper" eingeordnet. Sie in Originalsprache aufzuführen würde vermutlich einen nicht unerheblichen Teil des Publikums abschrecken.


    Kommen wir zum Hauptproblem von Übertragungen italienischer Opern ins Deutsche. Ich vermeide bewusst das Wort Übersetzung, denn gereimtes lässt sich schon schwer übersetzen, das muß nachgedichtet werden. Soll heissen es muß sich in der Zielsprache wieder reimen und soll trotzdem weitgehend den Inhalt des Originals wiedergeben. Im Falle der oper ist es noch schlimmer: Hier muss zusätzlich noch Rücksicht auf das Zusammenspiel mit der Musik geachtet werden, die Sprachmelodie muß ähnlich sein.
    Da es sich - wie schon gesagt - um eine Nachdichtung handelt, gibt es bei der Übertragung gewisse Freiheiten, soll heissen es gibt verschieden lautende Textinhalte. Das hat zum einen damit zu tun, daß jeder Bearbeiter seine Vorgänger für völlig unbegabt hält und eine bessere Variante schaffrn will, zum anderen sind solche Bearbeitungen tantiemenpflichtig, und manch mittelgroßes Opernhaus möcht sich darum drücken, und beauftragt eine hauseigene Kraft mit einer neuen Textfassung. Prost Mahlzeit.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • zum anderen sind solche Bearbeitungen tantiemenpflichtig, und manch mittelgroßes Opernhaus möcht sich darum drücken, und beauftragt eine hauseigene Kraft mit einer neuen Textfassung. Prost Mahlzeit.

    Na, du kennst du ja wieder super aus! :hahahaha:


    Dass Textbearbeitungen, also Überwsetzungen oder "Nachdichtungen" tantiemenpflichtig sind, ist ja richtig, auch dass darin eine Triebfeder immer neuer Textübersetzungen besteht oder besser bestand, aber glaubst du ernsthaft, dass die wochen- ja monatelange Bindung einer "hauseigenen Kraft" dann wirklich günstiger kommt als die Rechteerwerbung bei einer gängigen Übersetzung? Du hast sehr naive Vorstellungen von Theaterabläufen!


    Richtig ist, dass die meisten Häuser sich um eie solche Tantiemenpflicht über textbearbeitungen drücken wollen und GENAU DESHALB originalsprachlich spielen, weil dann zumindest beim klassischen Opernrepertoire bis einschließlich Puccini die Rechte am Werk und somit auch am Text frei sind.


    Die Tantiemenpflicht ist also eine wesentlich Triebfeder für den Siegeszug der Originalsprachlichkeit, aber schon lange nicht mehr für immer wieder neue deutsche Textfassungen, im Gegenteil!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Kommen wir zum Hauptproblem von Übertragungen italienischer Opern ins Deutsche. Ich vermeide bewusst das Wort Übersetzung, denn gereimtes lässt sich schon schwer übersetzen, das muß nachgedichtet werden. Soll heissen es muß sich in der Zielsprache wieder reimen und soll trotzdem weitgehend den Inhalt des Originals wiedergeben. Im Falle der oper ist es noch schlimmer: Hier muss zusätzlich noch Rücksicht auf das Zusammenspiel mit der Musik geachtet werden, die Sprachmelodie muß ähnlich sein.


    Das sehe ich neben dem Verlust des originalen Sprachklangs auch als Hauptproblem, das aber natürlich nicht nur Übersetzungen aus dem Italienischen ins Deutsche betrifft, sondern alle Übersetzungen.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Es gibt natürlich gute Gründe für die Originalsprache ebenso wie für die Publikumssprache. Nach wie vor finde ich aber die Selbstverständlichkeit, mit der viele davon ausgehen, dass der Sprachklang klarerweise das Verstehen dessen, was gesungen wird und auf der Bühne abläuft, schlagen soll. Für mich kommt es immer auch auf das Stück an. Bei Komödien mit Situationskomik spricht m.E. sehr viel für die Publikumssprache, bei Tristan passiert so wenig so langsam (und man versteht es vermutlich eh nicht...), da ist das weniger relevant. Die letzten beiden Stücke, die ich in deutscher Übersetzung gesehen habe, waren Sondheims Märchenmusical "Into the Woods" (Ab in den Wald) und "Die weiße Dame". Nun verstehe ich vermutlich ausreichend gut Englisch, so dass ich beim Sondheim auch im Original fast alles verstanden hätte.
    Aber bei der eher komödiantisch inszenierten "weißen Dame" hätte ich kaum etwas verstanden, nur grob der Handlung folgen können, wenn es auf französisch gewesen wäre. Der Tenor sang dann eine Strophe des Hits "Viens, gentille dame" auf französisch, den Rest auf deutsch (oder umgekehrt). Das sind eben auch beides Stücke, die die meisten Hörer (jedenfalls ich) nicht so gut kennen wie Figaro oder Tosca o.ä., so dass beinahe egal ist, in welcher Sprache gesungen wird.

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Smetanas "Verkaufte Braut" wird aber vom Publikum (noch heite ??) als "deutschsprachige Oper" erstmals erlebt. Sie wird irgendwo in die Gruppe "Deutsche Spieloper" eingeordnet. Sie in Originalsprache aufzuführen würde vermutlich einen nicht unerheblichen Teil des Publikums abschrecken.


    "Die verkaufte Braut" ist kein so treffendes Beispiel. Ich darf an die Aufführung der Oper durch Nicolaus Harnoncourt wenige Jahre vor seinem Tod in Granz erinnern. Über Umwege fand er Zugang zur originalen Partitur von Smetana in Prag. Die Sensation war, dass darin gleichzeitig eine deutsche Fassung eingetragen ist. Ein Tatbestand, den man dort niemals an die große Glocke gehangen hat. Die Geschichte ist seinerzeit oft berichtet worden. Daraus kann geschlossen wetrden, dass es die Oper zweimal gibt - in Tschechisch und in Deutsch.


    Ansonsten bin ich kein Fundamentalist, was die Textfassungen angelangt. Es gibt da sehr viele Facetten. Wenn man Werke - Johannes nannte den "Tristan" - quasi auswendig oder sehr, sehr gut kennte, stellt sich mir das Problem nicht. Bei einer völlig unbekannten Oper sieht das schon anders aus. Außerdem sollten wir das Thema nicht nur aus deutscher Sicht wahrnehmen. Denken wir mal an die Finnen oder an die Kroaten. Eine Aufführung, der kaum jemand textlich folgen kann, ist immer auch ein Einfallstor für gewagte und irreführende szenische Lösungen. Da reicht auch kein Laufband, das sich inhaltlich gern als krasser Widerpsurch zu dem darstellt, was sich auf der Bühne abspielt. Mit der Zeit regt mich das Thema nicht mehr auf. Es ist nach meiner Überzeugung praktisch nicht zu beherrschen und als Problem nicht zu lösen. Es ist ein geläufiges Problem aller Opernhäuser. Und in Zeiten der Globalisierung dürften sich immer schwerer Sänger finden lassen, die sich eine Übersetzung einpauken, mit der sie in einem anderen Land nichts anfangen können.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • "Die verkaufte Braut" ist kein so treffendes Beispiel. Ich darf an die Aufführung der Oper durch Nicolaus Harnoncourt wenige Jahre vor seinem Tod in Granz erinnern. Über Umwege fand er Zugang zur originalen Partitur von Smetana in Prag. Die Sensation war, dass darin gleichzeitig eine deutsche Fassung eingetragen ist. Ein Tatbestand, den man dort niemals an die große Glocke gehangen hat. Die Geschichte ist seinerzeit oft berichtet worden. Daeraus kann geschlossen wetrden, dass es die Oper zweimal gibt - in Tschechisch und in Deutsch.


    Lieber Rheingold, darüber haben wir schon in dem Thread "Originalsprache in der Oper" kontrovers diskutiert. Ich zitiere einfach meine damalige Antwort an Dich:


    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Lieber Bertarido, wahrscheinlich habe ich das nicht gelesen - oder vergessen. Auch ich lasse mich natrürlich sehr gern eines Besseren belehren. Irrtümer halte ich für das Produktivste, was einem passieren kann. Man muss da ja wieder herausfinden. Und das ist gut für den Kopf. Ich beziehe mich auf ein langes Interview mit Harnoncourt, der natürlich auch irren kann. Und darin wurde verkündet, dass eine deutsche Fassung mit andersfarbiger Tinte in die originale Partitur eingetragen ist. Nicht der Dirigent, sondern einer seiner Vertrauten hat den Text anheblich heimlich abgeschrieben. Klingt bisschen krimimäßig. Aber so soll es gewesen sein. Letztlich ist es mir aber auch egal. Es nimmt dem gradiosen und hintersinnigen Werk nichts - und fügt auch nichts hinzu.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Die letzten beiden Stücke, die ich in deutscher Übersetzung gesehen habe, waren Sondheims Märchenmusical "Into the Woods" (Ab in den Wald) und "Die weiße Dame". Nun verstehe ich vermutlich ausreichend gut Englisch, so dass ich beim Sondheim auch im Original fast alles verstanden hätte.

    Es ist doch erstaunlich, dass, obwohl die erste Fremdsprache im deutschsprachigen Raum die englische ist, niemand auf die Idee kommt, amerikanische Musicals in Originalsprache zu spielen! Nein, die originalsprachliche Mode hat eindeutig mit Konzessionen an den Sängerbetrieb und mit der Tantiemenfrage zu tun, weniger mit idiomatischen Fragen, die nur vorgeschoben sind, um die wahren Hintergründe zu verbergen. Es geht um die Bequemlichkeit der Mitwirkenden, alles überall in derselben Sprache singen zu können, nicht um das Wohl des Publikums! Meines Erachtens hat die Mode zur Originalsprachlichkeit die Entfremdung zwischen Oper und Publikum sehr begünstigt, und auch einige besonders wirre szenische Deutungen begünstigt, bei denen die Verständlichkeit des Textes doch sehr stören würde. Es wird dann halt das übertitelt, was passt, oder im Fall Neuenfels zumeist gar nicht übertitelt, weil der Text nicht zur Inszenierung passt...


    Landessprachliche Text-Neufassungen haben immer auch Schwächen, aber auch immer Chancen und Stärken. Von englischen Theaterschaffenden bekommen deutsche Theaterschaffende in der Regel zu hören: "Ihr habt es gut, ihr könnt Shakespeare in deutscher Übersetzung spielen. Wir müssen das Original spielen." Auch eine gute Verdi-Übersetzung kann das heutige Publikum möglicherweise eher erreichen, als die teilweise veraltete italienische Sprache des Originals Italiener.


    Fazit: DEN einzig richtigen Weg gibt es nicht, es ist alles eine Abwägungsfrage. (Es sei denn, man spielt "Rusalka" in Tschechien mit tschechischen Sängern auf tschechisch oder Lortzing in Deutschland mit deutschen oder deutschsprachigen Sängern auf Deutsch, alles andere sind schon Kompromisse!


    Wahrscheinlich sehe ich das also ganz ähnlich wie Johannes, bin mir aber nicht ganz sicher:



    Nach wie vor finde ich aber die Selbstverständlichkeit, mit der viele davon ausgehen, dass der Sprachklang klarerweise das Verstehen dessen, was gesungen wird und auf der Bühne abläuft, schlagen soll.

    WIE findest du diese Selbstverständlichkeit??? :D

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Banner Trailer 2 Gelbe Rose
  • An der Volksoper wurde doch der Don Giovanni in deutsch und italienisch gespielt , wenn ich mich richtig erinnere. Bis vor einigen Jahren habe ich regelmäßig die Englisch National Oper besucht und dort Aufführungen wie Rigoletto , Perlenfischer, Rosenkavalier , la Boheme und den fliegenden Holländer auf Englisch gehört und fand es gar nicht mal so schlecht. Einzig Pique Dame war etwas gewöhnungsbedürftig. Der Rosenkavalier und der fliegende Holländer haben sich sogar richtig gut angehört. Und die Fledermaus auf Englisch ist wesentlich unterhaltsamer als auf deutsch.

  • Zitat

    Der Rosenkavalier und der fliegende Holländer haben sich sogar richtig gut angehört.


    Na, dann hätte ich im Rosenkavalier mal gerne die Szene des Ochs "Da lieg ich..." auf englisch gehört. :pfeif::no:

    W.S.

  • Es ist doch erstaunlich, dass, obwohl die erste Fremdsprache im deutschsprachigen Raum die englische ist, niemand auf die Idee kommt, amerikanische Musicals in Originalsprache zu spielen! Nein, die originalsprachliche Mode hat eindeutig mit Konzessionen an den Sängerbetrieb und mit der Tantiemenfrage zu tun, weniger mit idiomatischen Fragen, die nur vorgeschoben sind, um die wahren Hintergründe zu verbergen. Es geht um die Bequemlichkeit der Mitwirkenden, alles überall in derselben Sprache singen zu können, nicht um das Wohl des Publikums!
    [...]
    Wahrscheinlich sehe ich das also ganz ähnlich wie Johannes, bin mir aber nicht ganz sicher:


    WIE findest du diese Selbstverständlichkeit??? :D


    Sorry, da gehört so etwas wie "befremdlich" hin. Es sei ja völlig unbestritten, dass in der Originalsprache ein schönerer Klang oder jedenfalls eine bessere Passung von Wort und Musik vorliegt. Aber das sind doch beides relativ subtile Aspekte gegenüber dem schlagenden Unterschied, ob man direkt und weitgehend vollständig versteht, was gesungen wird, oder ob man erst nachlesen/übersetzen/nachdenken muss. Gerade bei eher komödiantischen Stücken mit relativ viel (evtl. auch gesprochenem) Text.


    Ich hätte auch noch einen Satz dazu schreiben sollen, nämlich dass ich mir bei diesen Aufführungen von Sondheim und Boieldieu nur schwer vorstellen kann, dass das Publikum bei Originalsprache (die es nicht oder kaum versteht) so häufig und oft begeistert reagiert hätte, wie es reagiert hat. Nämlich mit Gelächter, Szenenapplaus usw.


    In einem anderen Thread habe ich auch darauf hingewiesen, dass im 19. Jhd. sicher ein erheblicher Teil des deutschsprachigen Publikums französisch (und auch italienisch) verstanden hätte (so wie heute englisch), man aber dennoch praktisch alles in Übersetzung gesungen/gespielt hat. Ich frage mich, ob es von Komponisten, Sängern und Dirigenten aus dem 19. und frühen 20. Jhd. Anmerkungen zum Problem der Original vs. Publikumssprache gibt.

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  • ... bin ich mal wieder voll der Meinung, dass es kein Beinbruch wäre, wenn Stücke wieder auch auf Deutsch gespielt würden. Zumal die Übertitel auch keine rechte Lösung sind.
    Bitte auch die Boheme.

    O nein, bitte, bitte nicht! Ich mag gar nicht an meine deutschen LP`s "Boheme und Rigoletto" mit ihrer holprigen, schlechten Übersetzung denken.
    Im Rigoletto heißt es da z. B. in der Arie des Herzogs im Text: "Ich seh´die heißen Zähren..." Fragt mal jemanden, ob er weiß, was "Zähren" sind.
    Wie schön klingt doch da: "Parmi veder le lagrima ..."

    Ich gehöre zu der Generation, die mit Oper ausschließlich in deutscher Sprache großgeworden sind. Man hörte "Lodern zum Himmel" oder "Du lieber Mond so silberzart..." und man fand das gut und richtig. Im Radio hörte man die deutschen Sänger mit deutschen Texten, im Theater erklang "Lache Bajazzo". Man war dran gewöhnt
    Herzlichst La Roche

    Hier stimme ich Dir zu, lieber La Roche. In früheren Zeiten war das so und es war normal. Auch ich gehöre noch zu der Generation,
    die mit den deutschen Texten groß geworden sind. Im zunehmenden Lauf der Jahre, und mit zunehmender Kenntnis und "Sattelfestigkeit" in den Opern,
    hat sich meine Ansicht und mein Geschmack geändert. Ausschlaggebend waren bestimmt auch meine vielen Besuche in der Deutschen Staatsoper Berlin,
    wo anfangs teilweise, dann ganz in der Originalsprache gesungen wurde.
    In Liberec /Reichenberg wird zum Glück alles in der Originalsprache gebracht, z. B.: Carmen, Hoffmanns Erzählungen in französisch, La Traviata, Nabucco, Aida in ital.,
    Die Zauberflöte, Der Freischütz in deutsch. Eine interessante Erfahrung war auch für mich Rusalka und Jenufa in tschechisch zu hören.
    Da werden dann am oberen Bühnenrand die Texte in deutsch in sehr guter, nachvollziehbarer Übersetzung eingeblendet. Auch "Die Fledermaus" ist dort in tschech. Sprache.
    Zugegeben, bei den lustigen Klamauk - Sprechszenen, wo sich die tschech. Zuschauer hörbar köstlich amüsierten, konnten wir nicht ganz so mitlachen.
    Im nächsten Monat sind dort die beiden Premieren von "Rigoletto". Und der ist selbstverständlich in italienisch.
    Ich würde mich nicht so darauf freuen, wenn man ihn in tschech. oder deutsch interpretieren würde.
    In der heutigen Zeit, wo oftmals an den Häusern, vor allem an den großen, intern. Gastsänger sind, ginge das praktisch ohne Originalsprache gar nicht mehr.
    In meinem früheren Beitrag 131, habe ich mich dazu schon mal geäüßert.
    Zitat:
    ...wie sollte das mit ausländischen Künstlern, bzw. Gästen sonst funktionieren als in der Originalsprache?
    Beispiel: Vor vielen Jahren - Staatsoper Berlin "Rigoletto": Da standen mal 4 Nationen auf der Bühne.
    Gilda = Polin, Duca = Italiener, Rigoletto = Bulgare, der Rest Deutsche
    Auch in Aida oder Butterfly war das so - Hauptpartien = Italiener, Bulgarin oder alternativ Spanierin und Deutsche.


    CHRISSY

    Jegliches hat seine Zeit...

  • itat: ...wie sollte das mit ausländischen Künstlern, bzw. Gästen sonst funktionieren als in der Originalsprache?
    Beispiel: Vor vielen Jahren - Staatsoper Berlin "Rigoletto": Da standen mal 4 Nationen auf der Bühne.
    Gilda = Polin, Duca = Italiener, Rigoletto = Bulgare, der Rest Deutsche
    Auch in Aida oder Butterfly war das so - Hauptpartien = Italiener, Bulgarin oder alternativ Spanierin und Deutsche.

    Aber mein lieber Chrissy, dabei solltest Du aber nicht übersehen, daß ein italienischer Rigoletto für die Polin, den Bulgaren und die Deutschen auch Singen in einer Fremdsprache bedeutet! Nur der Herzog singt "seine" Sprache. Und das Publikum hört zu 95 % eine Oper, ohne den Text zu verstehen, es sei denn durch die ablenkenden Einblendungen. Beim Rigoletto mag das ja alles noch gehen, denn viele wissen, was da vorne passiert. Aber wer weiß das bei Simone Boccanegra oder selbst beim Don Carlos?


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Sorry, da gehört so etwas wie "befremdlich" hin. Es sei ja völlig unbestritten, dass in der Originalsprache ein schönerer Klang oder jedenfalls eine bessere Passung von Wort und Musik vorliegt. Aber das sind doch beides relativ subtile Aspekte gegenüber dem schlagenden Unterschied, ob man direkt und weitgehend vollständig versteht, was gesungen wird, oder ob man erst nachlesen/übersetzen/nachdenken muss. Gerade bei eher komödiantischen Stücken mit relativ viel (evtl. auch gesprochenem) Text.


    Da setzt Du nun allerdings voraus, dass man bei einer deutsch gesungenen Oper den Text so einfach versteht. Das gelingt mir jedenfalls keineswegs, besonders bei hohen Frauenstimmen. Ich muss da - falls ich den Text nicht auswendig kenne - auch mitlesen, wenn ich alles verstehen will. Sonst würde ja auch kein deutsches Theater bei deutschen Opern deutsche Übertitel einblenden.


    Davon mal abgesehen stimmt es natürlich: Bei fremdsprachigen Opern hat man immer einen Verlust, wenn man die Sprache nicht hinreichend gut beherrscht. Ob man nun auf den Klang der Originalsprache und die bessere Passung von Wort und Musik mehr Wert legt oder auf das leichtere Verstehen des gesungenen Textes, das muss jeder für sich selbst entscheiden. Für mich ist die Sache klar, und ich verstehe auch nicht die Abneigung gegen Übertitel, mich lenkt ein kurzer Blick nach oben überhaupt nicht vom Bühnengeschehen ab. Noch besser sind die kleinen Displays auf der Rückseite der Sitzflächen, wie sie die Komische Oper in Berlin hat und ich glaube auch die Wiener Staatsoper. Das kann man den Text in verschiedenen Sprachen abrufen und auch ganz abschalten, wenn es einen stört.

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Es ist doch erstaunlich, dass, obwohl die erste Fremdsprache im deutschsprachigen Raum die englische ist, niemand auf die Idee kommt, amerikanische Musicals in Originalsprache zu spielen! Nein, die originalsprachliche Mode hat eindeutig mit Konzessionen an den Sängerbetrieb und mit der Tantiemenfrage zu tun, weniger mit idiomatischen Fragen, die nur vorgeschoben sind, um die wahren Hintergründe zu verbergen. Es geht um die Bequemlichkeit der Mitwirkenden, alles überall in derselben Sprache singen zu können, nicht um das Wohl des Publikums! Meines Erachtens hat die Mode zur Originalsprachlichkeit die Entfremdung zwischen Oper und Publikum sehr begünstigt, und auch einige besonders wirre szenische Deutungen begünstigt, bei denen die Verständlichkeit des Textes doch sehr stören würde. Es wird dann halt das übertitelt, was passt, oder im Fall Neuenfels zumeist gar nicht übertitelt, weil der Text nicht zur Inszenierung passt...


    Landessprachliche Text-Neufassungen haben immer auch Schwächen, aber auch immer Chancen und Stärken. Von englischen Theaterschaffenden bekommen deutsche Theaterschaffende in der Regel zu hören: "Ihr habt es gut, ihr könnt Shakespeare in deutscher Übersetzung spielen. Wir müssen das Original spielen." Auch eine gute Verdi-Übersetzung kann das heutige Publikum möglicherweise eher erreichen, als die teilweise veraltete italienische Sprache des Originals Italiener.


    Fazit: DEN einzig richtigen Weg gibt es nicht, es ist alles eine Abwägungsfrage. (Es sei denn, man spielt "Rusalka" in Tschechien mit tschechischen Sängern auf tschechisch oder Lortzing in Deutschland mit deutschen oder deutschsprachigen Sängern auf Deutsch, alles andere sind schon Kompromisse!


    Vielen Dank für diese interessanten Ausführungen. Doch: Gibt es dafür Belege? Ich habe in der Tat immer geglaubt, dass es eine ideologischen Grund für das Umswitchen auf die Originalsprache gegeben hätte. Sehr interessant.


    Ich bin groß geworden mit Opern in der Originalsprache und wundere mich selbst manchmal, dass mir Oper auf deutsch so gut gefällt. Ich verstehe eben gerne, um was es gerade geht. Auch wenn nicht jedes Wort textverständlich ist, so bleibe ich doch am Ball. Und für Opern, die ich noch nicht kenne, suche ich zunächst immer nach einer deutschen Aufnahme, weil mir schlichtweg die Zeit fehlt, das Libretto parallel zu lesen, so wie ich es als Kind gerne tat.


    Ich gehe völlig mit Stimmenliebhaber konform: Es gibt nicht den einzig richtigen Weg. Insofern betone ich nochmal: Werte Intendanten, traut Euch und spielt auch mal wieder was auf deutsch!

  • Aber mein lieber Chrissy, dabei solltest Du aber nicht übersehen, daß ein italienischer Rigoletto für die Polin, den Bulgaren und die Deutschen auch Singen in einer Fremdsprache bedeutet!
    Herzlichst La Roche

    Mein lieber La Roche
    Natürlich übersehe ich das nicht. Und weil das unter verschiedenen intern. Solisten so ist, einigt man sich auf eine "gemeinsame gesungene Sprache"
    und das ist dann eben die Originalsprache der jeweiligen Oper.

    ... das Publikum hört zu 95 % eine Oper, ohne den Text zu verstehen, es sei denn durch die ablenkenden Einblendungen.

    Das ist zwar gewissermaßen richtig, aber hier stimme ich Bertarido absolut zu. Er bemerkt völlig richtig...

    Das setzt Du nun allerdings voraus, dass man bei einer deutsch gesungenen Oper den Text so einfach versteht. Das gelingt mir jedenfalls keineswegs, besonders bei hohen Frauenstimmen. Ich muss da - falls ich den Text nicht auswendig kenne - auch mitlesen, wenn ich alles verstehen will. Sonst würde ja auch kein deutsches Theater bei deutschen Opern deutsche Übertitel einblenden.

    Ja, und wieviel versteht man tatsächlich vom deutsch gesungenen Text, wenn es nicht gerade eine langsame Stelle /Arie ist?
    Da ist Bertarido bestimmt nicht allein, wenn er bei deutsch gesungenen Opern nicht alles versteht.
    Aus diesen Gründen, vor allem aber auch wegen der harmonischen klanglichen Phonetik, ich vertrete den Standpunkt - "Opern in der Originalsprache".
    Aber auch das darf und soll jeder für sich selbst entscheiden und bevorzugen.


    CHRISSY

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  • Bis vor einigen Jahren habe ich regelmäßig die Englisch National Oper besucht und dort Aufführungen wie Rigoletto , Perlenfischer, Rosenkavalier , la Boheme und den fliegenden Holländer auf Englisch gehört und fand es gar nicht mal so schlecht.

    Die Engländer lieben halt ihre Sprache, wir Deutschen leider nicht. Wir haben vergessen, daß wir Goethe und Schiller hatten. Englisch ist modern, deutsch Vergangenheit, auch im Theater.

    ich verstehe auch nicht die Abneigung gegen Übertitel, mich lenkt ein kurzer Blick nach oben überhaupt nicht vom Bühnengeschehen ab.

    Lieber Bertarido, ich bevorzuge im Theater Plätze im Parkett, so Reihe 5-8, möglichst Mitte. Abgesehen davon, daß ich bei der erforderlichen Kopfhaltung zum Lesen der vielleicht 20 m über mir befindlichen Schrift Nackenschmerzen bekomme, sollte ich vielleicht üben, mit dem rechten Auge den Text zu lesen, mit dem linken Auge das Bühnengeschehen zu verfolgen und noch dazu beide Ohren nach vorn zu orientieren. Das schaffe ich nicht mehr, dazu ist mein über 70-jähriges Gehirn nicht mehr bereit.
    Warum eigentlich sind uns Namen vergangener Jahrhunderte von Rosvaenge, Anders und Schock über Frick, Metternich bis Wunderlich, wie Schwarzkopf, Popp bis hin zu Klose noch so bekannt für ihre deutsche, ungemein textverständliche Interpretation, während junge deutsche Sänger kaum jemals die Chance bekommen, diesen Bekanntheitsgrad zu erreichen? Liegt es nicht auch an der Verwendung der Sprache? Und wenn ein junger Sänger eine deutsche Oper in deutsch singt, ist er doch kaum textverständlich, da braucht es schon Übertitel bei Wagner oder Strauss. Selbst unsere Schauspieler (sogar "Fernsehstars" )sind heutzutage nicht selten unverständliche Nuschler, da ihnen unsere Muttersprache nichts mehr bedeutet.


    Ich fände es gut, wenn schon aus Erkennungsgründen wieder einmal ein deutsches Theater eine "ausländische" Oper in deutsch bringen würde.


    Aber das ist eigentlich nicht das Hauptproblem für Opernbesuche, lieber Chrissy. Eigentlich würde ich nicht zuerst danach gucken, in welcher Sprache eine Inszenierung vorgeführt wird. Mich würde jedenfalls eine italienisch gesungenen Lucia di Lammermooer nie vom Besuch abhalten, wenn die Inszenierung mir zusagt. Meine wachsende Opernabstinenz hängt nur mit den Untaten der Regisseure zusammen. Womit ich wieder geistigen Unrat ausgekippt haben dürfte. Aber das ist meine Meinung. Deutsch oder in Originalsprache gesungen ist Nebensache, Regie aber nicht!!


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Dass man deutschen Text oft auch nicht versteht, ist natürlich ein Problem. Aber m.E. ein anderes Problem ;) Ich war früher ja auch ein Originalsprachensnob ;) und bestreite gar nicht die Vorzüge. Nur scheint mir die Selbstverständlichkeit, mit der Oper in der Publikumssprache verbreitet verworfen wird, vorschnell und einseitig.
    Ingesamt würde ich es pragmatischer sehen: Stücke mit relativ viel (gesprochenem) Text, Komik, weniger bekannte Stücke, Stücke in Sprachen (z.B. die slawischen Sprachen), die die Sänger nur phonetisch auswendig gelernt haben (s.o. für die Beispiele, bei denen Muttersprachler tschechisch kaum erkannt haben) profitieren mehr von der Publikumssprache als andere sehr bekannte, mit eher einfacher und geradliniger Handlung.


    Was ich oben noch vergessen habe: Was die bessere semantisch Passung von Wort und Musik bei einer Sprache helfen soll, die man schlecht oder gar nicht versteht, ist auch fraglich. Es bleibt dann letztlich nur der Klang und evtl. leichtere Singbarkeit.

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  • Nach längerer selbstverordneter Pause stieß ich beim Schmökern wieder auf dieses Thema, das offenbar zum drittenmal die Gemüter bewegt. Von allen Seiten war viel viel Kluges war darunter. Trotzdem möchte ich, nach immerhin 65 Jahren Leben in der Opernwelt, einiges beisteuern, was mir als wesentlich erscheint.
    Für mich ist die Partitur der Kern einer Oper, und die besteht aus der Musik und dem originalen Text, der den Komponisten zur Komposition angeregt hat. Alles andere (Übersetzungen, Fassungen etc.) sind Notbehelfe, die den Originalklang letztlich verfehlen. Gute Übersetzungen kommen dem Original vielleicht nahe - ersetzen können sie es nicht, aus Gründen, die hier schon mehrfach genannt wurden.
    Als ich mit 15 im kleinen Zittauer Stadttheater Verdis Don Carlos auf Deutsch erlebte, war es für mich eine Initialzündung. Aber ein Dutzend Jahre später der Don Carlo (Mailänder Fassung) auf dem Stehparterre der Wiener Staatsoper öffnete mir die Ohren für das, was Verdi darüber hinaus auch noch gemeint hat - und das war sehr viel: Die Einheit von Musik und Sprache. Ähnlich erging es mir mit vielen anderen Opern: Carmen, Figaro, Boris, Jenufa...
    Eine andere Frage ist, ob man dieses Prinzip verallgemeinern und auch kleineren Theatern kann. Da müssen Rücksichten genommen werden: auf das heimische Publikum, auf junge Opern-Anfänger, auf juristische Fragen, auf alte Gewohnheiten, auf die Sänger des Ensembles. Aber unterm Strich ist als Ideal einer Interpretation selbstverständlich das Original zuständig als Wille des Meisters.
    Aber man sollte auch abstufen nach den wichtigsten (gebräuchlichsten) Opernsprachen wie Italienisch, Deutsch, Französisch - und den eher randständigen wie Tschechisch, polnisch, Dänisch etc., die man nicht jedem Publikum (und jedem Ensemble) zu lernen zumuten kann. (Wie wär´s denn mit dem Tell auf Schwitzerdütsch?) Solche Kompromisse werden aber doch recht gut überbrückt durch die Übertitelung. Ich musste mich auch erst daran gewöhnen. Inzwischen habe ich gelernt, dass man ja nicht hinschauen muss, wenn es zu sehr ablenkt. Aber die Intentionen des Komponisten werden so am ehesten verwirklicht.
    Was die Textverständlichkeit betrifft: Wer behauptet, in der Oper jedes Wort zu verstehen (egal in welcher Sprache), der lügt. Beim Singen werden unvermeidlich die Silben verkürzt oder gedehnt. Totale Textverständlichkeit ist eine Illusion bzw. ein frommer Wunsch. Im Übrigen: Prima la musica, dopo le parole!

  • Im Wesentlichen stimme ich La Roche zu. Das Singen in Originalsprache ist bei bestimmten Werken, genannt seien nur "Verkaufte Braut", "Rusalka", "Boris Godunow" usw. ein Hemmnis für tieferes Verständnis, besonders wenn das Werk auch humorvolle Anteile hat. Ein besonderes Lob der Volksoper Wien, die mit außergewöhnlichem Erfolg zur Zeit "Fürst Igor" in deutscher Sprache auf dem Programm hat. Klassische Musik und Oper hat es generell schwer, breite Schichten der Bevölkerung anzusprechen und dauerhaft an diese Kunstformen zu binden. Die Klassik wird jedoch noch mehr in einen elitären Elfenbeinturm hinein gedrückt, wenn auch noch die Hürde des Nichtverstehens aufgebaut wird. Ein anderer Punkt ist die heute fast allgemein akzeptierte mangelhafte Artikulation und Unverständlichkeit der Sprache. Die Regisseure sollten sich auch verstärkt um Sprach- und Ausdruckskultur beim gesungenen Text bemühen. Im Liedgesang ist diese Konzentration auf Textdeutlichkeit und Ausdrucksdifferenzierung seit Schwarzkopf, Fischer Dieskau und nachfolgenden Sängern längst vollzogen und hat die Renaissance des Liedschaffens maßgeblich gefördert.
    Nach wie vor sollten also Opernaufführungen in deutscher Sprache gegeben, ja sogar kultiviert werden. Allerdings müssen die fremsprachlichen Texte ausgezeichnet in die deutsche Sprache übersetzt werden. Opernhäuser, Intendanten und Regisseure sollten positives Feedback, Lob und Anerkennung bekommen, wenn sie auch die Oper in deutscher Sprache pflegen. Mehr Wert auf Sprachkultur zu legen, sollte selbstverständliche Pflicht und Verpflichtung jedes verantwortungsbewußten Gesangspädagogen und Regisseurs sein. Die große deutsche Sopranistin Edda Moser kämpft dankenswerter Weise ständig und intensiv für Sprachkultur auf der Opernbühne.


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Was die Textverständlichkeit betrifft: Wer behauptet, in der Oper jedes Wort zu verstehen (egal in welcher Sprache), der lügt. Beim Singen werden unvermeidlich die Silben verkürzt oder gedehnt. Totale Textverständlichkeit ist eine Illusion bzw. ein frommer Wunsch. Im Übrigen: Prima la musica, dopo le parole!

    Lieber Sixtus,


    zuerst sei die Freude ausgedrückt, dass Du nach freiwilliger Abstinenz wieder an Bord bist und schreibst.
    Totale Textverständlichkeit wäre ein Ideal - aber Ideale sind halt immer schwer zu verwirklichen. Wenn das Optimum nicht erreicht werden kann, dann sollte es wenigstens ein Bemühen um weitgehende gute Artikulation, Textverständlichkeit und Ausdruckskultur geben, egal in welcher Sprache gesungen wird. Dafür ein Beispiel: Meine Frau und ich haben einen jungen Trompeter des Heilbronnner Sinfonie Orchesters , der Südtiroler ist und dadurch Italienisch perfekt versteht und spricht, zu einem Besuch einer "Tosca"-Aufführung nach Stuttgart eingeladen. Den Scarpia sang in italienischer Originalsprache ein bekannter, deutschsprachinger Bariton - der übrigens stimmlich und darstellerisch ausgezeichnet war. Bei der Diskussion über die Aufführung meinte unser junger Freund zunächst scherzhaft: "In welcher Sprache hat denn der Scarpia gesungen?" Danach begründete er weshalb das Italienisch dieses Sängers unverständlich, ja grauenvoll gewesen sei. Ob dieser Sänger nicht noch weit besser gewirkt hätte, wenn er in deutscher Sprache hätte singen dürfen?


    Herzlichst
    Operus

    Umfassende Information - gebündelte Erfahrung - lebendige Diskussion- die ganze Welt der klassischen Musik - das ist Tamino!

  • Dass man deutschen Text oft auch nicht versteht, ist natürlich ein Problem.

    Zweifellos! Aber wie kommt das? Höre ich in Deutschland entstandene Puccini-Aufnahmen, verstehe ich (ob bei der Kölner "Manon Lescaut" mit Schlemm und Hopf oder beim Berliner "Mantel" mit Irmgard Arnold, Kurt Rehm und Hermin Esser) JEDES WORT Text! Höre ich heute live Deutschmuttersprachler Opern auf Deutsch singen (meistens ja nur nochm, wenn Deutsch auch die Originalsprache ist), verstehe ich viel weniger Text. Warum?


    Ich glaube, dass das auch mit der "Globalisierung" der Opernwelt und dem Hang zur Originalsprache zu tun hat. Wenn der deutsche Zuhörer den Text ohnehin nicht versteht, weil er auf Italienisch oder Französisch gesungen wird, ist die Textverständlichkeit und diesbezügliche Akkuratesse ohnehin nicht mehr wichtig. Also wird an den Hochschulen vor allem Am Volumen der Stimme gearbeitet ("Brüllaffen" werden gezüchtet) und alles, was musikalische oder gar textliche Differenzierung betrifft, wird vernachlässigt. Ich halte diese Entwicklung für zutiefst problematisch, sie ist, wie so vieles, der Weg des geringsten Widerstandes. Eine mir bekannte Gesangsprofessorin erzählte mir, dass heute, wenn an der UdK in Berlin eine Gesangsklasse eröffnet wird, von 18 Neustudenten 17 Koreaner sind. Dann verlieren die Lehrer irgendwann natürlich die Lust, mit diesen an den Feinheiten der deutschen Sprache und überhaupt an Sprache zu arbeiten - was ich wie gesagt verstehen kann, aber überhaupt nicht billige, weil eben auch das Singen in den "Originalsprachen" dadurch immer schlampiger wird, was man dann merkt, wenn in Deutschland auf deutsch gesungen wird.


    Mehr Aufführungen in Landessprache würden meines Erachtens dazu beitragen, die Relevanz textverständlichen Singens wieder klarer ins Bewusstsein (bei allen!) rücken zu lassen und einen Beitrag dazu zu leisten, dass auf die verständliche Verbindung von Text und Musik wieder mehr Wert gelegt wird als auf das reine Tönen - das würde dann allen Aufführungen zugute kommen, originalsprachlichen wie landessprachlichen!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Zweifellos! Aber wie kommt das? Höre ich in Deutschland entstandene Puccini-Aufnahmen, verstehe ich (ob bei der Kölner "Manon Lescaut" mit Schlemm und Hopf oder beim Berliner "Mantel" mit Irmgard Arnold, Kurt Rehm und Hermin Esser) JEDES WORT Text! Höre ich heute live Deutschmuttersprachler Opern auf Deutsch singen (meistens ja nur nochm, wenn Deutsch auch die Originalsprache ist), verstehe ich viel weniger Text. Warum?


    Ich glaube, dass das auch mit der "Globalisierung" der Opernwelt und dem Hang zur Originalsprache zu tun hat. Wenn der deutsche Zuhörer den Text ohnehin nicht versteht, weil er auf Italienisch oder Französisch gesungen wird, ist die Textverständlichkeit und diesbezügliche Akkuratesse ohnehin nicht mehr wichtig. Also wird an den Hochschulen vor allem Am Volumen der Stimme gearbeitet ("Brüllaffen" werden gezüchtet) und alles, was musikalische oder gar textliche Differenzierung betrifft, wird vernachlässigt. Ich halte diese Entwicklung für zutiefst problematisch, sie ist, wie so vieles, der Weg des geringsten Widerstandes.


    Eine mir bekannte Gesangsprofessorin erzählte mir, dass heute, wenn an der UdK in Berlin eine Gesangsklasse eröffnet wird, von 18 Neustudenten 17 Koreaner sind. Dann verlieren die Lehrer irgendwann natürlich die Lust, mit diesen an den Feinheiten der deutschen Sprache und überhaupt an Sprache zu arbeiten - was ich wie gesagt verstehen kann, aber überhaupt nicht billige, weil eben auch das Singen in den "Originalsprachen" dadurch immer schlampiger wird, was man dann merkt, wenn in Deutschland auf deutsch gesungen wird.


    Da deutsch ja die zweitwichtigste "Originalsprache" ist, müssen die Koreaner doch eh die Feinheiten lernen, so gut es eben geht (obwohl eine solche Klassenzusammensetzung natürlich einseitig und vielleicht auch problematisch ist). Und die Muttersprachler ebenfalls. Klar, viele der deutschsprachigen Opern werden nicht ganz so häufig gegeben wie die beliebtesten italienischen, insofern wird schon erheblich weniger auf deutsch gesungen. Aufgrund der großen Bedeutung der original-deutschsprachigen Opern ist das für mich aber keine Entschuldigung und nur eine Teilerklärung.


    Sixtus: "Prima la musica" lässt sich kaum als Argument für die Originalsprache verwenden. Wenn es am meisten auf die Musik, nicht auf die Worte ankommt, ist Sprache eh sekundär. Es kann dann auch nicht von besonderer Wichtigkeit sein, dass die Originalsprache gesungen wird.
    (mit Prima la musica ließe sich auch dafür argumentieren, dass man Opern ebensogut nur konzertant aufführen könnte...)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • "Prima la musica" lässt sich kaum als Argument für die Originalsprache verwenden. Wenn es am meisten auf die Musik, nicht auf die Worte ankommt, ist Sprache eh sekundär. Es kann dann auch nicht von besonderer Wichtigkeit sein, dass die Originalsprache gesungen wird.

    Oder am besten nur noch auf "La" oder "Na", das singt sich am allerbesten und scheint einigen hier als semantische Ebene auch völlig zu reichen! :hahahaha:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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