Der führende Mozart-Dirigent der Gegenwart

  • Zitat

    Sie dürften ähnlich weit verbreitet sein wie die Sinfonien unter Böhm.


    Ganz genau. Das liegt beispielsweise auch daran, daß unter Marriner sämtliche Mozart-Klavierkonzerte mit Alfred Brendel vorliegen, wogegen es -eigenartigerweise - aus der Stereo-Ära - nur einige Mozart Klavierkonzerte unter Böhm gibt - noch dazu mit unterschiedlichen Solisten....


    Ich komme zurück zum Threadtitel - und gleichzeitig zu dem Schluß, dass zum Gegenwärtien Zeitpunkt kein Mozart Sinfonien- oder Konzertzyklus existiert, der von einem noch aktiven Dirigenten geleitet wird und für sich beanspruchen kann, die "aktuelle Referenz" zu sein.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !




  • Nicht unerwähnt bleiben soll Ivor Bolton,
    Chefdirigent (2004-2016) des Mozarteumorchesters Salzburg.
    Mit diesem Orchester hat er einige Werke Mozarts eingespielt,
    komplette Zyklen der Sinfonien und Klavierkonzerte Mozarts
    liegen jedoch nicht vor.
    Ab 2016 ist er Musikdirektor beim Teatro Real in Madrid.

    mfG
    Michael

  • Wie gesagt, es gäbe die Sinfonien mit Hans Graf, wobei die eben 25 Jahre alt sind und Graf zwar noch aktiv, aber keine Ahnung, wieviel Mozart der heutzutage macht.
    Eine Mozart-Sinfonien-GA ist ein beinahe rein enzyklopädisches Unterfangen. Außer 10-12 Stücken sind die Werke im Konzertbetrieb nahezu irrelevant. In der Praxis wird ein "Mozart-Dirigent" hauptsächlich Opern und die späten 6 Sinfonien dirigieren. Ich habe nicht den Eindruck, dass James Levine um 1990 plötzlich als wesentlicher "Mozart-Dirigent" galt, bloß weil er eine GA der Sinfonien gemacht hatte. Levine ist übrigens auch noch aktiv, wenn auch gesundheitlich deutlich angeschlagen.


    Es sind eben drei Dirigenten, die sehr viel Mozart gemacht haben in den letzten paar Jahren verstorben oder in den Ruhestand gegangen: Mackerras, Harnoncourt, Marriner (es sei denn, der dirigiert tatsächlich noch ab und zu mit über 90).

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Marriner dirigiert in der Tat noch, sogar auch Mozart.


    Am 10., 12. und 13 März 2017 dirigiert er ein Konzert der Düsseldorfer Symphoniker in der dortigen Tonhalle.


    Auf dem Programm stehen Schuberts Symphonie Nr. 5 und Mozarts Große Messe in c-Moll.



    Liebe Grüße


    Portator

  • Es sind eben drei Dirigenten, die sehr viel Mozart gemacht haben in den letzten paar Jahren verstorben oder in den Ruhestand gegangen: Mackerras, Harnoncourt, Marriner (es sei denn, der dirigiert tatsächlich noch ab und zu mit über 90).


    Z.B. in Hamburgs neuer Elbphilharmonie: http://www.staatsorchester-ham…/stueck.php?AuffNr=141323.

    mfG Michael


    Eine Meinungsäußerung ist noch kein Diskurs, eine Behauptung noch kein Argument und ein Argument noch kein Beweis.

  • Marriner dirigiert in der Tat noch, sogar auch Mozart.


    Am 10., 12. und 13 März 2017 dirigiert er ein Konzert der Düsseldorfer Symphoniker in der dortigen Tonhalle.

    Soll er dirgieren. Ob er die Konzerte in einem Jahr wirklich dirigiert, bleibt abzuwarten.

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Vielleicht sollte man Adam Fischer noch erwähnen, der ja 7 Jahre lang mit dem Danish Natonal Chamber Orchestra an einem Zyklus von 45 Mozart Sinfonien gearbeitet hat, welch seit 2013 nicht nur einzeln, sondern auch in einer 12 CD Gesamtkassette erhältlich sind. Es wurde hier der Spagat zwischen modernen Orchester und historisch informierter Interpretation versucht, ein Ansatz dem ich stets sehr kritisch gegenüberstehe - der im konkreten Fall aber - soweit man dies den Hörschnipseln bei cpo entnehmen kann.

    Einen Link zu einem Thread über Adam Fischer gibt es hier:
    Adam Fischer - brillant in Opern- und Konzerthaus


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Zitat

    Soll er dirgieren. Ob er die Konzerte in einem Jahr wirklich dirigiert, bleibt abzuwarten.


    Wie ist das jetzt gemeint? Als Geschmacklosigkeit? Ich bin angewidert von diesem Kommentar und mache mir ein entsprechendes Bild über den Schreiber und frage mich, ob er repräsentativ für das Tamino-Klassikforum ist oder vielleicht hoffentlich doch nicht.

    Bitte bedenken Sie, dass lautes Husten - auch zwischen den Stücken - die Konzentration der Künstler wie auch den Genuss der Zuhörer beeinträchtigt und sich durch den Filter eines Taschentuchs o. ä. erheblich dämpfen lässt.

  • Marriner stand für einen eleganten polierten und schlanken Mozart, etwas das in den 70ern große Mode war. Seine "große Zeit" war indes vorbei, als die HIP Formationen immer mehr an Terrain gewannen und die "modernen" Orchester - und hier insbesondere Kammerorchester - verdrängten.
    Ganz verschwand er indes nie von der Bildfläche.


    Es sind eben drei Dirigenten, die sehr viel Mozart gemacht haben in den letzten paar Jahren verstorben oder in den Ruhestand gegangen: Mackerras, Harnoncourt, Marriner (es sei denn, der dirigiert tatsächlich noch ab und zu mit über 90).


    Marriner tritt jetzt im April im Wiener Konzerthaus auf (Programm: Gluck, Mozart, Beethoven). Soweit ich weiß, ist Sir Neville bis 2018 bereits ausgebucht und spielt derzeit eine Gesamtaufnahme der Mozart-Klavierkonzerte für ICA ein (siehe hier Beitrag Nr. 28). Klingt natürlich ambitioniert, aber ich bin froh, dass Marriner noch so aktiv ist.


    "Ich habe nicht die leiseste Ahnung, ob ich dann [Anm.: 2018] in der Lage sein werde, dort aufzutreten. Ich glaube, ich werde mit etwas Glück auf dem Podium sterben. Idealerweise fällt man dann ins Publikum; andernfalls würde man die Instrumente beschädigen." (Marriner in einem Interview mit dem "Independent")


    Mag ja sein, dass Marriner seit etwa 1990 nicht mehr ganz so sehr im Fokus der klassischen Plattenlabels steht, aber seitdem spielt sich eben auch vieles auf kleineren Labels wie eben ICA ab.


    Nochmal zur Erinnerung:


    "Sir Neville Marriner ist der britische Dirigent mit den meisten Aufnahmen aller Zeiten und steht im weltweiten Vergleich lediglich hinter Herbert von Karajan." ("Independent")

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Tamino Beethoven_Moedling Banner
  • Wie ist das jetzt gemeint? Als Geschmacklosigkeit? Ich bin angewidert von diesem Kommentar und mache mir ein entsprechendes Bild über den Schreiber und frage mich, ob er repräsentativ für das Tamino-Klassikforum ist oder vielleicht hoffentlich doch nicht.


    Nun ja, ohne erklären zu können, wie es gemeint war, ist an solche Termine tatsächlich verstärkt ein biologisch bedingtes Fragezeichen zu setzen - ganz sachlich betrachtet. Die Endlichkeit des Lebens ist in diesem Alter ja kaum zu leugnen.


    Vielmehr darf man IMHO durchaus die Frage stellen, ob man dem Publikum einen solch hoch betagten Dirigenten noch "zumuten" sollte (bewußt zugespitzt).
    Die Frage beantwortet natürlich jeder für sich und sowohl Dirigent, als auch das Publikum.


    Vom objektiv vorhandenen Ausfallrisiko einmal abgesehen, wage ich es zu bezweifeln, dass man in diesem Alter noch im Vollbesitz der für eine vernünftige Performance gebotenen Kräfte sein kann. Man könnte allerdings - auch angesichts von Eintrittspreisen - argumentieren, dass der Künstler dies seinem Publikum schuldig sein sollte...
    Ausnahmen bestätigen natürlich die Regeln und es mag sein, dass Sir Neville eine solche ist.


    Will sagen: ich bin eher ein Befürworter eines "geordneten Rückzugs", als eines Weitermachens bis zum absoluten Geht-nicht-mehr...


    Viele Grüße
    Frank

  • Ich glaube, grad Sir Neville Marriner sähe diesen Kommentar von "Stimmenliebhaber" gelassen (siehe auch seine eigene Aussage in Beitrag Nr. 40). Der Mann wirkt noch unglaublich agil und holte im Herbst 2015 den Journalisten von RP Online mit damals 91 Jahren noch höchspersönlich mit dem Auto vom Bahnhof ab. Das lesenswerte Interview findet sich übrigens hier.


    Ich bin nicht dafür, dass uralte Maestros zwangsweise aufhören sollten. Beispiele, die belegen, dass das auch künstlerisch noch höchstwertig sein kann, gibt es doch viele, von Monteux über Stokowski bis eben Marriner, Skrowaczewski, Blomstedt oder Dohnányi.

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Ich glaube, grad Sir Neville Marriner sähe diesen Kommentar von "Stimmenliebhaber" gelassen (siehe auch seine eigene Aussage in Beitrag Nr. 40).


    Eben. Er scheint nicht gerade bierernst auf sein potenzielles Ableben zu schauen - typisch Brite. :angel:


  • Wie ist das jetzt gemeint? Als Geschmacklosigkeit? Ich bin angewidert von diesem Kommentar und mache mir ein entsprechendes Bild über den Schreiber und frage mich, ob er repräsentativ für das Tamino-Klassikforum ist oder vielleicht hoffentlich doch nicht.

    Das ist so gemeint, dass man bei einem 91-jährigen Dirigenten nicht mit Sicherheit sagen kann, ob er im nächsten Jahr wirklich wie geplant dirigiert. Das kann man bei einem 40-Jährigen im Übrigen auch nicht, und das ist auch keine "Geschmacklosigkeit", sondern eine Tatsache. Deshalb sollte man immer lieber "soll er dirigieren" statt "wird er dirigieren" schreiben. Domingo soll im Juni 2017 den Posa in Wien singen. Ob er ihn wirklich singen wird, wird man erst erfahren, wenn es so weit ist.


    Ich bin angewidert von dieser Antwort und mache mir mein entsprechendes Bild über den Schreiber, merke aber an den anderen Reaktionen schon, dass das offenbar nicht repräsentativ für das Tamino-Klassikforum ist...

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • :P


    Man wundert sich immer wieder, wie häufig bei der Kommunikation in Foren primär das interpretierbar Schlechte aus Beiträgen herausgelesen und in den Fokus der dann folgenden Reaktion gestellt wird... wirklich bedauerlich.

  • Gerade entdeckt:


    Aufnahme 2015


    Man sollte es nicht für möglich halten, aber Marriner spielt auch noch parallel für die DG ein. Mozarts 7. und 10. Klavierkonzert. An den Pianos das niederländische Klavierduo Lucas (geb. 1993) und Arthur Jussen (geb. 1996).


    Totgesagte leben länger. ;)

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Eine marketingmäßig fast geniale Entscheidung. Man holt sich eine einstige Philips- Ikone der Mozartinterpretation und ihr hochberühmtes Orchester ins Boot der Deutschen Grammophon und frischt einerseits die Erinnerungen auf, andreseits kombiniert man mit hoffnungsvollen Newcomern und nutzt so den Synergieeffekt. Man verbindet Tradition mit der Zukunft und punkte bei zwei unterschiedlichen Zielgruppen. Abgesehen davon klingt das Sample mehr als vielversprechend....
    Die erste DGG - Neuaufnahme seit über einem Jahr die in mir einen Käufer finden wird.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • So ganz aus der Luft gegriffen war mein Kommentar vom 11. April also doch nicht...


    Nun wird er die Konzerte im kommenden Frühjahr in Hamburg definitiv nicht dirigieren - leider!

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Ich möchte nur kurz anmerken, dass ich in letzter Zeit beim Autofahren immer wieder Momente hatte, in denen ich nicht den hier im Lande um sich greifenden hässlichem Mozart-Standard-Sound herunterdrehte (Darmsaiten, alles - völlig unhistorisch- "mit ohne Vibrato", die Pauke und die Naturtrompeten knallen so schneidend und ungehobelt `rein, als ob das ZDF-Traumschiff irgendwo in Mexico anhält und so ein Lokal- oder Schul-Orchester für die reichen Touristen Folklore gegen Geld schmettert....), sondern den Sound sehr interessiert aufdrehte, weil wirklich ganz hervorragende Mozart-Musik aus den Lautsprechern erklang.


    Dann schaute ich auf dem DAB-Display des Autos nach, und immer wieder stand da ein Name : "Jeffrey Tate".


    Neulich ging es mir beim Haydn-Trompetenkonzert auch so. Offensichtlich komme ich immer mehr auf den Geschmack für diese Art des Mozart-Musizierens, weshalb ich mir die Anschaffung der von Alfred oben geposteten Gesamtaufnahme der Symphonie mittelfristig vornehme (vielleicht statt Mackerras) und ab heute auf Spotify nachschauen will, ob ich vorab seine Einspielungen besser kennenlernen kann.



    Gruß
    Glockenton

    "Jede Note muss wissen woher sie kommt und wohin sie geht" ( Nikolaus Harnoncourt)

  • Eben habe ich auf Wikipedia gelesen, dass Jeffrey Tate gestern im Alter von 74 Jahren verstorben ist. Wenn ich die Postings hier so lese, ist das wohl doch ein Verlust für die Klassikwelt. R.I.P.

    Es wird immer weitergehn, Musik als Träger von Ideen.

    Kraftwerk

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  • Damit ist dieser Thread hier aktueller denn je.
    Interessant, nein typisch - oder noch besser: entlarvend - ist, daß in diesem Thread in der Hauptsache über Dirigenten der Vergangenheit geschrieben wurde.
    Oder über lebende Dirigenten, die heute kaum mehr Aufnahmen machen.
    Daniel Barenboim macht hier IMO einen ganz guten Job, noch dazu mit einem Orchester, daß in der Vergangenheit ja nicht gerade durch seine Affinität zu Mozart auf sich aufmerksam machte, sondern in erster Linie ein "Politprojekt" war.



    Dennoch: Barenboim und sein Orchester bringen hier einen sehr interessanten Mozart aufs Podium:
    Dunkel gefärbt, klangschön, mit leicht melancholischem, majestätischen und kraftbetontem Interpretationsansatz, nie forcierend oder hetzend.


    Eine Nachbemerkung noch zu Rattles weiter oben gezeigter Mozartaufnahme:
    Sie ist sicher besser sls so vieles was man heute zu hören bekommt, aber für meinen Geschmack zu "sportlich".


    Kommen wir zurück zum Threadtitel, der eine implizite Frage hinter einer offen ausgesprochenen verbirgt:


    Von welchem heute in der Mitte seines Leben stehenden Dirigenten (von mir aus auch jünger) würdet Ihr Euch eine neue Gesamtaufnahme aller Mozart Sinfonien wünschen, eine die jener von Böhm, Marriner, Tates, Barenboim ein würdiger Nachfolger wäre?


    Ehrlich gesagt, ich wüsste derzeit niemanden.


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Von welchem heute in der Mitte seines Leben stehenden Dirigenten (von mir aus auch jünger) würdet Ihr Euch eine neue Gesamtaufnahme aller Mozart Sinfonien wünschen, ...


    Von niemandem. :D Und ich frage auch nach dem Sinn dieses Threads. Führender Mozart-Dirigent? Passt so eine Frage noch in die Zeit? Wer soll da was führen? Ich will jedenfalls nicht geführt werden. Darüber hatte sich auch schon Caruso gleich am Beginn polemisch ausgelassen. :hello: Ich will guten Mozart hören. Nicht mehr und nicht weniger.

    Es grüßt Rüdiger als Rheingold1876


    "Was mir vorschwebte, waren Schallplatten, an deren hohem Standard öffentliche Aufführungen und zukünftige Künstler gemessen würden." Walter Legge (1906-1979), britischer Musikproduzent

  • Sehe ich ebenso.
    Es gibt keinen und es braucht auch keinen führenden Mozart-Dirigenten.


    Viele Grüße
    Frank

  • Von niemandem. :D Und ich frage auch nach dem Sinn dieses Threads. Führender Mozart-Dirigent? Passt so eine Frage noch in die Zeit?

    Eine gute Frage: In einer Zeit des Mittelmaßes und Nivellierung aller Werte ist es sicher legitim, zu fragen, ob solch eine Frage noch in unsere Zeit passt.
    Ich bin in der glücklichen Lage, mich nicht mehr fragen zu müssen, was in unsere Zeit passt und was nicht. Ich teile Leute in Qualitätsebenen ein, beurteile und behandle sie danch. Da gibt es keinen Dienstgeber mehr, der mir Vorschriften machen kann, mich zu political Correcness (die übrigens bald überholt sein dürfte) oder zu "mainstreamkonformen" (hier ist jetzt nicht die Klassische Musik gemeint) anhalten oder gar zwingen. Und dazu gehört auch meine Ansicht, daß es - und hier sind wir ausnahmsweise einer Meinung - derzeit keinen führenden Mozart-Dirigenten gibt. Ob es je wieder einen geben wird, das ist noch nicht absehbar. Es sollte indes eine unbestreitbare Tatsache, daß Mozarts Stellenwert in der klassischen Musik eindeutig höher bewertet wurde, solange es diese Mozart Spezialisten gab: Karl Böhm, Bruno Walter, Josef Krips, Neville Marriner . Jeffrey Tate sollte in diesem Zudammenhang auch noch genannt werden - aber er wurde eigentlich unterschätzt und ins Abseits gedrängt (wie fast alle Künstler die nicht beim Dreigestirn DGG-DECCA-PHILIPS unter Vertrag standen).
    Barenboim - er hat in seiner Jugend für EMI Mozart-Sinfonien mit dem English Chamber Orchestra eingespielt, die sogar mit einem Preis ausgezeichnet wurden. Eine Gesamtaufnahme wurde nie daraus. Vermutlich hat das Klassikpublikum der damaligen Zeit Barenboim als Pianisten - nicht aber als Dirigenten akzeptiert (Mir ging es übrigens ebenso - Wer darüber diskutieren will - ich bin dabei - aber im Barenboim Thread).


    James Levine - der Universaldirigent schlechthin, wurde einige Zeit lang als Mozart-Spezialist der (damals) neueren Generation zu vermarkten versucht. Und zwar sollten seine Mozart Sinfonien mit den Wiener Philharmonikern (wem sonst ?) im Mozartjahr 1991 als große Sensation komplett erscheinen. Der Vertrag hierzu wurde symbol- und werbeträchtig in Salzburg, im Mozarts Geburtshaus unterzeichnet. Ich war Feuer und Flamme - bis ich die ersten Aufnahmen gehört hatte: Levine versuchte einen Stil zwischen althergebracht und forsch hippig. Meiner Meinung nach ist das auch schief gegangen - ursprünglich als Zyklus gedacht, der jenen unter Böhm ersetzen sollte. Fast hätte ich geschrieben, er sei in der Versenkung verschwunden - aber das stimmt nicht, daher habe ich das Cover verlinkt. Daß Pinguin Guide (und vermutlich andere Kritiker auch) die Aufnahme gut bewerten, widerspricht nicht meinem Urteil, es bestätigt vielmehr meines, welches die Akzeptanz der Mittelmaßes höhnisch kommentiert (Auch hier: Diskussionen zu Levine - gerne - aber im Levine Thread)

    Hüb schrieb:

    Zitat

    Es gibt keinen und es braucht auch keinen führenden Mozart-Dirigenten.

    Der erste Teil des Satzes beschreibt eine Tatsache, der zweite ist subjektiv und wird von mir bestritten. Immer sind es Leitfiguren die eine bestimmte Sache pushen. Ingried Haebler und später Alfred Brendel haben - jeder auf seine Weise - DAS Mozartbild ihrer Zeit geprägt.
    Und um ein vorhin verwendetes Wortspiel einzugehen "Ich will jedenfalls nicht geführt werden".
    Das geschieht auch gar nicht, aber Brendel und Badura-Skoda sind nun mal die FÜHRENDEN Mozartpianisten unserer Zeit. Personen mit ähnlicher Strahlkraft sind weit und breit nicht in Sicht, vielleicht noch die Pires, aber um die ist es in letzter Zeit auffallend still geworden, was mit der introvertierten Persönlichkeit zusammenhängt, die wiederum die Voraussetzung für die Ideale Mozart-Pianistin zu sein scheint...


    mfg aus Wien
    Alfred


    (soeben ist mir die Idee zu einem weiteren Thread gekommen)

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Letztes Jahr konnte man noch Sir Neville Marriner und Sir Jeffrey Tate nennen. Beides geht mittlerweile nicht mehr, wobei ich das Ableben des letzteren besonders bitter finde, war er doch etwa eine Generation jünger.


    Wenn man heute schon keinen "führenden Mozart-Dirigenten" mehr findet, sollte man sich fragen, ob es das früher in unumstrittener Form gegeben hat. Karl Böhm wird immer angeführt, zumindest in diesem Forum. Er hat die erste Gesamtaufnahme der Symphonien in Stereo vorgelegt. Macht ihn dies zum wichtigsten Mozart-Dirigenten? Erich Leinsdorf machte ein paar Jahre davor ebenfalls schon eine Gesamtaufnahme, teilweise noch in Mono. Mir wäre es aber neu, dass Leinsdorf deswegen jemals diese Bezeichnung "führend in Sachen Mozart" zugekommen wäre.


    Was sprach früher gegen die Alternativnennung Otto Klemperer? Nur weil der nicht alle Symphonien aufgenommen hat (was damals alles andere als üblich war)? Gerade Klemperers Mozart-Opern genießen bis heute höchstes Ansehen. Mich spricht sein Mozart meist mehr an als jener Böhms, aber das ist subjektiv. Böhm hat dafür meine liebste Aufnahme von KV 16, der 1. Symphonie, gemacht (nicht die mit den Berlinern, sondern die mit den Wienern).

    »Und besser ist's: verdienen und nicht haben,

    Als zu besitzen unverdiente Gaben.«

    – Luís de Camões

  • Kommen wir zurück zum Threadtitel, der eine implizite Frage hinter einer offen ausgesprochenen verbirgt:


    Von welchem heute in der Mitte seines Leben stehenden Dirigenten (von mir aus auch jünger) würdet Ihr Euch eine neue Gesamtaufnahme aller Mozart Sinfonien wünschen, eine die jener von Böhm, Marriner, Tates, Barenboim ein würdiger Nachfolger wäre ?


    Das sind doch zwei ganz unterschiedliche Dinge. Ich sehe es ebenso wie viele andere: Weder gibt es gegenwärtig einen oder mehrere führende Mozart-Dirigenten, noch brauchen wir solche. Trotzdem finde ich die Frage interessant, von welchem derzeit aktiven Dirigenten ich mir eine neue Gesamtaufnahme der Symphonien wünschen würde (ohne dass der gleich ein "führender Dirigent" sein müsste). Trotz längeren Nachdenkens ist mir da keiner eingefallen. Das kann aber daran liegen, dass trotz meiner Liebe zu Mozart mein Bedarf nach Gesamteinspielungen der Symphonien begrenzt ist und ich mich mit den in meiner Sammlung vorhandenen (Marriner, Harnoncourt, Mackerras) gut versorgt fühle.


    Einen "würdigen" Nachfolger von Böhm wünsche ich mir übrigens dezidiert nicht, denn dessen Interpretationen der Mozart-Symphonien sind so ziemlich die schlimmsten, die ich gehört habe. :D

    Der Traum ist aus, allein die Nacht noch nicht.

  • Der führende Mozart-Dirigent der Gegenwart ist für mich Kirill Petrenko und ich hoff auf eine Gesamteinspielung der Mozart-Sinfonien von ihm mit den Berliner Philharmonikern (nachdem Abbado und Rattle bei Mozart ja doch eher zurückhaltend waren, ihn zumindest selbst selten aufgeführt haben).

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

  • Eine Gesamtaufnahme der Mozart-Sinfonien ist kein besonders attraktives Projekt für ein Orchester oder einen Dirigenten. Etwa 3/4 der Sinfonien werden im Konzert eher selten gespielt und selbst bei den 10-12 häufiger gespielten kann man sich nicht groß profilieren, u.a. weil nicht mal die Hälfte der Bläser überhaupt mitspielt, gemessen an der Vollbesetzung eines modernen Sinfonieorchesters.


    Weit attraktiver sind Einspielungen der 5-6 wichtigsten Opern. Wenigstens die Da Ponte und Zauberflöte dürfte aber nahezu jeder Dirigent nach einigen Jahrzehnten im Geschäft mehrfach dirigiert haben. Das ist daher auch nix, womit man sich besonders profilieren könnte, es sei denn, man macht es außerordentlich gut und dann hängt es immer auch noch stark von den Sängern ab, ob eine "legendäre Sternstunde" herauskommt.


    Der Katalog ist, angesichts der weitgehenden Irrelevanz der meisten der Sinfonien m.E. ge- bis übersättigt:


    GA: Leinsdorf, Böhm, Marriner, Levine, Tate, Graf, Harnoncourt, Mackerras, Pinnock, Hogwood, Adam Fischer, noch eine auf Naxos? (von denen sind meines Wissens noch Levine (gesundheitlich angeschlagen), Graf, Pinnock und Fischer aktiv)
    Norrington, Krips, Müller-Brühl mit gut der Hälfte der Werke
    unzählige Aufnahmen der bekanntesten 8-12 Sinfonien

    Struck by the sounds before the sun,
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    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Der führende Mozart-Dirigent der Gegenwart ist für mich Kirill Petrenko und ich hoff auf eine Gesamteinspielung der Mozart-Sinfonien von ihm mit den Berliner Philharmonikern (nachdem Abbado und Rattle bei Mozart ja doch eher zurückhaltend waren, ihn zumindest selbst selten aufgeführt haben).

    AAAAAAHHHHHHH !


    Wenn mich jetzt der Schlag getroffen hätte, da wäre eine Untersuchung sicher zu dem Schluß "Mordversuch" gekommen. Wenn ich das über P schreibe was ich mir denke, dann würde vermutlich ein Prozess daraus. Immerhin ist es bemerkenswert, das sich bislang kein Plattenlabel für ihn wirklich interessiert hat - Ich habe schon von Rattle kaum Aufnahmen gekauft, weil das ein "Modernisierer" war, der aus einem deutschen Orchester mit Eigencharakter, eine "internationales" gemacht hat. Abbado war im Gegenzug dazu ein hervorragender Dirigent - für Verdi und Rossini. Was jetzt kommt ist eine logische Weiterentwicklung der Berliner seit Karajans Abgang. (Ich hoffe das habe ich freundlicher formuliert, als es gedacht war).



    Einen "würdigen" Nachfolger von Böhm wünsche ich mir übrigens dezidiert nicht, denn dessen Interpretationen der Mozart-Symphonien sind so ziemlich die schlimmsten, die ich gehört habe. :D

    Na ja - dann hatte halt die ganze Welt einen schlechten Geschmack. Man ist ihm zu Füssen gelegen und hat ihn bejubelt. Sogar der fast allmächtige Herbert von Karajan hat akzeptiert, daß Böhm nun mal der größte Mozart-Dirigent sei, und er hier nicht mitkönne. Allerdings habe ich den Eindruck, daß es sich bei dieser (IMO nicht haltbaren) Aussage um einen versteckten Angriff gegen meine Person handelt. Aber- mich kann man nicht mehr verletzen. Seit dem Tod meiner Mutter bin ich kalt wie ein Fisch und gefühllos wie ein Stück Holz.


    Nichtsdestotrotz werde ich ich hier einen Link auf eine Böhmaufnahme setzen, die ich zwar schon gezeigt habe, aber irgendwo in den Winkeln des Forums schlummmert. Hier wird nicht Mozart sondern Beethoven gespielt, aber einerseits ist es eine der ganz wenigen Aufnahmen wo die Bildqualität noch erträglich ist (HD in der Probephase ?) und andrerseits geht es mir darum um neue MITLESER, die diese IMO einfach entgleisende Bemerkung lesen konnten die Bedeutung Böhms vor Augen zu führen. Man starte bei 22:00, dann bekommt man die letzten Takte der Musik mit und den darauf entstehenden Schlußjubel. Da werden sich heutige Dirigenten warm anziehen müssen um da mithalten zu können.



    Vielleicht noch, einem eventuellen Einwand zuvorkommend, das Beispiel sei Beethoven, der Thread über Mozart:
    In Sachen Beethoven war Böhm ein Papst, in Sachen Mozart ein Gott......


    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Tja, Alfred, so ist das, wenn man alles nur aus seinem Glashaus heraus beurteilt. Ich habe Herrn Petrenko sicherlich 20x live als Opern- und Konzertdirigent erlebt (du hingegen ganz sicher NULL Mal) und er hat diese Musik so gelebt und belebt und einen Mozart auf der Höhe der Zeit (unter Berücksichtigung des aktuellen standes der Mozart-Forschung) dirigiert, wie man das von einem seit Jahrzehnten toten Dirigenten wie Karl Böhm nun wirklich nicht erwarten kann und darf. Allerdings klingt Mozart unter Böhm, da muss ich "Bertarido" bei seinen Aussagen, die Alfred ins Zitat gesetzt hat, Recht geben, beinahe so, als sei sein Ableben schon vorausgegangen... :D




    P.S.: Ein Kompliment möchte ich dir aber doch noch machen, lieber Alfred: Du kannst ja doch richtig zitieren! Bravo! :thumbsup:

    Beste Grüße vom "Stimmenliebhaber"

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