Referenzen ab 2000

  • Das einzige, was sicher ist, ist, dass Ende des 18./Anfang des 19. Jhds. Besetzungsstärken ERHEBLICH variierten. Die Rechtfertigung für die minimalen Besetzungen von Schonderwoerd u.a. sind konkrete Konzerte mit entsprechender minimaler Besetzung. Allerdings behauptet niemand (und das wäre auch leicht als falsch zu erweisen), dass solche minimalen Besetzungen die Norm gewesen sind. Im Gegenteil waren sicher chorisch besetzte Streicher die Norm, bei entsprechenden Gelegenheiten auch verdoppelte (Holz-)bläser. Freilich vermute ich, dass bei Clavierkonzerten Rücksicht auf die klangschwachen Claviere genommen wurde, bei Sinfonien oder gar Chorwerken war das aber etwas anderes, da strebte man durchaus starke Besetzungen an. Allerdings ergibt sich recht deutlich, dass bei starker Streicherbesetzung die Bläser ebenfalls verstärkt wurden. Heute (oder jedenfalls bis vor einigen Jahrzehnten) bei traditionellen Aufführungen übliche Besetzungen wie je 10-12 Geigen usw. bei einfachen Holzbläsern ergeben vermutlich ein zu streicherlastiges Klangbild, da seinerzeit bei so vielen Streichern die Bläser möglichst verdoppelt worden wären. (Wenn man auf einigen Karajan-Videos u.ä. verdoppelte Bläser sieht, hat man vermutlich auch je 16 Geigen, nicht 10.)

    Struck by the sounds before the sun,
    I knew the night had gone.
    The morning breeze like a bugle blew
    Against the drums of dawn.
    (Bob Dylan)

  • Aber hier spielen nur Solostreicher!

    Ich weiß, aber meine Bemerkung hatte nichts mit dieser Aufnahme zu tun sondern richtete sich gegen die meiner Meinung nach unzulässige Verallgemeinerung. Man hat damals das Orchester sicher so besetzt, dass es das Soloinstrument nicht zugedeckt hat. Eigentlich sollte ich mich noch an die Besetzung des Orchesters bei der Uraufführung der Eroica im Palais Lobkowitz erinnern. Tatsächlich ist mir aber im Moment nur erinnerlich, dass es für unsere Begriffe ein ziemlich kleines Orchester war, was auch kein Wunder ist, hat dort doch gar kein Orchester in unserem modernen Sinne Platz.



    Das 5. Klavierkonzert ist das erste Mal mit dem Gewandhausorchester aufgeführt worden, da waren sicher nicht wenige Streicher.

    Das Gewandhausorchester bestand Ende des 18. Jahrhunderts aus 32 Berufsmusikern. Eine "große" Streichergruppe konnte da gar nicht vorkommen...



    Und selbst wenn bei einem guten Kammerorchester wie den Freiburgern z.B. nur 6 oder 8 erste Geigen spielen, ist das immer noch sechs oder achtmal so viel.

    Und selbst das ist für ein Klavier aus der frühen Beethovenzeit schon ziemlich viel, wie jeder weiß, der ein derartiges Instrument schon einmal live gehört hat.



    Wem Cristofori gefällt, na bitte. Für mich ist das einfach peinlich.

    Interessant, diese negative Energie. ;) Ich empfinde diese Aufnahme als reines Produkt der Tonkonserve, dessen Flair kaum auf eine reale Situation in einem Konzertsaal übertragbar ist (bestenfalls in einem Kammermusiksaal). Aber so wie sie ist besitzt sie für mich einen sehr eigentümlichen, großen Reiz. Sie ist natürlich in keinem Sinn als Referenz einzustufen, sehr wohl aber als in ihrer Art sehr gelungene Alternative bzw. Ergänzung zu bestehenden Standardinterpretationen. Man sollte eher froh über derart gelungene Abwechslungen sein...


    :hello:

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Mein Gott, wie die Zeit vergeht. Als dieser Thread gestartet wurde, war die im Titlel gestellte Aufgabe (?) beinahe unlösbar. Grade mal 5 Jahre war das 21, Jahrhundert alt, da war die Auswahl an "Referenten" nicht allzu groß. 12 Jahre später hat sich viel geändert. Etliche der genannten Aufnahmen sind in Vergessenheit geraten oder haben an Bedeutung verloren, Projekte mussten gestoppt werden, und außerdem hören die Klassikhörer von heute das Wort "Referenz" nicht mehr so gerne....
    Dabei wären in diesen 12 Jahren durchaus Aufnahmen hinzugekommen, die man in früheren Jahren durchaus als "Referenz" bezeichnet hätte....


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich beziehe mich auf den Beitrag Nr 62, es ging um die Wiedergabe des Beethoven-Klavierkonzerts Nr 5 mit dem Ensemble Cristofori und Schoonderword, von mir in Beitrag Nr 55 vorgestellt. und in Beitrag Nr 56 als "Referenz" - von 'Timmiju' abgelehnt wird - mit durchaus schlüssigen Argumenten.


    Interessant, diese negative Energie. ;) Ich empfinde diese Aufnahme als reines Produkt der Tonkonserve, dessen Flair kaum auf eine reale Situation in einem Konzertsaal übertragbar ist (bestenfalls in einem Kammermusiksaal). Aber so wie sie ist besitzt sie für mich einen sehr eigentümlichen, großen Reiz. Sie ist natürlich in keinem Sinn als Referenz einzustufen, sehr wohl aber als in ihrer Art sehr gelungene Alternative bzw. Ergänzung zu bestehenden Standardinterpretationen. Man sollte eher froh über derart gelungene Abwechslungen sein...


    Soweit mit bekannt ist vor einigen Jahren eine Gruppe Taminos extra zu einem seiner Konzerte (Innsbuck ??) gefahren, wo sie mit Schoonderword persönlich sprechen konnte, und er ihnen den verwendeten Flügel gezeigt hat. Ich hatte später Gelegenheit mit einem damaligen Mitglied über dieses Konzert zu sprechen, das mir mitteilte, daß das Klavier im Konzert kaum hörbar gewesen sei und überdies in der Pause nachgestimmt werden musste. Letzteres lässt mich immer mehr zur Überzeugung kommen, daß ein Nachbau solch eines Instruments die bessere Wahl ist (Diskussion darüber - auf Wunsch - in einem Spezialthread - nicht hier !!)


    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich würde keineswegs zögern, die Mozart-Einspielungen von Arthur Schoonderwoerd als Referenz zu bezeichnen. Für mich bedeutet Referenz keineswegs, dass eine solche Aufnahme die einzig gültige ist, die alle anderen überflüssig macht; auch die Frage, inwiefern die Umsetzung in einem größeren oder kleineren Konzertsaal möglich ist, ob das Instrument nachgestimmt werden muss oder nicht, spielt m. E. für die CD keine Rolle - dort klingt alles so, wie es der Hörer gerne wünscht. Bei einem Streichquartett würde man ja auch nicht eine Referenz fallen lassen, weil man dieses Quartett nicht unverstärkt in einer großen Konzerthalle spielen lassen könnte. Mein Fazit: diese ungewohnte, originelle Lesart bietet eine Menge an Klangschönheit, Gefühl und Ästhetik und erlaubt es, den klanglichen Möglichkeiten der damaligen Zeit nachzuspüren - sie sind auf hohem künstlerischem Niveau musiziert, durchaus lebhaft, kraftvoll und inspiriert sowie aufnahmetechnisch tadellos, und das ist für mich allemal referenzwürdig.

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  • Lebhafter und energischer als die berühmtere Perahia-Aufnahme (Sheppard wurde 1972 in Leeds, als Perahia gewonnen hat, Zweiter). Definitiv eine Top-Aufnahme unter denen auf dem modernen Klavier.

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  • Ich würde keineswegs zögern, die Mozart-Einspielungen von Arthur Schoonderwoerd als Referenz zu bezeichnen. Für mich bedeutet Referenz keineswegs, dass eine solche Aufnahme die einzig gültige ist, die alle anderen überflüssig macht;


    Das ist auch meine Definition von "Referenz" - Allerdings kommt es hier immer wieder zu Auffassungsunterschieden, so daß wir überlegen sollten andere Definitionen zu verwenden - Wenn wir nun "5 Sterne" vergeben, dann sehen das manche als Plagiat. auch "5 Ohren" sind schon vergeben, "goldene Stimmgabel" ebenso, mit "Zitonen" und "Himbeeren" muß man vorsichtig sein. Ein Miniaturfor meine Büste in Gold, Silber und Bronze ("Goldener Alfred") wäre zwar eine würdige Auszeichnung, aber mißtrauisch wie ich nun mal bin, hege ich den Verdacht, daß mißgünstige Leute mir dies als persönliche Eitelkeit ankreiden würden - daher habe ich diese (an sich glänzende !!) Idee rasch wieder verworfen :baeh01: Obwohl - wenn aus Spaß ernst würde und meine Kritiker dann eines Tages im Fono-Forum und anderen ernstzunehmenden Medien lesen müssten "Die von uns gelobte Aufnahme wurde ja bereit im vergangenen Jahr mit dem "Goldenen Alfred" ausgezeichnet. - Das hätte schon was . würde mir Spaß machen..... :hahahaha::baeh01::untertauch:
    Blieben noch "Mozartkugeln", die man vergeben könnte ....... und eine etwas Größere in Gold.
    letzter Vorschlag: "goldener Tamino"


    Zurüch zum Thema; Schoonderwords Mozart hat - ebenso wie sein Beethoven - eine Alternative angeboten - hierin vergleichbar mit den Marksteinen von Harnoncourt und Norrington - allerdings in die andere Richtung gehend - und somit die Szene belebt.


    REFERENZ - als das einizg Seligmachende - konnte es VIELLEICHT zu Beginn einer Schallplattenära geben. Das ist heute glücklicherweise deshalb nicht möglich, weil das Angebot an erstklassikgen Einspielungen riesengroß ist.


    Soll der an sich in die Irre führende - aber journalistisch griffige Threadtitel bleiben?



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Seit Threaderöffnung sind jede Menge interessanter Aufnahmen erschienen, die vermutlich über Jahre und eventuell sogar Jahrzehnte im Programm bleiben dürften, durchaus auf "Augenhöhe" mit den alten Einspielungen der "großen Alten" und ihrer Stammorchester. Hier eine, bei ihrem Erscheinen viel umjubelte Einspielung mit den Wiener Philharmonikern unter Christian Thielemann. Umjubelt vor allem deshalb, weil diese Einspielung in gewisser Weise an die Tradition nach Karajan und Furtwängler (sie würden sich wehren, hier in einem Atemzug miteinander genannt zu werden) - bei aller Verschiedenheit der beiden - anknüpft. Zumindest wurde das immer wieder in den Medien behauptet......
    Aber natürlich wurde sie auch angefeindet, was einer Aufnahme in der Regel eher nützt als schadet. Vielleicht werden wir uns in einem anderen Thread mit dieser Aufnahme und ihrem Stellenwert HEUTE, näher befassen, oder ihr eine zeitnah entstandene Kontrastaufnahme gegenüberstellen, beispielsweise jene unter Rattle, ebenfalls mit den Wiener Philharmonikern (für EMI).
    Wie immer man diese Aufnahme im einzelnen auch schätzt oder nicht, Ich gehe davon aus, daß dies hier eine Aufnahme ist, die auch in 10 oder mehr Jahren im Katalog sein wird.

    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Ich würde keineswegs zögern, die Mozart-Einspielungen von Arthur Schoonderwoerd als Referenz zu bezeichnen. Für mich bedeutet Referenz keineswegs, dass eine solche Aufnahme die einzig gültige ist, die alle anderen überflüssig macht; auch die Frage, inwiefern die Umsetzung in einem größeren oder kleineren Konzertsaal möglich ist, ob das Instrument nachgestimmt werden muss oder nicht, spielt m. E. für die CD keine Rolle - dort klingt alles so, wie es der Hörer gerne wünscht.

    "Referenz" bedeutet per definitionem, dass sie als Vergleichsnormal dienen kann, also sinnvoll mit anderen Beispielen - in unserem Fall Aufnahmen - verglichen werden kann. Eine quasi "synthetische" Aufnahme wie jene von Schoonderwoerd ist aber nicht sinnvoll mit Aufnahmen zu vergleichen, die jederzeit auch in einem Konzertsaal realisierbar wären. Wofür könnte sie also als "Referenz" dienen?



    Bei einem Streichquartett würde man ja auch nicht eine Referenz fallen lassen, weil man dieses Quartett nicht unverstärkt in einer großen Konzerthalle spielen lassen könnte.

    Die scheint entgangen zu sein, dass die meisten Streichquartette problemlos in großen Konzertsälen spielen. Probleme haben damit nur jene Ensemble mit historisierenden Instrumenten - d.h. Darmbesaitung und keine klangverstärkenden Umbauten. Diese Instrumente sind leiser und haben nicht den dynamischen Umfang modernisierter Varianten und sind daher wesentlich besser in Kammermusiksälen aufgehoben.

    Ciao


    Von Herzen - Möge es wieder - Zu Herzen gehn!


  • Wie immer man diese Aufnahme im einzelnen auch schätzt oder nicht, Ich gehe davon aus, daß dies hier eine Aufnahme ist, die auch in 10 oder mehr Jahren im Katalog sein wird.


    Und warum wird gerade diese Aufnahme beim Werbepartner inzwischen zum Niedrigpreis ›verscherbelt‹? :?:
    Ich habe da doch meine Bedenken …

    Einer der erhabensten Zwecke der Tonkunst ist die Ausbreitung der Religion und die Beförderung und Erbauung unsterblicher Seelen. (Carl Philipp Emanuel Bach)

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  • Und warum wird gerade diese Aufnahme beim Werbepartner inzwischen zum Niedrigpreis ›verscherbelt‹?


    Eine gute Frage auf die es verschieden Antworten geben kann. Für mich ist am wahrscheinlichsten, daß man hier mit der Konkurrenzaufnahme der EMI (heute Warner) mithalten will und gleichzeitig die viel zu teuren Aufnahmen mit Chailly und die neue Aufnahme Rattles mit den Berlinern vom Markt drängen will.


    Umgekehrt, finden wir aber auch die rechts oben gezeigte Thielemann Box mit einer DVD inklusive, welche den stolzen Preis von 109.99 Euro kostet.
    Wer kann schon wissen, was in den Gehirnen der Sony Manager vor sich geht? Das gilt natürlich auch für die Manager der jeweiligen Konkurrenz. Die Einschätzungen sind verschieden. Universal fischt mit großem Netz: Zumindest 3 vom Inhalt her identische Karajan Sinfonien-Boxen (die analoge Aufnahme aus ca 1962+-) sind am Markt, Preis zwischen 22.99 und 32.99 Euro. Von einem Fremdanbieter wird eine Version um 9.99 Euro angeboten, die vermutlich nicht von den Originalbändern gezogen ist. Der feine Herr von heute gibt sich mit derlei natürlich nicht ab, er erwirbt die gleiche Aufnahme auf 180g Vinyl- Langspielplatten in einer streng limitierten und nummerierten 8-LP-Edition. Ob die Strenge Limitierung auf 5 Exemplare beschänkt oder 100.000 weltweit beträgt, verrät und der Werbetext indes leider nicht.
    Vermutlich eher letzteres. denn gewiefte Spekulanten werden diese Edition vermutlich in Bündeln zu 100 Stück einkaufen und dann im Internet zu Mondpreisen anbieten. Da ist es schon gescheiter, RECHTZEITIG zuzugreifen, solange die Box noch um sagenhaft günstige 139.99 Euro angeboten wird.....


    Aber wie sagte schon einst mein Idol Oscar Wilde so treffend: "Heute kennt man von allem den Preis, von nichts den Wert."
    Wie treffend



    mit freundlichen Grüßen aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • "Referenz" bedeutet per definitionem, dass sie als Vergleichsnormal dienen kann, also sinnvoll mit anderen Beispielen - in unserem Fall Aufnahmen - verglichen werden kann. Eine quasi "synthetische" Aufnahme wie jene von Schoonderwoerd ist aber nicht sinnvoll mit Aufnahmen zu vergleichen, die jederzeit auch in einem Konzertsaal realisierbar wären. Wofür könnte sie also als "Referenz" dienen?



    Die scheint entgangen zu sein, dass die meisten Streichquartette problemlos in großen Konzertsälen spielen. Probleme haben damit nur jene Ensemble mit historisierenden Instrumenten - d.h. Darmbesaitung und keine klangverstärkenden Umbauten. Diese Instrumente sind leiser und haben nicht den dynamischen Umfang modernisierter Varianten und sind daher wesentlich besser in Kammermusiksälen aufgehoben.


    Die Vokabel "synthetisch" halte ich hier für völlig deplatziert und unzutreffend. Ansonsten wäre jede Studioaufnahme einer Oper ebenso "synthetisch", nach dieser von Dir genannten Definition dürften also nur Live-Mitschnitte von Opern-Aufführungen als Referenz dienen. Und natürlich kann man auch Schoonderwoerd und sein Ensemble in kleineren Sälen spielen lassen - wie Kammermusik eben auch - wo ist das Problem?


    Und natürlich kannst Du andere Aufnahmen mit den Einspielungen Schoonderwoerds vergleichen - gerade durch die dadurch deutlich zum Tragen kommenden Unterschiede dient eben diese Einspielung in besonders hohem Maße als Referenz, um eben deutlich zu machen, wie es eben auch noch ganz anders klingen kann/ geklungen haben könnte. Darin sehe ich einen eindeutigen Mehrwert und denke nicht, dass deswegen nur moderne Instrumente als Referenz herangezogen werden können.


    Im Übrigen zur Begriffsklärung von Referenz:


    Referenz kommt aus dem Lateinischen "referre" (‚auf etwas zurückführen‘, ‚sich auf etwas beziehen‘, ‚berichten‘) -


    Dies bedeutet im vorliegenden Fall m. E. durchaus, dass man hier Bezüge herstellen kann - warum soll das bitteschön nicht möglich sein? Gerade wenn man einen historisierenden Zugang wählt, um sich dem möglichen Originalklang anzunähern (ohne ihn hundertprozentig imitieren zu können), so kann dies doch zweifelsohne ein wichtiger Bezugspunkt sein, um den Klang moderner Instrumente vor diesem Hintergrund bewerten und einordnen zu können - oder sehe ich das falsch?


    Im Übrigen hast Du ja selbst ein Beispiel gegeben - manche Instrumente sind leiser als andere, und werden daher auch nur in kleineren Räumen im Konzert zu hören sein - sind Einspielungen mit diesen Instrumenten also a priori nicht referenzwürdig? Doch wohl kaum.


    Vielleicht ist Dir da wohl eher was entgangen...

  • Eine weitere Aufnahme dieses Jahrtausends, die wert ist, hier erwähnt zu werden sind die Beethoven Klaviersonaten mit Rudolf Buchbinder aus dem Jahre 2010/11. Dieer Aufnahme wurde vielleicht etwas zu wenig Beachtung geschenkt, da Buchbinder bereits vor 25-27 Jahren einen erstklassigen Beethoven-Klaviersonaten-Zyklus (für Teldec) aufgenommen hat, ebenfalls in Digitaltechnik, und soweit mir bekannt, im Studio. Buchbinder und RCA (Sony) haben es dennoch gewagt eine Neuaufnahme zu starten, diesmal einen Livemitschnitt aus Dresden. Buchbinder Selbst ist mit dieser Aufnahme überaus zufrieden. Sie sei ein ehrliches ungeschöntes Projekt, das der Realität im Konzerthaus entspräche und zu dem er sich bekennen könnte. und das kann er in der Tat. Auch die Tontechnik kann sich dazu jederzeit bekennen. Eine gute Aufnahme unserer Zeit. Wer genau informiert sein möchte, der lese die Einzel-Rezensionen von WillamBA, er hat sich die Mühe gemacht seine Höreindrücke in den entsprechenden Threads zu schildern...

    mfg aus Wien
    Alfred

    Wenn ich schon als Vorbild nicht tauge - lasst mich wenigstens ein schlechtes Beispiel sein !



  • Schönen Dank für die Blumen, lieber Alfred, aber da du schon hier Klavieraufnahmen genannt hast, möchte ich eine von einem Landsmann von Rudolf Buchbinder nennen, die m. E. von bisher 40 Rezensierten der Beethoven-Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27.1 gelten darf und die ich erst vor 11 Tagen angehört habe. Damit der Zusammenhang klarer wird, kopiere ich einfach meine Rezension hierhin:



    Beethoven, Sonate Nr. 13 Es-dur op. 27 Nr. 1, "quasi una fantasia"
    Markus Schirmer, Klavier
    AD: 2011;
    Satzzeiten: 4:36-1:51-3:01-5.38 -- 15:06 min.;


    Weil er sich persönlich im Forum bedankt hat für unsere Glückwünsche zu seinem 54. Geburtstag am 10. Juni, habe ich beschlossen, seine bisher erschienenen und noch lieferbaren Sonaten-Aufnahmen nach und nach in unser Sonatenprojekt einzuflechten. Heute beginne ich mit der Sonate Nr. 13.


    Zum Vergleich habe ich meine bisherigen drei Referenzen Schnabel, Arrau (1970, Beethovenfest) und Solomon herangezogen.
    Markus Schirmer ist im Kopfsatz rascher als die drei Anderen, aber das ist m. E. durchaus noch Andante. Er beginnt mit einer leicht erhöhten Grundlautstärke, steigert dann in den Crescendi, wie ich finde, genau in der richtigen Dosierung und entfaltet einen grandiosen Klang sowie ein klares Klangbild, in dem die begleitenden Sechzehntelläufe in den ersten beiden viertaktigen Abschnitten wunderbar hervortreten. Und bei alledem lässt er die Musik schön und entspannt fließen, zeichnet die kurzen und längeren Bögen aufmerksam nach.
    Auch im dritten, musikalisch verdichteten, teilweise siebenstimmigen Viertakter behält er die leichte dynamische Bewegung bei und erzielt weiterhin ein sehr transparentes Klangbild, ebenso im nächsten Abschnitt, in dem wiederum thematisch variierten und hier auch oktavierten (Takt 13 bis 20), in dem auch Triller für Abwechslung sorgen.
    Da ich meine letzten Besprechung dieser Sonate vor knapp 2 Jahren (Maria Grinberg) angefertigt habe, wiederholt sich so Einiges, was ich schon früher gesagt habe. Unter anderem betrifft es auch den nächsten Abschnitt (Takt 21 bis 36), der aus Thema und drei verschiedenen Variationen des gleichen thematischen Materials aus Takt 1 bis 4 bzw. Takt 5 bis 8 (Var. 2 und 3) besteht.
    Auch diese pianistisch eigentlich nicht aufregende Sequenz spielt Schirmer mit dem nötigen künstlerischen Ernst, die diese Stelle zum veritablen Kunstwerk erhebt.
    Auch das in Takt 37 plötzlich einfallende Allegro ist mit dem normalen Sonatensatzschema gar nicht zu erklären. Hier hat Beethoven schon wieder mit Herzenslust nach neuen Formen gesucht und sie auch gefunden, vom 4er- zum 3er Takt gewechselt, vom Piano zum Forte, vom vorherrschenden Legato zum Non legato, ja sogar zum raschen Rhythmuswechsel, ja sogar in Takt 57 der Wechsel zu c-moll und im letzten Takt 62 zurück zum Es.
    Markus Schirmer gestaltet auch diesen Mittelabschnitt mit dem nötigen dynamischen Impetus, dem temporalen Schwung, der vonnöten ist und der klanglichen Transparenz.
    Im "Tempo I" ab Takt 63 erleben wir wieder das Thema mit Variationen, doch diesmal in anderer Weise. Beethoven vertauscht einfach die Lagen- genial und von Markus Schirmer kongenial umgesetzt.
    Grandios gespielt auch die acht abschließenden codaähnlichen Takte, in denen Beethoven noch dreimal die Form in beiden Oktaven wechselt: Takt 79-81--Takt 82/83--Takt 84/85--Takt 86.


    Den scherzoartigen zweiten Satz im Allegro molto e vivace im Dreiertakt nimmt Schirmer von Anfang an mit den nötigen rhythmischen und dynamischen Kontrasten. Er ist hier deutlich langsamer als Schnabel uns sogar geringfügig langsamer als Solomon, allerdings ebenso deutlich schneller als Claudio Arrau 1970 in Bonn.
    Denn trioartigen Mittelgalopp spielt Schirmer, wie ich finde, rhythmisch sehr akzentuiert und dynamisch sehr aufmerksam.
    Den reprisenförmigen Abschnitt ab Takt 72 mit der rhythmischen Finesse ab Takt 89, wo Beethoven mal eben auf die Idee gekommen ist, dem "sempre ligato" im Diskant mal eben ein "sempre staccato" im Bass gegenüberzustellen, spielt Markus Schirmer, wie ich finde, ganz ausgezeichnet.


    Im Adagio ist er temporal ganz nahe bei Solomon und Schnabel. Obwohl ich es jetzt fast zwei Jahre nicht mehr gehört habe, merke ich sofort wieder, dass ich um meine Fassung ringen muss, wenn es so gespielt wird wie jetzt auch von Markus Schirmer, vor allem die Takte 6 bis 8 und die hohe Oktavenbewegung (Takt 13 bis 16), aber auch der Bogen Takt 21 bis 24 auf der Eins. So wenig Takte der Satz auch haben mag (26), so groß ist doch die musikalische Tiefe, die ihm inne wohnt un in die Schirmer hier auch vordringt.


    Im Finale ist er zeitlich ganz nahe bei Solomon und Arrau, nur Artur Schnabel schlägt hier aus der Art. Er ist um eine dreiviertel Minute schneller als die anderen drei. Auch das finale Allegro vivace ist kein reiner Sonatensatz. Es hat auch viel von einem Rondo.
    Schon in Takt 51 ändert sich die Form, was Markus Schirmer in seinem Vortrag auch sehr deutlich macht, Wieder ist hier seine sorgfältige Beachtung der dynamischen Verläufe zu rühmen. Die nächste Änderung erfolgt in Takt 62 bis 73 (Sexten in der oberen, Primen in der Bassoktave), und ab Takt 74 ändern sich zuerst die Bassfiguren und ab Takt 78 auch die in der oberen Oktave. Ab Takt 86 übernehmen die Oktavgänge in der hohen Oktave das Regiment, begleitet von wechselnden Sechzehntelintervallen im Bass.
    In Takt 108 könnte man die Wiederholung des Expositionsteils ansetzen, der aber durch häufige Veränderungen der Thementeile auch etwas Durchführendes hat. Jedenfalls tut Markus Schirmer hier auch der dynamischen Steigerung dieses Abschnitts voll und ganz Genüge, spielt wunderbar die terrassenförmig angeordneten Achteloktaven (ab Takt 165), wiederum von wechselnden Intervallen begleitet.
    Den Beginn der Reprise in Takt 193 muss man jedoch vom Satzbeginn unterscheiden, weil hier das Thema zur Abwechslung mal die Seite (sprich die Oktave) wechselt, bei Beethoven alltäglich. Dann wieder die herrlichen Sechzehntelläufe, die Schirmer wunderbar fließen lässt. Die Stacccatooktaven übernehmen ab Takt 254 wieder das Regiment, diesmal von wechselnden Sechzehntelintervallen im Bass begleitet, bis in Takt 276 die Sechzehntel sich in der oberen Oktave bis zur abschließenden Fermat in Takt 280/281 ins Fortissimo steigern:
    Dann ein letztes Mal Das himmlische Adagio und das abschließende Presto.


    Eine große Interpretation!


    Liebe Grüße


    Willi :thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup::thumbsup:

    1. "Das Notwendigste, das Härteste und die Hauptsache in der Musik ist das Tempo". (Wolfgang Amadeus Mozart).
    2. "Es gibt nur ein Tempo, und das ist das richtige". (Wilhelm Furtwängler).