Premiere Freischütz Leipzig 04.03.2017

  • Liebe Knusperhexe,


    Dein "mal" sowie deine Auflistung "schlechtesten Inszenierungen" verknüpft mit "miesesten Theater" könnte darauf schließen lassen, dass Du deinen Vorschlag selbst zu wenig ernst nimmst, sondern möglicherweise salopp daher geschrieben ist. Auch in einem guten Theater sind "schlechte" Inszenierungen möglich und umgekehrt.


    Unter der Voraussetzunge, dass es Dir dennoch wichtig ist, stellt sich dann die Frage, nach welchen Kriterien Du eine Inszenierung als die schlechteste und ein Theater als das mieseste zu bestimmen gedenkst ?
    Wäre es solche Deines individuellen Geschmacks ?


    Dein persönlichen Geschmack soll überhaupt nicht in Abrede gestellt werden !


    Aber den als einziges Kriterium zu setzen, erschöpfte sich in Kontingenz, weil es bloß persönlicher Geschmack wäre.
    Das wäre allein nicht zielführend.


    Herzliche Grüße


    Octavian

  • Da möchte ich Octavian beipflichten.


    Die Kriterien sind doch zu unterschiedlich und vom Geschmack sowie den eigenen Präferenzen abhängig. Für mich beispielsweise müsste erst einmal sichergestellt sein, dass das Orchester auf den richtigen Instrumenten spielt. Und DANN erst schaue ich, was auf der Bühne passiert. Für mich wären, nach diesem persönlichen Kriterium, alle Opernhäuser schlecht, wo das Orchester nicht passt, selbst wenn die Inszenierungen noch so gut sind.


    Ich bin aber generell kein Freund vom Repertoirebetrieb, wo man einfach irgendwelche Opern standardmäßig herunterspielt. Gestern Zauberflöte, heute Meistersinger, morgen Fidelio, übermorgen Lulu, und nächste Woche irgendeine Barockoper. Das ist nichts für mich, so etwas meide ich generell.




    LG,
    Hosenrolle1

  • Und die letzten Worte der Kritik waren : Dankbar langer Applaus. Also kann es so schlecht gar nicht gewesen sein. Aber im Zweifelsfall ist es wieder mal das dumme Publikum das keine Ahnung hat.

  • https://www.nmz.de/online/den-…etz-an-der-leipziger-oper


    Ich fände es mal interessant, hier einen Thread zu starten und die schlechtesten Inszenierungen und miesesten Theater in Deutschland aufzulisten.


    Hallo lieber Knusperhexe, das bringt doch alles nichts, bei euch eingefleischten RTG kommt > leider < immer der gleiche Spruch und ihr zieht euch an diesen Dingen hoch so, als wenn ihr das zum Leben bräuchtet um glücklich zu sein.
    So empfinde ich das, wiegesagt ich lese schon sehr lange mit.
    Wird hier ein neuer Thread gestartet von einer Besprechung über eine Aufführung einer Oper XY im Opernhaus KLM, dann stürzt ihr euch wie die Geier darauf um gleich loszulegen, leider wird dann nie sachlich darüber diskutiert.


    Ich schrub es schon an anderer Stelle, lernt doch mal einen eurer Regisseurfeinden ganz unbefangen kennen und unterhaltet euch mit ihm, aber nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen, ich bin mir ganz sicher ihr bekommt ein völlig anderes Bild von ihm.


    Ich spreche aus Erfahrung!


    LG Fiesco

  • Wow, chapeau lieber Doktor. Da hast du ja gleich drei neue Gefolgsleute angeworben.


    Wie wir bereits mehrfach festgestellt haben, sind die meisten Rezensionen heute sehr persönlich eingefärbt. Die wenigsten Rezensenten kriegen es heute noch hin objektiv zu berichten. Auch die Rezensionen hier, ja sogar der Kanon, sind massiv persönlich gefärbt das ist ja auch nichts schlimmes, solange man seine Meinung nicht zu Allgemeingültigkeit erhebt Insofern würde ein solcher Thread richtig Spaß machen und deshalb mache ich jetzt auch einen solchen auf.

  • Lieber Holger,


    Chereau-Bashing erstaunt, weil seine Arbeiten stilistisch sehr unterschiedlich geraten. Darin war er Götz Friedrich ähnlich. Chereaus Elektra kommt retrospektiven Erwartungen des Publikums entgegen. Ganz im Gegensatz zu seinem Mailänder Tristan, der vor allem im 3. Akt durch seine Überzahl an auftretenden Personen enttäuscht. Das empfand ich als störende Regietheaterelemente, weil damit nicht einmal der Kontrast zur Musik gelang, sondern die Rezeption nur unnötig erschwerte. Heiner Müllers Bayreuther Arbeit geriet im Verhältnis dazu wesentlich konservativer. Sein Minimalismus erinnert an Wieland Wagner und der 3. Akt enthält Anspielungen auf Becketts Endspiel, die subtil auf den Gehalt des Tristan hindeuten.




    Lieber Gerhard,


    Ärger über schlechte Inszenierungen ist doch sehr verständlich. Denn welcher Opernfreund wurde in seinem Leben nicht enttäuscht und verärgert; auch was die musikalische Qualität betrifft ? Nur wird weder ein durch eine moderne Regiearbeit positiv beeindruckter Besucher, noch ein Regisseur bereit sein, Deine Frage („warum auf diese Weise ein Kunstwerk zerstört werden muss“) zu beantworten. Denn bedauerlicherweise ist sie in dieser Form mit unsachlichen und provokanten Angriffen („Müll, Mist, totale Entstellung“) verknüpft.


    Mishas Freischützkritik, die ich nicht in allen Punkten teile, erklärt die Gründe für Zeit- und Ortabweichungen sehr plausibel. Man muss damit nicht einverstanden sein, aber seine Antwort liegt unmissverständlich auf dem Tisch.


    Deine Bezeichnung „Zerstörung“ geht völlig fehl. Selbst ein konservativ inszenierter Freischütz von 2017 entspricht nicht mehr dem der Uraufführung und bildet damit eine „Verfälschung“. Die Gründe dafür sind in Beitrag Nr. 84 nachlesbar. Auch Nr. 93 von Hosenrolle geht in ähnliche Richtung durch seinen Verweis auf veränderte Instrumente. Ich möchte sein „Fass“ aber nicht noch zusätzlich aufmachen. Einzig die weltweite Vernichtung aller existierende Noten, Textbücher und Datenträger erfüllte den Tatbestand einer „Zerstörung“ vom Freischütz.




    Lieber Rudolfo39,



    Danke für deinen Verweis aufs Publikum. Mishas Erläuterung als Blick aus dem Freien ins Wirtshaus lässt die Interpretation zu, dass wir, also das Publikum, gewisser Maßen den Wald bilden mit vielen verdrängten kollektiven Erinnerungen an Grauen, Kriege, auf welche sich später die Wolfsschluchtszene bezieht. In diesem Fall wäre es nämlich vorstellbar, dass ein Teil der Publikumsdankbarkeit dem Tatbestand Rechnung trägt, dass an seine geistige Autonomie, die tendenziell in Gefahr gerät zu verschwinden, appelliert wurde. Die Regie respektiert das Publikum damit in hohem Maße, in dem sie nicht alles vorkaut (selbst wenn ich sehr gern auch einen konservativen Freischütz mit deutschem Wald goutiere), sondern die Fähigkeit zugestanden wird, als Hörer und Betrachter eigenständig Erklärungen zu suchen, zu finden, sowie Zusammenhängen erfassen und diese nachvollziehen.





    Herzliche Grüße
    Octavian

  • Wow, chapeau lieber Doktor. Da hast du ja gleich drei neue Gefolgsleute angeworben.


    Wie wir bereits mehrfach festgestellt haben, sind die meisten Rezensionen heute sehr persönlich eingefärbt. Die wenigsten Rezensenten kriegen es heute noch hin objektiv zu berichten. Auch die Rezensionen hier, ja sogar der Kanon, sind massiv persönlich gefärbt das ist ja auch nichts schlimmes, solange man seine Meinung nicht zu Allgemeingültigkeit erhebt Insofern würde ein solcher Thread richtig Spaß machen und deshalb mache ich jetzt auch einen solchen auf.

    Hallo Knusperhexe, das kannst du ja auch gerne tun, aber du hast ja noch nicht mal auf meinen Vorschlag reagiert, dafür aber gleich trotzig.


    Und noch was, ich finde es ziemlich dreist einfach zu sagen das ich vom Dottore K. angeworben wurde, NEIN der hat wahrlich nichts mit meiner Anmeldung zu tun. Ich habe ein eigenes Hirn um hier zu lesen und darüber nachzudenken und gegenenfalls zu posten.


    LG Fiesco

  • Liebe Knusperhexe,


    Bitte sei mir nicht böse, aber mich überrascht gleichfalls deine falsche Behauptung, ich sei "angeworben".
    Sinnvoller wäre es doch mit Argumenten zu operieren, an Stelle von Unterstellungen.


    Herzliche Grüße


    Octavian

  • Wow, chapeau lieber Doktor. Da hast du ja gleich drei neue Gefolgsleute angeworben.

    Das ist wirklich amüsant! Ich wusste gar nicht, dass ich sooo einen großen Einfluss habe! Wenn man eben nicht anders als im Freund-Feind-Schema denken kann, dann wittert man überall Intrigen und Verschwörungen, auch da, wo nun mal gar keine sind! :D


    Schöne Grüße
    Holger

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  • Die Regie respektiert das Publikum damit in hohem Maße, in dem sie nicht alles vorkaut (selbst wenn ich sehr gern auch einen konservativen Freischütz mit deutschem Wald goutiere), sondern die Fähigkeit zugestanden wird, als Hörer und Betrachter eigenständig Erklärungen zu suchen, zu finden, sowie Zusammenhängen erfassen und diese nachvollziehen.

    Lieber Gast,


    und welche Erklärung wirst Du einem Zuschauer geben, der sich zu Hause in seinem Opernbuch auf den Besuch einer Oper vorbereitet hat und dann im Theater etwas ganz anderes zu sehen bekommt?
    Erwartest Du nicht zuviel vom zahlenden Publikum, wenn es in die Oper geht? Mir sind sehr wenig Opernbesucher bekannt, die im Theater eigenständig Erklärungen suchen oder Zusammenhänge erfassen wollen, eigentlich außer hier im Forum gar niemand.


    Entschuldige bitte, vielleicht schätze ich Dich falsch ein, aber Du erweckst bei mir den Eindruck, als wärest Du an einem Theater tätig, in der Dramaturgie oder gar als Regisseur, der seine Vorstellung einer Inszenierung dem Publikum überstülpen will, ob es das Publikum will oder nicht.


    Herzlichst La Roche

    Ich streite für die Schönheit und den edlen Anstand des Theaters. Mit dieser Parole im Herzen leb' ich mein Leben für das Theater, und ich werde weiterleben in den Annalen seiner Geschichte!

    Zitat des Theaterdirektors La Roche aus Capriccio von Richard Strauss.

  • Lieber LaRoche,


    zugegeben, deine Frage fällt mir schwer zu beantworten. Ich versuch es trotzdem ansatzweise.



    Es müsste zunächst geklärt werden, welche Erwartungen ich als Besucher hege und in welchem Maße die Änderungen von dem abweichen, die ich aus der Imagination, verursacht durch Lektüre eines Opernbuches, resultiert. Bei einer Menge von mehr als tausend Besuchern fallen die Erwartungen an die szenische Realisierung des Freischütz sehr unterschiedlich aus. Die Alternative konservativ vs. modern greift zu kurz.


    Ich selbst würde mir nicht vorne herein anmaßen, einem Opernbesucher eine Erklärung zu geben zu wollen, denn erstens ich bin selber einer und schätze andere für mindestens ebenso schlau ein, wenn nicht sogar wesentlich schlauer.


    Erwartet ein Regisseur wenig vom zahlendem Opernpublikum, zu dem ich mich ausdrücklich zähle, würde er es beleidigen, weil es deren Intelligenz in Frage stellen würde.


    Wenn ich neue Inszenierungen besuche, verstehe ich nicht unmittelbar alle Elemente der Regie. Doch eben diese Entdeckerlust nach Unbekannten bildet starke Motivation sich auf Arbeiten (Opernbesuch oder DVD) von z.B. Götz Friedrich, Konwitschny, Otto Schenk, Chereau, Peter Stein, Felsenstein emotional und gedanklicheinzulassen. Bei Arbeiten Otto Schenks oder Walter Felsensteinserschließt sich erfahrungsgemäß vieles leichter, was weder für noch gegen die Regie spricht.


    In meinem Freundes-, Familien und Bekanntenkreis sind alle bereit, sich auch auf gedanklich-emotionale Auseinandersetzung einzulassen, natürlich in sehr unterschiedlichen Graden. Das Vorherrschende bildet zunächst, ganz wie in meinem Fall, unterhalten zu werden. Meistens wird diese Ebene verlassen. Aber es stört niemanden von uns, bei gelungen Aufführungen.


    Ein Freund begleitete mich zur einer Vorstellung der Hochzeit des Figaro, weil er einen schönen, entspannten und unterhaltsamen Opernabend erleben wollte. Aber dabei packte ihn und mich die musikalisch-szenische Gestaltung derart, dass wir uns dannach in der Kneipe beim Bierchen sehr lange darüber austauschten.


    Es wäre höchst arrogant, spräche ein Regisseur oder Intendant mir, als Teil des zahlenden Publikums bzw. dem Publikum an sich, das Bedürfnis nach einer geistigen Auseinandersetzung generell ab.


    Deine Einschätzung als Fachmann ehrt einen. Aber der bin ich nun überhaupt nicht. Jeder wirkliche Fachmann erkennt diesen Tatbestand sofort, falls er meine Ausführungen lesen würde. Mich interessiert allerdings, in welchem Beitrag ich beabsichtige hätte, eigene Vorstellungen über eine Oper einem Publikum überzustülpen.


    Herzliche Grüße
    Octavian

  • Zitat von »GAST« Die Regie respektiert das Publikum damit in hohem Maße, in dem sie nicht alles vorkaut (selbst wenn ich sehr gern auch einen konservativen Freischütz mit deutschem Wald goutiere), sondern die Fähigkeit zugestanden wird, als Hörer und Betrachter eigenständig Erklärungen zu suchen, zu finden, sowie Zusammenhängen erfassen und diese nachvollziehen. Lieber Gast,


    Lieber Gast,
    Wenn die Regie das Publikum derart respektiert, dass frage ich mich doch, wieso das Regiekonzept meistens im Programmheft erläutert wird und es obendrein vor fast jeder Vorstellung eine Einführung gibt, in der dasselbe nochmals geschieht. Der Grund kann doch nur sein, dass sie Ideen der Regisseure häufig so verquer sind, dass man ohne diese "Anleitungen" während der Vorstellung mit Rätselraten beschäftigt ist, anstatt sich auf Musik und Gesang zu konzentrieren.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Hallo Octavian,

    Wenn ich neue Inszenierungen besuche, verstehe ich nicht unmittelbar alle Elemente der Regie. Doch eben diese Entdeckerlust nach Unbekannten bildet starke Motivation sich auf Arbeiten (Opernbesuch oder DVD) von z.B. Götz Friedrich, Konwitschny, Otto Schenk, Chereau, Peter Stein, Felsenstein emotional und gedanklicheinzulassen. Bei Arbeiten Otto Schenks oder Walter Felsensteinserschließt sich erfahrungsgemäß vieles leichter, was weder für noch gegen die Regie spricht.

    Ich denke, das Problem ist, dass bei dieser Ansicht die Regisseure im Mittelpunkt stehen, nicht das Werk. Es wird über Regisseure diskutiert, und deren Regiearbeiten, die Einfälle der Regisseure werden erörtert und analysiert. Das kann unbestritten auch interessant sein, aber ich denke, dass das Werk so, wie es ist, schon genügend zum Nachdenken anregen kann.


    Beispiel "Salome": ich persönlich ziehe es vor, über Oscar Wildes Dichtung (die ja hier als Libretto verwendet wurde) zu diskutieren, über die Symbolik in seinen Texten, über die Dramaturgie oder die Figuren. Damit diskutiere ich über das WERK.
    Wenn ich jetzt stattdessen aber darüber diskutiere, was es zu bedeuten hatte, dass Herodes wie Karl Lagerfeld aussieht, oder man im die Handlung in die 1960er Jahre verlegt, oder warum Jochanaan nicht mehr geköpft wird, sondern nur erstochen, dann diskutiert man nicht mehr über das Werk.


    Wie gesagt, es kann durchaus interessant sein, auch über Regiearbeiten zu sprechen. Schwierig ist die ganze Situation es m.E. vor allem deswegen, weil das Verhältnis "werkgerecht" - "modern" (ich vermeide bewusst das Wort "traditionell"!) unausgewogen ist. Man hat heute praktisch keine Chance, ein Werk so nahe wie möglich an der Partitur zu sehen.


    Ich finde, ideal wäre es so: das Verhältnis ist ausgewogen, man kann ganz nach Belieben entweder neue Regiekonzepte sehen, oder aber werktreue Inszenierungen. Vielleicht schaut man sich zuerst das werktreue an, um das Werk selbst kennenzulernen: das heißt, man macht sich mit der eigentlichen Handlung vertraut, mit den Figuren, mit der Handlung und den Kulissen.
    Wenn man das dann gesehen hat, DANN würde es auch Sinn machen, sich neue Regieideen anzusehen, weil man ja jetzt eine Grundlage hat, und neue Ideen vielleicht auch besser versteht. Eine Parodie auf einen Film macht auch mehr Sinn, wenn man das Original möglichst gut kennt, sonst funktionieren die vielen Anspielungen nicht mehr.

    Ein Freund begleitete mich zur einer Vorstellung der Hochzeit des Figaro, weil er einen schönen, entspannten und unterhaltsamen Opernabend erleben wollte. Aber dabei packte ihn und mich die musikalisch-szenische Gestaltung derart, dass wir uns dannach in der Kneipe beim Bierchen sehr lange darüber austauschten.

    Bei mir sträubt sich alles, wenn ich im Zusammenhang mit Mozart Wörter wie "schön" und "entspannt" lese. Das ist keineswegs als Beleidigung gedacht, es ist nur so, dass seine Musik heute oft so glattgebügelt wird, obwohl Mozart die Hörer auch oft irritieren wollte durch harte oder unschöne Klänge, dass er sie aufwühlen wollte, ihnen einen Spiegel vorhalten wollte. Seine Zeitgenossen haben da auch entsprechend reagiert. Manchmal sollte der Zuschauer betroffen aus dem Konzerthaus gehen, und sich eben nicht entspannen. Man sollte mitdenken, auf Tonartwechsel achten, sowie auf viele verschiedene Motive, die damals vom Publikum noch großteils verstanden wurden, denn seine Musik war eine "sprechende".


    Dazu ein kurzer Ausschnitt aus dem Buch "Mozarts Musiksprache - Schlüssel zu Leben und Werk" von Gunthard Born.


    Zitat

    Diese Musik hatte jetzt eine ganz andere Funktion zu erfüllen als früher: Sie sollte keine komplizierte Sprache mehr darstellen, in der sich die darin ausgebildeten Könner den Kennern mitteilten, sondern sie sollte Gefühle wecken und so möglichst alle Menschen auf die gleiche, eingängigste Art anrühren. Alles Sprechende musste eliminiert werden, denn das Verstehenkönnen hing ja von einer Vorbildung ab, in der die höheren Gesellschaftsschichten immer noch einen Vorsprung besaßen.
    Nikolaus Harnoncourt schildert den Weg zu diesem Musikverständnis, das nur noch "für Ignoranten gut" ist: "Unter dieser Voraussetzung also hat Cherubini das alte Meister-Lehrling-Verhältnis im Conservatoire aufgehoben. Er ließ von den größten Autoritäten der Zeit Schulwerke schreiben, die das neue Ideal der >Égalité< in der Musik verwirklichen sollten. In diesem Sinne hat Baillot seine Violinschule, hat Kreuzer seine Etuden geschrieben ... So wurde das Sostenuto, die große Linie, das moderne Legato entwickelt ... Diese Revolution in der Musikerausbildung hat man derart radikal durchgeführt, dass innerhalb weniger Jahrzehnte überall in Europa die Musiker nach dem Conservatoire-System ausgebildet wurden ... Alles, was vorher wichtig war, wurde dadurch ausgelöscht!"
    Von 1790 an, so Harnoncourt, wurden praktisch alle alten Geigen so umgebaut, dass sie, angestrichen mit dem schweren, hartgespannten Bogen von Tourte, dreimal so laut klingen wie die Violinen von Mozarts Orchester, eben "lärmend", wie es der an die alten Instrumente gewöhnte Novello empfand. Die Tonarten wurden entsprechend der neuen égalité gleichschwebend gestimmt. Für die nun gar nicht mehr "chromatisch" klingende, aber weiterhin so genannte Zwölftonleiter mussten ganz andere Blasinstrumente erfunden werden, die nur noch mit Klappen zu bedienen waren. Damit verschwanden die verhangenen Klangfarben der schwierigen Töne in den exotischen Tonarten, die man bis dahin mit sogenannten Gabelgriffen erzeugt hatte. Die "kleinen Schattierungen, von denen die schönsten Wirkungen herkommen" und die Novello vermisst hatte, waren von nun an gar nicht mehr erwünscht und technisch kaum noch möglich. Bis auf den heutigen Tag blieb es den modernen Orchestern aufgrund ihrer Ausrüstung verwehrt, die "sprechenden" Notengruppen in Mozarts Kompsitionen auf natürliche Weise zu artikulieren, also verständlich zu machen.

    Mozarts Musik wurde quasi simplifiziert, sie sollte nur mehr grob die Gefühle ansprechen, damit man eben "entspannt" zuhören konnte, ohne Irritationen, ohne die "sprechenden" Motive. Das Publikum von damals kannte diese Dinge noch und verstand die Musik, und die Musiker wurden auch so ausgebildetet, dass sie die Musik automatisch richtig spielten und das richtige Gespür dafür hatten. Das ist im 19. Jahrhundert dann verloren gegangen, da wurden diese Dinge ausgemerzt, alles musste gleich und vor allem leicht verständlich klingen.
    Deswegen tu ich mir immer schwer, wenn es heißt, seine Musik sei entspannend oder so.


    (Mich würde aber interessieren worüber ihr geredet habt, zu welchen Schlüssen ihr gekommen seid! Was euch gefallen hat.)




    LG,
    Hosenrolle1

  • Liebe Mme. Cortese,


    Ich weiß nicht, ob meine Antwort die Frage zufriedenstellend klärt.


    In den Programmheften fallen Hinweise zum Regiekonzept eher spärlich aus, wie in den Einführungen. Das was auf der Bühne sich danach vollzieht, übersteigt das zuvor Gehörte oder Gelesene um vielfaches; und das ist noch untertrieben. Sehr exemplarisch dafür der Leipziger Freischütz oder die Münchner Frau ohne Schatten (obwohl da das Programmheft recht dick ist).


    Vor Konzerten (z.B. Beethoven, Mahler, Brahms), die keinen unmittelbaren Bezug zur Musiktheaterregie haben, gibt es jedoch ebenfalls Einführungen.


    Anscheinend ist sich eine Intendanz darüber im Klaren, dass unsere Voraussetzungen als Besucher recht unterschiedlich geartet sind und versucht dem gerecht zu werden. Ich bin sehr dankbar für Einführungen vor Opern und Konzerte und besuche diese regelmäßig.


    Eine Oper besteht nicht nur aus Musik und Gesang. Das "Rätselraten" motiviert mich in sehr hohem Maße eine Vorstellung erneut zu besuchen, weil für mich schöne Musik und Gesang vor allem in der irritierenden Perspektive des szenisch Rätselhaften besondere Intensität gewinnen.


    Liebe Hosenrolle I,


    wenn über die Regie eines Werkes, über Regieeinfälle diskutiert wird, bleibt der Bezug zum Werk gegeben. Selbst bei verunglückter Regie, die am Werk vorbei schrammt.
    „Herodes und Lagerfeld“ und „erstochen an Stelle von geköpft“, da muss ich passen, weil ich diese Regie nicht kenne. Es existiert für mich grundsätzlich kein Zwang die Salome in die Gegenwart zu setzen. Es stört mich aber auch nicht prinzipiell.


    Ob und wie eine Regie sich unmittelbar, mittelbar oder durch ihren Kontrast zur Partitur auf das Werk (bzw. was wir für das Werk halten) bezieht, darüber lässt sich sehr lange und ausführlich debattieren.


    Ja. Didaktisch zum Einstiegs pricht vieles für eine „buchstabengetreue“ szenische Umsetzung, selbst wenn ich eher dazu neige, es nur dem Schein nach als "buchstabengetreu" zu bestimmen.


    Dass sich bei dir bei „entspannt“ im Falle von Mozarts Hochzeit die Haare sträuben.
    Geschenkt !
    Entscheidend war doch, dass es nicht beim „entspannend“ blieb. Was deine Erfahrung mit Mozarts Musik betrifft, kann ich dir auch nur im allerhöchsten Maße beipflichten. Die Abend war in vielen Momenten glücklicherweise nicht entspannt, trotz höchster Unterhaltung und obwohl nicht HIP, sondern verstörend auch durch eine sensible und engagierte Regie.


    Ich vermute, dass im Falle Harnoncourts weniger bloße historische Rekonstruktion das Ziel war (du weißt das aber viel besser), sondern klangliche Schärfen bzw. was du als das Verstörende bestimmst, erfahrbar zu machen. So z.B. vermute ich es aus seinen Einspielung der Sinfonie Nr. 38 und 39.


    Worüber wir geredet haben. Oh je. Zu lange her. Z.B. ein Element daraus pauschal zusammengefasst, dass in der Hochzeit des Figaro Gewissheiten, Sicherheiten in Frage gestellt werden; beinahe ein Prozess des Zerfalls; in der Musik z.B. durch Fermaten, durch die Verwendung und Änderungen von Rhythmen, du kannst das aber viel genauer und besser präzisieren .
    Aber gilt Ähnliches nicht auch für Cosi fan tutte, die sich bei genauerer Beschäftigung als sehr düstere Oper entpuppt ?


    Herzliche Grüße


    Octavian

  • Die Regie respektiert das Publikum damit in hohem Maße, in dem sie nicht alles vorkaut (selbst wenn ich sehr gern auch einen konservativen Freischütz mit deutschem Wald goutiere), sondern die Fähigkeit zugestanden wird, als Hörer und Betrachter eigenständig Erklärungen zu suchen, zu finden, sowie Zusammenhängen erfassen und diese nachvollziehen.

    Ich stelle mir jetzt mal Besucher eines Konzertes von Alfred Brendel aus der Vergangenheit vor, einen Beethoven-Abend. Brendel spielt dort seine "Brendel-Appassionata", einen romantisierten Beethoven. Dann gibt es anschließend einen Aufstand im Publikum: "Wir wollen keinen Brendel-Beethoven hören, sondern einfach nur Beethoven. Brendel respektiert das Publikum nicht und hält es für dumm, indem er ihm seine Beethoven-Deutung aufzwingt. Und dann schreibt er auch noch darüber Bücher. Die wollen wir aber nicht lesen. Das Publikum will eigenständig Beethoven deuten und nicht vom Pianisten bevormundet werden. Wir verlangen von einem Pianisten reinen Notenpositivismus und sonst nichts."


    Was wird damit unterstellt?


    1. Das Publikum beansprucht die Deutungshoheit in Sachen Werk und Interpretation und spricht sie dem Künstler schlechterdings ab. Die Tätigkeit des ausübenden Künstlers wird auf die eines bloßen Technikers und Handwerkers bzw. Handlangers reduziert. Die vollkommene Erfüllung dieses Anspruchs wäre ein Musik-Computer, welchen das Publikum (im Auftrag des Komponisten, wenn der Komponist es selbst nicht mehr kann) programmiert.


    2. Es wird unterstellt, dass die Deutung des ausübenden Künstlers die Deutungsfreiheit des Publikums unzulässig einschränkt.


    Anmerkungen dazu:


    1. Dass dem Publikum irgendwo das deutungsfreie "reine Werk" begegnet, so wie es der Komponist gewollt hat, ist reine Illusion. Das Publikum hat sich in Wahrheit nur an eine bestimmte Aufführungtradition gewöhnt und hält jede Abweichung davon für "nicht werktreu".


    2. Das Argument der Einschränkung von Deutungsmöglichkeiten durch den ausübenden Künstler ist ein Scheinargument. Kein Publikum kann sich so einfach frei vorstellen, was es für Deutungsmöglichkeiten eines Werkes gibt. Möglichkeiten gibt es theoretisch viele, praktisch, als "reale Möglichkeiten", aber nur sehr wenige. Es sind Künstler wie Glenn Gould, Celibidache, Svjatoslav Richter oder Harnoncourt, die uns durch ihre unkonventionellen Interpretationen überhaupt erst klar machen: Man kann diese oft gehörten Werke auch ganz anders deuten, erleben. Gerade durch die engagierten Deutungen der Künstler wird der Geist des Publikums allererst bewegt, der zuvor träge einfach das Gewohnte konsumiert und nun sich fragen kann: Was ist eigentlich besser, richtiger etc.? Vorhin habe ich mir z.B. Schumanns "Dichterliebe" in der Interpretation von Dietrich Fischer-Dieskau und Christoph Eschenbach angehört. Eingehört in das Werk habe ich mich aber eigentlich durch die Aufnahme von Fritz Wunderlich. Es ist der Interpretationsvergleich, der mich anregt darüber nachzudenken, wie man die Schumann-Lieder - als Möglichkeit - interpretieren könnte. Wenn ich nur die Wunderlich-Aufnahme kennen würde, käme ich ganz real nie dazu.


    Schöne Grüße
    Holger

  • ch stelle mir jetzt mal Besucher eines Konzertes von Alfred Brendel aus der Vergangenheit vor, einen Beethoven-Abend. Brendel spielt dort seine "Brendel-Appassionata", einen romantisierten Beethoven.


    Durchaus ein kluges Argument Aber ich denke nicht, dass man das auf die Oper übertragen kann. In der Oper würde sich eine derartige Diskussion, wie in Deinem Beispiel, vielleicht auf der Ebene abspielen, ob zB Otello nach Verdis Intentionen mit einem eher "hellen" oder baritonal gefärbten Tenor zu besetzen ist, da mag das Beispiel passen.
    Die Dimension des Textes und der Szene incl. Regieanweisungen fehlt bei einem "Beethovenabend" doch völlig und darum geht es den Antiregietheateraktivisten ;) doch.

    res severa verum gaudium


    Herzliche Grüße aus Sachsen
    Misha

  • „Herodes und Lagerfeld“ und „erstochen an Stelle von geköpft“, da muss ich passen, weil ich diese Regie nicht kenne. Es existiert für mich grundsätzlich kein Zwang die Salome in die Gegenwart zu setzen. Es stört mich aber auch nicht prinzipiell.

    Um speziell auf den letzten Satz zu antworten: Christoph Blitt schrieb in einem Programmheft etwas sehr schönes über die fehlende Ouvertüre in der "Salome": (Hervorhebungen von mir)


    Zitat

    Richard Strauss überrumpelt sein Publikum in Salome. Er reißt es mitten hinein in das Geschehen, wenn er auf ein ausgedehntes instrumentales Vorspiel verzichtet. Nur wenige Sekunden gestattet er dem Orchester, allein zu spielen, bevor der erste Gesangseinsatz erfolgt. Dabei hätte der Stoff durchaus eine Ouvertüre vertragen können. Denn historisch und geografisch taucht die Geschichte der Salome tief hinab in die orientalische Schwüle einer heißen Nacht am Toten Meer zur Zeit des Königs Herodes. So wird hier eine Sphäre beschworen, die von der Lebenswirklichkeit eines mitteleuropäischen Opernpublikums sehr weit entfernt ist. Strauss hätte seine Zuhörer durch ein musikalisches Vorspiel abholen und langsam an den Stoff heranführen können. Er, der mit seinen bis dato komponierten zahlreichen Sinfonischen Dichtungen den wohl verdienten Ruf eines Klangmagiers genoss, hätte den versunkenen Orient in prächtigsten Farben vor den Ohren der Opernhausbesucher Stück für Stück entstehen lassen können. Aber genau das wollte Strauss nicht. Er wollte keine zeitliche und räumliche Distanz zwischen den gezeigten Vorgängen und dem Publikum aufbauen. Man soll vom ersten Moment an hineingezogen werden in diese so merkwürdige Feier am Hofe eines Provinzpotentaten. Die Wirklichkeit des festlichen Opernhauses soll ihre direkte Fortsetzung in der Party des Herodes finden.

    Schon alleine deswegen finde ich es wichtig, dass man die Salome auch in dieser Zeit zeigt, oder, anders gesagt: so, wie Oscar Wilde, dessen Regieanweisungen Strauss teilweise übernommen hat, es sich vorgestellt hat. Wenn man auf der Bühne statt dieser exotischen Atmosphäre eine Luxusvilla von heute sieht, dann funktioniert der o.g. Effekt, den Strauss erreichen wollte, nicht mehr.
    Was aber nicht heißt, dass ich ein "Gegner" von Aufführungen bin, die sich nicht extrem genau an das Libretto halten; nur bei der Salome bin ich doch dafür, dass die Inszenierung eher "abstrakt" ist, an keine bestimmte Zeit, keinen bestimmten Ort verlegt wird. Die Bühne darf gerne seltsame Formen zeigen, ungewöhnliche Beleuchtungen usw. - das sind dann die Inszenierungen, die ich mir gerne ansehe, wenn ich das Original schon gut genug kenne.



    Ja. Didaktisch zum Einstiegs pricht vieles für eine „buchstabengetreue“ szenische Umsetzung, selbst wenn ich eher dazu neige, es nur dem Schein nach als "buchstabengetreu" zu bestimmen.

    Ich möchte das gerne näher beschreiben, was ich mit "buchstabengetreu" oder mit "werktreu" meine.


    In Partituren finden sich normalerweise auch Regieanweisungen. (Vielleicht ist das bei Barockopern, mit denen ich mich überhaupt nicht beschäftige, anders). Bei manchen Stücken mehr (Wagner z.B.), bei anderen weniger (Mozart).


    Speziell bei Wagner fällt auf, dass er extrem viele Anweisungen setzt, die auch noch sehr präzise sind: er schreibt vor, wohin eine Person an einer bestimmten Stelle schauen soll, und ähnliche Dinge. Man merkt, dass er Musik und Bühnengeschehen sehr genau synchronisiert hat, er hat bestimmte Dinge, die da passieren, sorgfältig auskomponiert.


    Bei Mozart hat man mehr Freiheiten: er schreibt wenig Anweisungen, und dazwischen gibt es lange Passagen, wo nichts steht, und der Regisseur sich selbst etwas ausdenken muss.
    Hier finde ich es immer gut, wenn ein Regisseur vor allem auf die Musik(!) hört, denn die gibt schon sehr viele Dinge vor, die ihn dabei unterstützen können. Ich mag es, wenn ich merke, dass man auf die Musik geachtet hat, und nicht an ihr vorbeiinszeniert.


    Ein konkretes Beispiel aus dem Figaro: in einer Inszenierung aus Madrid hat während "Venite, inginocchiatevi" Susanna Cherubino ein bisschen als Frau hergerichtet, und dann der Gräfin, die sich ein Kleid angezogen hat, die Korsage hinten etwas enger geschnürt. Das war ein Regieeinfall, der NICHT in der Partitur steht, aber ich habe gemerkt, dass der Regisseur hier genau auf die Musik geachtet hat und dann kreativ war: das Korsett wurde genau bei "le mani sotto il petto" geschnürt, als die Bässe plötzlich für einen Takt drängende Achtelnoten auf demselben Ton spielen, so als würden sie die kurze Atemnot der Gräfin illustrieren.



    Wenn Regieeinfälle zur Musik passen, dann finde ich das durchaus interessant, und wenn es nicht zu verfälschend wird (beispielsweise die Guth-Inszenierung 2006), wäre das für mich auch werktreu. In vielen Inszenierungen aber läuft die Musik einfach nebenher ab, ohne dass es irgendeinen Bezug zum Bühnengeschehen gibt. Ob die Musik gerade spannend, fröhlich, traurig klingt ist völlig egal und hat nichts mit dem zu tun, was da oben passiert. Sowas mag ich überhaupt nicht.


    Kurzum: werktreu bedeutet für mich entweder, dass sich ein Regisseur genauestens an die vorgegebenen Regieanweisungen hält, oder, wenn diese spärlich ausfallen oder gar nicht vorhanden sind oder sein Regiekonzept völlig anders ist, möglichst auf die Musik hört und keine zu extremen Dinge tut, die gar nicht zu dem Stück bzw. den Figuren passen.


    Ein schönes Beispiel ist auch der Schleiertanz der Salome, der ca. 10 Minuten dauert und, von kurzen Hinweisen zu Beginn und am Ende abgesehen, keinerlei Anweisungen enthält. Ich habe kein Problem, wenn es auch mal Inszenierungen gibt, die hier z.B. mit Videoprojektionen arbeiten, oder anderen "modernen" Mitteln - solange es nur zur Musik passt! Die Musik hat nämlich eine großartige, ganz eigene Dramaturgie, und wenn ein Regisseur nicht darauf achtet, dann ist sie unnütz. Wie oft sieht man, wie Salome zur langsamen Musik manisch herumläuft, wie die Musik Spannung aufbaut bis zu einem lauten Höhepunkt, während sie auf der Bühne regungslos herumsitzt? Sowas sollte m.E. nicht sein.



    Worüber wir geredet haben. Oh je. Zu lange her. Z.B. ein Element daraus pauschal zusammengefasst, dass in der Hochzeit des Figaro Gewissheiten, Sicherheiten in Frage gestellt werden; beinahe ein Prozess des Zerfalls; in der Musik z.B. durch Fermaten, durch die Verwendung und Änderungen von Rhythmen, du kannst das aber viel genauer und besser präzisieren .
    Aber gilt Ähnliches nicht auch für Cosi fan tutte, die sich bei genauerer Beschäftigung als sehr düstere Oper entpuppt ?

    Zum Figaro: es war auf jeden Fall ein revolutionäres Stück, in der Oper kommt mir das leider doch zu kurz. Im dritten Teil der Figaro-Trilogie sind Graf und Gräfin ja bürgerlich, und Susanna und Figaro ein "gelangweiltes" Ehepaar mit grauem Alltag.


    Das Ende von Cosi fan tutte ist natürlich auch kein richtiges Happy End: zurück bleiben stark verunsicherte Leute. (Kurze Frage: kannst du Noten lesen?)




    LG,
    Hosenrolle1

  • Ich stelle mir jetzt mal Besucher eines Konzertes von Alfred Brendel aus der Vergangenheit vor, einen Beethoven-Abend. Brendel spielt dort seine "Brendel-Appassionata", einen romantisierten Beethoven. Dann gibt es anschließend einen Aufstand im Publikum: "Wir wollen keinen Brendel-Beethoven hören, sondern einfach nur Beethoven. Brendel respektiert das Publikum nicht und hält es für dumm, indem er ihm seine Beethoven-Deutung aufzwingt. Und dann schreibt er auch noch darüber Bücher. Die wollen wir aber nicht lesen. Das Publikum will eigenständig Beethoven deuten und nicht vom Pianisten bevormundet werden. Wir verlangen von einem Pianisten reinen Notenpositivismus und sonst nichts."


    Es würde mich aber interessieren, wie du, gesetzt den Fall, du sitzt im Publikum, reagieren würdest, wenn der Pianist die Appassionata mit ein bisschen Rock-und Popmusik anreichern würde, weil man das Stück, so wie es Beethoven geschrieben hat, dem heutigen Publikum mit seinen geänderten Hörgewohnheiten angeblich nicht mehr zumuten kann bzw. ein neues Publikum anlocken möchte. Nota bene: Im Programm wird eindeutig Beethovens Sonate angekündigt, ohne irgendwelche Hinweise wie "in der Bearbeitung von...". Nach allem, was man den Opernregisseuren zubilligt, müsstest du auch so etwas für völlig legitim halten.

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Nota bene: Im Programm wird eindeutig Beethovens Sonate angekündigt, ohne irgendwelche Hinweise wie "in der Bearbeitung von...". Nach allem, was man den Opernregisseuren zubilligt, müsstest du auch so etwas für völlig legitim halten.

    Naja, das Publikum stört aber auch nicht, wenn "Bach" angekündigt wird, und auf einem modernen Flügel gespielt wird, oder "Mozart Oboenkonzert" angekündigt und dann auf einer modernen Oboe gespielt wird - solange es nur nicht zu extreme Interpretationen sind.
    Wenn man einen "echten" Mozart oder einen "echten" Bach fordert, sollte diese Forderung auch das korrekte Instrumentarium inkl. korrekter Stimmung einschließen, denke ich.




    LG,
    Hosenrolle1

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  • oder "Mozart Oboenkonzert" angekündigt und dann auf einer modernen Oboe gespielt wird - solange es nur nicht zu extreme Interpretationen sind.


    Es würde es aber sicherlich nicht goutieren, wenn es ohne besonderen Hinweis auf dem Saxophon oder der Posaune gespielt würde - oder siehst du das anders?

    Gott achtet mich, wenn ich arbeite, aber er liebt mich, wenn ich singe (Tagore)

  • Was soll eigentlich dieser häufige Vergleich der Interpretation eines reinen Musikstückes mit der Inszenierung einer Oper? Natürlich ist auch hier die Interpretation, aber ich konnte in den verschiedenen Interpretationen immer noch das Stück erkennen, während bei der Oper heute meist das Stück nicht mehr zu erkennen ist. Jeder x-beliebige Regisseur glaubt, dass er mit dem Werk nach seinem Gutdünken umspringen könne und die eigentliche Handlung nach seiner irrigen Phantasie zerstören könne.
    Wie schon gesagt, ich habe viele Opern in verschiedenen Inszenierungen gesehen, aber immer wurde die eigentliche Handlung nicht willkürlich total über den Haufen geworfen oder durch absurde oder alberne Elemente ergänzt, die nicht dazu passten. Und - und das wiederhole ich noch einmal - ich glaube, dass der Zuschauer das Recht darauf hat, das auf den Aushängen angekündigte Werk aus zu sehen. Das, was heute geschieht ist für mich dasselbe, als wenn mir ein hochwertiges Produkt vorgetäuscht wird und ich feststellen muss, dass mir nur Schrott angeboten wird.


    Liebe Grüße
    Gerhard

    Regietheater ist die Menge der Inszenierungen von Leuten, die nicht Regie führen können. (Zitat Prof. Christian Lehmann)